Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Kurfürstentag zu Regensburg 1575 bearbeitet von Christiane Neerfeld
3.1 Organisatorische Vorbereitungen
Nachdem mit dem zweiten Mainzer Ausschreiben vom 24. Juni 1575 der Versammlungsort und der Termin des Kurfürstentags endgültig festgelegt waren und die Kurfürsten ihr persönliches Erscheinen zugesagt hatten, konnte mit den organisatorischen Vorbereitungen begonnen werden. Der Kaiser informierte den für den reibungslosen Ablauf zuständigen Reichserbmarschall von Pappenheim und den Rat der Stadt Regensburg und forderte sie auf, die nötigen Vorkehrungen zu treffen1.
Da es Gerüchte über eine Pestepidemie in Regensburg gegeben hatte, schickte Maximilian II. außerdem einen Beamten in die Stadt, der sich ein Bild von der Ausbreitung der Seuche und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen verschaffen sollte2. Nachdem dieser am 30. August seinen Bericht vorgelegt hatte, konnte der Kaiser dem Kurfürsten von Sachsen, der vorgeschlagen hatte, die Versammlung gegebenenfalls um einen Monat zu verschieben oder nach Nürnberg zu verlegen3, berichten, „das es diß orts nit so gefehrlich als man vermainet“4. Dies bestätigt auch der Bericht der nach Regensburg vorausgeschickten kursächsischen Räte, die zwei Wochen vor Beginn der Versammlung ihrem Kurfürsten meldeten, dass es in der vorangegangenen Woche nicht mehr als fünf oder sechs Pesttote gegeben habe und dass es „dem Herrn sey danngk in e.kfl.Gn. quartir, auch daselbst in der nehende herrumb, sovil wir nach vleißiger nachforschunge erfahren mugen, ganntz reyn.“5 Im Verlauf des Oktober scheint sich die Seuche hingegen verschlimmert zu haben. Der päpstliche Nuntius Dolfin berichtete am 7. Oktober von 4 bis 6 Pesttoten pro Tag, Ende des Monats bereits von 10 bis 12 Opfern6. Die Durchführung des Kurfürstentags scheint durch die Pest zwar nicht gefährdet gewesen zu sein, doch ist davon auszugehen, dass viele Interessierte wegen der Seuche von einem Besuch in der Stadt absahen. Der venezianische Gesandte Vincenzo Tron meldete Mitte Oktober, dass sich die Kurfürsten um eine schnelle Einigung bemühten „per la carestia grandissima che si trova qui, che certo è impossibile a crederla, et per i danni che fa la peste, li quali non si pò con ogni diligentia tanto nascondere che non mettano terrore et spavento a tutti“7. Nicht nur die Pest, sondern auch die hier angesprochenen Engpässe bei der Versorgung sowie der bevorstehende Winter8 dürften dazu beigetragen haben, dass den Teilnehmern, von denen „ein jeder nit lust, lang hie zu verharren“9, an einer raschen Entscheidung bei der Wahl eines römischen Königs gelegen war.
Während der Reichserbmarschall Konrad von Pappenheim organisatorische Vorkehrungen traf10, schickten die Kurfürsten Verordnete nach Regensburg, die sich um die Beschaffung standesgemäßer Quartiere und die Organisation der Verpflegung kümmern sollten11. Besonders schnell war dabei Kurfürst August von Sachsen, dessen Räte bereits im Juni für eine zügige Quartiersuche plädiert hatten, „damit e.kfl.Gn. nicht die besten losamenter vorrucket unnd preoccupirt werden“12. Als die pfälzischen Abgesandten Stefan Frey und Dietrich Schwartz am 27. Juli in Regensburg eintrafen, um für Kurfürst Friedrich und sein geplantes Gefolge von 500 „Pferden“ Quartiere zu reservieren, hatten die sächsischen Vertreter für Kurfürst August und seine Familie bereits einige Häuser besichtigt, Vorabsprachen getroffen und Umbauarbeiten im Umfang von 400 fl. durchgeführt. Da zu diesem Zeitpunkt weder der kaiserliche Quartiermeister Hans Jakob Herbrot noch der Reichserbmarschall Konrad von Pappenheim in der Stadt waren, beauftragten die pfälzischen Vertreter den Regensburger Kammeramtsverwalter Dionysius von Preckendorf, die gewünschten Herbergen für Kurpfalz zu beanspruchen, darunter mehrere Unterkünfte „von des Weinsprunners behausung an bis zu ende der Enngelburger strasse“, in denen auch der kursächsische Geheime Rat Lorenz Lindemann seinen Kurfürsten gerne einquartiert hätte13. In seinem Schreiben an Pfalzgraf Ludwig vom 9. August berichtete Dietrich Schwartz, dass der Stellvertreter des noch nicht in Regensburg anwesenden Reichserbmarschalls damit einverstanden sei, dass er für den Kurfürsten von der Pfalz „deß Weinsprunners hauß“ eingenommen habe. Zu den Herbergen der anderen Kurfürsten teilte Schwartz mit:
„So hat der churfurst von Sachßen nit weith davon deß Osterreichers, deß Schlahers, deß Rosauern unnd anndere heußer, deren er etlich mit grossem uncosten zusammen prechen unnd pauen lest, albereith uber die 800 fl. aufgewenndt. So haben die menntzischen fur iren churfursten strackhs dargegen uber der Schweblin hauß eingenommen, die wappen angeschlagen, welche sie wider herunnder reussen muessen, unnd gedachter deß marschalckhs bevelch haber neben dem quattirmeister ganntz ubl zufriden; wöllen sie annders wohin weisen. Ittem so hat der quattirmeister fur die ksl.Mt. deß bischoffs hoff unnd fur die kayserin das closter Nidermunster eingenommen, also das die kayserischen fast alle inn der Pfaffengassen pleiben. Tryer soll, wo nit ennderung furfelt, uff Sanct Jacobs platz in deß Scheckhenpachs oder Hallers behausungen ligen. So haben die brandenpurgischen das „Gulden khreutz“ eingenommen, wissen doch nit eigentlichen, waran sie sindt. Von Kölln ist noch niemandt khommen. Ittem der bayrisch furirer hat das closter St. Haimeran fur sein herrn eingenommen“14.
Der Reichserbmarschall von Pappenheim traf erst Mitte September in der Stadt ein15. Die Kurbrandenburger Gesandten berichteten Ende des Monats, dass die „Ordnung und Satzung“, die für die Dauer der Versammlung das Zusammenleben polizeilich regelte, noch nicht veröffentlicht worden sei, und klagten deshalb über „große unordnungk, unnd die beschwerungk unnd ubersetzung der victualien halben uber alle maß“16.
Ausländische Beobachter berichten, dass sich der Kaiser zu diesem Zeitpunkt aus verschiedenen Gründen in großer Geldnot befand17, und der Kurfürstentag in Regensburg nur mit der finanziellen Unterstützung der Medici und des Kurfürsten von Sachsen stattfinden konnte, den Maximilian II. bereits bei seinem Besuch in Dresden im April 1575 um Geld gebeten hatte18. Nicht zuletzt im Hinblick auf die gewünschte Belehnung seiner Söhne mit dem Vogtland gewährte Kurfürst August dem Kaiser ein Darlehen in Höhe von 200.000 fl. und ließ ein Viertel der Summe bereits vor Beginn des Kurfürstentags auszahlen19. Laut des Hofzahlamtsbuchs von 1575 betrugen die Ausgaben allein für die kaiserlichen Geschenke, die in Form von goldenen Ketten und Silbergeschirr an kurfürstliche und andere Räte verteilt wurden, 11.500 fl.20 und wurden aus der von Francesco de' Medici zugesagten und vom Handelshaus der Fugger bereitgestellten Summe bestritten. Weitere 49.500 fl. der insgesamt 150.000 fl. des Hg. wurden dem kaiserlichen Hofzahlmeister Peter Häckl am 29. Oktober in Regensburg übermittelt, am 17. Dezember erhielt die Stadt Regensburg 4.000 fl. für ein Darlehen zur Abreise der Kaiserin Maria21.
Der zunächst für den 29. Juli, dann für den 26. September angesetzte Beginn des Kurfürstentags verschob sich erneut, weil Rudolf vor seiner Wahl zum römischen König zunächst die Krone von Böhmen empfangen musste, damit er die böhmische Stimme führen konnte22. Seine Krönung fand am 22. September in Prag statt und konnte erst durchgeführt werden, nachdem auf dem im Februar des Jahres eröffneten böhmischen Landtag ein Kompromiss erreicht worden war: Dafür, dass Kaiser Maximilian II. den böhmischen Landständen entgegenkam und ihnen mündlich die Formulierung des gemeinsamen Bekenntnisses der böhmischen Protestanten, die confessio bohemica, gewährte, nahmen die Stände seinen Sohn Rudolf als König von Böhmen an23.
Am 15. September teilte der Kaiser den Kurfürsten mit, dass er seine Reise nach Regensburg wegen der anstehenden Krönung Rudolfs verschieben müsse und dass er voraussichtlich erst am Montag, dem 26. aus Prag abreisen könne24. Gleichzeitig informierte er den Reichserbmarschall Konrad von Pappenheim, den Bischof von Regensburg Kölderer von Burgstall sowie seinen geheimen Rat Leonhard von Harrach über die eingetretene Verzögerung und trug ihnen auf, die Kurfürsten, die zu diesem Zeitpunkt bereits nach Regensburg unterwegs waren und die vor ihm in der Stadt eintreffen würden, in seinem Namen zu begrüßen und sich für die Verspätung zu entschuldigen25. Am 26. September nahmen die kaiserlichen Beauftragten den Erzbischof von Köln auf diese Weise in Empfang. Die anderen Kurfürsten zogen es vor, dem Kaiser den Vortritt zu lassen und unterbrachen ihre Reise26. So berichtete der Gesandte Erzherzog Ferdinands II., Johann Dreyling, am 28. September, dass sich der Kurfürst von Sachsen seit einiger Zeit in Straubing aufhielte, „aber vor der ksl.Mt. ankhonfft nitt einraitten will“27.
3.3 Ankunft von Kaiser und Kurfürsten
Während die kaiserliche Familie sich noch auf dem Weg zum Kurfürstentag befand, trafen in Regensburg die ersten Teilnehmer ein28. Die vorausgeschickten Kurbrandenburger Gesandten berichteten am 30. September ihrem Kurfürsten, dass sie am 26. in der Stadt angekommen seien: „Unnd habenn alhier niemandt mehr gefunden dan allein denn bischoff vonn Saltzburg etc. unnd die churfurstlichenn sechssischenn gesandten. Aber nach unser ankunfft ist Cölln deßelben tages auch anher kommen. Unnd des andern tages, als denn 27., der hertzog von Beyern mit seinn frawen zimmer zu schiff one alles geprenge. Vonn Meintz wegen ist nach niemandts hie dann alleine die jenigenn, die zu erbawung unnd anrichtung der losamenter verordnett. Vonn denn keyserischenn seint ettliche abgeordnete alhier, die den churfurstenn unnd ertzbischoff vonn Cölln entpfangenn.“29
Maximilian II. zog am 3. Oktober in Begleitung seiner Frau Maria, seines Sohnes Rudolf, des frisch gekrönten böhmischen Königs, sowie weiterer Söhne und Töchter in Regensburg ein. In seinem Bericht nach Rom schrieb der päpstliche Nuntius über den prächtigen Einzug des Kaisers: „L'entrata fu molto bella, così per l'ordine che i germani tengono nel cavalcare, come per le molte collane d'oro et ricchi habiti loro. Il numero di cavalli non passò 2 mila.“30 Zwei Tage später, früh morgens, „ehe es ihre Mt. oder jhemandts anders von den anwesenden chur- und fursten inne worden“31, erschien Kurfürst Johann Georg von Brandenburg in der Stadt. Am selben Tag zogen der Kaiser, der Erzbischof von Köln und der Herzog von Bayern dem Kurfürsten von Mainz entgegen, der am Nachmittag in die Stadt einritt. Am 7. Oktober trafen zuerst der Erzbischof von Trier, bei dessen Einzug es zu Streitigkeiten kam32, dann Pfalzgraf Ludwig mit seiner Frau, „on sonders gepräng und gleyd mit 150 Pferden“33, spät am Abend schließlich, als letzter der Hauptteilnehmer, Kurfürst August von Sachsen mit seiner Familie ein. Sein Weg nach Regensburg ist besonders gut dokumentiert, da er auf seiner Reise einen Wagenwegmesser einsetzte, der sowohl die zurückgelegte Strecke als auch die mittels eines Schiffskompasses ermittelte Veränderung der Wegrichtung mechanisch aufzeichnete. Anhand der gemessenen Strecken und Winkel wurde nach dem Ende der Reise eine rund 13,5 Meter lange Routenrolle angefertigt, auf der Ortschaften, Flüsse und andere markante Punkte eingezeichnet sind. Aus den Angaben geht hervor, dass der Kurfürst die Gesamtstrecke von rund 370 Kilometern mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 30 Kilometern am Tag zurücklegte34. Seine Route führte von Mühlberg an der Elbe über Dresden, Augustusburg, Annaburg, Sankt Joachimsthal, Schlaggenwald, Plan, Haid, Taus, Furth im Wald, Kötzting und Straubing bis nach Regensburg35.
Der päpstliche Nuntius berichtet, dass das Gefolge des Kaisers beim Einzug aus nicht mehr als 2000 Pferden bestanden habe. Wie groß der Anhang der Kurfürsten inklusive der Hofbediensteten und Kanzleibeamten, der sie begleitenden Fürsten, Grafen und Herren sowie des Gesindes gewesen sein mag, ist schwer abzuschätzen, da die überlieferten Furierlisten unterschiedliche Zahlen zu den mitreisenden Personen, Reit- und Kutschpferden nennen und mit den Angaben von Augenzeugen oft nicht übereinstimmen. Wahrscheinlich war das Gefolge des Kurfürsten von Brandenburg mit mehr als 500 Pferden am größten, gefolgt von Kursachsen und Kurpfalz mit jeweils 450 bis 500 Pferden und Kurköln mit ca. 430 Pferden. Für Kurmainz und Kurtrier werden Zahlen zwischen 250 und 300 genannt36.
Es ist auffällig, dass alle weltlichen Kurfürsten darauf verzichteten, vom Kaiser und den bereits anwesenden Kurfürsten in der üblichen Weise empfangen zu werden, und es vorzogen,unvermerkt in der Stadt anzukommen. In den Quellen wird die Vermutung geäußert, dass sie dies „vermeidung willen unrhue unnd pumps [= Pomps]“ taten oder weil sie „nicht gewolt, daß die ksl.Mt. inen entgegen ziehen sollen“37, wobei jedoch offenbleibt, ob dies aus Rücksicht auf die angeschlagene Gesundheit des Kaisers oder aus politischen Gründen geschah.
Wie bei der letzten Wahl 156238 ergingen auch diesmal Einladungen des Kaisers an einige wichtige Reichsfürsten. Während Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel, Markgraf Karl II. von Baden-Durlach, Herzog Ludwig von Württemberg sowie Erzherzog Ferdinand II. aus unterschiedlichen Gründen absagten, kündigten der Erzbischof von Salzburg, Herzog Albrecht V. von Bayern und Pfalzgraf Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg ihr Kommen an39. Neben ihnen erschienen außerdem in Regensburg: Pfalzgraf Georg Johann I. von Pfalz-Veldenz, Herzog Barnim X. von Pommern, Markgraf Philipp II. von Baden-Baden, der Jungherzog Joachim Friedrich von Liegnitz-Brieg sowie die Pfalzgrafen Ottheinrich von Pfalz-Sulzbach und Friedrich von Pfalz-Zweibrücken40.
Auf Einladung Maximilians II. kamen auch auswärtige Gesandte zum Kurfürstentag nach Regensburg. Zu nennen sind hier in erster Linie der päpstliche Nuntius Giovanni Dolfin41, der venezianische Gesandte Vincenzo Tron42 sowie der spanische Botschafter am Kaiserhof Francisco Hurtado de Mendoza, Graf von Monteagudo, der den Kurfürsten die Wahl des in Spanien erzogenen Erzherzogs Rudolf empfehlen sollte43. Die Republik Genua war mit dem Agenten am Kaiserhof, Giorgio Giorgi, und mit dem Gesandten der Nobili vecchi, Domenico Grimaldi, vertreten, der jedoch erst am 1. November in Regensburg eintraf44. Für Ferrara waren Paolo Carandini und Dr. Renato Cato anwesend45. François d'Amours, sieur de La Galaizière, und François Bouchard kamen als Gesandte des Hugenottenführers Prinz Henri I. von Bourbon-Condé in die Stadt, um die Kurfürsten um militärische und diplomatische Unterstützung für die französischen Protestanten zu bitten46. Eine kaiserliche Einladung erging auch an den Leiter der Augsburger Handelsgesellschaft Marx Fugger, der sich jedoch entschuldigte und seinen Bruder Hans nach Regensburg schickte, um dort mit Vertretern des Kaisers und des bayerischen Herzogs Albrecht über die Beilegung eines innerhalb der Familienhandelsgesellschaft entstandenen Konflikts zu verhandeln47.
Neben Kaiser, Kurfürsten und Fürsten mit ihrem zahlreichen Gefolge, auswärtigen Beobachtern, Hofbeamten und Bittstellern kamen auch viele Kaufleute, Handwerker und Schaulustige in die Stadt, die im Zuge der Wahl- und Krönungsfeierlichkeiten zum Schauplatz feierlicher Umzüge und glanzvoller Feste wurde und zugleich Gelegenheit zu Informations- und Wissensaustausch bot48. Angesichts des immer wieder verschobenen Termins, der herbstlichen Witterung und nicht zuletzt wegen der Pest war der Andrang jedoch wahrscheinlich nicht so groß wie bei der letzten Herrschererhebung 1562 in der zentraler gelegenen Reichsstadt Frankfurt49.
Aus gesundheitlichen Gründen konnte Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz als einziger nicht persönlich an der Regensburger Versammlung teilnehmen. Sein Sohn und Vertreter Pfalzgraf Ludwig begab sich am Tag nach seiner Ankunft sogleich zu Kaiser Maximilian II., um sich für die krankheitsbedingte Abwesenheit seines Vaters zu entschuldigen und um den Kredenzbrief des Kurfürsten sowie einen Auszug aus der pfälzischen Instruktion zu übergeben50. Der Kurpfälzer Großhofmeister Sayn-Wittgenstein berichtet in seinem Diarium, dass der Kaiser und auch die Kurfürsten, bei denen der Pfalzgraf am 9. Oktober vorsprach51, die Entschuldigung Ludwigs mit Wohlwollen entgegengenommen hätten. Allein Kurfürst August von Sachsen, der die Krankheit des Pfälzers für vorgeschoben hielt, sei „ihme in die Rede gefallen, und gesagt, er wolls ihrer L., aber sonst keinem glauben“52. Die Unfreundlichkeit, mit der der sächsische Kurfürst den Kurprinzen empfing, war Ausdruck seiner Verärgerung über das Verhalten Kurfürst Friedrichs, den er dafür verantwortlich machte, dass Prinz Wilhelm I. von Oranien seine Frau Anna von Sachsen, die Nichte Kurfürst Augusts, verstoßen und im Juli 1575 die am Hof Friedrichs III. lebende Charlotte von Bourbon-Montpensier geheiratet hatte53. Der sächsische Kurfürst, der erst im Nachhinein von dieser Hochzeit unterrichtet worden war, fühlte sich in seiner Ehre verletzt und vermutete nun auch hinter der 1570 geschlossenen Verbindung seiner Tochter Elisabeth mit Pfalzgraf Johann Casimir unredliche Absichten des Pfälzers. In seinem Gespräch mit Pfalzgraf Ludwig kritisierte August überdies, dass Friedrich mit seiner Unterstützung für die französischen Hugenotten und die aufständischen Niederländer nicht nur den Kaiser, sondern auch die Könige von Frankreich und Spanien gegen sich aufbringe. Außerdem, so der letzte Punkt, wollte er den Kurpfälzer Kanzler Ehem nicht zu den Beratungen zulassen54. Pfalzgraf Ludwig informierte seinen Vater ausführlich über diese Vorwürfe55 und versuchte, die pfälzische Politik gegenüber Sachsen zu rechtfertigen, doch konnte er August, für den der Streit möglicherweise ein willkommener Anlass war, um sich vom Pfälzer zu distanzieren, letztlich nicht besänftigen56. Die schon vor Beginn des Kurfürstentags offensichtlichen privaten Spannungen zwischen der reformierten Pfalz und dem lutherischen Sachsen dürften auf den Verlauf der Beratungen, bei denen dann auch die unterschiedlichen politischen Ansichten deutlich zutage traten, einen nicht unwesentlichen Einfluss gehabt haben. Die Chancen für eine gemeinsame Linie der protestantischen Kurfürsten standen nach diesem unfreundlichen Auftakt jedenfalls nicht gut.