Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Der Nürnberger Reichstag von 1543 war für die Reichsstädte in zweifacher Hinsicht bedeutsam1:

1. Sechs Ratschläge von fünf Städten (Ulm, Frankfurt, Nürnberg, Straßburg, Augsburg: zwei Ratschläge) zu Stand, Stimme und Session, über deren Ausarbeitung man sich bereits 1542 geeinigt hatte, lagen vor. Diese Ratschläge wurden von den städtischen Juristen Dr. Hieronymus zum Lamb (Frankfurt) und Dr. Ludwig Gremp (Straßburg) in Zusammenarbeit mit einem städtischen Ausschuss2 zu einem umfangreichen Gutachten zusammengefasst und dem Städterat am 21. April 1543 übergeben. Die wesentliche Aussage, mit ausführlicher historischer Argumentation untermauert, bestand darin, dass sich die Reichsstädte als gleichrangigen Verhandlungspartner der anderen Reichsstände betrachteten, dem Sitz und Mitberatung im Reichsrat zustand. Die ausführliche Diskussion des Gutachtens, das in einer Auflage von 100 Exemplaren gedruckt werden sollte, blieb einem künftigen Städtetag vorbehalten3.

2. Die religiöse Spaltung innerhalb der Städtekurie wurde durch das gemeinsame Bemühen um Session und Stimme und die städtischen Forderungen in Zusammenhang mit der Türkenhilfe in den Hintergrund gedrängt. In solidarischer Einigkeit wandten sich die Städte gegen die Bevormundung und Nichtbeachtung durch die oberen Kurien. Die altgläubigen Reichsstädte ließen sich von ihren Glaubensgenossen unter den Reichsfürsten nicht vereinnahmen, sondern unterstützten die Forderung der evangelischen Städte nach Priorität der Beratungen zu Friede und Recht vor der Türkenhilfe. Auch Bemühungen des Königs und der kaiserlichen Räte, mit einzelnen Reichsstädten partikulare Abmachungen zu treffen (siehe Kap. 7.1 ad 2) und sie aus der Phalanx des Schmalkaldischen Bundes herauszubrechen, scheiterten. Aspekte konfessioneller Zugehörigkeit zählten für die altgläubigen Mitglieder des Städtecorpus weniger als ihre so oft vorgebrachten Beschwerden über die als ungerecht empfundene Höhe der Veranlagung zur Türkenhilfe und über ihren Ausschluss von den Beratungen. Bereits am 13. Februar 1543 wurden nur die Mitglieder der altgläubigen Kommunen zur allgemeinen Ständeversammlung geladen, um ihnen die Beschlüsse der Fürsten mitzuteilen. Das wiederholte sich am 20. März, als bei der angekündigten Reichsratssitzung zur Beratung über die königliche Proposition und über den Vortrag Granvelles die städtischen Delegierten nicht zugelassen wurden. Auch am 30. März wurde den altgläubigen Reichsstädten erst nach langer Wartezeit ein erster Entwurf zur Türkenhilfe (Nr. 92) mitgeteilt; ihrer Bitte um Abschrift des Aktenstücks wurde nicht stattgegeben4. Auf Grund all dieser Erfahrungen erstaunt es nicht, dass die altkirchlichen Reichsstädte gemeinsam mit den evangelischen gegen den Reichsabschied protestierten (Nr. 408) und in diesem Protest – ähnlich wie in ihrer Protestation vom 1. April (Nr. 102) und in ihrer Supplikation vom 14. April (Nr. 103) – noch einmal ihre Kritik und die Bedingungen für die Türkenhilfe formulierten: Forderung nach Sitz und Stimme im Reichsrat, nach Ringerung der Anlagen und nach einem finanziellen Ausgleich unter den Kreisen; Kritik an den zu hohen Kosten für den geplanten Zuzug einzelner Reichskreise und an der Höhe der neu beschlossenen Türkenhilfe, die von den Städten aus den Einnahmen des Gemeinen Pfennig nicht gedeckt werden könne; Ablehnung der für die Städte ungünstigen Matrikelbesteuerung; Kritik an der Ablieferung der Steueranlagen der Domkapitel an die Bischöfe statt an die Städte; Forderung nach ausreichenden Versicherungen zu Friede und Recht.

Anmerkungen

1
Über alle Vorgänge im Städterat gibt das Nürnberger Protokoll detailliert Auskunft: Nr. 89a, passim. Zu den reichsstädtischen Gutachten über Stimme und Session siehe den Abschied der Reichsstädte: (Nr. 417, Anm. 1 und 2).
2
Dem städtischen Ausschuss zur Abfassung eines einheitlichen Gutachtens über Stand, Stimme und Session gehörten Vertreter der Städte Straßburg, Speyer, Frankfurt, Regensburg, Augsburg, Nürnberg und Esslingen an. Siehe das Nürnberger Protokoll zum 14. Febr. 1543 (Nr. 89a, fol. 16r).
3
Zu den städtischen Gutachten über Stand, Stimme und Session siehe: G. Schmidt, Der Städtetag, S. 251–253, S. 281–283.
4
Zum Ausschluss der Reichsstädte von den Verhandlungen siehe die entsprechenden Passagen des Nürnberger Städteratsprotokolls Nr. 89a. zum 13./14. Febr. fol. 14rv, zum 20. März fol. 23r, zum 30./31. März fol. 24v–25r.