Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil
[1.] Kritik an der ersten ständischen Resolution zur Reichshilfe; [2.] Zurückweisung des Arguments mangelnder Leistungsfähigkeit; [3.] Kriegslast der habsburgischen Erblande; [4.] ungenügende Leistungsbereitschaft der Reichsstände; [5.] Rechtfertigung der Einigung mit Kg. Ludwig von Frankreich über das Hm. Mailand; [6.] Aufforderung zur Bewilligung einer Reichshilfe, Berücksichtigung des päpstlichen Hilfsbegehrens; [7.] Verantwortung der Stände für die Gefährdung des Reiches im Falle einer Verweigerung; [8.] Vortrag der Argumente durch die ksl. Kommissare; [9.] Zurückstellung der übrigen Verhandlungsmaterien.
Weimar, HStA, EGA, Reg. E, Nr. 56, fol. 156–158’ (Kop. mit imit. Vermm. prps./cdip. und Gegenz. Serntein; Adresse am Textende: Den hochgebornen, wolgebornen, edeln, ersamen, unsern lieben, andechtigen und des Reichs getreuen Caßimirn, marggraven zu Brandenburg etc., unserm lieben oh[ei]men und fursten, und N., andern unsern reten und comissarien, zu unserm Reichs tag gein Wormbs verordent. Verm.: Uf dornstag des [he]iligen fronleichnams tag [7.6.] [in] der meinzischen canzley geschriben.) = Textvorlage A. Würzburg, StA, WRTA 5, fol. 176–177’ (wie A) = B. Wiesbaden, HStA, Abt. 131, IV a, Nr. 22, fol. 36’–39 (dem ksl. RT-Protokoll [Nr. 259] inserierte Kop., Vermm. wie A, Adresse am Textende: An die ksl. rete zu Wormbs, auf dem Reichs tag versamelt etc.) = C. Frankfurt, ISG, RTA 24, fol. 138’–142 (dem reichsstädtischen RT-Protokoll [Nr. 260] inserierte Kop.; wie A) = D. Bamberg, StA, Hst. Bamberg, Geheime Kanzlei, Nr. 6, fol. 166’–168’ (wie A; Datumverm.: Corporis Christi [7.6.] Ao. etc. VIIIIo ). Berlin, GStA, Repos. 10, Nr. ♃♆, Fasz. 2N, fol. 46’–48’ (wie A; Datumverm.: Am tag corporis Christi). Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 10180/23, fol. 53–55 (Kop., Kanzleiverm.: B.). Karlsruhe, GLA, Abt. 50, Nr. 7, unfol. (dem mgfl. badischen RT-Protokoll [Nr. 261] inserierte Kop.). Karlsruhe, GLA, Abt. 98 a, Nr. 930, unfol. (wie A; Datumverm.: Auf corporis Christi anno etc. IXo haben ksl. Mt. rät nachvolgent schriften angebracht.). Lübeck, StdA, RTA, Vol. II, Fasz. 4, fol. 52’–55’ (wie D). Marburg, StA, Best. 2, Nr. 119, unfol. (wie A; irrtümlicher Datumverm.: Mitwochen vor corporis Christi [6.6.]). Mühlhausen, StdA, 10 B 1–8, Nr. 1, fol. 338’–342’ (wie D). München, HStA, KÄA 3136, fol. 422’–424’ (wie B). München, HStA, K.blau 103/4b, fol. 41’–43 (wie A). Nordhausen, StdA, R, Ac 1, fol. 57–60’ (wie D). Stuttgart, HStA, A 262, Bd. 4, fol. 86–82’ (Abschrift von 1564, in falscher Reihenfolge abgelegt; Vermm. wie A). Wien, HHStA, AUR [Est. Salzburg] 1509, fol. 22–24 (wie A; Verm.: Dise instruction ist durch die post komen in die corporis Christi [7.6.].). Wolfenbüttel, StA, 1 Alt 1 A Fb. 1 Nr. 2, fol. 30–32 (wie D).
Druck: Janssen, Reichscorrespondenz II, Nr. 973, S. 772–774.
[1.] /156/ Maximilian, a–von Gots gnaden e[rwählter] romischer kayser–a etc.
Hochgeborner, lieber ohemb, wolgeborner, edeln, ersamen, andechtigen und lieben getreuen. Wir haben euer schreyben[Nr. 409] und darinne die antwurt [Nr. 275] von den stenden des Reichs, zu Wormbs versamelt, vernomen, der wir uns billich hoch befrembden, auch besweren und beherzigen, in ansehung des ubel und engen bedenkensc der grosen nodturft zu ere und wolfart, so dem Hailigen Reich und teutzscher nacion vor augen ist. d–Dann doch kein kaiser noch konig in hundert jaren nye seinen fueß so trostlich und loblich in Italien gesetzt hat, als wir mit gnaden und hilf des Almechtigen ytze tun–d, und danacht nach grosem unkosten, so wir ytzo in unsern burgundischen landen gegen Frankreich gelitten, dadurch denselben zu unserm lieben bruder gemacht und dazu bracht haben, ein loblichen tractat wider Venedig neben unser anzunemen, f–wie wir dann solchs den stenden des Reichs nast zu Wormbs, als wir persondlich dogewest sein, zu erkennen geben haben–f [Nr. 264 bzw. 266, Pkt. 1].
[2.] g–So sie aber ir armut und unvermogen anzeigen, dz ist in uns ungleublich, dann wir wissen beyleuftig ir vermogen gleich so wol alß sie selbs–g. Wir mussen aber achten, /156’/ dz solchs kam auß unsern mißgonnern, die do wolten, dz wir und unser kindskinder verdruckt wurden, h–und darumb nit ansehen ir ere, sele und ayd–h. i–Dann, als die stend melden, wie sie uns uf dem Reichs tag zu Costenz ir unvermogend auch angezeigt haben: Solch anzeige, dergleichen sie gegenwertiglich tun, mag zu Costenz auch bescheen sein–i. Aber dannocht haben sie uns doselbst zu Costenz uber die bewilligt bestymbt hilf vertrost, ob uns dergestalt ein unsig oder ubermacht von den Venedigern und anderen widerwertigen begegent, das uns die sachen zu swer sein wurden, das uns dann merer hilf von inen bescheen und gefolgt sein solt2, darauf wir auch gehoffet. j–Aber wiewol wir große macht, widerwertigkait und beswert der feynd befunden, haben wir doch yr weyter zutun nyndert gespurt, sonder sein genzlich von inen verlassen gewest–j.
[3.] Die stend solten billich bedenken, das wir als ein herr von Osterreich und Burgundi lang jar her vil swerer last und burd, muhe und kosten von Francosen, Sweyzern, Geldrischen, Hungarn und Durken getragen und gelitten und die alle ubersteen mussen. Haben auß unser aigen macht und camergut und in solchen anfechtungen allezeit bedacht und uns gevlissen, unser heuser Osterreich und Burgundi zu behalten und zu bestaten [= aufstellen, verwenden] zu einem schilt des Reichs gegen den bemelten anstossern, welche unser heuser sich doch, als meniglich in der /157/ ganzen cristenhait weiß, dem Hailigen Reich ytzt ganz anhengig und zu schetzen underwurfig gemacht haben.
[4.] Wir hetten auch allezeit gern diejene, so dem Hailigen Reich verwant und zugehorig gewest sein, zum Reich gewendt und in ein recht liebe und gehorsam gegen demselben Reich bewegt und bracht; als wir das auch oft wol mit gutem forteil und fug tun mogen, wo wir hilf und beystant der stend des Reichs, als billich bescheen were, dazu gehabt hetten, die wir aber fruchtparlich nye bekommen mogen haben. k–Dann ir hilf ist alzeit so swach, cleyn und langsam gewest, das wir unser macht mitsambt yrer hilf an frucht vorschwenden, verlegen und verzeren mussen und damit nichts austreglichs außrichten mogen–k. Dadurch dann die obgemelte nacion gegen uns, dem Reich und den heusern Osterreich und Burgundi allezeit oberhant gehabt und sonderlich uns und unser erblande in abnemen gebracht haben.
[5.] Belangend den tractat mit Meyland, haben wir auch befrembden, dann wir noch nit anders gehandelt, wann wie die stend deß wissen tragen l–und sonderlich die curfursten selbs zu Freyburg3 und uf andern Reichs tegen gehandelt und geraten haben–l.
/157’/ m–Wir haben auch sonst in unsern und des Reichs sachen ytzt und zuvor nichts an der stend wissen und rat gehandelt und derhalb groß versaumbt und verzert–m. Darumb wurd uns solcher unglympf unbillich zugemessen.
[6.] Und demnach ist unser ernstlich begern aufs hochst an die stend und versamplung des Reichs, die sachen baß zu bedenken und zu herzen zu furen und sich einer andern, besser antwort und meynung n–unserm begern gemeß–n zu entslissen, auch sonderlich dabey zu betrachten die erfordrung, so durch unsern hailigsten vater, den babst, mit seiner hailigkait breve apostolicum [Nr. 272] an sie außgangen ist, darinnen er sie zu hilf und rettung der hailigen romischen kirchen als stend des Reichs und cristenheit neben uns als advocaten ermant, o–dadurch seiner hailigkait nit nod werd, sich ab inen zu beschweren und sie hoer anzusuchen–o.
[7.] Dann wo sie sich ye zu hilf und beystand der romischen kirchen und zu ere und wolfart des Heiligen Reichs und teutzscher nacion nit bewegen lassen wurden, darauf wir doch nach gute hofnung haben wellen, so were zu besorgen, dz Heilig Reich mocht dadurch in zutrennung wachsen. p–Darumb wir hiemit protestirt haben wellen, wo sie uns und dem Reich nit hilf beweysen, ob dann dem Reich ubels begegnen und zusteen wurde, /158/ dz sie daran schuldig und ursacher sein–p.
[8.] Auf das alles ist unser ernstlicher bevelh, das ir die obberurt unser meynung von stund an an die curfursten, fursten und stend des Hailigen Reichs mit bestem vleis brenget und gelangen lasset und sie darauf mit ernst verfolgen, anhaltet und solicitirent, sich umbq unser und des Reichs, auch teutzscher nacion varsteenden gelucks, ere und wolfart willen einer pessern, zymlichern antwurt zu verfassen und volzug derselben zu furdern, und ylend. Daran tut ir unser ernstlich meynung.
[9.] Andere artikel, so in unser instruction [Nr. 268] und der stend antwurt begriffen sein, haben wir darumb, das uns dise sache am genotigsten und eylendesten bedunkt hat, hirinne underlassen. Wellen euch aber derhalben unser meynung uf naste post auch eylends bescheid zuschreyben. Geben zu Insprugk am dritten Juny anno nono, unsers Reichs im XXIIIIten.