Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb
Auswirkungen des Abfalls von der katholischen Kirche auf Stände und Untertanen. Ungehorsam und Auflehnung unter dem Vorwand der Religion. Unterdrückung gehorsamer Stände. Warnung vor konfessionellen Zugeständnissen des Kgs. beim RT an die Gegenseite. Konsequenzen der Glaubensspaltung für das Reich. Anregung eines katholischen Bündnisses. Übergriffe Frankreichs auf das Reich unter Vorgabe der Wahrung der Libertät.
Enthalten in einem Schreiben Kardinal Ottos an Johann Ulrich Zasius vom 16. 10. 1556. Von Zasius an Kg. Ferdinand I. weitergeleitet mit dem Bericht aus Regensburg vom 28. 10. 15561.
HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 337–340’ (Or. von Hd. Kardinal Otto; präs. Regensburg, 23. 10. 1556) = Textvorlage. Der von Zasius an den Kg. weitergeleitete Teil (gesamte Betrachtung mit Ausnahme nur der Einleitung) liegt auch in Abschrift2 bei: Ebd., fol. 341–343’ (Kop. Dorsv. Hd. Zasius: Mundierte abschrifft deß hern cardinal zu Augspurg schreiben, die relligionhandlung belangendt. B.) = B. Knappe Auszüge zit. bei Meusser, Kaiser, 151, Anm. 370; 393.
Wann wir betrachten wellen, wie bestendiglich und gerecht unsere altvorderen gelebt und gehandlet haben, was fir ain gottzforcht, gehorsame gegen Gott und den hohen obrigkaytten gewest, und wie jetzt zuer gegenwirtigen zeytten ain onbestendig wanckelmiettigkaytt, gwalt, trutz und betruglich geschwindigkaytt uberhand genommen. Ja es mues als religion hayssen, wann man auffruer, meutterey, onainigkaytt, spalttung und mißtrauen anrichten kan. Und wan man heutt schon was bewilligt und auff das krefftigist zusagt, man well nitt mer begerenb, so kombt manc all tag mitt aim neuen onevangelischen griff herfur und verkluegt7 den mitt conscientzen und seuffzen [!]. Und so man nun also die klainmuettigkaytt befindt, so wirt man die gehorsamen stendt von den hohen obrigkaytten abziehen und also underdrucken, das man darnach mitt den obrigkaytten auch desto ringer muge gerecht werden [!].
Nunque vidi iustum derelictum. Beati, qui confidunt in domino, qui adiuvat sperantes in se. Die gantz bibel leerd unns, wie Gott alle kunigen und obrigkaytten, so seine gebott gehalten, allwegen wunderbarlich geholffen hatt, und ist kainer nie verlassen worden. Wann man laviert hatt oder die menschen mer gefurchte dan Gott, so liest man nitt allain in der bibel, sonder die experiens selbs lert unns, was [das] fur ain ende genomen hatt.
Es mag wol gutt sein, das ir Mt. personlich [...] zum Reychs tag komme, wann ir Mt. verhoff, solche onbillich begeren, so vor augen, abzuschaffen. Solte aber ir Mt.
Si sagen wol, dieweyl man das rain wort sperr, so hab man den onfal. Das sag ich auch. Ich bekenne aber nitt, das unser thayls das wort Gottes sperre. Dann ich hoff und waiß, das wir das ainich, pur, lautter Gottes wort, wie ers geredt und in seiner kirche geordnet und taglich durch sein hayligen gayst regiert, haben und leeren in ainigkaytt des rechten glaubens. Von welcher ainigkaytt si durch ir vermaint wort layder abgefiertt, und seyd her wenig glucks im Hayligen Reych erstanden. Es ist sich auch ye lenger merers onglicks, straff und ubels zubesorgen. Es sollt uns Gretia und andere lender wol ain exempel sein, was si mitt iren scisma erlangt. Ach Gott erbarme sich uber unsers arm vatterlandt, welchs gar nach auff der nayg gett.
Ich wust meins erachtens nichts bessers, dann das die kgl. Mt. aigentlich den ursprung, herkommen, modum procedendi, darauß ervolgte ongehorsame, ongerechtigkaytt, hoffart, widerspennigkaytt, pratick, abfall und nidertruckung der gehorsamen stende von tag zu tag, von grado zu gradof betrachtett und zu hertzen fierte; so wurd ir Mt. greyffen, was fir ain maister solch werck angericht hette. Nur will man also stattigs zusehen und nichts darzu thuen, so kan man leichtlich erwegen, was es fir ain endt nemen wirt und mueß.
Nil occultum, quod non relevabitur, cui in tempore occurri posset, si temporisando temporish more moderno non amitteretur, dum Ratisponae consulitur, Lutetiisi tractatur et utinam non concludatur. Man hatt nitt gnueg mitt Lutringen und Metz, Elses (des Gott darfir behiett) mueß auch daran. Der konig von Franckreich mueß das Reich wie der hertzog von Alba das bapst landt beschitzen8. Die frantzesisch libertet9 ist noch groß schwanger; thuett man nitt darzu, si mecht ain grossen schalck geberen. Der teuffel werd gefatter. Es ist eben zeytt, das Gott und unsere herren die bestendigen hertzen beweren und probieren. Gott vom himmel helff uns. Würzburg, 16. 10. 1556. Kardinal Otto von Augsburg und [Propst] zu Ellwangen.