Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Sofortige Abordnung einer Friedensvermittlungsgesandtschaft nach Livland: Einstellung der Kampfhandlungen, geregelter Abzug der Söldner. Freilassung Ebf. Wilhelms von Riga und des Koadjutors Christoph von Mecklenburg gegen Kautionsleistung. Möglichst Beilegung des Konflikts und Restituierung Ebf. Wilhelms durch die Gesandtschaft, andernfalls Verweisung der Konfliktparteien an eine reichsständische Vermittlungskommission oder an das RKG.

Erste Verlesung des Konz. im RR am 31. 12. 15561. Konz. mit veränderter Besetzung der Gesandtschaft im RR am 9. 1. und vom Kg. am 12. 1. 1557 gebilligt2.

StA Wolfenbüttel, 1 Alt 1A Fb. 1 Nr. 20/II, fol. 108–112’ (datierte Kop.) = Textvorlage. HASt Köln, K+R 122, fol. 254–259’ (undatierte Kop. Dorsv.: Concept der kgl. Mt. instruction, weß ir Mt. commissarien und verordente auß den Reichs stenden bei den strittigen partheyen in der lyfflendischen sachen zuwerben. Hatt man sich mith der kgl. Mt. dißes concepts halben, dz eß also außgehen soll, verglichen den 12. Januarii anno 1557.) = [B]. HHStA Wien, MEA Zollsachen 1 Fasz. 3, fol. 146–151 (Konz. Hd. Bagen) = [C]. StA Marburg, Best. 3 Nr. 1400, fol. 35–40’ (datierte Kop.). DOZA Wien, Liv 7, fol. 27–33’ (Kop.). HStA Dresden, Loc. 10192/6, fol. 115–119’ (undatierte Kop., abweichend ausgestellt für Kf. August von Sachsen [!] und die Hgg. von Pommern). Regest: Hartmann, Herzog I, Nr. 1971 S. 441 f.

/108/ Instruktion, ausgestellt für Hg. Heinrich II. von Braunschweig, die Hgg. Barnim und Philipp von Pommern, Lgf. Philipp von Hessen3  sowie die kgl. Räte Wenzel Wrzesowicz von Neuschloss, Kämmerer Ehg. Ferdinands, und Dr. Adolf Grueb4 , als Gesandte im Auftrag Ks. Karls V., Kg. Ferdinands I. und der Reichsstände zur Vermittlung zwischen Ebf. Wilhelm von Riga und Heinrich von Galen, Landmeister des Deutschen Ordens in Livland.

/108–109’/ Die Verordneten sollen sich unverzüglich entweder persönlich zu den Konfliktparteien begeben oder verordnete Räte schicken, dort ihre Vollmacht5  vorlegen und vortragen: Kg. Ferdinand I. hat Kg. Sigismund II. August von Polen sowie Kf. Joachim und Mgf. Johann von Brandenburg ermahnt, Mittel und Wege einzuleiten, um den Konflikt beizulegen und ein weiteres Ausgreifen der Unruhen zu unterbinden6 . Auch die Hgg. von Pommern haben eine Vermittlungsgesandtschaft nach Livland geschickt, die aber lediglich einen Waffenstillstand erreicht hat, der zudem nicht gänzlich ratifiziert worden ist7.

/109’–111/ Da der Konflikt nicht nur benachbarte Territorien, sondern das gesamte Reich schädigt, haben Kg. und Reichsstände auf dem RT über Abhilfemaßnahmen beraten und beschlossen: Abordnung Hg. Heinrichs d. J. von Braunschweig, der Hgg. von Pommern und Lgf. Philipps von Hessen, denen der Kg. seine Räte Wenzel Wrzesowicz und Dr. Adolf Grueb beiordnet8 , als Unterhändler zwischen den Konfliktparteien und gegebenenfalls deren Adhärenten. Die Kommissare sollen veranlassen: 1) Einstellung der Kampfhandlungen und Beurlaubung der Söldner; Abzug der Söldner nicht regimentsweise, sondern in kleinen Gruppen, damit Reichsstände und Untertanen nicht geschädigt werden. 2) Freilassung des Ebf. von Riga und Hg. Christophs von Mecklenburg mit Räten, Dienern und Untertanen, sofern diese sich in Gefangenschaft befinden, gegen die Leistung einer Kaution für sich und den am Konflikt beteiligten Hg. Johann Albrecht von Mecklenburg9  zur Gewährleistung des Friedens gegenüber dem Landmeister und Deutschen Orden sowie deren Adhärenten. 3) Anhörung der Parteien vor der Kommission, um den Konflikt beizulegen und dabei die Restitution des Ebf. von Riga auf ‚ehrbare, ziemliche und trägliche‘ Weise10  in die Wege zu leiten. Die Kommissare sollen dabei auf die negativen Konsequenzen des Konflikts für die Sicherheit im gesamten Reich und für die Türkenabwehr hinweisen.

/111 f./ Falls die sofortige Friedensvermittlung in Livland scheitert, sollen die Verordneten beide Parteien dahin weisen, die Beilegung des Konflikts vor den Kff. von Köln und Sachsen, den Bff. von Münster und Paderborn, den Hgg. von Jülich und Pommern sowie der Stadt Goslar oder auch vor weiteren Ständen als Friedenskommission zu bewilligen. Lehnen die Parteien dies ab, ist der Streit am RKG auszutragen.

/111’/ Unverzügliche Durchführung der Gesandtschaft nach Livland und Berichterstattung über den Fortgang an den Kg. 11

Regensburg, 16. 1. 1557.

Anmerkungen

1
  Kurmainz, pag. 509 [Nr. 60].
2
  Kurmainz, pag. 580–584, pag. 607 f. [Nr. 66, Nr. 68].
3
 Zur Besetzung der Gesandtschaft vgl. die Beschlüsse zunächst im KR, dann in KR/FR und RR am 9. 1. 1557: Hg. Heinrich von Braunschweig und Lgf. Philipp von Hessen wurden anstelle des ursprünglich vorgesehenen Kf. August von Sachsen, der die Teilnahme ablehnte, verordnet. Zusätzlich wurde die Beteiligung der beiden kgl. Räte angeregt (Kurmainz, pag. 579–584, 588–592 [Nr. 66]). Da nachfolgend Lgf. Philipp von Hessen und Hg. Heinrich von Braunschweig ihre Teilnahme ebenfalls entschuldigten (vgl. ebd., pag. 721 [Nr. 82], pag. 761 f. [Nr. 89]), wurde die Gesandtschaft letztlich gemäß Beschluss vom 23. 2. 1557 (ebd., pag. 764 f. [Nr. 90]) nur den Hgg. von Pommern und den kgl. Deputierten aufgetragen.
4
 Grueb nahm nicht an der Gesandtschaft teil. Für ihn reiste Valentin Sauermann nach Livland (vgl. Anm. 5).
5
 Vgl. den Kredenzbrief Kg. Ferdinands I. (hier mit Datum Regensburg, 16. 1. 1557), ausgestellt für oben genannte reichsständische Vermittler und die beiden kgl. Deputierten Wenzel Wrzesowicz und Dr. Adolf Grueb. Die Vollmacht ist gerichtet an: Ebf. Wilhelm von Riga, Landmeister Heinrich von Galen, Hg. Albrecht d. Ä. von Brandenburg [in Preußen], Hg. [Koadjutor] Christoph von Mecklenburg, Kg. Sigismund II. August von Polen (in lat. Version). Nachweise: StA Wolfenbüttel, 1 Alt 1A Fb. 1 Nr. 20/II, fol. 116–117’. StA Marburg, Best. 3 Nr. 1400, fol. 41–42’. Kopp. Die Kredenz wurde wohl bald darauf auf Valentin Sauermann anstelle von Grueb geändert (vgl. GStA PK Berlin, XX. HA, HBA A3 Nr. 170, unfol. Or., sowie eine bei rasmussen, Krise, 70, Anm. 30, nachgewiesene Vollmacht Ferdinands I. an Kg. Sigismund II. August von Polen vom 26. 3. 1557). Zur Benennung Sauermanns vgl. auch Anm.4 bei Nr. 89.
6
 Zum Schreiben Kg. Ferdinands I. an Kg. Sigismund II. August von Polen vom 6. 8. 1556 vgl. Anm.14 bei Nr. 43. Schreiben des Kgs. an Kf. Joachim von Brandenburg und Mgf. Johann von Küstrin (Wien, 8. 8. 1556): Aufforderung, sich nicht am Konflikt zu beteiligen, sondern aufgrund der Verwandtschaft mit Ebf. Wilhelm von Riga einen Frieden zu vermitteln oder eine gerichtliche Entscheidung zu veranlassen (GStA PK Berlin, I. HA Rep. 10 Nr. Y Fasz. F, fol. 45–47’. Or. an Kf. Joachim. GStA PK Berlin, I. HA Rep. 11/143 [Livland] Fasz. 4, fol. 26–28’. Or. an Mgf. Johann). Kf. Joachim berief sich in der Antwort an den Kg. (Schönebeck, 5. 9. 1556) darauf, dass der Konflikt als Verstoß gegen den Landfrieden allein vom Landmeister durch den Überfall auf den Ebf. ausgelöst worden sei. Er verwies auf die Eingabe seiner Gesandten an den RT [Nr. 511], mit der er die Einheit im Reich insbesondere in Anbetracht der Türkengefahr gewährleisten wolle, und bat den Kg., deren Beratung zu veranlassen, da der RT sich bisher /49/ dieser sachen noch wenig angenommen, sowie auch selbst an der Friedensvermittlung in Livland mitzuwirken (GStA PK Berlin, I. HA Rep. 10 Nr. Y Fasz. F, fol. 48–49’. Kop. Vgl. im Zusammenhang mit den Eingaben an den RT: Wagner, Verfall, 135, 140 f.). Vermittlungsversuche des Kgs.: Laubach, Ferdinand I., 681–683. Auch Zasius hatte dem Kg. frühzeitig (Augsburg, 6. 8. 1556) empfohlen, in Livland im Hinblick auf die Türkenhilfe vermittelnd einzugreifen, da von dannen die trümmer wol weitter springen unnd zubesorgen, manchen unschuldigen, gehorsamen stanndt mit der zeitt treffenn, so dass ohne Gegenmaßnahmen auffs jar ain gantze türggen hilff dardurch geschwöllt unnd verhinndert werden möchte (HHStA Wien, RK BaR 5a, fol. 157–161’, hier 159. Or.).
7
 Vgl. Anm.5 bei Nr. 514.
8
 Zur veränderten Besetzung der Gesandtschaft vgl. die Hinweise oben bei der Ausstellung der Vollmacht. Für die Hgg. von Pommern reisten als Subdelegierte Dr. Laurentius Otto und Henning von Wolde [die Pommern auch auf dem RT vertraten] nach Livland. Nachweis der Kredenz der Hgg. Barnim und Philipp für Otto und Wolde vom 15. 3. 1557 an Kg. Sigismund II. August von Polen bei rasmussen, Krise, 70, Anm. 30. Andere Vollmacht allein Hg. Philipps von Pommern nur für Wolde an Hg. Albrecht von Preußen (Wolgast, 22. 4. 1557):  Hartmann, Herzog I, Nr. 2030 S. 501 f. (Werbung Woldes beim Hg.: Ebd., Nr. 2030/1 S. 502 f.).
9
 Vgl. dazu Anm.7 bei Nr. 517.
10
 Vgl. die Einwände Kurbrandenburgs gegen die Formulierung: Kurmainz, pag. 509 [Nr. 60].
11
 Die Gesandten Kg. Ferdinands sowie die pommerischen Verordneten reisten zunächst nach Polen, wo sie Anfang Mai 1557 ankamen und am 11. 5. die Bedingungen von Kg. Sigismund II. August für eine friedliche Lösung des livländischen Konflikts (Restitution Ebf. Wilhelms von Riga und Schadensersatz für Polen: Vgl. Hartmann, Herzog I, Nr. 2039 S. 511 f.) entgegennahmen. Seit Ende Mai verhandelten sie in Livland mit den dortigen Ständen, vorrangig dem Deutschen Orden über diese Richtlinien (vgl. Anmeldungsschreiben der kgl. Gesandten Wrzesowicz und Sauermann sowie der pommerischen Verordneten Otto und Wolde an die livländischen Stände vom 25. 5. 1557: Frantzen, Urkunden, Nr. 290 S. 700 f.). Am 2. 8. konnten sie Kg. Sigismund II. August die Bereitschaft des Ordens zur Restitution von Ebf. und Koadjutor unter der Bedingung eines vorausgehenden Friedensschlusses mitteilen. Die Schadenserstattung sollte vorerst ausgeklammert werden. Vgl. zum Ergebnis den ersten von den Gesandten vermittelten Rezess: Hartmann, Herzog II, Nr. 2067 S. 5 f. Zu den Verhandlungen der Gesandten in Polen und Livland: Bergengrün, Herzog, 85–89; Rasmussen, Krise, 69–71;  Kirchner, Rise, 37 f., 205 f. Regesten bei Hartmann, Herzog I, Nrr. 2040/1, 2041, 2046, 2051, 2052, 2057, 2059, 2060 S. 513–530 passim. Hartmann, Herzog II, Nrr. 2066–2076 S. 3–14. Die Verhandlungen der Reichsgesandten wurden erfolgreich abgeschlossen mit den Verträgen von Pozwol vom 14. 9. 1557 zwischen den livländischen Ständen und Polen-Litauen, die unter anderem festlegten: Restitution Ebf. Wilhelms; Anerkennung Hg. Christophs von Mecklenburg als Koadjutor mit der Vorgabe, das Erzstift nicht zu säkularisieren; gegenseitige Verpflichtung Livlands und Polens zum Beistand bei einem Angriff Moskaus oder bei einer Offensive gegen den Zaren. Dieser Teil des Vertrags sollte erst nach dem Auslaufen der auf beiden Seiten bestehenden Friedensverträge mit Moskau in Kraft treten. Vertragstexte: Dogiel V, Nrr. 126–128 S. 210–221; Regesten:  Hartmann, Herzog II, Nrr. 2083–2085 S. 20–25. Vgl. zu den Verträgen: Rasmussen, Krise, 83–89; Tiberg, Vorgeschichte, 86, 90–95;  Seraphim, Geschichte, 221 f.; Bergengrün, Herzog, 89–92.