Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Aufnahme des Geistlichen Vorbehalts in den Religionsfrieden und in den RAb 1555 mit Vorwissen und Bewilligung der Stände beider Religionsparteien. Rechtmäßigkeit des Geistlichen Vorbehalts. Besiegelung des RAb auch durch die CA-Stände mit der Zusage, alle Artikel anzuerkennen und zu vollziehen. Keine Kompetenz des Kgs. zur Änderung des RAb. Beharren auf dem Geistlichen Vorbehalt. Aufforderung, auf die Freistellung zu verzichten und die Hauptberatungen des RT abzuschließen.

Den CA-Ständen übergeben1 und kopiert am 27. 2. 1557.

HHStA Wien, RK RTA 38, fol. 391–393’ (Kop. Dorsv.: Römischer kgl. Mt. anndere antwort, den stennden, der augspurgischen confession verwandt, der freistellung halben gegeben.) = Textvorlage. HStA München, K. blau 107/2b, unfol. (Kop. Dorsv.: Kgl. Mt. annderwerb [!] resolution in causa der freistellung, den abgesandten pottschafften der confessions verwandten stenndt sambstags, den 27. Februarii, uberraicht.) = [B]. HStA Stuttgart, A 262 Bü. 50, fol. 573–576 (Kop. Überschr.: Resolution der römischen kgl. Mt. uff der augspurgischen confession verwanndten bedenckhen, der gaistlichen vorbehalt oder freistellung betreffend. No. 156. Lectum 27. Februarii anno 1557.) = [C]. HStA Düsseldorf, JB II 2295, fol. 101–103’ (Kop.). HStA Weimar, Reg. E Nr. 181, fol. 33a–36 (Kop.). GStA PK Berlin, I. HA Rep. 10 Nr. X Fasz. E, fol. 69–70’ (Kop.). Druck: Erstenberger, Autonomia, 30–31’; Lünig, Reichsarchiv, Partis generalis continuatio [1], [2. Teil], [1. Fortsetzung], 7 f.; Goldast, Reichssatzung I, 290 f.; Moser, Staatsrecht XII, 198–200. Teildruck: Lampadius, Deduction, 97 f. Referiert bei Wolf, Geschichte, 57 f.; Laubach, Ferdinand I., 193 f.

/391/ Kg. hat das zweite Vorbringen der Gesandten der CA-Stände von wegen des punctens der geistlichen vorbehalts oder freistellung2, in dem jungsten augspurgischen beschlossenen, aufgerichten unnd verabschidten religion friden begriffen, vernommen.

Kg. erinnert die Verhandlungen auf dem RT 1555, die aufgrund der Differenzen zwischen beiden Religionsparteien dazu geführt haben, dass sie eine geteilte Resolution übergeben haben. Daraufhin hat Kg. nach langer, hin unnd wider gephlegner unnderhanndlung mit beder taill guetem wissen unnd willen die declaration unnd erclerung angeregter der geistlichen vorbehalts halben gethon unnd dem religion friden im abschid also einleiben lassen. Wie dann solcher vorbehalt inen, den geistlichen, mit fueg nit verwidert, sonnder dem rechten, des Heilligen Reichs constitutionen unnd sonnderlich dem passauischen abschid unnd aller billickhait nach bewilliget hat werden sollen, unnd ir kgl. Mt. damals den /391’/ stennden, der augspurgischen confession verwonnt, vill statliche und erhebliche ursachen, warumben solches billich beschehe, ausfueren unnd erzellen haben lassen3.

Welche declaration sy, die stennde der augspurgischen confession, unnd ire räte unnd botschafften auch, wie sy sich selbst zuberichten wissen, damaln unwiderfochten angenomen unnd zugelassen, auch daruber irer Mt. von wegen irer gehabten vätterlichen, getreuen bemueung unnd arbait unnderthenigen, hochvleissigen danckh gesagt unnd volgendts den Reichs abschid unnd den darinn begriffnen religion friden mit und neben den standen der alten cristenlichen religion dermassen und mit angeregtem, darinn verleibten der geistlichen vorbehalt aufrichten, verfertigen unnd besiglen helffen4.

Unnd zu dem haben gedachte stännde, der augspurgischen confession verwondt, unnd ire gesanndte räte so wol als die anndern stennde der alten religion zu enndt des bemelten jungsten zu Augspurg aufgerichten unnd ergangnen Reichs abschidts bekhendt, dz alle unnd yede in demselben abschid gestelte puncten unnd articl mit irem gueten willen, wissen unnd rat furgenomen und beslossen seien, das sy dieselben auch alle sament und sonnderlich bewilliget, gereden und versprechen auch, in gueten, waren treuen die, sovill ainen yeden, sein herrschafft oder freundt, von denen er abgeferttigt oder gwalt habendt ist, betrifft oder betreffen mag, war, stät, vest, aufrichtig unnd unverbruchlich zuhalten, zuvolnziehen unnd dem nach allem irem vermugen zugeleben, sonnder geferde5.

/392/ Demnach und dieweil nun irer kgl. Mt. nit geburen will, uber angezaigten, besloßnen religion friden unnd aufgerichten, verfertigten jungsten augspurgischen Reichs abschid dises puncten der geistlichen vorbehalts oder freistellung halb ainiche verännderung furzunemen, unnd wo gleich die sachen noch in denen terminis stuenden, darinn sy vor besliessung unnd aufrichtung des religion fridens gestanden seien, unnd solcher religion friden nit dermassen, wie beschehen, in allen articln durch auß beslossen, aufgericht unnd zuhalten versprochen were, das doch die sachen derselben freistellung oder vorbehalts also geschaffen, deshalber ir Mt. sich darinn annderst noch weiter nit einlassen khonnte noch möchte6, so ist irer kgl. Mt. freundtlichs unnd gnedigs gesinnen und begern, der augspurgischen confession verwonndte stennde und ire gesanndte botschafften wellen an irer kgl. Mt. negster wolbegrundter unnd diser irer rechtmessigen, billichen antwortten guetlich zufriden sein, von irem suechen unnd begeer guetwillig absteen unnd die sachen so wol dises als annderer puncten unnd articl halben bei gemainem, aufgerichten religion friden und ergangnem jungsten Reichs abschid beleiben unnd rhueen lassen, ir Mt. damit lenger vergeblich nit aufhalten, sonnder ermelte räth unnd botschafften mit beratslagung der noch überigen notwendigen proponierten articl vollendt furschreiten unnd dieselben zu fruchtbarer, schleiniger erledigung bringen unnd befurdern helffen, wie es dann die hoch, unvermeidenlich notdurfft woll erfordert. Welches sy auch umb sovil billicher thuen sollen, dieweil in der religion sachen numer ain colloquium, auf ain gewisse zeit zuhalten, furgenomen und die strittig religion vermitlt götlicher genaden zu cristenlicher ainigkhait unnd vergleichung zubringen verhoffenlich ist.

/392 f./ Schlussformel.

Anmerkungen

1
  Kurpfalz C, fol. 200 f. [Nr. 383].
2
 Nr. 505.
3
 Vgl. dazu und zum Folgenden die Schilderung des Verhandlungsgangs beim RT 1555 in der Antwort des Kgs. [Nr. 504] und die Gegendarstellung in der Replik der CA-Gesandten [Nr. 505] jeweils mit Nachweisen und Erläuterungen.
4
 Vgl. dazu die persönliche Äußerung Ferdinands gegenüber dem kursächsischen Sondergesandten U. Mordeisen): Nachdem Mordeisen Kf. August über die Behauptung des Kgs., die CA-Stände hätten 1555 den Geistlichen Vorbehalt bewilligt [Nr. 504], informiert und ihm geraten hatte, seine Reaktion darauf mit der Werbung Ferdinands um die Anreise nach Regensburg zu verbinden (vgl. Anm.4 bei Nr. 376), übernahm der Kf. diese Empfehlung. Er beauftragte Mordeisen (o. O., 11. 2. 1557), den Kg. darauf hinzuweisen, falls /236’/ solche freistellung nicht gentzlich cassirt, ausgelassen oder suspendirt werden solte, das es gantz bedencklich wehr, eigener person anzukomen, wan gleich die andern churfursten zur stedt komen, auch sonst keine andere verhinderunge und ursachen verhanden, sonder die andern euch bevolne conditiones alle sein wegk hetten, verricht und erledigt wehren, dan wir durch unsere kegenwertikeit das nicht stercken können, das man der augspurgischen confession verwanten auflegen wil, als hetten sie den articul der freistellunge also bewilligt; /237/ zugeschweigen, das uns gantz ungelegen, das wir solchs unsers anwesens halben von andern in viel wege beredt und dermassen angezogen werden solten, als hetten wir solche freistellung hiebevor gewilligt. Dardurch wir dan nicht allein vil unglimpfs auf uns laden, sonder auch unsere gewissen beschweren und bei vielen in schedlich mißtrauen geraten wurden (HStA Dresden, Loc. 10192/6, fol. 236–237’. Konz.). Noch bevor die Weisung in Regensburg ankam, verdeutlichte Mordeisen dem Kg. die Enttäuschung Augusts, als er im Anschluss an die offizielle Audienz am 12. 2. in vertraulicher Atmosphäre allein mit Ferdinand ohne dessen Räte ein persönliches Gespräch über private Belange des Kf. führte, in dem der Kg. /121/ mit hocher bedaurung angezeigt, wie gar lieb sie euer kfl. Gn. hettenn; mit dem anhang, das es euer kfl. Gn. bruder, hertzog Moritz, auch euer kfl. Gn. selbst /121’/ wol umb ire kgl. Mt. verdinet, unnd hetten auch nit weniger vertrauen zu euer kfl. Gn. als zu derenn bruder. Mordeisen brachte das Gespräch auf den Geistlichen Vorbehalt, für den der Kf. dem Kg. Abhilfe mittels einer /123/ suspension empfahl. August habe die Antwort des Kgs. [Nr. 504] mit beschwertem gemut vernommen und müsse aus Gewissensgründen die Behauptung zurückweisen, er habe 1555 den Geistlichen Vorbehalt bewilligt. Daraufhin ist der Kg.  /123’/ etwas bewegt wordenn, mich [Mordeisen] nit recht ausredenn lassenn unnd gesagt, sie hettenn auch ein gewissenn, des misten ire Mt. nit weniger als andere das ire bedenckenn. Unnd hetten ire kgl. Mt. in der resolution die handlung erzelt, wie sie an ir selbst ergangenn. Dann sie hetten noch so ein gut memori wol, das sie wistenn, wie es sich allenthalbenn zugetragenn, unnd hettenn ire kgl. Mt. mit wissenn der stende gehandlet. Zur Replik Mordeisens, die CA-Stände hätten dem Artikel widersprochen, der Kg. habe ihn für sich ex plenitudine potestatis gesetzt, erwiderte Ferdinand: Die Stände beider Religionen haben 1555 an diesem Artikel geflickt, darzu unnd davon gesetzt, unnd hetten also dise suppenn gekochet, die hettenn alsdann ire kgl. Mt. austrinckenn mussenn:Das ist, in irem nahmen den artickel setzenn lassenn. Unnd wan es also solte zugehen, das man das widerumb wolte stritig machenn, was uff einem reichstagk verabschidet, so wurde man sich uff nichts gewisses verlassen konnen, /124/ sonder einem idenn nach seiner begirden unnd gelegenheit die abschide endern mussen. Wie dan wir in unserer religion gute gewonheit hettenn, das, wen man uns einmal etwas nachlisse, so woltenn wir alsdann immer ein mehrers habenn. Unnd wusten ire kgl. Mt. wol, wer diese dinnge drunge und wem die bistumb in die augenn stechenn (HStA Dresden, Loc. 10192/7, fol. 118–127’, hier 121–124. Or.; präs. o. O., 19. 2. Vgl. Wolf, Geschichte, 54, 57;  Luttenberger, Kurfürsten, 272 f.; Pollet, Pflug, 335 f.; Laubach, Ferdinand I., 193). Unterstützt wurde der Kg. von Hg. Albrecht von Bayern, den Mordeisen in München aufsuchte: /289’/ Dz ime [Mordeisen] dann euer f. Gn. in causa freistellionatus also rain abgekert etc., dz ist vast wol hingangen. Die kgl. Mt. hatt es auch auß euer f. Gn. schreiben desto lieber vernommen, domit ir Mt. an derselben ain gesellen gehabbt. Dann ee der man zu euer f. Gn. verraisst, hatt im ir Mt. sauber und gar abgeputzt, also dz ine nitt mehr lust, mitt irer kgl. Mt. zu freistellionieren oder dz selbe freistellionistisch werckh bei ir Mt. zu defendieren oder excusieren und vertädingen (Zasius an Hg. Albrecht; Regensburg, 27. 2. 1557: HStA München, KÄA 4296, fol. 289–291’, hier 289’. Or.; präs. o. O., 1. 3. Teildruck: Goetz, Beiträge, Nr. 42 S. 57–59). Zasius hatte den Kontakt mit Hg. Albrecht gefördert, damit /274/ ain anfang dardurch gemacht würde gutten vertreulichen verstands zwischen euer f. Gn. und dem churfursten zu Sachsen zu ettwz widerverneuung voriger vertreulicheitt, so sich zwischen iren und herzogg Moritzen, löblicher gedächtnuß, erhalten. Wellches dann etwa inn fürfallenden sachen zu allerseits wol nüzlich sein mag (Zasius an Hg. Albrecht; Regensburg, 25. 2. 1557: HStA München, KÄA 4296, fol. 274–275’. Or. Auszüge: Goetz, Beiträge, 57, Anm. 1; Pflüger, Kommissare, 264, Anm. 908).
5
 Konfirmationsklausel des RAb 1555 (§ 144) Vgl. Anm.9 bei Nr. 504.
6
 Vgl. auch den Bericht der Kurbrandenburger Gesandten von der Strass und Witterstadt an Kf. Joachim vom 27. 2. 1557: Trotz des Engagements der CA-Stände in der Freistellung mit der verzögerten Bewilligung der Türkenhilfe /130/ ist doch ire Mt. in dem mit nichten unnd ghar keinß wegß zubewegen gewesen, sondern sich bei etzlichen dohin vernhemen lassen, dz sie eß uf den fall, do man derenthalben die turckenhulf nit willigen solte, Goth dem almechtigen bevelen mußen und rath finden, wie eß immer die gelegenheit gebenn kondte. Dan die geistlichen disfalß uber iren willen zubewegen oder sonsten auch dem Hl. Reich einfurung zumachen, dodurch eß weiter zuruttet und, wie gewiß bescheen muße, ghar zurtrennet wurde, dz konten ir kgl. Mt. gegen Gott in irem gewissen nit veranthwordten, wie eß in irer Mt. macht auch nit stunde (GStA PK Berlin, I. HA Rep. 10 Nr. Y Fasz. G, fol. 129–134’, hier 130. Or.).