Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Augsburg StadtA, Lit. 1543, unfol. (Ausf.); DV: Herrn gesandten aus Nurmberg 24. Martij 1543. Des H. Granvela anbringen die gulchisch handlung betreffend. Item etliche centner pulfers.

Euer Ft. gelieben zu wissen, das gestern nachmittag vor dato diß [1543 März 23] der H. von Granvella nach uns geschickt und allda in beysein des H. von Naves, vicecantzler, auch H. von Liers erstlich vermeldet, das wir straffwurdig seyn sollten, umb das wir so lange zeit alhie und nit zu ime khömen. Were gleich, als ob wir nit freundt weren, so ime doch in Augspurg so grose eher und freuntschaft widerfaren. Das seindt nun hofwort.

Am andern, so hat er uns anzeigt, mit was beschwarden er vernommen, das sich jetzo gemaine standt des Hg. von Gulch wider die ksl. Mt. wolten beladen und sich dahin vernemen liessendt, als ob sy in dem hauptpuncten, darumb diser reichstag ausgeschriben und auf sein gethane werbung nicht handlen wollthen, es were dann die kriegsrustung in Niderlanden abgestellt, onangesehen das der Hg. von Gulch disen krieg selber erregt, der ksl. Mt. ir furstenthumb Geldern gwaltigklich vorenthielt, ir Mt. ir erblandt mit prandt und dem schwerdt angegriffen und verherdt und sich zu ir Mt. grosten feinden verbunden, bey denen er noch heutigs tags in buntnus verpflicht were. Noch dennocht liessendt sich die stendt jetzo der gulchischen erstes geschrey so hoch bewegen und er [= Nicolas de Granvelle] wer nun so lange zeit hie gelegen, das ime khein antwurt wollt ergeen. Und zuvor, als der Kg. in Frannckreich, auch der Hg. zu Gulch ir Mt. an allen orten irer erbkonigreich, furstenthumb und landen angegriffen und beschedigt, hette sich gar niemandt, auch mit dem numsten [= nicht im Geringsten], nit vernemmen lassen, ichts darin in der guete oder sonst furzuwenden oder doch zu versuechen, damith dieselben tatlichen handlungen hetten mugen verbleiben oder abgestellt werden. Jetzo aber, so ir Mt. widerwartigen alle ir anschleg zuruckgegangen und sich ir Mt. in die getrengt gegenwer begeben muessen, so wolte bey ir Mt. umb abstellung der kriegsrustung angehalten werden. Nun wissten wir, das ir Mt. dem Reich und teutscher nation zu aller wolfart mit gnaden geneigt und das auch der stat Augspurg wolfart und der gemein friden in ir Mt. handen und gwaldt stuendt. Ir Mt. hette auch den friden den stenden gegeben, den wolt ir Mt. vest halten und, das den auch andere halten muesten, darob sein, wie er dann beiden standen außtruckenlich alhie gesagt, Got geb, wollicher part stande, ainer oder mer, den krieg anfieng, wider denselben wolt ir Mt. sein und darumb dorfte sich niemandt vor ir Mt. besorgen. Und sonderlich sollten wir wissen, das ir Mt. die stat Augspurg mit sondern gnaden maynet und darumb uns etliche, die nit der stat Augspurg, sonder ir selber gelegenheit und nutz suchten, dahin nit bringen lassen, das wir uns mit der gulchischen handlung beladen wolten und, wo wir darbey weren, der ksl. Mt. und des Reichs eher furdern helfen. Dann ir Mt. nichts begegnete, das uns nit gleichsvhals belangen muest. Das wollt er also im besten und zu ainer warnung angezaigt haben.

Ferner ersuchten Granvelle und die anderen ksl. Kommissare die Stadt Augsburg im Namen des Kaisers um Schießpulver gegen Barbezahlung. Auch Schießpulver, das an anderen Orten zu erhalten sei oder künftig hergestellt werde, soll die Stadt in ihrem Namen besorgen und dem Kaiser unter äußerster Geheimhaltung gegen Barzahlung überlassen. Und dieweyl ir Mt. sollichs von denen von Augspurg begerdt, so dorften sy der fursorg nit, das ir Mt. das pulver wider ainichen protestierenden standt gebrauchen vorhabens weren oder wolten, und das wurd auch ir Mt. mit sondern gnaden gegen gemainer stat erkennen etc.

Darauf haben wir geantwurt und uns bedanckt der gnaden, so er uns angepotten, und worin wir bißher unrecht gethan, das wollten wir in kunftigen erstatten und uns in seiner gnaden straff ergeben etc. Am andern Gulch betreffendt, hette sein Gn. sich leichtlich zu erinnern, das nach gelegenheit der stat Augspurg bey gemeynen standen und in so grosser anzal, auch hohen standts derselben ichts zu furdern oder zu hindern am wenigsten gelegen. Und darumb, ob etwas furgieng, das ir Mt. lieber anderst sehen oder etwas, das gescheen sollt, verblibe, das wurden sein Gn. gemeiner stat Augspurg onzweivel nit zuemessen, dann wir wusten, das unsere herren und gemeine stat Augspurg der ksl. Mt. glucksaliger regierung und aller wollfart begirlich und die zu furdern sampt und neben andern gemeynen standen in aller underthanigkeit nit weniger geneigt als pflichtig. Was dann wir in demselben nach gelegenheit unser personen und gerings vermogen hulflich sein khondten, das hetten wir bevelch, weren es auch fur uns selber urputtig, des versehens, unsere herren würden in kunftig wie bißher gegen ir ksl. Mt. sich in allerunderthanigsten gehorsam der gepur und unverwißlich halten.

Betr. das Schießpulver hätten sie keinen Befehl ihrer Obrigkeit. Sie wüßten nur, dass die Stadt dem Kaiser und dem König vergangenes Jahr mehr als 400 Zentner Pulver zur Verfügung gestellt habe. Sie werden in dieser Frage unverzüglich bei ihren Auftraggebern rückfragen. Damit war die Unterredung beendet.

Was nun in der gulchischen handlung uns vermelt, halten wir ursach sein das furbitt, das auf 23. diß gemeine ständt und derselben außschus bey kgl. Mt. und dem H. von Granvella gethan [Nr. 212]. Darbey seindt wir nit gewesen, aber vernemmen aus den obgehorten und andern etlichen kaiserischen reden, das wenig glimphigs darauf ervolgen werd, des wir uns wol anfangs besorgt und darumb bey den ainungsverwanten standen uns one bevelch nit einlassen wollen. So haben auch die kgl. Mt., die commissarien und der H. von Granvella der standt obgethanen werbung bedacht genommen, aber daran gehenckt, das die stendt selber die sachen bey dem Hg. von Gulch dahin sollten richten, das die also geschaffen, das die ksl. Mt. zu verzeihen ursach hett. Zweivelt inen alsdann nit, ir Mt. wurde umb der standt furbitt mer dann umb ainiches andern herren willen thuen. Also gedencken die stendt, der antwurt zu erwarten und, wo die verzogen wurd, widerumb darumb anzuhalten.

Die letzte Weisung von Bgmm. und Rat von Augsburg betr. das Verhalten gegenüber Jülich (Nr. 389) kam zu spät an. Aber demnach wir bey dem ausschus nit gewesen und von dem H. von Granvella in den reden dennocht sovil verstanden, das er unsere herrn und uns in diser sachen nit verdacht, haben wir nit vermeint, viler entschuldigung vonnotten sein. Die Vermittlungsinitiative der Reichsstände im Geldernkonflikt wurde von den Städten nur bewilligt, weil Friede und Recht in Deutschland die Voraussetzung für die Türkenhilfe seien. Wir wollen aber nit underlassen, mit erster gelegenheit mit Nurmberg und Ulm dennocht vertreulich daraus zu reden, ob sich die sachen weyter dann bescheen Gulch halben erweyssen wurd, was den erbarn stetten rhatsam sein. Wolt[en] uns euer Ft. bevelch halten und, was sich ferner begibt, mit dem ersten zuschreiben.

Bitte um Weisung, was man Granvelle auf sein Ansuchen um Schießpulver antworten soll2. Falls die Gesandten die Bitte abschlagen sollen, müssen triftige Gründe vorgebracht oder dem Kaiser andere Möglichkeiten vorgeschlagen werden. Allain das es dahin gestellt, das die commissarien khain mißtrauen spuren mögen, dann der H. von Granvella saget under anderm, wir sollte[n] der ksl. Mt. frey vertrauen, hetten nur sovil jar ires hertzens und gemuets vilfaltige gezeugnus und nit uber den subtiliteten halten, so uns zu whenig frommen, ir Mt. aber zue grosser ungelegenheit und beschwarden wollten reichen.

[PS:] Wir haben diß schreiben an euer Ft. herren burgermeyster und die Dreytzehen lassen uberschreiben. Dieweyl aber uns hienach zugevallen, ob gut oder nit, das sollich schreiben umb willen des pulvers den Dreytzehen geoffnet, haben wir derenhalben das copert [= Anschrift] an euer Ft., die hern burgermeyster, allain stellen lassen, die werden sich hierin, waß sy fur rathsam bedunck, wol zu halten wissen. Datum ut in litteris.

Anmerkungen

1
Ursprünglich war das Schreiben nicht nur an die Bgmm. von Augsburg, sondern auch an die Dreizehn des Rats von Augsburg adressiert gewesen. Wegen der gebotenen Geheimhaltung in Fragen der Lieferung des Schießpulvers entschieden die Gesandten jedoch, den Brief nur an die Bgmm. Hans Welser und Mang Seitz zu schicken: siehe PS am Ende des Schreibens.
2
Bgmm. und Rat von Augsburg antworteten den Gesandten Jörg von Stetten, Sebastian Seitz und Dr. Claudius Pius Peutinge am 5. April 1543 betr. Granvelles Ansuchen um Schießpulver: [...] Und sovil des H. Granvela weittere gepflegne handlung und ansuchen des pulfers halben belangt, hetten wir uns gleichwol versehen, unser furgewendte ursachen solten etwas merers und sovil gewurkt haben, das wir weitter deshalben nit weren angelangt worden. Und wiewol wir an solchem vorrat durch die vilfeltig darstrekhung des pulfer, der ksl. und kgl. Mtt. beschehen, fast emplost, so wollen wir doch ir ksl. Mt. zu underthenigistem gefallen uber die hievor dem Hugo Engelin bewilligten 200 centner pulfers noch 200 centner gegen barer betzallung in seinem yetzigen werdt volgen lassen, der underthenigist zuversicht, ir ksl. Mt. soll und werde daran genedigst gesettig sein, angesehen das wir zu probirung ir Mt. hievor biß in 60 centner hinaußgeben und tzu besorgen ist, das zu dem ubrigen gegossen geschutz nach 10 centner mocht gebraucht werden. Und daraus unsern underthenigsten, genaigten willen gegen ir Mtt. vermerkhen. Wir wollen uns auch underthenigclich getrösten, ir Mt. werde irem gnedigsten erbieten gemeß, durch den H. Granvela euch angetzaigt, solch pulfer gegen kainem evangelischen stand gebrauchen. Das mogend ir also gegen dem H. Granvela mit glimpflichen worten, wie ir zu thun wol wisst, eröfenen. [...]. In: Augsburg StadtA, Lit. 1543 (Konz.).