Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer
Anmerkungen
1
Manche reichsständische Gesandte waren sich nicht im Klaren darüber, wie sie sich in den Verhandlungen zur Türkenhilfe angesichts der protestantischen Politik der Verweigerung verhalten sollten. So bat Dr. Christoph Welsinger Bf. Erasmus von Straßburg um ausdrückliche Weisungen in dieser Frage, Nürnberg, 1543 März 15: [...] Dieweil dan die sachen sich dohin schicken wöllen, wo die protestirenden sich ie in kein hilf noch handlung inlassen wurden, das die kgl. Mt. nitdesterweniger ein hilf widder den Turcken von den anderen steenden begeren wurdt, welche dan on die protestirenden zu bewilligen gantz beschwerlich, gefaarlich und sorglich, auch nit statlich beschehen mag. Im faal dan solche die andere steend, und sonderlich die geistlichen, bewilligten und ich aber nit weiss, weess ich mich euer Gn. halb halten sol, so ist an euer Gn. mein underthenig bit, die wölle mich zum furderlichsten ires gemuets verstendigen, domit ich mich in solcher schweren handlung wisse im rhat dester baass zu halten und richten. Dan wie ich vernim, so wöllen die kgl. Mt. sampt den ksl. comissarien in namen und von wegen ksl. Mt. ein wissens haben, welche [Reichsstände] irer Mt. in gemeiner not wöllen widder den Turcken hilf thun oder nit. Derhalben so wöllen mich euer Gn. an antwort nit lassen. Sovil hab ich euer Gn. von reychshandlungen zu diessem maal schreiben könden, weiss auch nichts meer nach verners anzuzeigen, dan das alle sachen in höchster und gröster gefaar bey uns stön und ie lenger wyr beradtschlagen, ie erger alle handlungen werden. [...]. In: Straßburg AD, 15 J 18, unfol. (Ausf. v.d.Hd. Welsingers). Dr. Werner Koch, der Gesandte der Bff. von Freising, Worms und Speyer, berichtete am 28. März 1543 an Bf. Philipp von Speyer, dass noch immer keine Beschlüsse zur Türkenhilfe gefasst worden seien: Euer fstl. Gn. wissen sich gnediglich zu erinnern, was euer fstl. Gn. von dem landschreiber [= Konrad Junge] und mir von wegen der alhieign reichshandlung, und sonderlich der protestirenden halbn, bericht gethan und zugeschribn worden ist. Darauf fug ich denselben zu vernemen, das noch biß anher zu den haubtpuncten nit gegriffen noch von den protestirenden in die vorhabend turckenhilf zu laistn bewilligt worden, sonder noch uf irem furhabn stracks verharrt, aber wie man vermeint und hoffenlich, sy werden sich noch zu pillichn mittln und weg pringen und thedigen lassn. [...]. In: Straßburg AM, AA 503, fol. 179rv (Ausf. v.d.Hd. Kochs). In einem nicht datierten „Gedenckzettel“ (ebd., fol. 181rv) richtete Dr. Koch folgende Fragen an seinen von Nürnberg abgereisten Mitgesandten Konrad Junge betr. die Haltung des Bf. von Speyer zu den am RT verhandelten Materien: Erstlich von underhaltung und bezalung des winterlegers in Hungern. 2. Von der hilf des gegenwurtigen jars, ob mein gnediger herr die wol helfen laisten oder nit. Item durch wes mittel mein gnediger furst und her von Speier vermain, das kunftig hilf anzestellen und zu verrichten sey. 3. Zu dem drytten, wo die gemein reichshilf erliegen wurde, ob meyn gnediger her uff kgl. Mt. oder etlicher anderer fursten ansuchen sich in sondere hilf inlasen wolle. 4. Zu dem vierten, der frei- und reichstedt begerte stime und sesion im reichsratht etc. [5.] Zu dem letsten, dieweil die ksl. Mt. durch den H. von Granvella von den reichstenden hilf contra Franckreich und Gulch begerdt, wes uff sollich begern von irer fstl. Gn. zu bewilligen.
2
Siehe das Schreiben der Hgg. von Bayern an Dr. Eck, München, 1543 Erichtags in den hl. Osterfeirn [März 27]: [...] Der turckhenhilf halben lassen wir uns dein guetbedunckhen durchaus wol gefallen. Ist auch unser maynung und bevelh, das du neben andern unsern reten von unsern wegen sambt den saltzpurgischn der sachen ainen anfang machest, allermassen dein schreiben [fehlt] vermage und ausweist. Du sollest dich auch bei deinen verwanten und bekhanten, sovil dir menschlich und muglich, bemuehen, dieselben auf dein vorhaben ze bringen, damit in diser nott sachen nit so boslich gehandlt, die zeit verlorn, sonder hierin zum furderlichistn gehandlt und furfarn werde, wie du zu thun wol waist und unser gnedigs vertrauen zu dir steet. [...]. In: München HStA, KBÄA 3159, fol. 482r–483v, hier fol. 482rv (Ausf.). Siehe auch das Postskriptum eines (fehlenden) Berichts des Salzburger Gesandten, Bf. Hieronymus von Chiemsee, an den Ebf. von Salzburg, Nürnberg, 1543 März 28: [...] Weitter, so khan ich euer fstl. Gn. nit pergen, das mir Dr. Egkh hat anzaigt, wie er an ainem brieff ainer khunftigen vergleichung der thurckhenhilf halber schreib und vermain, es sei der nächst weg, den man geen mug. Hat mir auch etliche articl erzellt, darauf der begriff gestellt werden soll. Darumb, sopald ich vom rathaus in die herwerg khomen, hab ich mir zu ainem memorial dieselb maynung, sovil ich doch behalten mugen, in schriften und auf etlich articl pracht, davon ich euer fstl. Gn. hieneben copi [fehlt] zuschickh. Und so dann in euer fstl. Gn. instruction [Nr. 50] dieser weg gar nit gemeldet noch im rathschlag, darauf die instruction gestellt, bedacht worden ist, so wär nit bös, das euer fstl. Gn. sich hieruber furderlichen entschlussen und ir gmuet hieher anzaigen liessen, damit man sich demselben gmäs wuste ze halten, wiewol ich sorg trag, es mochte die sach eher fur die hand genomen werden, als euer fstl. Gn. resolution hieher khomen mag. Aber es soll dannoch vleis gehapt werden, damit euer fstl. Gn. nichts uberschwencklichs aufgelegt werde. In: München HStA, KBÄA 3159, unfol. (zwischen fol. 459 und fol. 460), (Kop.).
4
Siehe das Verzeichnis der zu befestigenden Orte (Nr. 93), das im Reichsrat am 1. April 1543 verlesen wurde.
5
Auf die schriftliche Antwort der altgläubigen Reichsstände erfolgte eine nicht erhaltene mündliche Stellungnahme Kg. Ferdinands und der ksl. Kommissare, wie einer Notiz der Mainzer Erzkanzlei v.d.Hd. Dr. Jonas’ zu entnehmen ist; in: Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1, fol. 20v: Uff söllich schriftliche antwurt [Nr. 92] hat die röm. kgl. Mt., unser allergnädigister herr, sampt den ksl. commissarien mundtlich replicieren und antwurt geben lassen, wie die in des secretarii Udalrici Müllers protocoll soll befunden werden, der es auß des cancellarii relation, derhalb den reichsstenden gethon, excipieren mögen. Und daneben ist die verzaichnuß, wie und was für päss und bevestigungen ze besetzen seyen [Nr. 93], ingegeben worden, wie hernach steet. Und daruff ist von den stenden volgende triplickschrift [Nr. 94] der kgl. Mt. und ksl. commissarien nachgendts übergeben worden.
1
Der Übergabe des Verzeichnisses ging eine mündlichen Antwort Kg. Ferdinands an die Reichsstände voran, die jedoch nicht erhalten ist: siehe dazu Nr. 92, Anm. 5. Die kurbrandenburgischen Gesandten berichteten Kf. Joachim von Brandenburg am 6. April 1543 aus Nürnberg über die Schwierigkeiten, welche für die Aufbringung der Türkenhilfe durch das von den evangelischen Ständen hergestellte Junktim mit Friede und Recht entstanden seien: Derhalben handelt man gegen itzigen summer allein auf ein besetzung und im fhall der notturft auf ein zutzug oder entsetzungen, wie dan ir kgl. Mt. deß ein verzeichnus den stenden ubergeben [Nr. 93] und euer kfl. Gn. hiebey ligendt zu ersehen haben. Und wo nun die gehorsamen nach gemeinem anslag ir geburendt anlag allein schicken wurden, wurde die auch fast gering sein und wenig erschiessen. Und soll solhe besatzung kgl. Mt. haimgestelt und von den stenden gelt gegeben werden. Wie es aber noch beslossen und wobey es beruen wirt, stet noch in handlungen. In: Berlin GStAPK, I. HA, Rep. 10, Nr. D, Fasz. D, fol. 1r–6v, hier fol. 2v (Ausf.).
3
Der 16 km östlich von Esztergom am rechten Donauufer gelegene Ort wurde seit der Antike als befestigter Platz genützt. Zur Zeit der Herrschaft der Árpáden (11. und 12. Jhdt.) spielten der Königspalast und das Kloster von Dömös (seit dem 15. Jhdt. Dominikanerkloster) eine wichtige Rolle. Sowohl 1526 als auch 1543, im Zuge der Eroberung Grans durch die Türken, wurde Dömös zerstört; heute zeugen nur noch Ruinen vom ehemaligen Bestand des Klosters. Alle Hinweise zur Identifizierung von Dömös verdanke ich dem ungarischen Archivdelegierten beim HHStA Wien, Herrn Dr. András Oross.
2
Am 18. April 1543 erhielten die Augsburger Konfessionsverwandten vom König das Gutachten der Altgläubigen zur Türkenhilfe (Nr. 94), über welches sie am 19. April berieten, um es schließlich am 20. April in einer ausführlichen Stellungnahme (Nr. 183) zu beantworten. Siehe dazu das württembergische Protokoll über die Verhandlungen der Schmalkaldener am 18. und 19. April (Nr. 84b, fol. 18rv).
4
Aufschlussreicher AV des badischen Gesandten Dr. Johann Marquardt zur Entstehung des Aktenstücks: Nurnberg. Durch Dr. Ecken ausschusz (darin ich nit bewilligt) berathschlagt, one der augspurgischen confession verwandten, auch one den graven und herrn, auch one den fry- und reychsstetten zu verordnung oder bewilligung. Uff Fritag, den 13. tag Aprilis, ist zu morgen vormittag uber dits schrift alleyn durch die stende, so sich selbs gehorsame nennen, berathschlagt worden. Da hab ich abermals meyns gnedigen fursten und herrn bevelch anzaigt, das ich in keyn zertrennung oder absonderung bewilligen noch mich inlassen moge, sonder meyn bevelch und gewalt stunde, in gemeynem versamleten, unzertrennten rath handlen, rathschlagen und schliessen zu helfen etc.
5
Zu diesem Alleingang der Altgläubigen bei den Beratungen über die Türkenhilfe bemerkte Dr. Werner Koch in einem Schreiben an Bf. Philipp von Speyer vom 9. April 1543; [...] Und damit abermals euer fstl. Gn. die summa und den beschlus dises tags gewisen moeg, so khan ich euer fstl. Gn. nit verhalten, das uff dismal zwischen den protestirenden und onprotestirenden khein vergleichung hat khunden noch gefunden werden und dennach khein parthei der andern weichen woln. Haben sich alle handlung gestosen und in gemein nichs abgehandlet moegen werden, sonder lestlich die sachen uff ein particular hilf und besatzung etlicher fleckhen und schloser gestalt worden, darzu die catholischen oder gehorsamen stende ir sonderbar hilf bewilligt. Wie aber und welchermasen dieselbig zu dem nutzesten angestelt, daruber sitzen etlich hern, die in ein auschutz verordnet worden, die sachen irer notturft und gelegenhait nach zu bedenckhen und anzustellen. Wo dieselbigen fertig, verhoff ich, man werde alsdan onverzuglich einen abschied begreiffen, dan was man daruber lenger hie uffgehalten solten werden, das gereicht unsern gnedigen fursten und hern zu costen und wurde darneben nichs fruchpars ausgericht. [...]. In. Straßburg AM, AA 503, fol. 190r–192v, hier fol. 190rv (Ausf. v.d.Hd. Kochs).
7
Die mündliche Antwort Kg. Ferdinands und der ksl. Kommissare ist nicht erhalten: siehe Nr. 92, Anm. 5.
r
–rIn B lautet diese Passage: und uf dem nechsten reichstage, wo einer vor St. Jacobstag [1543 Juli 15] negstkunftig ausgeschriben wurde, erscheinen, also das sie gewißlich mit sollichem irem bericht uf den 14. tag nach anfang des reichstags erscheinen und mit und neben denjhenigen, so inen von gemeinen reichsstenden zugeordnet werden, die billiche ringerung der beschwerten stende, auch steigerung der vermoglicheren und also rechtmessige vergleichung der anschleg furnemen und machen helfen.
s
In B folgt danach: Wurde aber vor obberurtem St. Jacobstag kein reichstage ausgeschriben, alsdann sollen die obbemelten der kreiß verordenten uff den ersten tag Augusti schirstkomendt zue Speir vor ksl. Mt. verordenten commissarien N. und N, so fursten des Hl. Reichs sein sollen, gewißlich erscheinen, ires empfangenen berichts und erkundigungen den ksl. commissarien relation thuen.
v
–vIn B lautet diese Passage: und es der kgl. Mt. oder irem verordenten bevelchshaber und commissarien gegen geburender quittungen wider hinauß zue geben und volgen zu lassen. Gemeine reichsstende wollen sich auch undertheniglich wol getrösten, die kgl. Mt. werde gnedigiste verordnung thun, das das gelt. C ursprüngl. wie B, dann korr. gemäß Fassung A. In E findet sich eine Zwischenstufe zwischen B und A.
9
Dieser Bitte der Reichsstände kam Kg. Ferdinand in seiner am 16. April erfolgten Antwort (Nr. 96, ad Art. 23) nicht nach, sondern beharrte mit Hinweis auf seinen Beitrag zum Türkenzug 1542 auf dem „Ausziehen“ mehrerer Stände des oberrheinischen und schwäbischen Kreises durch das Haus Österreich.
ac
–acIn BE lautet diese Passage: also mit sollicher ungehorsam und nitschickung seiner angebur von stund an on einiche ferrer declaration in die acht und aberacht gefallen, auch meniglich erlaubt sein soll, gegen demselben als einen erclerten echter zu handlen. Dartzue solle er alle seine regalien, freiheiten und was er von dem Hl. Reiche hette, verwurckt haben und privirt sein. Die ksl. Mt. solle auch demselben ire regalien und freiheiten einziehen und priviren, auch nicht mer leihen oder zue gnaden khomen lassen. CG ursprüngl. wie B, dann korr. gemäß A.
a
–aIn B marg. korr aus: commissarien. In DG: verordnete commissarien. Am 16. April war nur mehr ein ksl. Kommissar in Nürnberg anwesend, nämlich Dr. Johann von Naves. Pfgf. Friedrich war bereits am 5. April abgereist und Bf. Christoph von Augsburg war am 15. April im St. Egidienkloster in Nürnberg verstorben.