Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Ablehnung eines Generalkonzils aufgrund der Erfahrungen mit dem Konzil von Trient. Ablehnung eines Nationalkonzils: Leitungsanspruch des Papstes, alleiniges Stimmrecht der Bff. Bedingte Empfehlung eines Kolloquiums. Erwartete Einwände des Papstes. Vorrangige Sicherstellung der internen Lehreinheit in den Glaubensartikeln der CA als der wahren Kirche. Benennung der aktuellen Lehrdifferenzen. Verfahren, Gesprächsgrundlage und Besetzung des Kolloquiums. Veranstaltungsort.

Datum: Dresden, 5./6. 6. 15561.

HStA Dresden, Loc. 10192/4, fol. 28–41 (eigenhd. Konz.) = Textvorlage.
Druck: Bindseil, Epistolae, Nr. 406 S. 387–392. Regest: Scheible/Thüringer  VII, Nr. 7855 S. 443 f. Referiert bei Wolf, Geschichte, 14 f. Vgl. Pollet, Correspondance V/2, 223, Anm. 1; Hollerbach, Religionsgespräch, 207; Bundschuh, Religionsgespräch, 116, Anm. 139; 239 f. (Teilnehmervorschlag).

/28/ Vom colloquio, und wie die forma des colloquii anzustellen.

Dweil zu Augsburg anno 1555 der frid also gemacht, das gleichwol uff vergleichung soll gearbeitet werden durch ein general concilium oder national oder durch ein colloquium2, ist die frag, ob zu willigen sey, das die sachen im general- oder national concilio gehandelt werden oder in einem freuntlichen colloquio.

Antwort: Das jamerlich tridentisch concilium, das der bepstliche hauff ein general concilium nennet, ist ein klar exempel und spiegel, was der bepstlichen general concilien sind und was sie sprechen und decernirn.

/28’/ Offentlich ist, das zu Trident der grosser teil der richter selb ungelerte, unchristliche leut gewesen sind, das auch der cardinal Polus nicht hatt unterschreiben wöllen3. Und sind der mehrer teil decreta von streitigen sachen diser zeit zum teil mit sophisterey und zweifelhafftigen worten verblendet, zum teil offentlich falsch: Alß da sie den artikel setzen, der mensch soll allezeit in zweifel bleiben, ob ehr zu Gottes gnaden sey4, und allegirn daruff auß ecclesiaste5, nemo scit an odio vel amore dignus sit. /29/ Item da sie die lehr von der poenitentia stellen, sprechen sie, die erzelung der sunden sey von Gott gebotten6. Item die canonica satisfactio, die voll lügen ist, sey nottig7. Item sie ferben die indulgentien8. Item sie bestettigen die offentlich abgotterey, die anbetung des umbgetragen brotts etc.9 So hatt auch dasselbig concilium den herrn Brentium nicht hören wöllen10. /29’/ Zu dem allem haben die personen des concilii kheinen artikel durffen schliessen one des bapst bewilligung, dem sie alle artikel zuvor haben mussen zusenden, ehe sie ans licht geben sind11. So wurde auch ein solch general concilium niemand voces decisivas lassen denn allein den bepstlichen bischoffen etc.

So nu ein solch general concilium werden sollt, ist offentlich, das wir recht thun, so wir solches concilium, das partheisch, und offentlich unsere widersacher sind, /30/ nicht zu richter oder hendler annemen. Und ist davon unser notturfft, inn des Reichs radt, so davon geredt wirt, anzuzeigen und offentlich zu protestirn, das wir ein solch concilium recusirn, das auch gewißlich war sey, das es zu einikeit nicht dienlich sein wurde.

Weitter vom national concilio ist dises zu bedencken: Es wurde der bapst auch im national concilio der hohest president sein, und wurden die bischoff allein wollen voces decisivas haben, und wurden doch one des bapsts /30’/ bewilligung nichts willigen oder reformirn. Dazu ist offentlich, das wenig bischoff in Teutschland gelart sind. Item das sie nicht gelarte, gottforchtige leut bey sich haben, sondern wurden monch und theologen von Louen12 und Collen fordern, die nicht allein diser sach kheinen verstand haben, sondern auch bluthund sind und teglich in Niderland frome, christliche menschen verbrennen und sunst ermorden. Dweil dann ein solch national concilium auch partheisch, und /31/ offentliche widersacher sind, ist solches national concilium auch nicht alß richter oder hendler zu leiden.

Und so concilia general oder national ettwas machen und decernirn wurden, wolden sie alß autoritate concilii yhre abgotterey und irthumb bestettigen. Welches alles nur zu grösser unrug ursach geben wurde.

Auß disem allem volget, das allein diser weg furzunemen, nemlich ein freuntlich colloquium, /31’/ darinn von allen artikeln der confession ordenlich und freuntlich geredt wurde durch verstendige und ehrliche menner in beysein ettlicher löblicher fursten beides teils, die alß presidenten unnotig gezenk abschniten und selb die warheit liebten und Gottes ehr und gemeine einikeit gern furdern wolden und alß lobliche fursten Gottes ehr hoher achten denn des kaisers oder konigs gunst und yhren eignen rhum.

/32/ Aber von solchem colloquio ist dises zu bedenken: Erstlich die bischoff werden khein colloquium willigen one des bapsts bewilligung. Viel weniger werden sie ettwas endern one bepstliche autoritet. Nu wirt diser bapst13 gewißlich khein colloquium zulassen, auch khein enderung machen lassen; wirt bey seinem eigensinn bleiben, mann soll solche sachen an die concilia gelangen lassen. Er wirt dises exempel nicht wollen einreissen lassen, das die nationes fur sich selb ettwas schliessen etc.

So nu die bepstlichen khein colloquium /32’/ halden wollen und uns das general concilium und national unleidlich ist, mag man die sachen Gott bevehlen. Und so wir selb in unsern kirchen vleissig und eintrechtig sind, ist besser, das wir nicht flickwerck mitt andern machen, denn solche handlungen sind fahrlich, wie wir offt erfahren haben. So ist dise welt voll betrugs, untreu und calumnien.

Auch so es an unß nicht mangelt und wir bereit sind /33/ und hertzlich gern wolden in allen sachen gruntlichen bericht thun, und sie uns nicht hören wollen, sind wir entschuldigt. Und sollen wir doch allen vleis thun, das die andern unß horen und bericht werden. So sind unser schrifften am tag, und werden fur und fur dise hendel durch Gottes gnad deutlich erklert, das wir entschuldigt sind, so sie die lehr nicht achten, nicht lesen, nicht hören wollen etc.

So aber ein colloquium mit den bepstlichen werden sollt, ist hoch nottig, das wir zuvor unter unß selb ein christliche /33’/ eintrechtikeit in der lehr und ein christliche freundtschafft haben. Und dises colloquium mit den bepstlichen werde oder nicht, so ist dennoch der warhafftigen gantzen christenheit notturfft, das wir bedenken, wo die warhafftige kirch sey und waß sie sey, und das sie also mit eintrechtigkeit der lehr uffgericht und erhalden werde, das sie zu Gottes ehre zwischen allen vervolgern, mahometisten, bepstlichen, /34/ anabaptisten und allerley frevelen, landleuffern, servetisten14 und andern stehe alß ein schöne roß zwischen dornen, und erkant werde, das verstendige leut merken, das man in disem einigen teil die reyne warheit und Gott suchen soll. Nach solcher einikeit seuffzen und sehnen sich alle gottforchtige in allen landen, viel fromer fursten und andre. Offentlich ist, das mahometisten, bepstliche, anabaptisten, landleuffer, servetisten etc. nicht Gottes kirch sind. Und ist gewißlich war, das in unserm teil die warhafftige Gottes kirch ist. /34’/ Darinn soll und muß eintrechtikeit der lehr im fundament seyn, das ist in artikeln des glaubens und unterschid der abgotterey und rechten anruffung, ob gleich ungleicheit in ceremonien ist und in vielen swacheit [!], und ettliche ungegrunte opiniones in unnotigen sachen bleiben. Dennoch muß in fundamento einikeit sein und dabey solche tugent, das man die einikeit nicht zerreiß von wegen ungleicheit der ceremonien oder ettlicher swacheit. Denn wir sind alle arme, elende /35/ menschen, und khonnen nicht alle köpff ein kopff sein; einer hatt hohern verstand denn der ander. Und ist Gottes ernstlich gebot, das wir mit einander gedult haben zu gemeiner besserung. Dweil dann gewißlich war ist, das in unserm teil die warhafftige kirche Gottes ist, sind wir schuldig, zu einikeit unter uns zu arbeiten.

Und so die praesidenten und theologi zusamen khemen, wurde notig sein, das wir erstlich einikeit und freuntschafft unter uns machten und darnach bedechten, /35’/ wie der proceß mit den bepstlichen gehalden werden.

Wiewol nu ettliche mehr sachen erregt sind, so ist doch der streit de coena domini die grossist uneinikeit15. Und werden one zweifel die frembden leut in steten, galli, itali und angli16, begern, das man sie höre. Item ob sie gleich nicht dazu khomen wurden, ist dennoch nott, das wir uns erkleren, ob wir die bepstliche meinung halden oder nicht halden, was sacrament sey und wie davon zu reden.

/36/ Darnach werden ettlich streiten de necessitate stoica17; item von Osiandri streit18, de iusticia essentiali19, item von Frederi20 streit, ob die offentlich ceremonia ordinationis zu erhalden sey21; item von den adiaphoris22; item de invocatione mediatoris23; item von den calumniis des Galli24 zu Regensburg, der schreibt, die unsern haben die lehr der poenitentia corrumpirt25, und sagt doch nicht, worinn oder in welchem puncten; item de absolutione privata26; item von den propositionibus bona opera sunt neceesaria; item bona opera sunt necessaria ad salutem27. /36’/ Und were seer gut, das wir in den hohen artikeln unß bevlissen gleichlautender reden im predigen, schreiben, in kirchen und schulen und in den universiteten.

Von solchen sachen zu reden ist hoch nöttig. Und khann nicht wol ein solche nutzliche und fridliche unterrede unter unß gehalden werden, wo nicht ettliche lobliche christliche fursten personlich und ettliche redt dabey sind.

/37/ Vom colloquio mit den bepstlichen.

So nu eintrechtikeit unter uns gemacht wirt und die underrede mit den bepstlichen anzufahen, ist erstlich zu bedenken, das man von artikeln zu artikeln laut der confession procedir. Item das man nicht andre frembde sachen und neue disputationes einfuhren laß.

Und der anfang werde von unß oder von bepstlichen gemacht, so mussen wir doch erstlich ursach anzeigen, warum wir sie beschuldigen und das sie /37’/ schuld haben am schismati und nicht wir. Denn nachdem wir erkant, das unser lehr die warheit ist, sind wir schuldig gewesen, die warheit nicht zu vervolgen etc.; wie geschriben ist28: „Wer Gottes lesterung redet wider den heiligen geist, dieselbige sund wirt nicht vergeben.“ Und ist in diser vorrede anzuzeigen, welches die rechte kirche sey, und ist zu erzelen, welche irthumb bey den bepstlichen sind, und ernach [!] von der vervolgung zu reden, das sie zu den /38/ irthumben grausamkeit uben und nicht uffhören mit morden, verbrennen und dergleichen wuterey. Daruff werden die bepstlichen ihr antwort thun und von den irthumben zu reden ursach geben und ein anfang machen.

Wo nu die bepstlichen uff disem itzigen reichßtag zu Regensburg /38’/ das colloquium willigen, ist zu reden von den presidenten, theologis beider seiten, von zeit und statt des colloquii.

Wer bey den bepstlichen zu presidenten zu vermogen, khonnen wir noch nit achten, aber zu versuchen ist, ob Trier, hertzog Albert von Beirn29 und der hertzog von Julich dazu zu vermogen weren. Villeicht wirt der churfurst zu Brandenburg sich uff disem teil zu presidenten gebrauchen lassen.

Uff unser seiten: Churfursten Pfaltz und Sachsen, oder von wegen des churfursten pfaltzgraven hertzog Wolfgang, hertzog zu Beirn30; der churfurst zu Sachsen; /39/ item der jungen hertzogen zu Sachsen31 einer; item marggrave Hans32; item hertzog zu Wirteberg; item der landgraff zu Hessen.

Und sollen gleichwol ankhomen aller diser fursten und stedt der confession verwanten furneme predicanten oder theologen33: Aus der Kurpfalz Heinrich Stoll, Heidelberg; Kursachsen: Alexander Alesius und Daniel [Greser] aus Dresden; /39’/ Hgt. Sachsen: Schnepf und Justus Menius34 ; Kurbrandenburg: Musculus; Mgft. Brandenburg-Küstrin: Petrus Praetorius, Pastor in Königsberg/[Neumark]; Mgft. Brandenburg-Ansbach: Georg Karg; Pfalz-Zweibrücken: Cunmannus35 ; Württemberg: Johannes Brenz und Jakob Beurlin; Hessen: Hyperius und Adam [Krafft] oder Pistorius; /40/ Pommern: Jakob Runge und Magerius; Mecklenburg: David Chytraeus36  und Tilemann Heshusius37 ; Holstein: [Eintrag fehlt]; Mansfeld: Erasmus Sarcerius. Von den Städten: Prädikanten aus Nürnberg, Augsburg, Ulm, Straßburg, Frankfurt, Magdeburg, Braunschweig, Lübeck, Hamburg, Bremen.

Dise alle solten sich uff jeden artikel unterreden unter sich, und das sechß auß ihnen oder zehen gewelt wurden, welche ein gleiche meinung alle zeit den bepstlichen solten furtragen, /40’/ alß nemlich der pfeltzisch, item Daniel [Greser], doctor Snepp, Brentius, der hessisch Hyperius, Mag. Erasmus Sarcerius, der pomerisch Jacobus Rungius, auß Brunswig doctor Mörlin38 und ettlich auß andern stedten; auß Bremen doctor Albertus39.

Was nu uff jeden artikel verabschidet wurde, das sollt in schrifft gefasst werden, das es ernach [!] die praesidenten an alle reichsstend uff einen reichßtag bringen khonten. Und ist nicht nottig, gantze disputationes zu schreiben, wie zu Worms geschehen ist40.

/41/ De loco et tempore ist nach der praesidenten gelegenheit zu bedenken. So Trier und Julich presidenten sein wurden, were die stat Worms villeicht bequem; die auch den chur- und fursten diser land bequem were.

Anmerkungen

1
 Datierung ermittelt bei  Scheible/Thüringer VII, Anm. zu Nr. 7855 S. 443 f.
2
  RAb 1555, § 25 ( Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 390 S. 3112).
3
 Bezugnahme wohl auf die erste Tagungsperiode des Tridentinums (1545–1547), bei der Kardinal Reginald Pole (1500–1558) in exponierter Position dem päpstlichen Legatenkollegium angehörte, davon aber auf eigenen Wunsch hin am 16. 10. 1546 aus gesundheitlichen Gründen, derentwegen er Trient bereits am 28. 6. verlassen hatte, entbunden wurde. Das eigentliche Motiv für sein Demissionsgesuch waren inhaltliche Differenzen um die Rechtfertigungslehre und die von ihm bezweifelte Kompetenz des Konzils in der gegebenen Zusammensetzung für eine diesbezügliche Lehrentscheidung ( Jedin, Geschichte II, 40 f., 144 f., 151, 180, 219 f., bes. 235 f.).
4
 Decretum de iustificatione (VI), Cap. 9 ( Wohlmut, Dekrete, 674).
5
 Folgendes Zitat aus AT, Pred [Ecclesiastes] 9,1.
6
 Doctrina de sanctissimis poenitentiae et extremae unctionis sacramentis (XIV), Cap. 5 ( Wohlmut, Dekrete, 705 f.).
7
 Gemeint: Die Notwendigkeit der Genugtuung als Teil des Bußsakraments für den Sündennachlass: Erneut Doctrina de sanctissimis poenitentiae [...] (XIV), Cap. 8 ( Wohlmut, Dekrete, 708 f.).
8
 Dekrete über die Ablässe wurden erst im Dezember 1563 veröffentlicht ( Wohlmut, Dekrete, 796 f.). Zur Konzilsdebatte bis 1552 vgl. Jedin, Geschichte III, 76–84.
9
 Decretum de sanctissimo eucharistiae sacramento (XIII), Cap. 5 ( Wohlmut, Dekrete, 695).
10
 Johannes Brenz führte die württembergische Theologendelegation an, die im März 1552 nach Trient kam (vgl.  Brecht, Brenz, 324). Am 22. 3. erklärten die Württemberger Gesandten die Bereitschaft, dass sich ihre Theologen auch ohne vorherige Beantwortung der vorgelegten Gravamina (Konzilsbedingungen) dem Konzil vorstellten. Obwohl auch Ks. Karl V. auf die Anhörung der Theologen drängte und seine Oratoren in Trient Anfang April einen letzten Versuch bei der päpstlichen Konzilsleitung machten, blieb dies ohne Erfolg, da zum einen das Präsidium auf der vorherigen Unterwerfung bestand und sich zum anderen das Konzil insgesamt im Vorfeld der Suspension bereits in Auflösung befand und die Abreise insbesondere der deutschen Teilnehmer schon begonnen hatte. Die protestantischen Theologen zogen daraufhin ihren Antrag, vom Konzil gehört zu werden, zurück, da sie sich in keine Debatte einlassen könnten, nachdem die deutsche Nation nicht mehr vertreten sei ( Jedin, Geschichte III, 306, 386–388; Meyer, Protestanten, 204–206).
11
 Die Unterstellung des Papstes unter das Konzil war eine der zentralen sächsischen Bedingungen für die Anerkennung der Kirchenversammlung ( Jedin, Geschichte III, 230, 363, 375 f.). Zu Form und Ausmaß der „Fernsteuerung“ des Konzils durch Rom: Jedin, Stimmfreiheit, 162–165.
12
 = die Universität Löwen.
13
 Papst Paul IV.
14
 Anhänger der Lehre des Michael Servet (Servetus; 1511–1553), unter maßgeblichem Einfluss Calvins 1553 in Genf wegen Häresie (v. a. Leugnung der Trinität) hingerichtet. Vgl. TRE  XXXI, 173–176 (Lit.).
15
 Hier nicht bezogen auf Lehrabweichungen zur katholischen Kirche, sondern auf die internen Differenzen um die Abendmahlslehre. Vgl. TRE  I, 106–122; zum internen Streit: TRE  XIII, 516 f.
16
 Gemeint: Exulanten aus diesen Ländern in Städten im Reich.
17
 Debatte um die Willensfreiheit des Menschen im Verhältnis zu Gott und dessen Gnade (Willensfreiheit und Determinismus); der Terminus hebt ab auf das stoische Ergebungsprinzip. Vgl. TRE  XXXVI, 55–107; zur Sichtweise Luthers und Melanchthons bis zur Konkordienformel von 1577: 87–90 (Lit.). Zusammenfassung der wesentlichen Streitpunkte bei Bundschuh, Religionsgespräch, 97–108; gute Darstellung bei zur Mühlen, Reformation, 77–96.
18
 Der fortgeführte Streit mit und um Andreas Osiander (1496–1552) um die Rechtfertigungslehre (Osiandrischer Streit). Vgl.  TRE  XIII, 514 f.; TRE  XXV, 507–515, bes. 509–512 (Lit.).
19
 Der Streit um die wesenhafte Gerechtigkeit Christi („iustitia natalis, essentialis, originalis“). Vgl. TRE  XII, 432–435 (Sichtweise Luthers und Debatte im Osiandrischen Streit).
20
 Johannes Freder (1510–1562). Seit 1549 Prof. der Theologie in Greifswald; 1547 Superintendent in Stralsund, 1550 auf Rügen, 1556 in Wismar ( BBKL  II, 116 f.; Lit.).
21
 Debatte um das Verständnis der Ordination in der lutherischen Kirche; der angesprochene Streit, ausgehend u. a. von Freder, um Form, Bedeutung und Instanz der Einsetzung in das geistliche Amt. Vgl. TRE  XXV, 347–354, hier bes. 353. Vgl. ein Theologengutachten für Hg. Philipp von Pommern gegen Freder (Wittenberg, 13. 9. 1555): Scheible/Thüringer VII, Nr. 7587 S. 344; Schreiben Melanchthons an Hg. Philipp (Wittenberg, 26. 10. 1555): Ebd., Nr. 7613 S. 356 (Regest); CR  VIII, Nr. 5855 Sp. 592 f. (Ganztext).
22
 Die im Zusammenhang mit der umstrittenen Annahme des Augsburger Interims 1548 ausgelöste Debatte um die sog. Mitteldinge wie Zeremonien und damit die fragliche Zulässigkeit von Zugeständnissen in Bereichen, die (vordergründig) weder die Heilige Schrift noch zentrale Glaubensartikel betrafen. Die Debatte bildete den Ausgangspunkt des innerprotestantischen Konflikts zwischen den Gnesiolutheranern um Flacius (ausgehend von der Ablehnung des Interims) und den Philippisten um Melanchthon, die in den Adiaphora zu Zugeständnissen bereit waren. Vgl. TRE  XIII, 513 f., 518 f. (Lit.).
23
 Streit des Francesco Stancaro (ca. 1501–1574) mit Andreas Musculus (vgl. Anm.32 bei Nr. 433) um das ‚Gebet zum Mittler‘, also um die Mittlerschaft Jesu Christi. Vgl. TRE  XXII, 384; TRE  XXXII, 111 f.
24
 Nikolaus Gallus (Hahn; 1516–1570). 1543–1548 Diakon und Reformator in Regensburg. Anschließend Aufenthalt in Magdeburg, dort enger Kontakt zu Flacius und Amsdorf. Nach dem Passauer Vertrag 1553 Superintendent in Regensburg. Gnesiolutheraner. Vgl. Voit, Gallus; TRE  XII, 21–23; NDB  VI, 55 f.
25
 Hinweise auf Differenzen Melanchthons mit Gallus und anderen Gnesiolutheranern bezüglich der Bedeutung der Buße und der Mitwirkung des Menschen: TRE  XXII, 392 f.
26
 Bezugnahme auf das Festhalten an Privatbeichte (in Abgrenzung von der Gemeinschaftsbeichte) und Privatabsolution in der lutherischen im Gegensatz zur reformierten Kirche. Vgl. TRE  V, 421–425.
27
 Der Streit um die Heilsnotwendigkeit guter Werke im Zusammenhang mit der Rechtfertigungslehre (majoristischer Streit, antinomistischer Streit). Vgl. TRE  XIII, 515; TRE  XXI, 727–729.
28
  Mt 12,31.
29
 = Hg. Albrecht V.
30
 = Pfgf. Wolfgang von Zweibrücken.
31
 = die Hgg. Johann Friedrich d. M., Johann Wilhelm und Johann Friedrich d. J. von Sachsen.
32
  Mgf. Johann von Brandenburg-Küstrin.
33
 Vgl. auch die Kandidatenliste Melanchthons in Nr. 466. Zu Stoll, Schnepf, Musculus, Karg, Brenz, Pistorius und Runge vgl. die Hinweise in den Anm. bei Nr. 433; zu Alesius, Praetorius, Beurlin, Magerius, Sarcerius die Anm. bei Nr. 382; zu Hyperius: Anm.20 bei Nr. 353; zu Greser und Krafft: Anm.16, 18 bei Nr. 466. Bei Müller, Selbstbehauptung, 188, die Benennung von Schnepf, Mörlin und Sarcerius als Beleg für „Melanchthons Offenheit für Vertreter der Gnesiolutheraner“, während im Kurpfälzer Gutachten [Nr. 468] weder Melanchthon noch Brenz, sondern fast durchgehend Flacianer vorgeschlagen wurden, was auf die „antimelanchthonische Stimmung“ hindeute.
34
 Justus Menius (Jodokus Menig; 1499–1558), thüringischer Reformator. Schüler Melanchthons und Luthers. Seit 1547 Superintendent in Gotha. Aufgabe der Ämter infolge der von Amsdorf geäußerten Beschuldigung des Majorismus. Zuletzt 1557 Pastor in Leipzig. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 239, Anm. 265;  NDB  XVII, 79 f.; TRE  XXII, 439–442 (Lit.).
35
 Kunemann Flinsbach (Cunmannus Flinspachius; 1527–1571). Superintendent in Zweibrücken. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 239, Anm. 269 (Lit.).
36
 David Chytraeus (1530–1600). Schüler Melanchthons; Dr. theol. (1561), 1551 Prof. der Theologie in Rostock. Vgl.  Bundschuh, Religionsgespräch, 240, Anm. 277; NDB  III, 254; BBKL  I, 1021 f.; Keller, Chytraeus (jeweils Lit.). Zur Befürwortung vgl. auch die Schreiben Melanchthons an Chytraeus vom 7. 5. und 18. 6. 1556: CR  VIII, Nr. 5980 Sp. 750, Nr. 6016 Sp. 783–785; Scheible/Thüringer VII, Nr. 7812 S. 427, Nr. 7863 S. 446. Schreiben Melanchthons an Hg. Johann Albrecht von Mecklenburg (18. 6. 1556): Scheible/Thüringer VII, Nr. 7864 S. 447; der Absatz wegen der Verordnung von Gelehrten der Universität Rostock fehlt im Druck des Schreibens bei Bindseil, Epistolae, Nr. 408 S. 392–394.
37
 Tilemann (Tilmann) Heshusius (Hesshus, Heßhusen; 1527–1588). Schüler Melanchthons. Dr. theol.; 1553 Superintendent in Goslar, seit 1556 Pastor und Prof. der Theologie in Rostock, dort am 9. 10. 1557 nach Konflikten mit der Stadtobrigkeit abgesetzt. Anschließend Generalsuperintendent und Prof. in Heidelberg sowie wechselnde Wirkungsorte. Strikter Gnesiolutheraner. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 240, Anm. 278; NDB  IX, 24 f.; TRE  XV, 256–260; Mager, Heshusius (Lit.).
38
 Joachim Mörlin. Vgl. Anm. 33 bei Nr. 433.
39
 Albert Hardenberg (eigentlich Rizaeus; 1510–1574). Katholisches Theologiestudium in Löwen und Mainz (Dr. theol.). Nach Konversion zur CA 1543 Studium in Wittenberg; Anschluss an Melanchthon. 1544–1547 unter Kf. Hermann von Wied im Kurkölner Dienst; seit 1547 Domprediger in Bremen. Vgl.  Bundschuh, Religionsgespräch, 240, Anm. 281; NDB  VII, 663; TRE  XIV, 442–444 (Lit.). Zur Befürwortung vgl. auch die Schreiben Melanchthons an Hardenberg vom 17. 6. 1556 und 9. 3. 1557: CR  VIII, Nr. 6014 Sp. 782, CR  IX, Nr. 6208 Sp. 115; Scheible/Thüringer VII, Nr. 7862 S. 446, VIII, Nr. 8151 S. 46.
40
 Wohl Bezugnahme auf die beim Kolloquium 1540/41 vorgelegten Gutachten zur CA: Ein Mehrheitsgutachten katholischer Theologen für 8 Delegationen sowie Einzelgutachten der abweichenden neutralen Stände Kurpfalz, Kurbrandenburg und Jülich-Kleve ( Ganzer/zur Mühlen, ADRG II, Nr. 213 S. 539–542, Nrr. 215–219 S. 544–552; Pfeilschifter, Acta III, Nr. 102/A-D S. 304–323. Vgl. Luttenberger, Glaubenseinheit, 223–226; Lexutt, Rechtfertigung, 149–173). Auch das folgende, eigentliche Religionsgespräch zwischen Melanchthon und Eck vom 14.–18. 1. 1541 über den Artikel zur Erbsünde in der CA Variata wurde „mit einem ungeheuren Aufwand an biblischen Texten und Zitaten aus den Kirchenvätern“ geführt ( Hollerbach, Religionsgespräch, 152). Dokumentation des Gesprächs: Ganzer/zur Mühlen, ADRG II, Nrr. 116–122 S. 212–261; Nachtrag: Ganzer/zur Mühlen, ADRG III, Nr. 287 S. 902–939. Vgl. Lexutt, Rechtfertigung, 215–232; Janssen, Gespräch, 154–187, hier bes. 176–182.