Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb
1. HA (Religionsvergleich): Theologisch begründete Notwendigkeit der Glaubenseinheit. Befürwortung des Generalkonzils. Zurückweisung der Argumente gegen dessen derzeitige Veranstaltung. Ablehnung von Nationalkonzil, Kolloquium und Reichsversammlung. 3. HA (Landfrieden): Fraglicher Bestand des Friedens in Anbetracht der Glaubensspaltung und der Absichten der CA-Stände. Konfessionelle Rechte des Bf. in herrschaftlich geteilten Gebieten (Münnerstadt).
Das Gutachten entstand Anfang August 1556: Die Räte beziehen sich eingangs auf die ihnen am 29. 7. vorgelegte RT-Proposition als Grundlage ihrer Aufgabe. Anschließend wurde ihre Stellungnahme zum Religionsvergleich fast gänzlich in die instruktionsähnliche Weisung des Bf. vom 11. 8.1 übernommen.
StA Würzburg, WRTA 39, fol. 307–315 (Kop. Überschr.: Der geystlichen rethe zu Wirtzburgk rathschlag und bedenckhen uff die kgl. proposition, den articul der religion betreffende. Vergleichung der spaltigen religion, prophan- und religion friden betreffende.) = Textvorlage. Referat mit Textauszügen: Bundschuh, Religionsgespräch, 135 f. mit Anm. 40–44.
/308/ Sie, die geistlichen Räte, erstatten dem Bf. Gutachten zu der ihnen am 29. 7. 1556 übergebenen RT-Proposition2.
Die Proposition umfasst 4 HAA: 1) Religion, 2) RMO, 3) Landfrieden, 4) Türkenhilfe. Gehen davon aus, dass sie sich nur zum 1. und 3. HA äußern sollen.
Stellen zum Religionsvergleich fest, dass der Passauer Vertrag [1552] und der RAb 1555 jeweils RTT angesetzt haben, um dort über die Religionsvergleichung zu beraten3
. Dan ketzereyen unnd zwispaltung in der geschrifft under den hochsten sunden unnd lastern gezelt unnd die dermassen
Ob es muglich sey, solche zwispaltung hinzulegen, darff niemandts zweiffeln, dan solchs ist ein werck, darzu Gott sunderlich genaigt unnd furderlich sey[n] will. Das letzte gebett, so Christus vor seinem leyden an sein himlischen vatter gethan hatt, ist, das er inniglich und mit sehr gewaltigen worten gebetten hatt, das er nit allein seinen jungern, sonder auch allen den jhenichen, so durch sie bekert wurden, diese gnad wolte verleyen, das sie durch einander ains weren6 (unnd nit
Wan wir auch auff die exempel giengen, so möchten wir uns derselbigen auff das höchst trösten. Dan wir lesen, das von anfang der kirchen biß auff unsere zeyt vill ketzereyen unnd zwispaltung sindt gewesen, dern zum thail der unsern gleich, zum thail vill subtiler unnd ansehelicher, ja auch anhangs halber sorglicher gewest, aber sie sindt dannest alwegen auffgehoben unnd ausgereuth worden.
Wiewoll aber nit allein gut unnd loblich, sonder auch auffs höchst von nöten were, das ain jetweder, der ein christ wölt gerumpt sey[n], solchs letzts inniglich unnd vetterlich gebett Christi betrachtet unnd von hertzen unnd mit ernst nach solcher ainigkayt strebte, so halten wir doch, das zu dieser zeyt römische kayserliche unnd khonigliche Majestet als das brachium saeculare unnd protectores ecclesiae an dem aller ersprießlichsten sein möchten. So aber dieselbigen auff diesem reichstag nit personlich erscheinen unnd sich ausserhalb des reichstags jetzzemale auch der religion nit annemen künden, so zweiffelt unß sehr, ob mittel auff diesem reichstage zu solcher ainigung erfunden möchten werden. Dan /310’7/ die, so der augspurgischen confession anhengig, werden (als wir besorgen) auff den commissarium, den hertzogen von Bayren, wie mechtig, wolmaynend unnd geschickt er ist, wenig geben, dieweyll sie auff kayserlicher unnd khoniglicher Maiestet selbs gutige handlung noch bißher wenig geben haben.
So vill betrifft die wege oder modos concordandi (so Gott, der vill gnad hatt, sich uber unß erbarmen unnd unser blindhayt unnd gefarligkhayt zuerkennen gebe) halten wir, das khainer [!] fruchtparer wege dan ein algemain concilium. Ja nit allein were solches concilium ein wege zu hinlegung der zwispaltung in dem glauben, sonder auch were es dinstlich zu aller beschwernuß der gantzen christenhayt: Durch diesen wege khunt man nit allein frid machen zwischen mechtigen christlichen hauptern, sonder auch gegen dem turcken. Da khönt man alle mißbreuche außreutten, böße und ergerliche sitten abstellen unnd ander mehr guts schaffen, des ausserhalb eines concilii unmuglich were. Wan man die sach dahin richten khönte, das das gantz Romisch Reych auff diesem reichstag darein recht, krefftiglich oder wurcklich verwilliget unnd der termin auff das kurtzest angesetzt, so gedeucht unß, es were auff diesem reichstag gnug außgerichtet.
Man darff nit furwenden, das ein concilium als grosse vorbereytung bedorffe, dan man hatt in dem 51. jare gesehen, das das concilium in eyll gen Triendt gelegt8 unnd dannest khain mangel da gewest.
Vor einem national concili hatt vor 6 oder 7 jaren Paulus tertius durch ein aygen nuntium, episcopum cavensem, die episcopos Germaniae warnen lassen, dan er besorgt (wie auch gleublich), es wurden in solchem die schismata nit hingenommen, sonder erst gesterckt werden12. So dan solchs geschehe, neben dem, das es unrecht unnd wider Gott were, khunden wir bey unß selbs gedencken, das wir unß durch dasselbig trennen wurden von
Die colloquia haben stat, wu [!] die partes nit pertinaces sindt unnd wu hoffnung widerprengens ist oder wu neue lere sindt, biß das man einander recht vernimpt. Dern ursachen aber ist khaine da, dan die adversarii wöllen nit gewisen werden. So ist ire lere nit neu, sie haben gar wenig errores, die nit vor villen jaren verdampt, unnd allesampt sindt sie auch zu unsern zeyten verneinnet. Unnd erwegen, das man woll waiß, was sie fur ein grundt haben oder was darhinder steckt.
Durch reichstags handlung khan solchs noch weniger geschehen, dan solche handlung ist nuhr ein weltlichs thun, dieses aber ein gaystlichs. In Reichs handlung khonnen die gaistlichen fursten on die weltlichen nichts beschliessen. Nuhn khönnen aber die weltlichen fursten nichts neus in gaistlichen sachen ordiniren, unnd so sie dan auch bey dem alten nit pleiben wöllen, so volgt, das es mit Reichs handlung in neuen gaistlichen sachen verloren sey; sonderlich aber in dieser spaltung, welche nit geringe stuck, sonder die aller höchsten unser religion, nemlich die sacrament, antreffen, welche der höchst schatz sein, den die gantze welt hatt, welchen
Demnach kommt von den in der Proposition genannten vier Wegen nur das Generalkonzil infrage.
Dessen Forderung mocht fuglich geschehen gleich in dem anfang, wan die turcken hilff begert wurdt: Der gestalt, das die catholischen stend sprechend, sie wölten gern nichts an inen erwinden lassen, wan man in ein general concilium verwilliget unnd das selbig auff das furderlichest ersuchte. Wir halten, die protestirenden werden sich auch understehen, ir religion mit dieser occasion zu bessern oder zu dem wenigsten zuversichern. So vill von dem ersten puncten.
Auff die ersten frag dunckt sie, das solcher landfrid nit in die lenge werde bestendig sey[n], nit allein darumb, das solche zwispaltung wider Gott unnd derhalb nit besteen khan, wie man offtermals in der geschrifft findt, sonder auch, das unß immerdar gedunckt, die widersacher maynend die religion nit so hart, als hart sie darnach fechten, sonder ein anders. So dan die religion nit ir ultimus finis were, so ist inen unmuglich, das sie frid habend, biß das sie kommen ad ultimum finem, unnd also den landfriden selbs (als zubesorgen) brechen werden. Wir reden gleichwoll nit gern darvon, aber dannest gibt es die erfarung, das solchs zubesorgen. Dan es ist selten ein Reichs abschied, darin nit ernstlich von dem landfriden ordnung geschehen sey unnd bey hoher buß unnd treuung gebotten. Aber dieweyll die /31413/ zerspalte religion gewesen, so hatt man nit vill darauff geben. Derhalben soll man dester fleissicher anhalten, das das general concilium fur sich ging, dieweyll dieser landfrid noch neu unnd starck ist.
Die ander frage geschicht Mu[nne]rstat halber, dan als euer f. Gn. visitatores da gevisitirt, unnd die gräfin von Hennenberg14 nit mehr dan den vierten thail daran hatt, vermaint sie, man solte die gantzen [!] statt bey ir, der gräfin, religion lassen15. Unnd ist zu besorgen, sie möchte sich auff jetzigem reichstage ob solcher visitation wider euer f. Gn. beklagen. Derhalben von nöten, das euer f. Gn. gesante auff diese unnd dergleichen klag gefast seyen.
In diesem fall halten die gaistlichen räthe, das euer f. Gn. in dem, das sie nit allein auß ordenlichen gewalt, sonder auch auß sonderlichem bebstlichem befelch gevisitirt, nit wider den landfriden habe gethan, dieweyll sie drey virtaill an der statt hat unnd ordinarius desselben orths ist, auch der teutschmaister khain andern dan ein catholischen pfarhern begert zuerhalten oder zu praesentirn. Doch so der gräfin oder auch etlich euer f. Gn. underthanen solchen pfarherrn oder catholische religion nit leyden möchten unnd anderstwuhin [!] giengen, predig zu horen unnd das sacrament zuentpfahen, khont man inen es nach lauth des landfridens nit weren.
Ob man aber dem pfarhern, zu welchem die catholischen underthanen giengen, von irent wegen solte geben von der pfarr, so in irem flecken, möcht ein frag entsteen. Deßgleichen, wo der protestirenden underthanen musten zu eim andern pfarherrn geen oder ein aygen halten, ob ir rechter pfarherr schuldig were, daran zusteuern.
So zubesorgen, das auff itzigem reichstage die protestirende umb weyter oder meer nachgeben in religion sachen werden ansuchen, hette unß nit fur ungereumpt angesehen, so wir für die dritte frag dieses puncten anzaigten, was unnd welcher gestalt die bischoff hetten zuverhengen oder zugedulden, welchs im latein „tolleriern“ genent wirdt. Dan dieweyll Christus spricht16: „Bonus pastor animam suam et vitam ponit pro ovibus suis“, so mochte einer gedencken, es ent-
Dies wird dem Bf. als Gutachten der geistlichen Räte zum 1. und 3. HA der Proposition übergeben.