Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer
Die Tatsache, dass das hauptsächlich altkirchlich besetzte Reichskammergericht im Zuge der härter werdenden konfessionellen Auseinandersetzung zu Ungunsten der Neugläubigen agierte, stand bei den Schmalkaldenern und den Protestanten außer Streit. Wie auf diese rechtliche Benachteiligung und die Bedrohung mit der Reichsacht zu reagieren sei, wurde innerhalb des protestantischen Lagers allerdings kontrovers diskutiert. Es hing von der Stellung innerhalb der ständischen Hierarchie, vom politischen Einfluss und von den wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Reichsstände ab, wie sie sich zu der von den Bundeshauptleuten im Namen der gesamten Einung ausgesprochenen Generalrekusation in weltlichen und geistlichen Angelegenheiten stellten1. Daraus ergaben sich Fragen der Form, der Gültigkeit oder der Zustimmung zur Rekusation für jeden einzelnen evangelischen Reichsstand, städtische Obrigkeiten, Stadtgemeinden, Privatbürger, Befehlshaber des braunschweigischen Feldzugs oder die Untertanen. All diese durch die Generalrekusation entstandenen ungelösten Probleme wurden im Rahmen der Schmalkaldischen Bundessitzungen im Januar und Februar 1543 in Nürnberg beraten und wirkten ihrerseits auf die reichsständischen Verhandlungen über Friede und Recht zurück2.
Eng verknüpft mit den reichsständischen Verhandlungen zu Friede und Recht war auch die von Kursachsen und Hessen von Beginn des Reichstags an ausgegebene taktische Vorgabe an alle Bündner, in diesen Fragen „für einen Mann zu stehen“ und sich vor deren Erledigung nicht in die Türkenhilfe einzulassen (Kap. VIII.B). Immer wieder begegnen in den Korrespondenzen entsprechende Ermahnungen der Bundeshauptleute und Zusicherungen der Bündner, sich an die vorgegebene Linie zu halten. Als Fazit des gescheiterten Kompromisses mit dem König und den Altgläubigen wird am Ende des Reichstags in einem endgültigen Beschluss der Schmalkaldener noch einmal die einmütige Haltung aller Mitglieder des Bundes beschworen (Nr. 275) und jeglichen partikularen Abmachungen und Sondervereinbarungen mit dem König, die man im Falle Augsburgs befürchtete, eine Absage erteilt (Nr. 276–277).
Es galt für die Schmalkaldener aber auch, sich gegenüber dem Kaiser von dem Vorwurf des Landfriedensbruchs im braunschweigischen Feldzug und von der Verantwortung für die Nichtbewilligung der Türkenhilfe rein zu waschen. Die zu diesem Zweck verfassten Schreiben (Nr. 280–281) wurden nach längerer Suche nach einem geeigneten Überbringer dem Kaiser durch den Straßburger Rechtsgelehrten Dr. Kopp nach seiner Ankunft in Italien im Juni übergeben (siehe Kap. VIII.C).
Weitere Beratungen der Schmalkaldener betrafen vor allem interne Angelegenheiten des Bundes (Kap. VIII.D). Deren Ergebnisse sind im Schmalkaldischen Abschied vom 28. April 1543 zusammengefasst (Nr. 418). Außer den oben erwähnten Themen handelt es sich um folgende Fragen: Termin und Ort des nächsten Schmalkaldischen Bundestages; Abrechnungen über die ordentlichen und außerordentlichen Bundesanlagen und Erlegung ausstehender Beiträge; Abrechnungen des braunschweigischen Feldzugs; Hilfeersuchen des Bundesmitglieds König Christian III. von Dänemark an den Bund im Konflikt mit Burgund; Gesuche um Aufnahme in den Bund (König von Schweden, Pfalzgraf Ottheinrich, Bischof Franz von Münster, Graf Ludwig von Oettingen d. J.); Maßnahmen gegen befürchtete Truppenwerbungen Herzog Heinrichs von Braunschweig-Wolfenbüttel; Supplikationen an den Bund3. Viele dieser Fragen blieben ungelöst und wurden auf den nächsten Bundestag oder das Kommen des Kaisers ins Reich verschoben.
Besondere Wichtigkeit kam dem innerschmalkaldischen Konflikt zwischen den Herzögen von Pommern und König Christian III. von Dänemark um Besitzrechte an geistlichen Gütern des Bischofs von Roeskilde auf Rügen zu4. Dieser seit Jahren ungelöste Streit ließ die pommerschen Räte, die eine eindeutige Stellungnahme der Schmalkaldener zu ihren Gunsten erwarteten, auf Distanz zu den Bündnern gehen und gemäß ihren Instruktionen deren Sitzungen anfänglich meiden. Trotz aller Bemühungen, diese Differenzen innerhalb des Bundes für ihre Interessen zu nützen, gelang es den Altgläubigen nicht, die Pommern zur Teilnahme an den Reichsratssitzungen und zu den Beratungen über die Türkenhilfe zu bewegen.