Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil

Absicht zu einem Türkenkreuzzug; Notwendigkeit zum Vorgehen gegen Venedig; Aufforderung zur Unterstützung Ks. Maximilians in dieser Angelegenheit.

I. (auf dem Wormser Reichstag vorgelegte lat. Abschriften, Rom, 28.4.1509; Adressaten: geistliche und weltliche Kff.): Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 10180/23, fol. 39–40 = Textvorlage A. Bamberg, StA, Hst. Bamberg, Geheime Kanzlei, Nr. 6, fol. 146’–148 = B. Berlin, GStA, I. HA, Repos. 10, Nr. ♃♆, Fasz. 2N, fol. 15–16; 17–18’ (2 Kopien; Adressaten: weltliche Kff.). Karlsruhe, GLA, Abt. 50, Nr. 7, unfol. (dem mgfl. badischen RT-Protokoll [Nr. 261] inserierte Kop.). Lübeck, StdA, RTA, Vol. II, Fasz. 4, fol. 77–78. Marburg, StA, Best. 2, Nr. 119, unfol.

II. (lat. Or. Perg. m. Siegelspuren, Rom, 28.4.1509, Gegenz.: Sigismundus2; den Adressaten nicht zugestellt): Wien, HHStA, AUR 1509 IV 28 (3 Exemplare; Adressaten: Ebf. Uriel von Mainz, Ebf. Leonhard von Salzburg und Hg. Ulrich von Württemberg) = C.

III. (lat. Or. Perg. m. Siegelspuren, Rom, 30.4.1509, Gegenz.: Sigismundus; den Adressaten nicht zugestellt): Wien, HHStA, AUR 1509 IV 28 (2 Exemplare; Adressaten: Lgf. Wilhelm von Hessen und fränkische Reichsritterschaft) = D.

[1.] Von Beginn seines Pontifikats an stellte er unablässig Überlegungen an, wie ein ausreichend starker Kreuzzug gegen die ungläubigen Türken als den schlimmsten Feinden der Christenheit zustandezubringen sei. Alle seine Bemühungen richtete er deshalb auf die Vermittlung in den Streitigkeiten zwischen den christlichen Kgg. und Ff. Ein erster Erfolg war der Ausgleich zwischen Kg. Ludwig von Frankreich und Kg. Ferdinand von Aragon.3Als nächstes gelang ihm dies unter Einsatz seiner Autorität und durch hartnäckige Ermahnungen auch zwischen dem allerchristlichsten Kg. [Ludwig] und dem erwählten röm. Ks. Maximilian.4Sie gingen ein, wie er hofft, immerwährendes Bündnis5ein und bekräftigten ihre Absicht, so bald wie möglich unter Einbeziehung weiterer christlicher Kgg. und Ff. einen Kreuzzug (sanctissimam expedicionem)durchzuführen, doch müssten zuvor der Hochmut und die Gier Venedigs wie auch sein Expansionsbestreben unterdrückt und es durch Anwendung geistlicher und weltlicher Waffen gezwungen werden, die unrechtmäßig angeeigneten Besitzungen der römischen Kirche zurückzugeben. Denn Venedig ignoriert bis heute seine Bitten um Restitution der zu Beginn seines Pontifikats besetzten Städte Rimini, Faenza und Sarsina und weiterer Besitzungen in der Romagna – ganz zu schweigen von den übrigen durch die Venezianer der Hl. Kirche und seinen Amtsvorgängern zugefügten Rechtsverletzungen und Verlusten. Damit nicht zufrieden, stellte Venedig an der Grenze zum Kirchenstaat kürzlich ein großes Heer auf und scheint im Begriff zu sein, einen weiteren Einfall zu unternehmen.

So sieht er sich gezwungen, zum Schutz der Untertanen der röm. Kirche Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Er hat deshalb das Interdikt über Venedig verhängt, wie aus seiner beigefügten Bulle6zu entnehmen ist. Es steht zu befürchten, dass die Venezianer dessen ungeachtet in ihrem Ungehorsam beharren werden, weshalb er wie sein Vorgänger Sixtus IV.7den erwählten Ks. Maximilian als Advokaten der Kirche um Beistand gebeten hat.8Dieser hatte Venedig bereits zuvor vergeblich um die Rückgabe der genannten Städte ersucht.9Mit seinem Aufruf folgt er dem Beispiel seiner Vorgänger Stephan III. und Hadrian II., die ebenfalls christliche Kss. und Kgg. um Hilfe für die Rückeroberung von Kirchengut von den Heiden ersucht haben.

Er fordert ihn, den Adressaten, nachdrücklich auf, dem erwählten Ks. mit allen Kräften für den Schutz der Hl. Kirche zur Seite zu stehen, wenn dieser die Waffen gegen Venedig ergreift, damit er, der Papst, sich nach Heilung dieser inneren Wunde gemeinsam mit den christlichen Ff. persönlich gegen die Feinde der Christenheit, die ungläubigen Türken, wenden kann.

Anmerkungen

1
 Das Breve traf mit dem ksl. Schreiben an die RT-Kommissare [Nr. 393] am 22.5. in
Worms ein und wurde von diesen am gleichen Tag den Reichsständen vorgelegt [Nrr. 261, Pkt. 11
Zum andren … uberantwurt400, Pkt. 1].
2
 = Sigismondo de’ Conti, Sekretär Papst Julius’ II. (Frenz, Kanzlei, S. 443, Nr. 2087; Partner, Men, S. 228).
3
 Friedens-, Bündnis- und Heiratsvertrag von Blois, 12.10.1505 (lat. Druck: Mariño/Moran, Tratados III/1, Nr. 7, S. 105–113; Du Mont, Corps IV/1, Nr. XL, S. 72–74. Vgl. Hillgarth, Kingdoms II, S. 594; Wiesflecker, Maximilian III, S. 270).
4
 Friedensvertrag von Cambrai, 10.12.1508 [Nachweise siehe Nr. 52, S. 199, Anm. 1].
5
 Bündnisvertrag von Cambrai, 10.12.1508 [Nachweise siehe ebd., Anm. 2].
6
 Päpstliche Bulle vom 27.4. [Nachweise siehe Nr. 261, S. 387, Anm. 11].
7
 Möglicherweise spielt dies auf die päpstliche Vermittlung von 1481 im Konflikt zwischen Kg. Ludwig XI. von Frankreich, Ehg. Maximilian und Flandern an, die mit der an Ludwig gerichteten Aufforderung zur Beteiligung an einem Türkenkreuzzug verbunden war. Man wird davon ausgehen können, dass bei dieser Gelegenheit auch der Hg. von Burgund um einen Beitrag gebeten wurde. Vgl. Pastor, Geschichte II, S. 564f. Denkbar wäre im obigen Zusammenhang aber auch eine Bezugnahme auf die Aufforderung Sixtus’ IV. vom Juni 1483 zum Einschreiten gegen Venedig (ebd., S. 792f., Nr. 141 [Adressat hier: Ks. Friedrich III.]).
8
 Papst Julius hatte den Ks. in seinem Breve vom 10.4. an ihre vergeblichen Bemühungen um eine einvernehmliche Rückgabe Faenzas, Riminis und anderer unrechtmäßiger Eroberungen Venedigs erinnert. Angesichts der Waffenungleichheit habe er ihn als Advokaten der Kirche um seine Hilfe bei der Rückgewinnung der Städte gebeten. Doch hätte er in der Hoffnung auf ein Einlenken Venedigs bislang ohnehin darauf verzichtet, von einer Hilfszusage Gebrauch zu machen. Venedig allerdings halte nicht nur am Besitz dieser Städte fest, sondern bereite überdies durch Aufstellung eines großen Heeres einen weiteren Angriff auf den Kirchenstaat vor, um an diesem noch größeres Unrecht zu verüben. Er fordere ihn deshalb zur bewaffneten Hilfe nicht nur für die Rückgewinnung der genannten, sondern auch der schon seit längerer Zeit besetzten Städte Ravenna [1441], Cervia [1463] und Sarsina [1503; Falcioni/Riva, Sarsina II, S. 594] auf (lat. Or. Perg. m. Siegelspuren, Gegenz. Sigismundus[de’ Conti]; HHStA Wien, AUR, 1509 IV 10. Lat. Kop.; HHStA Wien, Maximiliana 20, Konv. 3, fol. 30. Lat. Druck, Gegenz. Sigismundus[de’ Conti]; TLA Innsbruck, Inkunabeln, Nr. 30; BSB München, Einbl. VI 22, 22a [jew. irrtümlich auf den 17.4. datiert], 22b. Vgl. Wenko, Kaiser, S. 38; Mährle, Opinione, S. 210).
9
 Vgl. zu den Initiativen Kg. Maximilians im Juli und Oktober 1504 Wiesflecker, Regesten IV/2, Nr. 21644, S. 1077; Stelzer, König, S. 45; Leipold, Beziehungen, S. 208; Lutter, Kommunikation, S. 129.