Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil

Die Konzeption der vorliegenden Edition basiert auf den im achten Band der „Mittleren Reihe“ entwickelten Überlegungen zur Struktur des Reichstages in der Maximilianszeit. Das Gleiche gilt im Prinzip für die Materialauswahl.1 Einschränkend ist zu ergänzen, dass in Zeiten knapper Kassen auf die Berücksichtigung derjenigen Überlieferungen verzichtet werden musste, die sich bei Recherchen zu den bisherigen Editionsprojekten als wenig ergiebig erwiesen hatten.2 Einige Archive wurden nur schriftlich kontaktiert. Für diese Institute gilt der Anspruch auf die möglichst vollständige Erhebung aller relevanten Quellen natürlich nicht.

Methodisch musste bei der Edition der Wormser Reichstagsakten von 1509 überdies den Gegebenheiten einer königlosen Reichsversammlung Rechnung getragen werden. Aufgrund seiner Abwesenheit war dem Kaiser ein mit der Schaffung des zeremoniellen und gesellschaftlichen Rahmens verbundenes kontinuierliches reichstagspolitisches Agieren schlechterdings unmöglich. Die daraus resultierenden Phasen relativer Untätigkeit und Ereignislosigkeit nutzten die somit stärker aufeinander bezogenen Stände keineswegs zufällig für die Behandlung interterritorialer Probleme. Dieser Aspekt wurde konsequenterweise in die Dokumentation einbezogen, jedoch nicht die vom Reichstagsgeschehen unabhängige Kontinuität ständischer Innenpolitik.3

Wie aus dem Archivalienverzeichnis hervorgeht, wurden in den besuchten Instituten sämtliche Bestände und Quellentypen herangezogen, die Informationen über den Wormser Reichstag erwarten ließen. Insgesamt ist die Überlieferungslage zufriedenstellend, wenngleich die Archivrecherchen einige überraschende Lücken aufdeckten. Auffällig ist das Fehlen der wohl erst zu einem späteren Zeitpunkt kassierten Wormser Reichstagsakten 1509 in der sonst zuverlässigen Nürnberger, der kaiserlichen und mehr noch in der Kurmainzer Tradition. Letztere fungiert bei den Editionen der Reichstagsakten üblicherweise als Leitüberlieferung. Manche Teilnehmer, so etwa die Stadt Speyer, verzichteten von vornherein auf eine eigene Dokumentation zu den Reichstagsverhandlungen.4 Wird man für diesen Befund das Desinteresse an einem wegen des abwesenden Reichsoberhaupts und mangels erkennbarer Ergebnisse als unwichtig etikettierten Reichstag verantwortlich machen, so sind andere Überlieferungslücken eher zufälliger Natur, für die Forschung aber gleichfalls hinderlich. Beispielsweise fehlen ausgerechnet für den Zeitraum zwischen April und August 1509 die Berichte des gut informierten Nürnberger Residenten am Kaiserhof, Erasmus Topler.5 Überhaupt sucht man die Nürnberger Schreiben vom Reichstag vergebens, während etwa die Berichte von den Schwäbischen Bundestagen im Vorfeld und nach dem Reichstag oder etwa vom Frankfurter Reichsmünztag im September 1509 weitgehend erhalten sind. Ebenso weist beinahe exakt für die Zeit des Wormser Reichstages von Mitte Mai bis gegen Ende Juni 1509 die für die militärischen und politischen Planungen aufschlussreiche Korrespondenz des obersten Feldhauptmanns Herzog Erich von Braunschweig-Calenberg mit dem Kaiser und anderen Ansprechpartnern in der kaiserlichen Regierung und Verwaltung6 eine Lücke auf. Zu verschmerzen ist hingegen das Fehlen des einschlägigen, von Januar 1509 bis Februar 1510 reichenden Bandes7 der für die Reichstagsakten gewöhnlich wenig ergiebigen Ulmer Ratsprotokolle.

Die für die Edition zentralen Verhandlungsakten, also die zwischen den kaiserlichen Reichstags-Kommissaren und den Reichsständen ausgetauschten Resolutionen samt dem zugehörigen Material, sind bis auf die nur noch von einigen Kommissaren und deputierten Räten geführten Schlussverhandlungen (11.-16. Juni) anscheinend vollständig überliefert. Sie liegen allerdings jeweils nicht als selbständige Stücke, sondern entweder in Form einer fortlaufenden „Reichshandlung“8 oder als den Protokollen9 inserierte Akten vor. Außergewöhnlich hoch, verglichen mit anderen Reichstagen, ist die Zahl der Lese- oder Diktatfehler beim in der geschäftsführenden Mainzer Kanzlei von den ständischen Schreibern und Sekretären reproduzierten Schriftgut.10 Als noch relativ zuverlässig erwies sich die deshalb meist als Textvorlage (A) fungierende kursächsische Überlieferung, die indessen sehr komplex ist, da sie sich aus zwei miteinander vermischten Reichshandlungen zusammensetzt, deren ursprünglicher Zusammenhang unter Verlust einiger Akten größtenteils aufgelöst ist. Die dabei entstandenen Einzelstücke wurden durch meist singuläre Akten ergänzt und neu gruppiert.11

Aufgrund der relativ guten Dokumentation der Kernverhandlungen des Wormser Reichstages durch die Protokolle und die in den Reichshandlungen weitgehend vollständig erhaltenen Verhandlungsakten können die vorliegenden Weisungen und Gesandtenberichte nur wenig ergänzende Informationen zum Geschehen in den Kurien und im Plenum der Reichsversammlung bieten. Wie auf den meisten Reichstagen sind sie auf die partikularen Angelegenheiten der einzelnen Stände fokussiert. Da Kaiser Maximilian vor Aufnahme der Verhandlungen bereits wieder abgereist war, existieren keine Berichte der an seinem Hof befindlichen ausländischen Residenten und Oratoren vom Reichstag.

Gemessen an der vergleichsweise kurzen Dauer des Reichstages – offizielle Verhandlungen fanden nur vom 22. bis 24. April und vom 16. Mai bis 16. Juni statt – ist eine beträchtliche Zahl von Quellen überliefert, die vor allem das Agieren der Teilnehmer außerhalb des Reichstagskerns (den Verhandlungen über die sogenannten Reichssachen in den Kurien und im Plenum) dokumentieren. Um möglichste Übersichtlichkeit zu gewährleisten, folgen die im Haupttext wiedergegebenen 566 Dokumente den Hauptsträngen der Verhandlungen. Ergänzende Akten (ca. 390 Stücke) wurden in den Fußnoten ausgewertet. Einen Überblick über die dargebotenen Stücke bietet ein chronologisches Aktenverzeichnis am Schluss des Bandes.

Anmerkungen

1
 Vgl. Heil, RTA-MR VIII/1, S. 67f., 68f.
2
 Die Überlieferungen folgender Teilnehmer wurden nicht eigens konsultiert: Ebf. von Magdeburg, Bff. von Konstanz, Speyer und Worms, Abt von Fulda, Reichsstädte Dortmund, Schweinfurt und Wetzlar. Das StA Lüttich, das StdA Aachen und das StdA Rothenburg/Tauber beschieden Anfragen negativ.
3
 Dies gilt auch dann, wenn entsprechende Schriftstücke ausdrücklich auf dem Wormser Reichstag („in conventu imperiali“) ausgestellt wurden, z. B. die Genehmigung Ebf. Uriels von Mainz zur Übertragung dreier in St. Martin/Sebexen gestifteter Ewigmessen auf die Kapelle St. Fabian und Sebastian in Northeim (lat. Kop. Worms; StA Würzburg, Mainzer Ingrossaturbücher, Nr. 51, fol. 70–70’).
4
 In einem Inventar der im Jahr 1564 vorliegenden Speyerer Reichstagsüberlieferung sind Konstanz 1507 und Trier/Köln 1512 aufgelistet, jedoch nicht Worms 1509 (Überschr.: „Nota, was von den begerten Reichs abschieden und handlungen, so ainem erbarn rat der statt Speyr zugehorig, befunden und vorhanden.“ HStA Stuttgart, A 262, Bü. 4, fol. 296–296’).
5
 StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei, D-Laden Akten, Nr. 219; Edition: Gümbel, Berichte, S. 125–229.
6
 HStA Hannover, Cal. Br. 16, Nr. 4; Cal. Br. 22, Nr. 331.
7
 StdA Ulm, A 3530, Nr. 3.
8
 Folgende Exemplare liegen vor: StA Bamberg (Hochstift Bamberg, Geheime Kanzlei, Nr. 6, fol. 135–202; Aufschrr.: „Wurms. Handlung uf dem gehalten reychstag zu Wormbs geubt, sambt irem abschiet, Ao. XVCIXo. – Reichstag zw Wurms gehalten anno XVCIXo.); GStA Berlin (I. HA, Repos. 10, Nr. ♃♆, Fasz. 2 N, fol. 15–30’, 39–55), HStA Dresden (GR, Loc. 10180/23, fol. 8–64’ – nachträgliche Trennung der Texte zu Einzelstücken unter Beibehaltung der vorgegebenen Reihenfolge bis fol. 46, dann fortlaufender Text ohne Leerseiten); GLA Karlsruhe (Abt. 98 a, Nr. 930, unfol.; Aufschr.: „Handlung des hailigen Reichs tags zu Worms anno Domini funfzehenhundert und im neunden gehalten.“); StA Marburg (Best. 2, Nr. 119, unfol.; Aufschr.: „Abschrift der handlung aller stend des Hl. Reichs, zu Wormbs auf jungstgehaltem reychstag beschlossen, Ao. Domini funfzehenhundert nono.“); StdA Memmingen (A Bd. 292, unfol.; Aufschr.: „1509. Handlung und abschied des Reichßtags zu Worms Ao. etc. nono gehalten.“ Unvollständig, bricht nach Nr. 279 mit einer knappen Zusammenfassung der weiteren Verhandlungen und der Ergebnisse des Reichstages [Nr. 279, Anm. 4] ab.); HStA München (KÄA 3136, fol. 391–430; Aufschr.: „Deß reichstags zu Wormbs handlung anno 9no.“ Unvollständig, bricht nach Nr. 289 ab); StdA Ravensburg (RA, Bü. 9 b/1. Unvollständig, bricht wie das Memminger Exemplar ab.); HStA Stuttgart (A 262, Bd. 4, fol. 123–78 [in falscher Reihenfolge abgelegt]; Aufschr.: „Des reichstags zu Wormbs handlung an[n]o 1509.“ 1564 angefertigte Abschrift des bayerischen Exemplars); HStA Weimar (siehe Anm. 11); HHStA Wien (AUR 1509, fol. 1–27; Aufschr.: „1509. Die handlung zu Wormbs.“ Exemplar aus der ebfl. Salzburger Überlieferung. Unvollständig, bricht nach Nr. 292 [Pkt. 2] ab.); StA Würzburg (WRTA 5, fol. 154–180’; Aufschr.: „Hernachvolgende ist handelung des keyserlichen tags, zu Worms gehalten in anno Domini XVCund nune.“ Unvollständig, bricht nach Nr. 292ab.). – Zur Reihenfolge der Stücke in den vorliegenden Reichshandlungen: Nrr. 272 [nur Berlin], 399 [nur Marburg], 265 [fehlt in Wien], 266, 268, 318 [fehlt in Berlin, Dresden und Wien sowie in den Überlieferungen der mindermächtigen Stände (Karlsruhe/Kloster Salem, Memmingen und Ravensburg)], 272 [nur Bamberg], 275, 272 [nur Dresden], 276, 279 [Memmingen und Ravensburg brechen hier ab; die folgenden Stücke bis einschließlich Nr. 299fehlen in Berlin], 280283, 269, 284 [fehlt in Wien], 297 [nur Würzburg], 298 [nur Bamberg, Karlsruhe, Marburg und Würzburg], 299 [nur Würzburg], 411, 404, 410 [die folgenden Stücke bis einschließlich Nr. 289fehlen in Berlin], 285 [nur Würzburg], 287 [fehlt in Dresden], 288, 289 [München und Stuttgart brechen hier ab], 290292 [Wien und Würzburg enden hier], 297 [nur Dresden und Karlsruhe], 298 [nur Berlin und Dresden], 299 [Bamberg, Berlin, Dresden, Karlsruhe und Marburg; danach folgen in Berlin Nrr. 288f.], 303 [nur Bamberg, Marburg], 272 [nur Marburg], 477 [nur Marburg]. In allen Überlieferungen mit Ausnahme Dresdens folgen die Stücke fortlaufend. Neben den dokumentierten Abweichungen in der Reihenfolge sind die Reichshandlungen in der Regel durch nur einzelne Stände betreffende, somit singuläre Stücke ergänzt. In einigen Überlieferungen ist Nr. 482entweder inseriert oder schließt an die Reichshandlung an.
9
 Reichstagsprotokoll der ksl. Kommissare [Nr. 259] (Wiedergabe der inserierten Stücke in abweichender Reihenfolge von den Reichshandlungen), reichsstädtisches [Nr. 260], markgräflich Badener [Nr. 261], Pfalz-Simmerner [Nr. 262] und Pfalz-Zweibrückener Protokoll [Nr. 263]. Sofern vom gleichen Tag datierende Verhandlungsakten nicht aufgrund ihrer Sachlogik angeordnet werden können, dient die Reihenfolge der Stücke in den Reichshandlungen und Protokollen als Ordnungskriterium für die Edition.
10
 Besonders gravierend sind die Fehler im Falle der lateinischen Supplikation Bf. Jakobs von Cambrai [Nr. 318]. Aufgrund der stillschweigenden Emendierung der auch in der gewählten Vorlage zahlreichen Fehler liegt hier eher ein Rekonstruktionsversuch des ursprünglich zur Abschrift vorgelegten Stücks als eine Wiedergabe der Textvorlage A vor.
11
 Ihre Bezeichnung als Protokolle (Mötsch, Gesamtarchiv, S. 25) ist irreführend. Tatsächlich setzt sich die Reichshandlung beinahe ausschließlich aus den in der Mainzer Kanzlei kopierten, anschließend meist mit einem Datumvermerk und einem erläuternden Titel versehenen Schriftstücken zusammen, ergänzt um einige singuläre Akten. Bei Reichshandlung B handelt es sich im Wesentlichen um eine teilweise geringfügig überarbeitete Abschrift von A. Einige der dort enthaltenen Stücke fehlen jedoch. Umgekehrt liegen Akten vor, die in A verlorengegangen sind. Aus diesem Grund und wegen der wechselnden Schreiber gestaltete sich ein Rekonstruktionsversuch der ursprünglichen Fassungen schwierig (kursiv gesetzte Folienangaben und Nrr. bezeichnen unter den reichsständischen Überlieferungen singuläre Stücke): –Reichshandlung A: HStA Weimar, Reg. E, Nr. 56, fol. 60–60’ [Nr. 265], 72–75’ [Nr. 266], 76–78’ [Nr. 268], 82–83 [Nr. 318], 79–79’ [Nr. 394], 80–80’ [Nr. 399], 110–113’, 114–115 [Nr. 275 (E)], 119–120’, 121–121’ [Nr. 275 (F)], 94–97’ [Nr. 275], 128–129 [Nr. 276], 129–133’ [Nr. 279], 142–143 [Nr. 280], 143–143’ [Nr. 281], 143’–144 [Nr. 282], 144’ [Nr. 283], 90–92 [Nr. 269], 92’–93 [Nr. 284], 156–158’ [Nr. 411], 158’–159 [Nr. 404], 159’ [Nr. 410], 124 [Nr. 287], 162–162’ [Nr. 288], 145 [Nr. 290], 146–146’ [Nr. 291], 146’–147 [Nr. 292]. –Reichshandlung B: fol. 32–35’ [Nr. 264], 61–61’ [Nr. 265], 63–67’ [Nr. 266], 68–71’ [Nr. 268], 84–85’ [Nr. 318], 98–101 [Nr. 275], 101’–102 [Nr. 276], 102’–106 [Nr. 279], 106’–107’ [Nr. 280], 108 [Nr. 281], 108’ [Nr. 282], 109 [Nr. 283], 148–150 [Nr. 411], 150’ [Nr. 404], 151 [Nr. 410], 151’–152 [Nr. 288], 152’ [Nr. 289], 153–153’ [Nr. 290], 154–154’ [Nr. 291], 154’–155 [Nr. 292]. Als Vorlage für die Ganztextwiedergabe der Verhandlungsakten dient in der Regel das weniger fehlerhafte Stück entweder aus der Reichshandlung A oder B.