Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Bedauern der ablehnenden Erklärung des Kgs. zur Freistellung. Beharren auf dem Widerspruch der CA-Stände gegen den Geistlichen Vorbehalt beim RT 1555. Bekräftigung der Ablehnung unter Protest. Keinerlei Unterstützung von Exekutionen des Geistlichen Vorbehalts durch die CA-Stände. Keine Infragestellung des Religionsfriedens.

Konzipiert von den kursächsischen Gesandten. In der Versammlung der CA-Stände vorgelegt am 28. 2. 15571. Dem Kg. vorgebracht am 12. 3.2 Im Ausschuss zur Prüfung des RAb verlesen und übergeben am 14. 3.3 Von den CA-Ständen kopiert am 15. 3.4

HHStA Wien, MEA Zollsachen 1 Fasz. 35, fol. 180–184’ (Kop. Überschr.: Protestation der augspurgischen confession vorwandten stende uber den artickel, der geistlichen furbehalt oder freystellung belangendt. Fur der röm. kgl. Mt. gescheen 12. Martii 1557 auff dem reichstage zu Regenspurg. Zusatz von Hd. Bagen: Freistellung. Disse protestation ist den 14. Martii 1557, als man in verlesung des abschiedts gewesen, durch den pfaltzischen hofmeister Eberten [!] von der Dan in dem gemeinen ausschuß zu abhorung des abschiedts also in schrifften ubergeben. Nota: Seindt etliche schrifften zwuschen den confessionisten und der kgl. Mt. der freistellung [wegen] ergangen, aber seindt nit publiciert6 , hab die auch nit gesehen.) = Textvorlage. HStA Weimar, Reg. E Nr. 181, fol. 36a–40’ (Kop. mit wenigen Korrekturen. Überschr.: Der augspurgischenn confessions vorwanntenn stennde ubergebenne protestation unnd bedingung uff der kgl. Mt. resolution, der geistlichenn vorbehalt halbenn. Freistellunge. Ubergebenn der kgl. Mt. denn 12. Martii anno 57.) = B. HStA München, K. blau 106/3, fol. 494–500’ (Kop. ebenfalls mit wenigen Korrekturen. Dorsv.: Copia protestationis, so kgl. Mt. bei verlesung des jetzigen reichstags abschiedts zuuberraichen sein solt. Ist also der kgl. Mt. freitags, den 12. Martzo, ubergeben unnd dann sontags, den 14. desselben monats, bei abhorung des abschidts den deputirten und maintzischen cantzler auch ein copei davon zugestelt, solichs dem Reichs prothocoll einzuverleiben und zu prothocolliren.) = B*. HHStA Wien, RK RTA 38, fol. 472–476’ (Kop. Dorsv.: Protestation, der römischen kgl. Mt. durch der augspurgischen confessions verwanndten stennd denn 12. Martii anno 57 zu Regenspurg übergebenn.) = C. HStA Stuttgart, A 262 Bü. 50, fol. 638–642’ (Kop.). HStA Düsseldorf, JB II 2295, fol. 105–109’ (Kop.). GStA PK Berlin, I. HA Rep. 10 Nr. X Fasz. E, fol. 81–84’ (Kop.). Druck: Erstenberger, Autonomia, 32–34’; Lünig, Reichsarchiv, Partis generalis continuatio [1], [2. Teil], [1. Fortsetzung], 26 f.; Moser, Staatsrecht XII, 200–203. Teildruck: Lampadius, Deduction, 98–100. Knapp referiert bei Häberlin  III, 158; Janssen, Zustände, 67; Westphal, Kampf, 66; Laubach, Ferdinand I., 194 f.

/181/ An den Kg.: Die RT-Gesandten der CA-Stände haben ihre Herren und Obrigkeiten über den Verlauf der Debatte zum Geistlichen Vorbehalt, der in einem sonderlichen artickel dem religion friden zu Augspurg zugesatzt, informiert.

In deren Auftrag bringen sie dem Kg. nunmehr vor, dass diese sich nach gestalt der zu Augspurg verlauffener handlung, auch des, was sich euer kgl. Mt. gegen etzlichen chur- und fursten in den werbungen, so des personlichen erscheinens und des doran angehengkten, der freistellung artickels halben gescheen, gnedigst erbietten lassen7, in underthenigkeit solcher resolutionena nicht versehen. Und sei dieselbigenb ihren kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunstenc zum hochsten bedencklich, schmertzlich und beschwerlich.

/181 f./ Die CA-Stände verweisen auf die Ursachen und Beweggründe, derentwegen sie auf dem RT 1555 den Geistlichen Vorbehalt abgelehnt haben. Sie haben diese Motive in der Erklärung vom 22. 12. 15568 , auf die sie sich hiermit berufen, wiederholt. /181’/ Und zweifeln undertheniglich gantz nicht, euer röm. kgl. Mt. werden dieselbige also geschaffen befinden, das sie dessen alles gutte, erhebliche und cristliche ursachen gehabt und esd irer gewissens halben nicht umbgehen mogen.

Wiewol aber an im selbst unleugbar ist, das berurter punct der geistlichen furbehalt dem religion friden zugesatzt, so verhoffen doch ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten gentzlichen, es werde menniglichen aus dem buchstaben desselbigen zuersehen haben, das er nicht mit ihrene kfl. unnd f. Gnn., Gnn. und Gunsten bewilligung, sondern aus euer röm. kgl. Mt. f–bewegnus also einverleibt–f und gesatzt sey.

So seint auch daneben ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten uf beyde, jungst zu Augspurg und itzt von hinnen /182/ ab, gnugsam relation gescheen, waser gestalt dieg ding in reten und fur euer röm. kgl. Mt. furgelauffen, und das zu erclerung ihrer kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten dissens, auch zu befreihung derselbigen gewissen die wort: „Welchs sich aber beider religions stende nicht vorgleichen konnen“, berurter constitution premittirt und furgesatzt worden, inmassen dan euer röm. kgl. Mt. ihrer kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten gesandten des underthenigst erinnerung und ausfurung gethan und dieselbige in schriften den 12. Februarii ubergeben9. Dorauf sich ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten auch getzogen und es darbey wenden lassen wollen.

Es zweifeln auch ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten gantz nicht, euer romische kgl. Mt. werden aus allerhandt ergangener handlung, bescheenen relationen und ubergebenen schriften gnediglich befinden, das ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten aus cristlichem, treuem bedencken und mit sonderlicher erclerung ihres fridtliebenden gemuets (der geistlichen standt und gutter, dieselbige in keine zerruttung und prophanation zubringen, belangendt) disen punct auf disen Reichs tagk erwegen und anbringen lassen, und das ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten nicht anders gesucht und gemeinet, dan domit die ehr Gottes zubefordern, das hochschedlich misvortrauen aufzuheben /182’/ und mehr guts vertrauen im Reich zu pflantzen und die religion desto schleuniger zu cristlicher vergleichung und reformation zubringen.

Und haben sich dorauf ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten nicht vormutten mogen, das denselbigen von den stenden der andern religion nicht allein alle handlungen in solchem ihrem treuem bedencken abgeschlagen, sondern auch von euer röm. kgl. Mt. daruber solte aufferlegt und zugemessen werden wollen, als hetten ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten den berurten punct der geistlichen furbehalt wie andere verglichene und beschlossene artickel einzuverleiben bewilligt10.

Wiewol nun ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten daruber, das sie solche dinge im Reich aus angetzogenen hochwichtigen ursachen antzubringen, zuberatschlagen, antzulangen, zubitten und zubefordern sich als Reichs stende schuldig geachtet, ferner der geistlichen eigenen sachen nichth eingreiffen wollen, auch ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten gemuet nicht ist, derhalben zu eyniger zerruttung oder anderm ursach zu geben, so konnen sie doch doneben auf ihren gewissen nicht liegen oder dieselbige domit, als hetten ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten einige constitutioni, /183/ so ihrer wahren cristlichen lehr, glauben und gewissen zuwider, bewilligt, beladen lassen.

Und haben dorauf ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten uns, iren kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten dienern und abgesandten, mit ernstj bevolen und aufferlegt, im namen und an stadt ihrer kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten fur euer röm. kgl. Mt. k offentlich mundtlich und schriftlich zu protestiren, zubedingen und zu declariren, betzeugen auch solches fur Gott dem almechtigen, das ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten in den berurten punct der geistlichen furbehaldt, dem religion friden zu Augspurg zugesatzt, anfahendt: „Und nachdem bey vergleichung etc.“11, niemals gewilligt, auch nochmals ihres gewissens halben nicht willigen konnen oder wollen.

Doneben auch ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten ditz ercleret haben wollen, wan sich daruber ein fall itzt oder kunftig begeben und zutragen solte, das von wegen der angenomenen augspurgischen confession eyniger geistlicher seines standes, wirden, benefitien oder offitien solte entsatzt und benomen werden, das sie nicht allein derhalben in ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten gewissen befreyet, sondern auch denselbigen in oder ausserhalb des /183’/ rechtens nicht verdammen, mit der that oder in andere wege mit nichten verfolgen helffen wollen, inmassen sie auch die execution des landfridens, dem religion- und prophan friden angehangen12, auff berurten fall wider die geistlichen furzunemen ihrer kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten halben niemals verstanden oder derhalben bewilligt, auch nochmals nicht verstanden noch bewilligt haben wollen. Dan ihren kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten keins wegs geburen und getzimmen will, und ist inenl vor Gott dem almechtigen unverantwortlich, an eynem ort ihre christliche religion fur wahr zu bekennen und am andern dieselbige sambt ihren glaubens genossen und christliche glider zuverdammen, zu straffen und verfolgen zu helffen.

Es ist aber doneben ihrer kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten gemuetm gantz nicht, den religion friden yn eynige disputation, zerruttung und aufhebung zubringen oder zu weitleuftigkeit ursach zu geben, dan berurter punct des furbehalts je kein substantz des fridens ist. So werden auch mit solchem furbehalt ihr kfl. und f. Gnn. einigs fridens halben reciproce gegen /184/ den andern stenden in gantz nichts verbunden, sondern berurter artickel belangt allein der geistlichen unter inen satzungen und ordnungen und beruhet auf derselbigen verantwortung.

Wan auch die stende der andern religion derhalben eynigen gedancken schepffen oder selbst zerruttung daraus suchen wolten, hetten sie darzu keine ursach.

Es versehen sich aber ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten13, beruerte der andern religion verwandte werden den friden in allen und jeden puncten, des man sich reciproce mit hohen, an eides stadt beteuerten zusagen verglichen und vereynigt, treulich nachsetzen. Welchs auch nicht weniger neben der kayserlichen undn euer röm. kgl. Mt. ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten zum hochsten gemeinet. Es haben aber ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten solche nothwendige protestation, declaration und erclerung ihres dissens in dem punct der geistlichen furbehalt ihres gewissens halben nicht umbgehen konnen. Bitten dorauff euer röm. kgl. Mt. gantz undertheniglich, euer kgl. Mt. wollen derselbigen allergnedigst eingedenck sein und die dinge nicht anders, dan als dieselbige allein zu befreihung der gewissen gemeinet, /184’/ vaterlich versteen und aufnemen. Dan ihr kfl. und f. Gnn., Gnn. und Gunsten zu allem fridtlichen wesen im Reich und des geliebten vatterlandes ehr, nutz und wolfart zubefordern und euer röm. kgl. Mt. underthenigsten schuldigen gehorsam zu leisten willig und erbottigo sein.

p– Unterzeichnet von den Gesandten der CA-Stände auf dem RT –p.

Anmerkungen

1
 Nr. 384.
2
  Kurpfalz C, fol. 204’ f. [Nr. 386].
3
  Kurmainz B, pag. 853 f. [Nr. 350].
4
 So die Aufschr. der Kopp. in HStA Stuttgart (vgl. oben); HStA München, K. blau 271/12, fol. 176–181’; GLA Karlsruhe, Abt. 50 Fasz. 90a, Prod. 59.
5
 In diesem Faszikel sind die auf dem RT 1556/57 übergebenen Proteste (nicht nur Zollsachen) abgelegt.
6
 Vgl. dagegen die Lectum-Vermerke auf Aktenabschriften auch katholischer Reichsstände bei den vorausgehenden Stücken zur Freistellung.
7
 Bezugnahme auf die mit der Werbung um das persönliche Erscheinen der Kff. und wichtiger Ff. im Oktober 1556 vorgebrachte Forderung Kg. Ferdinands um Anweisung an die jeweiligen RT-Gesandten, die Freistellungsdebatte nicht zu unterstützen, es beim Religionsfrieden zu belassen und die Hauptverhandlungen aufzunehmen. Dafür sagte Ferdinand zu, er werde, falls die angestrebte Religionsvergleichung scheitere, beim RT mit Rat der Stände zur Freistellung alles tun, was ihm verantwortlich sei (vgl. Einleitung, Kap. 4.1.1 mit Anm.1720). Vgl. auch Anm.3 bei Nr. 358.
a
 resolutionen] In B, B*, C: resolution.
b
 dieselbigen] In B, B*, C: dieselbige.
c
 Gnn. und Gunsten] In B* hier und im Folgenden jeweils nachträglich eingefügt.
8
 Nr. 503.
d
 es] In B und B* jeweils korr. aus: dieselbige. In C: deß.
e
 ihren] In B: irer. B* und C wie Textvorlage.
f–
 bewegnus ... einverleibt] In B und B* korr. aus: macht also declarirt, constituirt unnd gesatzt seie, darinnenn euer röm. kgl. Mt. iren chur- und f. Gnn. keine maß oder ordenunge gebenn konnen.
g
 die] In B, B*, C: diese.
9
 Bezugnahme auf die Replik der Gesandten der CA-Stände [Nr. 505], die sie am 12. 2. beschlossen, dem Kg. aber erst am 17. 2. übergaben. Dort Nachweis und Erläuterung oben geschilderter Vorgänge beim RT 1555.
10
 Vgl. Antwort und Duplik des Kgs. [Nrr. 504, 507].
h
 nicht] In B und B* danach gestrichen: anmassen oder.
i
 constitution] In B danach gestrichen. oder declaration. In B* und C enthalten.
j
 mit ernst] In B: einmal. B* und C wie Textvorlage.
k
 Mt. ] In B und B* danach gestrichen: und fur dem ganntzenn Reich.
11
 Religionsfrieden (Art. 6) im RAb 1555, § 18: Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 390, hier S. 3109 f.
12
  EO im RAb 1555, §§ 33–103: Ebd., Nr. 390, hier S. 3114–3136.
l
 und ist inen] In B: es ist auch inenn. C wie Textvorlage. B* wie Textvorlage, korr. aus: es ist auch inen.
m
 gemuet] In B* korr. aus: meinung.
13
 Die Hgg. von Sachsen billigten in der Weisung vom 15. 3. 1557 (Weimar) an ihren Gesandten Tangel den Protest mit Ausnahme dieses folgenden letzten Absatzes, der nach ihrem Dafürhalten gestrichen werden sollte, /233’/ domit die kleinmutigkeit dieses teilß bey dem andern teil nicht dermassen zuvormerken gewest (HStA Weimar, Reg. E Nr. 179, fol. 231–235’, hier 233’. Konz.).
n
 der kayserlichen und] In B und B* Einfügung am Rand.
o
 willig und erbottig] In B: schuldig unnd willig. B* wie Textvorlage. In C: urbittig.
p–
 Unterzeichnet ... RT] Fehlt in B, B*, C.