Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Keine Einigung zu zwei Bedingungen der geistlichen Stände für das Kolloquium: Veranstaltung unter Vorbehalt eines späteren Konzils sowie ohne Beeinträchtigung von Stand, Amt und Verpflichtungen der Geistlichen.

/122/ (Vormittaga Religionsausschuss. Mainzer Kanzler proponiert: Einigung zur Replik des Kgs. beim 1. HA (Religionsvergleich)1.

1. Umfrage. Kurtrier: Erwarten die Stellungnahme der CA-Stände zu den Bedingungen [der geistlichen Stände] für das Kolloquium2.

Kurköln: Wie Trier.

Kurpfalz3 : Bezüglich der Bedingungen wuste Pfaltz sich zuerinnern, das disse consultation fridlich und schidlich geschehen soll. Dweil sie dan die qualitates also befunden, das es unverpundtlich und das es kein decision haben soll, 2) das concilio dardurch nichst benommen, 3) das es niemandts an ambt und standt /122’/ verweißlich, und letzlich, das acta referiert werden sollen etc.: Da verglichen sie sich in ersten und letzten qualitaten, nemblich das colloquium unverpuntlich, und dan, das nachmals acta referiert und stendt alßdan ferner zuberatschlagen, wie entliche vergleichung zutreffen; yedoch das in mittelst religion fride in crefften pleibe. Wen solche zwo qualitaten vorbehalten, weren die zwo andere auch darin begriffen. Dan wen handlung unverpundtlich, so were generali concilio nichst prejudiciert, und wurde den hern auch unverweißlich fallen. Wen man aber ichtes anderst under dissen zweyen ubrigen puncten suchte dan was schiedlich, und sie dessen bericht, musten sie sich auch ires befelchs horen lassen.

Kursachsen: Der ersten und letzten qualitet konte man sich leuchtlich vergleichen, dan ire hern auch kein determination colloquio geben konten, dan allein die gotlich geschrifft determinatio ist. Und darumb sie auch /123/ concilio nullam determinationem konten zugeben, nisi durch die heiligen gotliche schrifft. Vil weniger geben sie determinationem colloquio. Alß weren sie auch einig, das acta referiert und nachmals ferner daruf geratschlagt und in mittelst religion fride in seinen krefften bestehe. Halten auch, das wen disse zwo qualiteten furgehen, das concilio dardurch nichst benommenb. So hielten sie auch unvonnoten, das an standt und wesen hern disses unverweißlich. Dan dardurch wurde eingefurt, das nichst zureden in colloquio, das wider die alte religion. Dagegen sie dan auch musten furbehalten, das nichst wider ire religion wurde geret. Welchs dem zugegen, das sie christlich und schiedtlich in colloquio reden solten. Zudem were colloquium anzustellen nit aus den stenden, sonder auß christlichen, schiedlichen, gelerten leuten von beiden religionen, die nachmals kaiser und stenden /123’/ relation zethun, und also die stendt disse collation nit an iren standt oder wurde beruren werde.

Kurbrandenburg: Es ist recht und billig, das die ding also furgenomen, das es niemandts an seiner preeminentz, hoheit oder standt verwißlich. Das es aber also solte angestelt werden, das es concilio nit nachtheilig, auch an standt: c–Da wolten sie den verstandt nemen, das es hern etwo mochte zugemessen werden, obe hetten sie das general concilium verworffen–c. Wen es solchen verstandt, konten sie sich auch vergleichen. Sonst, da es ein andern verstandt hette, weren sie der meinung wie Sachssen. Wie Sachssen weiter de forma colloquii geret, daruber wolten sie andere horen.

Kurmainz: Hetten den verstandt, das man iren hern /124/ hernachmalß nit furzuwenden, dweil sie colloquium bewilligt, das sie dardurch concilium gantz zuruck gestelt. Der ambt und standt wegen, da hetten sie die meinung, das allen stenden soll unverwißlich sein, domit nit zugemessen werde, obe sie ichtes begeben, so inen nit gepurt. Und letzlichen der relation halben, das nachmals ein yeder sein notturfft furzuwenden, were zimblich. Und derhalb die furgewendte qualitates nit zu streiten.

Österreich: Fassen die Bedingungen zusammen. Ires thails mochten sie solche qualitates wol leiden, d–aber pro medio hielten sie, das man die vorbehelt voriger colloquien zu dissem werck geprauchte–d.

/124’/ Bayern: In deme were man allein strittig, das colloquium concilio nichst derogiere, item das es den stenden an iren ambtern unverwißlichen etc. Solcher zweyer qualiteten halben, domit nit hernachmals man gedechte, das man concilium gentzlichen verlegt und hinfuro kein andern weg dan colloquium gehen konte, zu deme das es der andern qualitet halben den verstandt hat, wie per Meintz erzelet, were ir her der mainung, das disse zwo qualitates wol zu den andern zu setzen4.

Salzburg: Wollen weitere Stellungnahmen zu den Bedingungen anhören.

Pfalz-Zweibrücken: Wie Kurpfalz.

Augsburg: Dere zweyen unverglichenen articul halben, das concilio nichst derogiert, item das colloquium niemandts an sein ambt, standt etc. verletz- /125/ lich, in dem horten sie, das man fast auch einig, allein das es beruhet, das etliche meinen, solche qualitates zu exprimieren, etliche meinen, solchs unvonnoten zu sein. Were seins erachtens pesser, das es außtrucklichen zu stellen dan zu verschweigen, dweil es sonst doch muste apud acta reserviert und vorbehalten werden. Item der vorbehalt des concilii halben were mit gemeinen worten zethun. Und am andern, dweil alle churfursten und fursten einander der eheren gonnen, das keiner begert, das jemandts solte ichtes verwißlichs an standt und ambt sein, so were es mit außtrucklichen worten auch zu setzen.

Brandenburg-Ansbach, Württemberg, Hessen: Wie Kurpfalz und Kursachsen.

Prälaten: Wie Augsburg.

Wetterauer Gff., /125’/ Stadt Straßburg: Wie Kurpfalz und Kursachsen.

Stadt Schwäbisch Gmünd: Wie Bayern.

Kurmainz: Stellt nochmalige Umfrage zu den Bedingungen zur Debatte.

2. Umfrage. Kurtrier, Kurköln: Votieren für Vertagung.

Kurpfalz: Dweil der verstandt der ubrigen zweyen qualiteten in den andern begriffen, so ist die außtruckliche specificatio unvonnoten auß ursachen, dweil colloquium schidtlich und fridlich angestelt werden sollef.

Kursachsen: Irer hern meinung were nit, wen man in colloquio sich nit vergleichen konte, das alßdan solte concilium gantz verworffen sein. g–Das aber solchs in das colloquium /126/ expresse zu setzen, wurde mit pringen, das man sich nichst in colloquio vergleichen solt, sonder alle ding an den babst musten gelangt werden. Welches confessions verwandte nit zugestatten. Derhalb were genugsam, das gesetzt würde, das nachmals die stendt ferner zuerwegen post relationem5, wes zu vergleichung dienstlich. Alßdan man zuerwegen, an per concilium vel alio modo–g. Des andern puncten halben: Truge auf ime, das die colloquenten nit durfften von einiger reformation redenh. Derwegen were dieselbig qualitet auch zuumbgehen.

Kurbrandenburg, Kurmainz und alle Folgenden: Vertagung.

Fazit: /126 f./ Einvernehmen, das Kolloquium unverbindlich sowie ohne Entscheidungsbefugnis zu veranstalten und dessen Beratungen Ks. oder Kg. und Reichsständen vorzulegen. Hingegen keine Einigung zu den Bedingungen, dass es unter Vorbehalt eines späteren Konzils stehen sowie Stand, Amt und Verpflichtungen der Geistlichen nicht tangieren soll.

Anmerkungen

a
 Vormittag] Kursachsen A (fol. 425’) differenzierter: 8 Uhr.
1
 Nr. 428. Referat der Beratung am 16. 1. bei Bundschuh, Religionsgespräch, 209.
2
 Vgl. die Verhandlungen im Religionsausschuss am 14. 1. [Nr. 327] und die Vorberatung im Ausschuss der geistlichen Stände am 15. 1. (Kurmainz A, fol. 121’ [Nr. 405]).
3
 Vgl. zu den Voten der CA-Stände deren Vorberatung am 15. 1. (Kurpfalz C, fol. 175–180 [Nr. 370]).
b
 benommen] Kurpfalz B (fol. 38’) zusätzlich: Dass aber das Kolloquium allein ein preparatio sein zu einem concilio, das kondten diese stendt nit willigen, /39/ sonder der [!] recht form sei, wie es auf hievorigen gehalten worden.
c–
 Da ... verworffen] Kurpfalz B (fol. 39’) deutlicher: Item so verstunden sie den 4. anhang nit dahin, do etwas im colloquio verglichen und [anschließend] von stenden approbirt, das dasselbig widerumb und erst ad concilium generale solt gebracht werden.
d–
 aber ... geprauchte] Kurpfalz B (fol. 40) eindeutig: als Kompromiss achten sie, das mittl an die handt zunemen, wie es etwan auf vorigen colloquiis gehalten, und sich daran ersettigen zu lassen.
4
 Vgl. dagegen die irrtümliche Aussage bei Wolf, Geschichte, 49, Österreich und Bayern hätten sich bezüglich der Bedingungen den CA-Ständen angeschlossen.
e
 Der] Kurpfalz B (fol. 40’) zuvor zusätzlich: Beharrt darauf, das Kolloquium nur unter Vorbehalt des Konzils als Entscheidungsinstanz bewilligen zu können.
f
 solle] Kurpfalz B (fol. 41’) zusätzlich: Dieweil aber von Trier und Colln die sachen als groß wichtig in bedencken gezogen, wollen sie es auch darbei [beim Votum der 1. Umfrage] pleiben lassen ditzmals. Kursachsen A (fol. 430’) zusätzlich: Billigen aber die Vertagung.
g–
 Das ... modo] Kurpfalz B (fol. 42) differenzierter: Aber hergegen achten sie auch, wo was im colloquio der heiligen schriefft gemeß verglichen, das es eben so woll und ordinarie bescheen, als wan es auf dem concilio verricht. Aber alwegen der ander thail auf vorigen colloquiis dahin getrungen, das verglichne ding auch solten dem babst furgetragen werden. Darumb sie unfruchtbarlich abganngen. Was aber jetzo die colloquenten underredten, soll an gemeine stendt gebracht werden, dieselben volgents erwegen, wie die ding durch ein concilium oder andern weg zuvergleichen, und nit schlechts, wie jetzo von etlichen vermeldet, nach dem colloquium alspaldt eins concilii ervolgen soll.
5
 = nach der Berichterstattung an Kg. und Reichsstände.
h
 reden] Kurpfalz B (fol. 42) differenzierter: frei, libere und irer gewissen unbetrangt.