Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Das HHStA Wien besitzt mit den Reichstagsaktenserien des Mainzer Erzkanzlerarchivs (MEA RTA 8) und der kaiserlichen bzw. königlichen Reichskanzlei (RK RTA 10 und RTA 11) zwei weitgehend vollständige Überlieferungen der Hauptverhandlungsakten des Nürnberger Reichstags von 1543. Zusätzlich zu diesen beiden Überlieferungen, die aus reichsständischer bzw. aus habsburgischer Provenienz stammen, beherbergt das HHStA Wien als „Schmalkaldische Aktenbeute“ aus dem braunschweigischen Feldzug auch die hessischen Reichstagsakten, die sich im Bestand Reichskanzlei, Reichsakten in genere (RK RA i.g. 13f und 13g) befinden. Die Reichstagsakten aus dem Mainzer Erzkanzlerarchiv1 und aus der Reichskanzlei bilden in fast allen Fällen die Textgrundlage der Hauptverhandlungsakten. Zur Kollationierung dienten Bestände verschiedener anderer reichsständischer Archive, die eine mehr oder weniger komplette Überlieferung besitzen, wie z.B. München (Herzöge von Bayern, verschiedene Pfälzer Linien), Weimar (Kurfürst von Sachsen), Dresden (Herzog von Sachsen), Duisburg (Herzog von Jülich-Kleve-Berg), Hannover (Bischof von Hildesheim, verschiedene Linien der Herzöge von Braunschweig), Stuttgart (Herzog von Württemberg), Nürnberg (Markgrafen von Brandenburg, Reichsstadt Nürnberg) oder Würzburg (Bischof von Würzburg).

Die Tatsache, dass aus mir nicht bekannten Gründen im Mainzer Erzkanzlerarchiv in Wien kein Votenprotokoll aus dem Kurfürstenrat erhalten ist und dass weder die Gesandten der Kurfürsten von Sachsen, Brandenburg, Trier, Köln oder Pfalz, von denen sich manche nur zeitweise in Nürnberg aufhielten, noch jene der Fürsten ein Sitzungsprotokoll (mit Aufzeichnung der Voten) hinterließen, macht es schwierig, Entscheidungsprozesse der oberen Reichsstände im Reichsrat nachzuvollziehen. Einen gewissen Ersatz bieten die Korrespondenzen bzw. die Berichtsprotokolle aus der Provenienz der Bischöfe von Hildesheim und Würzburg, Herzog Ulrichs von Württemberg, Pfalzgraf Ottheinrichs, Herzog Albrechts von Preußen und diverse Protokolle reichsstädtischer Gesandter.

Neben den oben genannten Reichstagsaktenserien befindet sich im HHStA Wien die Überlieferung der habsburgischen Familienkorrespondenz (Belgien Politisches Archiv: Ausfertigungen; Handschriften blau 595 und 597: zeitgenössische Kopien) und ein großer Teil der Berichte der burgundischen Gesandten an Königin Maria. Dieser Briefwechsel gibt Aufschluss über die von den Habsburgern und ihren Räten intendierte Reichstagspolitik, die vor allem von König Ferdinand und vom kaiserlichen Generalorator Nicolas de Granvelle getragen wurde.

Die dichteste Dokumentation schmalkaldisch/evangelischer Reichstagspolitik, die von Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen maßgeblich bestimmt wurde, befindet sich im HStA Weimar, im StA Marburg und im HHStA Wien (Schmalkaldische Aktenbeute). Von reichsstädtischer Seite enthalten die städtischen Archive von Frankfurt (ISG), Augsburg (StadtA) und Straßburg (AM) weitgehend komplette Überlieferungen der Hauptverhandlungsakten des Reichstags. Im HStA Weimar, auf dessen Bestände sich die Edition vielfach stützt, befindet sich auch der Briefwechsel zwischen den Bundesobersten Kursachsen und Hessen sowie ihre Korrespondenzen mit den habsburgischen Herrschern und anderen Reichsständen.

Geschlossene Korrespondenzreihen protestantischer Reichsstände beherbergen auch das HStA München (Überlieferung Pfalzgraf Ottheinrichs in Kasten blau 271/4), das StA Stuttgart (Herzog Ulrich von Württemberg) und das StA Nürnberg (Markgrafen von Brandenburg, Bestand Fürstentum Ansbach RTA). Ausführliche reichsstädtische Gesandtenberichte an den städtischen Rat und regelmäßige Weisungen des Rates an die Gesandten liegen im ISG Frankfurt, im StadtA Augsburg und im StadtA Memmingen. Die Korrespondenz des städtepolitisch äußerst aktiven Gesandten von Straßburg, Jakob Sturm, ist in Straßburg (AM) leider nicht erhalten, weshalb auf die Auszüge der Briefe in den Ratsbüchern zurückgegriffen werden muss.

Unter den konfessionsneutralen Reichsständen, die eine vermittelnde Position einnahmen und sich möglichst wenig exponierten, sind vor allem Markgraf Ernst von Baden und die Wetterauer Grafen zu nennen, deren Korrespondenzen im GLA Karlsruhe bzw. im StA Marburg (Bestand Hanau) liegen. Zwischen den radikalen Positionen der Alt- und Neugläubigen bewegte sich auch Herzog Moritz, wie zahlreiche Schreiben der sächsischen Gesandten an den Herzog und seine Weisungen an die Räte im HStA Dresden zeigen, die sein distanziertes Verhältnis zum Schmalkaldischen Bund und seine Nichtanpassung an die von den Schmalkaldischen Bundeshauptleuten vorgegebenen Richtlinien dokumentieren.

Generell gilt, dass über die Verhandlungen des Nürnberger Reichstags durch die evangelischen Gesandten häufiger und ausführlicher berichtet wurde als durch die altgläubigen Stände. Der einflussreichste Rat der katholischen Aktionspartei, Dr. Leonhard von Eck, scheint von den bayerischen Herzögen weitgehend freie Hand für die am Reichstag zu verfolgende Verhandlungslinie erhalten zu haben, denn es gibt keine Hinweise auf eine Reichstagsinstruktion für die bayerischen Gesandten. Es sind nur einige wenige Berichte Ecks vom Reichstag im HStA München auffindbar; die Schreiben sind kurz gehalten und schwer zu entziffern. Die wichtige Rolle Ecks erhellt aus den Berichten anderer Gesandter, die seine Dominanz in den Verhandlungen beschreiben. Den besten Eindruck altgläubigen Agierens in der Vorbereitungsphase des Reichstags vermitteln die im LASA Magdeburg (Bestand A1, Nr. 311) erhaltenen Berichte des Kurmainzer Kanzlers Dr. Jakob Jonas. Mehrere bischöfliche Gesandte berichteten über die Verhandlungen im Reichsrat aus altgläubiger Perspektive, u.a. Dr. Christoph Welsinger an Bischof Erasmus von Straßburg (AD Straßburg), die Würzburger Gesandten an Bischof Konrad (StA Würzburg), Konrad Junge und Dr. Werner Koch an Bischof Philipp von Speyer (AM Straßburg)2.

Von ausländischen Archiven ist vor allem das AP Stettin zu nennen, das sowohl eine dichte Überlieferung der Reichstagsakten und der Schmalkaldischen Bundesakten in Hinblick auf den Konflikt Pommern-Dänemark als auch zahlreiche Berichte der pommerschen Gesandten an die Herzöge von Pommern-Stettin und von Pommern-Wolgast besitzt. In den AG Brüssel befinden sich Teile der Aktenüberlieferung Königin Marias und jene Gesandtenberichte im Original, die nicht im HHStA Wien (Belgien PA) aufbewahrt werden. Die in den AVat Rom (Germania 60) in Kopialüberlieferung liegenden Berichte des päpstlichen Nuntius Verallo und des päpstlichen Gesandten Otto Truchsess von Waldburg sind in der Edition der Nuntiaturberichte gedruckt.

Anmerkungen

1
Es befinden sich darunter einige eigenhändige Konzepte des Mainzer Kanzlers Dr. Jakob Jonas bzw. Akten mit Vermerken, Korrekturen und Ergänzungen von seiner Hand.
2
Weshalb die Berichte an den Bischof von Speyer in den AD Straßburg liegen, war nicht zu klären.