Textvorlage: Kurmainz A, fol. 100–103’.
1. HA (Religionsvergleich): Drängen des Kgs. auf die Bewilligung des Kolloquiums durch die geistlichen Stände.
/100/ (Nachmittag)
Kgl. Herberge. Im Anschluss an die Übergabe der Replik zum 1. HA (Religionsvergleich)1
lässt Kg. die Gesandten aller weltlichen Reichsstände abtreten.
Kg. und geistliche Reichsstände. In Anwesenheit des Kgs. und Hg. Albrechts von Bayern trägt Vizekanzler Jonas nur den Gesandten der geistlichen Reichsstände vor2
: /100 f./ Kg. bedauert, dass die Reichsstände zum Religionsvergleich eine geteilte Resolution übergeben haben, in der sich die geistlichen Stände für ein Generalkonzil und die weltlichen für ein Kolloquium aussprechen3.
/100’/ Nun wusten ire kgl. Mt. sich gnediglichen zuerinnern, das zu hinlegung und vergleichung der strittigen religion sachen kein ordentlicher weg dan ein general christlich concilium, wo dasselbig fruchtbarlichen ins werck pracht werden mochte. Zweivelten auch nit, churfursten, fursten und stendt trugen gut wissens, /101/ wie die romisch ksl., auch ire kgl. Mt. etlich viel jar mit allem vleiß angehalten und understanden, auf das ein solch christlich general concilium gehalten und zu gepurlicher entschafft mogen gepracht werden, das auch ire Mtt. an muhe, arbeit und kosten sich nichst betauren lassen; zugeschweigen allerhand widerwillens, den sie dardurch auf sich geladen, und dz auch irer Mtt. eigne leib darumb in gefahr gesetzt worden. Derselbigen willens und gemuts, auch solcher catholischen meinung, alles zubefurdern, was zur selen hail und erhaltung unsers christlichen glaubens imer dienstlich, weren ire Mtt. noch auf den heutigen tag. Weren auch nit wenigers bedacht, das wie vor diesser zeit ye und alwegen ir allergnedigst vatterlich gemut dohin gestanden und beschehen [!], die gaistlichen chur- und fursten stendt und dero zugewandten in allergnedigstem befelch, schutz und schirmb zuhalten. Wo auch ire kgl. Mt. bei den gaistlichen churfursten, fursten /101’/ und stenden anderst angetragen weren, so gesinnen ire Mt., sie wolten solchem antragen kein glauben geben, sonder sich gewißlichen alles dessen, wie yetzt vermeldet, zu irer Mt. getrosten und entlich versehen. Dweil nun aber uber das ire kgl. Mt. und menniglich greiflichen spuren und befinden, das obangeregter weg eins christlichen conciliumbs nit allein nit zuverhoffen, zu einiger hailsamen außrichtung, fruchtbarn beschluß und end zupringen, sonder das es auch schwerlich zuerlangen und es nit ins werck zurichten: Darumb dan ire Mt. erachten, da man auf solchem weg entlich verharren wurde, das es bei dem gegenthail nit allein ein scheuch ansehens haben, sonder auch inen die gedancken pringen mochte, alß obe die gaistlichen und der alten catholischen religions verwandte stendt ire sachen vor menniglichen an tag zu thun und dabei zubestehen abscheuch trugen und derhalb solche mittel und weg fürschlugen, so sie vorhin wusten, das sie nit /102/ ins werck gericht werden konten, so hetten demnach und auf das der last und unglimpff auf diesser seiten bei irer kgl. Mt. und den gaistlichen stenden nit liggen pliebe, dieselbig ire Mt. nit underlassen, sich ires bedenckens zuresolvieren und zu ercleren auf den weg eins colloquii. Doch nit auf maß, wie solche colloquia vormals angestelt und versucht worden, sunder das in diessem colloquio die strittigen articul unserer christlichen religion mit iren umbstenden allein ratsweiß, freuntlichen und vertreulichen beratschlagt und verglichen und alßdan der colloquenten ratsam bedencken den stenden weiter anpracht werden soll, die alßdan die sachen ferner der notturfft zuberatschlagen und folgents irer Mt. ire rath und gutbeduncken weiter furzupringen etc., wie solchs ferner in der geschrifft4 außgefurt.
Nachdem dan ire kgl. Mt. ermessen, das solch ein pilliger weg, so von niemandts mit fugen gethadelt werden moge, und hinwider, da man denselbigen verwidern /102’/ würdet, was für nachtheil, unglimpf und unrath darauß zu gewarten, so gesunnen ire Mt. gnediglichen vermanendt, es wolten die gaistlichen churfursten, fursten und stendt die sachen und das an christenlicher vergleichung angezeigter strittigen religion nit allein die zeitlich, sonder auch die ewig wolfart und der selen hail und seligkait gelegen sein und derwegen aller befurderung bedurfftig, zu hertzen furen, sich lenger nit hieruber helligen und inen angezeigten weg des colloquii auch gefallen lassen; in sonderlicher betrachtung, das sollich christlich gesprech keim thail und niemandts abpruchig oder verpintlichen sein würde, sonder wen die colloquenten irer bedencken oder vergleichung relation, wie oblaut, den stenden gethan, das ein yeder alßdan noch macht haben sol, sein pillig christlich gutachten darzu furzupringen und zu reden, deßgleichen der colloquenten bedencken anzunemen oder zuverwerffen, alles nach gelegenhait der sachen. Zu deme, das /103/ auch die nutzbarkeit zuhoffen, da man in diessem colloquio mit dem gegenthail freuntlich, senfftmutiglich und mit guter beschaidenhait handlen und furgehen würde, das er etwo vermogt und bewegt werden konte, von etlichen puncten und unfug abzustehen und sich widerumb in den schoß der algemeinen christlichen kirchen zubegeben. Welches alles, domit, wie oblaut, der last und unglimpff nit auf irer
kgl. Mt. und den gaistlichen stenden liggen pliebe, dieselbig ire Mt. den rethen und potschafften nit wollen unangezeigt lassen. Schlusserbieten des Kgs.
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/103’/ Auf diese Resolution und die zusätzliche mündliche Anmahnung des Kgs. hin wird gemäß einer Anregung Salzburgs beschlossen, dass die geistlichen Stände noch vor der nächsten Sitzung des Religionsausschusses zu Separatverhandlungen zusammenkommen. Diese Sitzungen finden nach Ausweis eines gesonderten Protokolls5 am 29. und 31. 12. statt6.