Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth
2.1 Vorbereitung und äußerer Ablauf des Reichstags
Der Wormser Reichstag 1513 ging fast nahtlos aus dem nur wenige Monate vorher zu Ende gegangenen Kölner Reichstag hervor. In der dort beschlossenen Reichsordnung vom 26. August 15121 hatten sich Kaiser Maximilian und die Reichsstände darauf geeinigt, künftig alljährlich in Frankfurt a. M. oder Worms eine weitere, nicht länger als einen Monat dauernde Reichsversammlung abzuhalten. Die erste dieser regelmäßigen Zusammenkünfte sollte bereits ab dem 6. Januar 1513 in Worms stattfinden. Ihre Aufgabe bestand im Vollzug der neuen Reichsordnung sowie in der „betrachtung und versehung des hl. Reichs notturft“.2 Diese recht vage Aufgabenstellung wurde durch den am selben Tag erlassenen Reichsabschied3 konkretisiert. In Worms sollten die Klagen einzelner Reichsstände gegen die Höhe ihres Beitrags zu der in Köln beschlossenen Hilfe für den Geldernkrieg behandelt sowie strittige Fälle der Einbeziehung mittelbarer Stände in den Anschlag reichsunmittelbarer diskutiert werden. Außerdem galt es, über verschiedene in Köln nicht mehr geklärte interständische Konflikte, die Beschwerden der Grafen und Herren gegen ihre Heranziehung zum Unterhalt des Reichskammergerichts, die Pfahlbürgerproblematik, die Vergrößerung der in Köln beschlossenen Truppe zum Schutz des Landfriedens sowie das bereits im Mai 1512 in Trier vorgetragene, aber immer noch unbeantwortete Ersuchen des Deutschordenshochmeisters Albrecht von Brandenburg um Hilfe gegen Polen zu sprechen. Hinzu kamen verschiedene kleinere Themen, die in Köln ebenfalls nicht mehr hatten zum Abschluss gebracht werden können.4 Die Ladung der Reichsstände zum neuen Reichstag erfolgte durch ein bereits am 1. Oktober 1512 in Köln ausgestelltes kaiserliches Mandat.5 Es beinhaltete neben der Aufforderung zur Teilnahme an der neuen Zusammenkunft die Weisung, die beigefügte Reichsordnung und den Kölner Reichsabschied bekanntzumachen, den in Köln beschlossenen Gemeinen Pfennig einzusammeln und die Eilende Hilfe für den Geldernkrieg zu bezahlen.
Die Liste der in Köln nicht mehr zum Abschluss gebrachten Themen zeigt, dass es für den Wormser Reichstag eigentlich reichlich Beratungsbedarf gegeben hätte. Dennoch kam dort keine vollwertige Reichsversammlung zustande, denn es gab keine kaiserliche Proposition, die Beratungen wurden nie förmlich eröffnet und es wurde auch kein Reichsabschied formuliert. Die Gründe dafür lagen sowohl beim Kaiser als auch bei den Reichsständen. Wie man es von ihm von vielen früheren Reichstagen her gewohnt war, erschien Maximilian zum Anfangstermin 6. Januar 1513 nicht in Worms. Auch den von ihm selbst genannten Ankunftstermin 15. Februar ließ er verstreichen (Nr. 221 [2.]), die Bitte seiner Kommissare vom 9. März, endlich zum Reichstag zu kommen, ignorierte er (Nr. 225). Stattdessen reiste er von Dezember 1512 bis März 1513 unstet in der Pfalz und im Elsass umher, hielt sich jeweils für einige Tage oder Wochen in Landau, Speyer, Weißenburg im Elsass und Ingweiler auf und begab sich schließlich nach Augsburg, wo er Mitte März eintraf. Dort konnte er den ihm im Kontext seiner Außenpolitik wichtigen Vorgängen in Italien (Konflikt mit Venedig, Verhältnis zu Frankreich, Wahl eines neuen Papstes) näher sein als in Worms. Währenddessen verfolgte er jedoch genau, wie viele und welche Reichsstände zum Reichstag eintrafen. Später erklärte er, weil zu wenig Teilnehmer gekommen seien, sei auch er nicht erschienen (Nr. 43). In Worms ließ sich Maximilian durch einige Räte, darunter seinen Hofmeister Wilhelm von Rappoltstein, vertreten, die anfänglich nicht kaiserliche Kommissare genannt wurden. Als solche bezeichneten sich erstmals Anfang März Pfalzgraf Friedrich (der Bruder Kurfürst Ludwigs von der Pfalz), Graf Bernhard von Solms, Eitelwolf vom Stein und Dr. Johann von Dalheim (Nr. 225). Durch fortlaufende briefliche Kommunikation mit ihnen wusste der Kaiser trotz Abwesenheit gut über das Reichstagsgeschehen Bescheid und konnte mittels Weisungen an seine Vertreter direkten Einfluss darauf nehmen.
Die Reichsstände beteiligten sich von Anfang an nur zögerlich am Reichstag, offenkundig vor allem deshalb, weil man die persönliche Anwesenheit des Kaisers nach wie vor als wichtige Voraussetzung für effektive Beratungen ansah. Die zeitweise geringe Anzahl anwesender Stände führte zu viel Leerlauf und längeren Unterbrechungen, sodass sich der Reichstag bis Mitte Juli hinzog. Einen nicht zu unterschätzenden Störfaktor stellten wohl auch die Auseinandersetzungen zwischen dem Rat und der Gemeinde von Worms dar, die Anfang 1513 begannen und bis ins Jahr 1514 hinein andauerten. Sie erzeugten ein Klima der Unruhe und dürften dafür gesorgt haben, dass sich die hochgestellten Tagungsgäste in der Stadt nicht sehr wohl fühlten. Nur wenige Reichsfürsten wie der allzeit pflichtbewusste Mainzer Erzbischof und Reichserzkanzler Uriel von Gemmingen blieben längere Zeit in Worms. Kurfürst Ludwig von der Pfalz reiste nach einiger Zeit wieder ab, Kurfürst Joachim von Brandenburg ließ sich durch einen Gesandten vertreten. Die beiden Erzbischöfe Richard von Trier und Philipp von Köln blieben trotz mehrfachen Drängens Maximilians der Zusammenkunft konsequent fern. Von den Reichsfürsten erschien zeitweilig Kurfürst Ludwigs Bruder Friedrich. Erst in der Schlussphase des Reichstags kamen Bischof Georg von Bamberg, Herzog Ulrich von Württemberg, Markgraf Friedrich von Ansbach-Kulmbach sowie die Markgrafen Christoph und Philipp von Baden, wohl in Erwartung einer persönlichen Begegnung mit dem Kaiser (Nr. 196 [1.], 197 [3.]). Demgegenüber war die Zahl der anwesenden Gesandtschaften durchaus stattlich. Einziger ausländischer Delegierter war Robert Wingfield, der im Auftrag König Heinrichs VIII. von England mit Maximilian sprechen sollte. Von den deutschen Reichsfürsten schickten Erzbischof Richard von Trier, Kurfürst Friedrich von Sachsen, Erzbischof Leonhard von Salzburg, Bischof Lorenz von Würzburg, Bischof Georg von Bamberg, der Deutschordenshochmeister Albrecht von Brandenburg, Herzog Wilhelm von Bayern, Herzog Johann von Jülich-Kleve, Herzog Georg von Sachsen sowie das hessische Regiment Vertreter, ebenso der Schwäbische Bund. Städtische Abordnungen kamen aus Augsburg, Frankfurt a. M., Köln, Nördlingen, Nürnberg, Regensburg, Schwäbisch Hall und Straßburg (Nr. 27 [2.]). Sie alle hielten sich jedoch keineswegs ständig, sondern nur für mehr oder weniger lange Zeitabschnitte in Worms auf.
Seit Maximilians Ankunft in Augsburg wurde in Worms über eine Verlegung des Reichstags in die vom Kaiser so sehr geschätzte Stadt am Lech spekuliert, doch standen manche schon zu diesem Zeitpunkt einem Ortswechsel skeptisch gegenüber (Nr. 236 [1.], 238 [1.]). Als dann Maximilian Anfang Mai tatsächlich dazu aufforderte, zu ihm nach Augsburg zu kommen (Nr. 40, 42), lehnten die reichsständischen Gesandtschaften dies strikt ab. Zum einen seien sie nur zu Verhandlungen in Worms beauftragt, zum anderen verfügten sie aktuell über keinerlei Pferde und sonstige Reiseausstattung. All dies müssten sie sich erst zuhause beschaffen. Sie seien aber bereit, das kaiserliche Ersuchen an ihre Obrigkeiten weiterzuleiten (Nr. 191). Offenkundig war es diese klare Aussage, die bei Maximilian einen Sinneswandel auslöste, denn am 4. Juni teilte er den Reichsständen mit, er mache sich nun nach Worms auf, um dort „unser und des hl. Reichs notturft nach dem abschid zu Collen zu handeln“ (Nr. 43). Im Gegensatz zu dieser erneut vage gehaltenen Ankündigung sprach der kaiserliche Kanzler Zyprian von Serntein deutlich aus, was der Kaiser in Worms plante: Er versuche, die Reichsstände zu „bewegen, damit sy seiner ksl. Mt. wider irer Mt. widerwertigen, die Venediger und ander, hilf teten“, werde allerdings nicht lange bleiben (Nr. 44 [2.]). Tatsächlich traf Maximilian am 18. Juni in Worms ein (Nr. 252 [1.]), reiste aber dann, ohne eingehendere Verhandlungen geführt zu haben, bereits am 25. Juni wieder in Richtung Frankfurt a. M. ab (Nr. 254 [1.]). Die Reichsstände erwarteten seine Rückkehr (Nr. 196), wurden jedoch am 14. Juli durch die Reichstagskommissare, wenig später dann nochmals durch kaiserliche Gesandte aufgefordert, zu Maximilian nach Koblenz zu kommen und dort gemeinsam mit ihm die Reichstagsverhandlungen zum Abschluss zu bringen (Nr. 197 [2.], 197 [4.], 199). Die Reichsstände lehnten zwar dieses Ersuchen am 18. Juli unmissverständlich ab, empfahlen aber zugleich, zum 29. September einen neuen Reichstag nach Worms oder Frankfurt a. M. auszuschreiben. Die beiden Kurfürsten Uriel von Mainz und Ludwig von der Pfalz wurden bevollmächtigt, vorbehaltlich der Zustimmung des Kaisers ebenfalls zur Teilnahme an der geplanten Reichsversammlung aufzufordern (Nr. 201). Unmittelbar darauf begannen die Tagungsteilnehmer abzureisen, am 21. Juli hielt sich kein Reichsstand mehr in Worms auf (Nr. 202–204).
2.2 Streitfälle und Schiedsverfahren
Trotz Maximilians Abwesenheit fanden auf dem Wormser Reichstag erstaunlich intensive Verhandlungen über eine ganze Reihe von Themen statt. Im Mittelpunkt standen dabei einmal mehr etliche interständische Konflikte, die in Köln nicht mehr entschieden und zur Weiterberatung auf den nächsten Reichstag verschoben worden waren. Auch wenn die Vermittlungsbemühungen in diesen und anderen Streitfällen letztlich nur teilweise erfolgreich waren, so belegen sie doch, welche Bedeutung die Reichstage am Beginn des 16. Jahrhunderts als Schieds- und Friedenswahrungsinstanz für das Reich erlangten. Zudem bewies gerade die Versammlung von 1513, dass der Reichstag dieser Aufgabe auch in Abwesenheit des Reichsoberhaupts gerecht werden konnte.
Dies gilt insbesondere für das erfolgreich durchgeführte Vermittlungsverfahren zum innerhessischen Konflikt. Kaiser Maximilian hatte im September 1512 die Kölner Schiedsverhandlungen zwischen Landgraf Wilhelm d. Ä. von Hessen und dessen Gemahlin Anna, geborene Herzogin von Braunschweig, einerseits und dem hessischen Regiment andererseits durch einen Schiedsspruch beendet, doch wollte das Regiment einige darin enthaltene Bestimmungen nicht umsetzen. Insbesondere ging es um die Modalitäten der Rückführung Wilhelms und Annas nach Hessen, um frühere Verschreibungen des Landgrafenpaares sowie um unbezahlte Unterhaltskosten, die die beiden während ihres monatelangen Exilaufenthalts in Worms und Oppenheim hinterlassen hatten. Während Maximilian auf der uneingeschränkten Akzeptanz seiner Entscheidung beharrte und die Streitparteien nach Worms lud, damit dort unter Leitung kaiserlicher Räte der Konflikt endgültig bereinigt werden konnte (Nr. 139), knüpfte das hessische Regiment die Übernahme der Schulden Landgraf Wilhelms und Annas an deren Rückkehr nach Hessen (Nr. 141). Da es sich mit seiner Forderung nicht durchsetzen konnte, reisten seine Vertreter aus Worms ab (Nr. 147 [1.]), kehrten aber schließlich auf Druck Maximilians doch wieder zurück (Nr. 148). Ab Mitte April fanden vor kaiserlichen Kommissaren und einer Reihe namhafter reichsständischer Räte erneute Verhandlungen statt, bei denen die Regimentsvertreter von den sächsischen Gesandten unterstützt wurden (Nr. 153–155). Am 31. Mai konnte endlich ein Schiedsspruch verkündet werden, der klare Vereinbarungen über die Bezahlung der Schulden des Landgrafenpaares enthielt und dessen Rückführung nach Hessen durch Vertreter des Kaisers regelte (Nr. 156).
Während diese Einigung zweifellos als der größte Schiedserfolg des Wormser Reichstags bezeichnet werden kann, verliefen die Moderationsverhandlungen zu anderen Streitfällen wesentlich weniger positiv. Der Zwist zwischen den Brüdern Herzog Wilhelm und Herzog Ludwig von Bayern betraf zwar in erster Linie das Haus Wittelsbach, doch war darin auch Kaiser Maximilian als Onkel der beiden Herzöge maßgeblich involviert. Auch seine Schwester Erzherzogin Kunigunde, die Mutter von Wilhelm und Ludwig, machte ihren Einfluss geltend. Ihr Gatte Herzog Albrecht IV. von Bayern hatte in seiner Primogeniturordnung vom 8. Juli 1506 bestimmt, dass künftig immer nur der älteste Sohn des Landesherrn, sofern er weltlichen Standes war, die Regierung ausüben solle. Nachgeborene Söhne hatten nur Anspruch auf eine jährliche Apanage von 4000 fl., durften nicht den Fürsten-, sondern nur den Grafentitel führen und waren den Weisungen ihres regierenden Bruders unterworfen. Nach Albrechts Tod am 18. März 1508 lagen die Amtsgeschäfte zunächst in Händen eines Vormundschaftsrates, bis der älteste Sohn Wilhelm am 13. November 1511 volljährig wurde und die Herrschaft übernahm. Während er auf Einhaltung der väterlichen Ordnung pochte, forderte der jüngere Ludwig ein Drittel des Herzogtums Bayern und Verbesserungen seines Status.
Angesichts des sich anbahnenden Konflikts unter seinen Neffen fürchtete Kaiser Maximilian um die Einigkeit im bayerischen Herzogshaus, doch befand er sich in einer schwierigen Situation. Zwar hatte er Albrechts Primogeniturordnung schon bald nach ihrem Erlass förmlich bestätigt, doch wollte er sich jetzt nicht offen gegen Ludwig stellen, zumal dieser sich seit einiger Zeit am kaiserlichen Hof aufhielt und Maximilian immer wieder Dienste leistete. Hinzu kam, dass auch Erzherzogin Kunigunde Ludwigs Verlangen unterstützte. Deshalb wollte der Kaiser in der heiklen Angelegenheit nicht selbst entscheiden, sondern beauftragte den Reichskammerrichter Graf Sigmund zum Haag und den kaiserlichen Hofmeister Wilhelm von Rappoltstein, auf dem Wormser Reichstag 1513 gemeinsam mit den anwesenden Reichsständen zwischen dem Brüderpaar zu vermitteln und einen Ausgleich herbeizuführen. Während Herzog Ludwig seine Interessen dort persönlich und mit großem Nachdruck vertrat, entsandte Herzog Wilhelm seine Räte Dr. Sebastian Ilsung, Hieronymus von Stauff und Dr. Dietrich von Plieningen. Deren ausführliche Berichte (Abschnitt I.8.5) zeichnen ein detailliertes Bild von den Verhandlungen in der bayerischen Streitsache. Zwar gestand Herzog Wilhelm seinem Bruder nach einiger Zeit den geforderten Fürstentitel zu, zahlte ihm auch einen maßvollen Betrag zur Bestreitung seiner Ausgaben am kaiserlichen Hof, lehnte jedoch höhere und vor allem längerfristige Geldforderungen unter Verweis auf die schwierige finanzielle Lage des Herzogtums Bayern ab. Auch eine Regierungsbeteiligung Ludwigs verweigerte er. Hingegen empfahlen die bayerischen Gesandten, auch gleich Wilhelms zweiten Bruder Ernst, der eigentlich für die geistliche Laufbahn vorgesehen war, in die angestrebte brüderliche Einigung einzubeziehen, um zu verhindern, dass auch er später einmal schwer zu befriedigende Forderungen erheben konnte.
Trotz intensiver Bemühungen gelang es den Vermittlern in Worms nicht, eine Verständigung zwischen den streitenden Brüdern herbeizuführen. Eine Beteiligung der Reichsstände an den Schiedsverhandlungen hatten die bayerischen Gesandten abgelehnt aus Furcht, die pfälzischen Wittelsbacher oder Mitglieder des Schwäbischen Bundes könnten sich auf die Seite Herzog Ludwigs stellen. Der innerbayerische Bruderzwist und seine Behandlung auf dem Wormser Reichstag ist ein gutes Beispiel dafür, welch wichtigen, ja bisweilen entscheidenden Beitrag die Reichstagsakten zur Klärung landesgeschichtlicher Fragestellungen leisten können. Die Verhandlungen über den Konflikt auf dem Reichstag 1513 und insbesondere die Rolle Kaiser Maximilians in dieser Angelegenheit, die in der bisherigen Forschung nur sehr knapp und unzureichend behandelt wurden, können nunmehr anhand des neuen Aktenmaterials im vorliegenden Band detailliert untersucht werden.
Verschiedene weitere in Worms verhandelte Streitfälle hatten schon den vorausgegangenen Reichstag von 1512 eingehend beschäftigt. Im Konflikt um das territoriale Erbe des 1511 verstorbenen Herzogs Wilhelm IV. von Jülich-Berg, auf das infolge widersprüchlicher Verschreibungen Kaiser Friedrichs III. und seines Sohnes Maximilian sowohl die Herzöge von Sachsen als auch Herzog Johann III. von Jülich-Kleve Anspruch erhoben, hatte sich angedeutet, dass Maximilian nicht gewillt war, die Lande ohne weiteres an eine der beiden Parteien zu vergeben, sondern entschlossen war, die Reichsbelehnung als Druckmittel zur Durchsetzung eigener politischer und finanzieller Interessen in der Hand zu behalten.1 Dennoch bekam der jülich-klevische Rat Friedrich von Brambach durch Herzog Johann III. den Auftrag, auf dem Wormser Reichstag 1513 erneut um die Belehnung mit den Fürstentümern Jülich und Berg nachzusuchen. Doch auch dieses Mal blieb er erfolglos, da Maximilian nicht nach Worms kam. Stattdessen riet er Herzog Johann, die konkurrierenden sächsischen Ansprüche gegen Zahlung von 200000 fl. abzulösen (Nr. 85) – ein Ansinnen, das angesichts der prekären Finanzlage des Herzogs völlig unrealistisch war.
Beinhaltete schon der Konflikt um das Jülicher Erbe hohes Gefahrenpotential für den Reichsfrieden, so galt dies in fast noch größerem Maße für die Differenzen der sächsischen Herzöge mit Erzbischof Uriel von Mainz wegen Erfurt. 1510 hatte Kurfürst Friedrich von Sachsen versucht, die von kursächsischem Gebiet umgebene Kurmainzer Landstadt unter seine Herrschaft zu bringen. Außerdem hatte er oppositionelle Erfurter Bürger unterstützt, die ihre Stadt verlassen hatten. Über diese Konflikte sollte ein Ausschuss des Trier-Kölner Reichstags 1512 entscheiden, doch zogen sich die Verhandlungen aufgrund juristischer Verfahrensdiskussionen derart in die Länge, dass man gar nicht mehr zum inhaltlichen Kern des Streits gelangte.2 Sie wurden abgebrochen und sollten ab dem 14. Januar 1513 in Worms fortgesetzt werden (Nr. 91). Zu einer Verhandlungsaufnahme kam es jedoch nicht, da weder der Kaiser noch genügend Reichsstände anwesend waren (Nr. 97, 98). Äußerungen beider Streitparteien zeigen allerdings, dass sie weiter auf ihren bekannten Positionen beharrten. Während Erzbischof Uriel nach wie vor eine juristische Entscheidung anstrebte, plädierte Kurfürst Friedrich im Bewusstsein seiner angreifbaren Rechtsposition weiterhin für eine gütliche Lösung.
Bereits die Akten zum Jülicher Erbstreit und zum Konflikt um Erfurt 1512 haben gezeigt, dass der machtbewusste sächsische Kurfürst entschlossen war, seine auf Machterweiterung und territoriale Expansion abzielenden Pläne notfalls auch mit Waffengewalt durchzusetzen. Auch in den Jahren ab 1513 verfolgte er diese Vorhaben mit Hartnäckigkeit und Aggressivität weiter. Bezieht man diesen bestens belegten Teil seiner Politik in die Betrachtung ein, so erweist sich das bisher von ihm gezeichnete Bild eines „weisen“, weil friedfertigen Fürsten als nicht länger stimmig und bedarf einer deutlichen Korrektur.3
Auch der Streit um den hessischen Güldenweinzoll sollte 1513 in Worms erneut verhandelt werden. Auf dem Augsburger Reichstag 1510 hatten die Wetterauer Grafen geklagt, dass der Zoll, den König Maximilian Landgraf Wilhelm d. M. für dessen vielfältige Dienste verliehen hatte, hessischerseits auch in ihren Bereichen erhoben wurde.4 Auf dem Reichstag 1512 schlossen sich die Kurfürsten von Mainz, Trier und der Pfalz dem Protest an, doch kam keine Einigung zustande.5 Daraufhin beauftragte Kaiser Maximilian im April 1513 die in Worms versammelten Reichsstände, die Streitparteien erneut vorzuladen und einen Ausgleich herbeizuführen (Nr. 77, 79). Dass es in dieser Angelegenheit zu keinen Verhandlungen kam, lag wohl daran, dass zu diesem Zeitpunkt nicht mehr genügend Reichsfürsten und Gesandte in Worms anwesend waren, die sich mit der Sache hätten beschäftigen können.
Bereits 1512 hatte sich Kaiser Maximilian in die Differenzen zwischen Herzog Georg von Sachsen und Graf Edzard von Emden, der mit Waffengewalt gegen die sächsische Statthalterschaft in Friesland opponierte, eingeschaltet und den Grafen zu einem Gerichtstag im Rahmen des Kölner Reichstags geladen.6 Da dort aus Zeitgründen keine Entscheidung mehr getroffen werden konnte, forderte Maximilian den Grafen erneut auf, am 14. Februar 1513 persönlich in Worms zu erscheinen (Nr. 135). Allem Anschein nach folgte er der Ladung nicht, jedenfalls gibt es in den Akten des Wormser Reichstags keinen einzigen Hinweis auf irgendwelche Verhandlungen in der friesischen Streitsache.
Ähnliches ist für den ebenfalls schon seit langem anhängigen Konflikt zwischen dem Bischof Reinhard von Worms und der Reichsstadt Worms festzustellen.7 Kaiser Maximilian ersuchte zwar beide Parteien, am 13. April vor seinem Hofmeister Wilhelm von Rappoltstein und einigen kaiserlichen Räte zu erscheinen (Nr. 112), doch augenscheinlich kam es auch in dieser Angelegenheit zu keiner Schiedstätigkeit. Wie groß zu diesem Zeitpunkt das gegenseitige Misstrauen in Worms war, zeigt sich daran, dass die Stadtführung Bischof Reinhard unterstellte, er habe die Wormser Gemeinde zum Widerstand aufgestachelt und sei daher mitverantwortlich für ihren Aufstand gegen den Rat (Nr. 113 [4.]).
Nicht zuletzt waren die Jahre von 1510 bis 1514 gekennzeichnet durch eine markante Häufung weiterer Konflikte in Reichsstädten.8 Einige davon waren auch auf dem Wormser Reichstag ein Beratungsthema oder spielten zumindest am Rande eine gewisse Rolle. So tangierten die Auseinandersetzungen zwischen dem Rat und der Gemeinde von Worms zwar die Beratungen des Reichstags nicht unmittelbar, dennoch stellten sie für die Beteiligten einen unerfreulichen Störfaktor dar, zumal Worms in dieser Zeit auch noch Sitz des Reichskammergerichts war. Als Kaiser Maximilian Mitte Juni nach Worms kam, beauftragte er Bischof Wilhelm von Straßburg und einige andere kaiserliche Räte, eine Verständigung zwischen den Konfliktparteien herbeizuführen, was jedoch nicht gelang (Nr. 377 [1.]). Vielmehr brachen gegen Ende des Reichstags erneute Unruhen aus. Jede Nacht waren laut Beobachtungen des kaiserlichen Rats Vinzenz Rogkner 300 bis 400 Bewaffnete unterwegs. Es sei, so schrieb er, zu befürchten, „wo die Hh. verrücken, so noch hie ligen, es werde ain rumor“ (Nr. 204 [7.]). Letztlich dauerten die Auseinandersetzungen bis ins Jahr 1514 fort.
Interne Zwistigkeiten gab es 1513 auch in Speyer. Dort hatten sich in den letzten Tagen des Vorjahres die Weber gegen die Stadtführung erhoben. Beide Seiten versuchten vergeblich, die in Worms versammelten Reichsstände und kaiserlichen Kommissare durch Abgesandte und Supplikationen von ihrem jeweiligen Standpunkt zu überzeugen (Nr. 182, 183). Anfang Juli teilte Kaiser Maximilian den Webern und anderen Speyerer Zünften, die zwischenzeitlich ebenfalls opponiert hatten, mit, er werde gemeinsam mit den Reichsständen ihre Forderungen prüfen. Bis dahin sollten sie sich ruhig verhalten (Nr. 184). Auch zwischen der Speyerer Bürgerschaft und dem dortigen Klerus kam es Anfang 1513 zu Differenzen. Die Bürger wollten die sogen. Konradinische Rachtung von 1420, die dem Bischof und der Geistlichkeit erhebliche Vorteile eingebracht hatte, nicht länger anerkennen. Eine von den kaiserlichen Kommissaren in Worms versuchte Vermittlung führte zwar zu keiner Verständigung (Nr. 185, 186), doch einigte man sich schließlich darauf, weitere Schiedsverhandlungen zu führen. Im Falle ihres Scheiterns sollte sich der Kaiser des Streitfalls annehmen (Nr. 187–189).
In Aachen war der regierende Rat unter dem Vorwurf von Misswirtschaft und anderen Verfehlungen gestürzt und durch eine neue Stadtführung ersetzt worden. Kaiser Maximilian verurteilte den gewaltsamen Aufstand streng und wies gleichzeitig seine Hofräte in Worms an, Vertreter des alten und des aktuellen Rates sowie der Gemeinde zu einer Anhörung vorzuladen. Diese fand Ende April im Rahmen des Reichstags statt, erbrachte aber offenkundig kein abschließendes Ergebnis (Nr. 174, 175).
Ein ähnlicher Vorfall trug sich Ende 1512 in der Reichsstadt Köln zu, die kurz vorher noch Schauplatz eines wichtigen Reichstags gewesen war. Einige Gaffeln hatten wegen Bestechlichkeit, Vetternwirtschaft und schlechter Finanzverwaltung gegen den amtierenden Kölner Rat revoltiert. In der zweiten Januarwoche 1513 wurden zehn an den Unruhen Beteiligte enthauptet, weitere fünfzehn Personen mit hohen Geldstrafen oder Verbannung belegt. Zwar waren die Kölner Wirren kein Beratungsthema auf dem Reichstag, dennoch wurden die Informationen darüber allseits aufmerksam verfolgt und eingehend diskutiert (Nr. 19, 236 [11.], 358 [7.], 359 [3.]).