Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer
Der Konflikt um den rechtmäßigen Besitz des Fürstentums Geldern zwischen Ks. Karl V. und Hg. Wilhelm von Jülich-Kleve beschäftigte die Reichsstände, den König und die ksl. Kommissare vom Anfang bis zum Ende des Reichstags. Beide Parteien, die in Nürnberg einerseits durch die Gesandten Kgn. Marias und den ksl. Orator Nicolas de Granvelle, andererseits durch die Räte Hg. Wilhelms vertreten waren, wandten sich an die Öffentlichkeit des Reichstags, z.T. auch in Form von deutschen und lateinischen Flugschriften1. Bereits am Tag der Verlesung der kgl. Proposition, am 31. Jan. 1543, trugen die burgundischen Gesandten den Reichsständen die Anschuldigungen Kgn. Marias gegenüber dem Herzog vor und legten als Beweis für dessen kriegerische Absichten und sein Bündnis mit Frankreich die Kopien zweier abgefangener Briefe des französischen Beauftragten in Kleve, Sr de Serrant, ihrem Vortrag (Nr. 202) bei. Die Beilage von umfangreichen, durch historische Argumentation gekennzeichneten „Beweisen“ ist für alle zwischen Burgund und Jülich gewechselten Streitschriften charakteristisch. Da es sich bei diesen „Beweisen“, welche oft auch vor den Reichsständen verlesen wurden, meist um Wiederholungen und Akzentuierungen der gegenseitigen Vorwürfe handelt, wurde auf den Abdruck verzichtet, die Beilagen sind stattdessen meist am Ende des jeweiligen Aktenstücks z.T. in Form von Kurzregesten angeführt.
Mehr als einen Monat nach dem Vortrag der burgundischen Gesandten, am 2. März 1543, kamen die jülichschen Räte in Nürnberg an und teilten dem Herzog sofort brieflich mit, dass eine Rechtfertigung seiner Position angesichts der burgundischen Vorwürfe dringend nötig erscheine und von den Reichsständen erwartet werde. (Nr. 203). Am 12. März war die Rechtfertigung der jülichschen Räte mit Unterstützung der kursächsischen Gesandten fertig gestellt (Nr. 204); sie übergaben diese gemeinsam mit drei jülichschen Klagschriften über die burgundischen Überfälle und die Folgen des Krieges (Nr. 205) den Reichsständen. Am selben Tag verwahrten sich auch die Gesandten des Bf. von Münster gegen den burgundischen Vorwurf der Kooperation mit Frankreich (Nr. 206). Die jülichschen Räte berichteten ihrem Herrn ausführlich von diesen Vorgängen im Reichsrat (Nr. 207).
Am 17. März traten die Jülicher abermals mit einem mündlichen Bericht vor die Reichsstände, in welchem sie über das Scheitern der Friedensverhandlungen von Aachen bzw. Maastricht berichteten, welche parallel zum Reichstag unter Vermittlung der rheinischen Kurfürsten und des Lgf. von Hessen stattfanden (Nr. 208); dieses Scheitern legten sie ausschließlich der gegnerischen Seite zur Last. Sobald die Reichsstände vom Misserfolg der Friedensverhandlungen unterrichtet waren, beschlossen sie, sich zur Wiederherstellung des inneren Friedens im Reich um Konfliktvermittlung zu bemühen. Die Augsburger Konfessionsverwandten, welche wegen der Priorität von Friede und Recht ihre Teilnahme an Beratungen mit den altgläubigen Reichsständen bisher verweigert hatten, erklärten ihre Bereitschaft, sich an Beratungen über einen Frieden in Jülich gemeinsam mit den anderen Ständen beteiligen zu wollen (Nr. 209).
Am 21. März kam es abermals zu einem ausführlichen Schriftwechsel zwischen den beiden gegnerischen Parteien im Reichsrat. Die Gesandten Kgn. Marias legten einen Gegenbericht zur jülichschen Rechtfertigung mit einer beiliegenden gedruckten „Confutatio“ vor (Nr. 210 samt Beilage 1), worauf die Jülicher am selben Tag replizierten (Nr. 211). Am 22. März ersuchten die Reichsstände Kg. Ferdinand und die ksl. Kommissare, danach auch Granvelle, sich gemeinsam mit ihnen um Vermittlung eines Friedens zu bemühren (Nr. 212). Diese Initiative war der Beginn der Verhandlungen zur Lösung des Geldernkonflikts, an welchen ein reichsständischer Ausschuss, Kg. Ferdinand und die ksl. Kommissare, der ksl. Orator Granvelle und die burgundischen und jülichschen Gesandten beteiligt waren. Die erste Stellungnahme Granvelles und der burgundischen Gesandten zur Initiative der Reichsstände erfolgte am 28. März (Nr. 214) und ließ keinerlei Kompromissbereitschaft erkennen.
Die jülichschen Räte berichteten dem Herzog in mehreren Schreiben über die Verhandlungen in der Geldernfrage zwischen 22. März und 5. April (Nr. 213, Nr. 215–217), bei denen es u.a. um den Vorschlag der Sequestration Gelderns durch die Reichsstände ging. Dieser Vorschlag wurde von Hg. Wilhelm vehement abgelehnt und er erteilte seine Räten am 7. April weitere Instruktionen für die Geldernverhandlungen (Nr. 219). Auch Lgf. Philipp von Hessen machte in einem Schreiben an seine Räte Vorschläge zur Lösung des Geldernproblems (Nr. 218). Da die Verhandlungen wegen der fehlenden Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten ins Stocken geraten waren, wiesen die Reichsstände in einer am 7. April dem König und den ksl. Kommissaren übergebenen Denkschrift nochmals auf die Notwendigkeit eines Waffenstillstands zwischen Burgund und Jülich hin (Nr. 220). Mehrere kfl. Räte traten an Granvelle mit der Bitte um Unterstützung bei der Beilegung des Konflikts heran (Nr. 221). In ihrer Antwort auf diese Bitte beharrten Kg. Ferdinand, die ksl. Kommissare und Granvelle jedoch auf dem unverbrüchlichen Rechtsanspruch des Kaisers auf Geldern und forderten die Restitution des Fürstentums durch Hg. Wilhelm an den Kaiser (Nr. 222). Über den weiteren Verlauf der Geldernverhandlungen vom 9. bis zum 11. April berichteten die jülichschen Räte in zwei Schreiben an ihren Auftraggeber (Nr. 223–224).
Der Vorschlag des Geldernausschusses, das Fürstentum Geldern durch Karl V. als brabantisches Afterlehen an Hg. Wilhelm zu vergeben (Nr. 225), wurde von Granvelle und den burgundischen Gesandten ebenfalls abgelehnt (Nr. 226). Am 18. April kam es zur Verlesung eines Schreibens von Hg. Wilhelm an die Reichsstände, worin er sie mit Hinweis auf den Bruch des Landfriedens durch die Burgunder um ihre Unterstützung in dieser Auseinandersetzung ersuchte (Nr. 227). Am 20. April unterbreitete der Geldernausschuss den jülichschen Räten neuerlich Vorschläge für eine Lösung des Konflikts (Nr. 228). Von 21. bis 23. April kam es dann zu weiteren Verhandlungen des Geldernausschusses über mögliche Konditionen für einen Waffenstillstand (Nr. 229), wobei vor allem strittig war, dass Hg. Wilhelm die von seinen Truppen eroberten Städte und Festungen bis zum Inkrafttreten eines endgültigen Friedens an Kgn. Maria übergeben sollte. Am 24. April, also einen Tag nach Ende des Reichstags, lag ein Vorschlag für einen Waffenstillstand vor (Nr. 230), worüber Granvelle dem Kaiser berichtete (Nr. 231). Es kam zu keiner Einigung der feindlichen Parteien über den Vorschlag und mehrere Vertreter des Geldernausschusses reisten aus Nürnberg ab. Der Ausschuss meldete dem Herzog am 26. April das Scheitern der Verhandlungen für einen Waffenstillstand (Nr. 232).
Zwei Berichten der jülichschen Räte vom 28. April (Nr. 233–234) ist zu entnehmen, wie es zwischen dem 26. und 28. April durch weitere Verhandlungen der in Nürnberg verbliebenen Ausschussvertreter mit Granvelle letztendlich doch zu einer Einigung über einen Waffenstillstand im Sinne Granvelles kam. Die jülichschen Räte akzeptierten die für die burgundische Seite günstigen Konditionen im Namen Hg. Wilhelms wider besseres Wissen und wider die herzoglichen Instruktionen, nicht zuletzt auf Grund der Überredungskünste der Ausschussmitglieder. Am 28. April 1543 wurde der Waffenstillstand zwischen Nicolas de Granvelle und den Räten Hg. Wilhelms abgeschlossen (Nr. 235). Er sollte ab 10. Mai 1543 in Kraft treten und ab der Ankunft des Kaisers im Reich, die man ehebaldigst erwartete, zwei Monate dauern. Die in Nürnberg verbliebenen Vertreter des Geldernausschusses baten den Herzog, dem von seinen Gesandten ausgehandelten Waffenstillstand zuzustimmen (Nr. 236). Den aus Nürnberg abgereisten Ausschussmitgliedern berichteten sie über den erfolgreichen Vertragsabschluss und wiesen auf die Notwendigkeit weiterer Friedensverhandlungen und eine entsprechende Werbung beim Kaiser hin (Nr. 237). Nicolas de Granvelle erstattete dem Kaiser Bericht über die Ereignisse zwischen dem Ende des Reichstags und dem Abschluss des Waffenstillstands (Nr. 238).
Am 1. Mai, also einige Tage nach Abschluss des Waffenstillstands, erging ein Schreiben Hg. Wilhelms an seine Räte in Nürnberg, in welchem er alle bisher zu seiner Kenntnis gelangten Vorschläge für einen Waffenstillstand ablehnte (Nr. 239); die Begründung für diese Ablehnung lieferten die Räte am Hof Hg. Wilhelms in einem Schreiben aus Roermond vom 3. Mai (Nr. 240). Am 8. Mai berichteten die jülichschen Räte, die bereits aus Nürnberg abgereist waren, Kgn. Maria vom Abschluss des Waffenstillstands, mussten aber gleichzeitig dessen Ablehnung durch Hg. Wilhelm eingestehen (Nr. 241). Kgn. Maria kritisierte in einem Schreiben vom 19. Mai an Bgm. und Rat von Straßburg die Ablehnung des Waffenstillstands durch Hg. Wilhelm aufs schärfste und ersuchte die Stadt um Unterstützung des Kaisers (Nr. 242). Eine militärische Eskalation des Konflikts rückte nach dem Scheitern der in Nürnberg geführten Friedensverhandlungen immer näher und gipfelte im Feldzug Karls V. gegen Hg. Wilhelm. Dieses militärische Kräftemessen im Aug. 1543 endete mit der Niederlage des Herzogs, der im Vertrag von Venlo (1543 Sept. 7) auf Geldern und Zutphen verzichten musste.
Nr. 202 Vortrag der Gesandten Kgn. Marias vor den Reichsständen – verlesen Nürnberg, 1543 Jan. 31
Nr. 205 Drei von den jülichschen Räten übergebene Supplikationen – verlesen Nürnberg, 1543 März 12
Nr. 217 Berichte über die Verhandlungen in der Geldernfrage – Nürnberg, 1543 April 5
Nr. 230 Vorschlag für einen Waffenstillstand zwischen Burgund und Jülich – Nürnberg, 1543 April 24