Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth
Schon bald nach der glanzvollen Wiener Doppelheirat und dem damit verbundenen politischen Erfolg sah sich Kaiser Maximilian vor eine erneute große Herausforderung gestellt. Franz I., seit Ende Januar 1515 neuer französischer König, war bestrebt, das unter seinem Vorgänger Ludwig XII. an die Eidgenossen verloren gegangene Herzogtum Mailand zurück zu gewinnen. Am 13./14. September brachte er den Eidgenossen in der Schlacht bei Marignano eine schwere Niederlage bei. Kaiser Maximilian, der Mailand immer als Reichslehen betrachtet hatte und nun den Verlust des Herzogtums an den Dauerrivalen Frankreich fürchten musste, versuchte die Eidgenossen zu unterstützen, verfügte jedoch nicht über ausreichende Mittel. Er wandte sich deshalb an ihm besonders nahe stehende Reichsstände, darunter Bischof Lorenz von Würzburg, mit der Bitte um ein Darlehen (Nr. 534, 535). Außerdem kündigte er für den 11. November 1515 einen neuen Reichstag in Augsburg an und sicherte zu, er werde das geliehene Geld binnen Jahresfrist zurückzahlen oder vom bewilligten Reichsanschlag abziehen (Nr. 535).
Dass das Ersuchen augenscheinlich nicht auf die gewünschte Resonanz stieß, lässt das kaiserliche Ladungsschreiben vom 10. Januar 1516 zu einer weiteren Reichsversammlung in Augsburg ab dem 25. Februar vermuten (Nr. 536). Von einem Darlehen und einer neuen Reichshilfe ist darin nicht die Rede, vielmehr kam Maximilian einmal mehr auf den vom Trier-Kölner Reichstag 1512 beschlossenen Gemeinen Pfennig zurück. Die Reichsstände sollten ihn endlich bei ihren Untertanen einsammeln, die entsprechenden Beträge nach Augsburg mitbringen und sich an Sanktionen gegen Zahlungsunwillige beteiligen (Nr. 607). Dieses ständige Wiederaufgreifen früherer, aber oftmals gescheiterter Pläne und Vorhaben gehörte ebenfalls zu den vielen Eigenwilligkeiten von Maximilians Regierungsstil. Außerdem verlangte er im Ausschreiben, der geplante Reichstag solle über nichts anderes beraten, „dann was zu volziehung der obestimbten abschid zu Trier und Coelen dient und weiter des hl. Reichs, teutscher nacion und gemainer christenhayt eehaft sachen und nodturf[t] erfordert.“ Angelegenheiten, die nur einzelne Parteien beträfen, sollten von „etlichen tapfern personen“ am Rande oder nach Beendigung des für eine Dauer von maximal vier Wochen geplanten Reichstags beraten werden, „damit ander treffentlich sachen nit verhindert werden, als auf vordern reichstegen alzeit beschehen, daraus dem Reich nit clainer nachtail erwachsen ist.“ Maximilian meinte damit offensichtlich vor allem die zahlreichen Schieds- und Vermittlungsverfahren auf den Reichsversammlungen, die in der Tat mit hohem Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden waren und die Tagungsdauer nicht selten erheblich verlängerten. Dies beeinträchtigte die aus Sicht des Kaisers primär wichtigen Beratungen über Finanzhilfen für seine kriegerischen Auseinandersetzungen. Er ignorierte damit aber, dass die Konfliktmoderation längst zu einer der wichtigsten Aufgaben der Reichstage geworden war. Diese Schwerpunktverschiebung wollte er weder einsehen noch anerkennen.
Angesichts der rigorosen Vorgaben und Beschränkungen seitens des Kaisers hatten die Reichsstände nur geringes Interesse an der Augsburger Zusammenkunft, es kam auch zu keiner Verhandlungseröffnung. Maximilian hatte zwar einmal mehr seine persönliche Teilnahme zugesichert, verließ dann aber Augsburg vor dem genannten Anfangstermin und begab sich über Landeck und Rovereto nach Oberitalien. Anfang März reisten auch die zurückgelassenen kaiserlichen Kommissare aus Augsburg ab.
Letztlich verwundert es nicht, dass im weiteren Verlauf des Jahres 1516 die schwierige Lage im italienischen Krieg in Maximilian nochmals den Gedanken an den Gemeinen Pfennig weckte. Konkret ging es um die Beschaffung von Geld für die Entsetzung der von französischen und italienischen Truppen belagerten Festung Verona. Der erfahrene kaiserliche Rat Bischof Christoph von Brixen empfahl, die Steuerabgabe nicht für diesen ausschließlich kaiserlichen Zweck, sondern für die im Interesse des ganzen Reiches liegende Türkenabwehr zu verlangen. Die Erfolgsaussichten des neuen Gemeinen Pfennigs könnten auch dadurch vergrößert werden, dass der Kaiser nicht mit den wenigen derzeit in Augsburg anwesenden Reichsständen über die Steuer berate oder sie gar einfach einfordere, sondern einen allgemeinen Reichstag einberufe, weil eine „ervordrung des gemainen pfennigs unfruchtbar und euer ksl. Mt. unersprieslich mocht sein, auch euer ksl. Mt. und dem hl. Reich mer versaumbnus und nachtail dann nutz oder hilf bringen mocht.“ (Nr. 609, 610) Maximilians Reaktion auf diese Empfehlung offenbart zum einen, wie beratungsresistent er mittlerweile geworden war, zum anderen seine generelle Abneigung gegen die Institution Reichstag. Er erklärte, dass er es für „unfruchtpar und unnützlich achtet, ainen reichstag zu halten“, da dieser für die Reichsstände stets mit hohen Kosten verbunden sei, seine Einberufung und Durchführung lange dauere und zwischenzeitlich etliche andere dringende Reichsangelegenheiten nicht vorangebracht werden könnten. „Daraus der ksl. Mt. und dem hl. Reiche unüberwindlicher schad entsteen würde.“ Es wäre daher besser, wenn die Reichsstände binnen sechs Wochen je einen Rat schickten, um mit ihm über die Einbringung des Gemeinen Pfennigs zu beraten. Letztlich kam es jedoch weder im Jahr 1516 noch in Maximilians verbleibender Regierungszeit zu weiteren Verhandlungen über die im ganzen Reich so ungeliebte Steuer.