Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Stettin AP, AKW Sign. 95, fol. 327r–332r (Kop. mit Nota von d.Hd. Zitzewitz’); AS fol. 327r: Ursachen, warumb mein gnediger herr sich zu Nurmberg und sonst der eynung geeussert. AV fol. 328r: Den einigungsverwanten stenden uberreicht zu Nurmberg, den 25. Aprilis anno 1543.

Die gestrige Antwort der kursächsischen und hessischen Räte zum Konflikt Pommern gegen Dänemark (fehlt) verstand Zitzewitz dahingehend, dass die Schmalkaldener willens gewesen seien, in Nürnberg in der Causa Dänemark gegen Pommern eine Entscheidung zu fällen. Dieweil aber uf hieigem tage die handlungen dermassen furgefallen, das man diesen langen vertzug dieses tags nie gewislich hat vernehmen oder vermercken konnen, hett man die abwesenden stymstende hieher nit beschreiben mogen etc. Darumb fur gut angesehen where, das diese sache bis uf negste zusamenkunft1, des sich albereit meine gnedigen und gunstigen herrn, der Kf. zu Sachsen und Lgf. zu Hessen etc. als oberheuptleute der christlichen vorein, verglichen, verschoben und in dem hieigen abschiede ein artickel, das uf derselben zusamenkunft ane weitern verzug oder aufschub die gepetene und gesuchte erklerung der obgedachten irrung ergehen sollte, gesatzt wurde, derhalben auch ein jeder standt die seinen mit volkommenem gewalt, in dieser sachen zu schliessen, dohin abfertigen sollte etc.

Zitzewitz wurde von den Bündnern gebeten, die Verzögerung der schmalkaldischen Entscheidung in der Causa Pommern gegen Dänemark zu entschuldigen und an den Beratungen der Schmalkaldener teilzunehmen. Darauf ich euern Gg. hinwiderumb freuntlich nicht weis zu verhalten, das ich nit liebers vor mein person gesehen hette, dann das mir solche antwurt gegeben were worden, das ich eurer bitt und beger nach mich in die beratschlagung der einigunsverwanten handlung lassen konnte. Dieweil aber dieselbe dermaßen gestalt, das mir mitnichte gepuren wil wider hochgedachter meiner gnedigen fursten und herren bevelich mich eintzulassen, zweivel ich nicht, euer Gg. werden mich derhalben freuntlich entschuldigt halten und wissen. Dann ich mich in nahmen und von wegen hochgedachter meiner gnedigen fursten und herren nichts gewissers versehen hette, dann das die oft gesuchte, zugesagte und vertroste erklerung alhie ane weitern verschub und aufhalten aus nachvolgenden ursachen ergangen sein solte.

1. Die Herzöge verhielten sich in Bundesangelegenheiten stets wohlwollend und ratifizierten die Aufnahme des Kg. von Dänemark in den Schmalkaldischen Bund, in der Hoffnung, dass der dänische König die Streitsache mit Pommern der Entscheidung der Bundesstände anheim stellen würde.

2. Die Behandlung ihres Anliegens, das sie bereits mehr als fünf Jahre verfolgten, wurde bisher immer wieder verschoben.

3. Die Herzöge seien bereit, sich dem Erkenntnis der Bundesstände bzw. jenem der Theologen von Wittenberg zu unterwerfen, während der Kg. von Dänemark nie die sachen zu erkantnus haben komen laßen wollen, letzlich auch die handlung, so derselben rethe gewilligt und angenomen, abgeschlagen und retractirt.

4. Durch das Hinauszögern der angestrebten Erklärung durch die Bündner erlitten die Untertanen der Hgg. von Pommern schwere Verluste und Schäden, was die Gefahr von Aufruhr und Empörung in sich berge.

5. Eine Erklärung des Bundes in der Causa Pommern gegen Dänemark sei auf mehreren Bundestagen zugesagt und im braunschweigischen Abschied (1542 Sept. 12) für den nächsten Bundestag in Aussicht gestellt worden. Es sei für die zahlreichen in Nürnberg anwesenden Bundesstände genug Zeit gewesen, bei ihren Auftraggebern Instruktionen in dieser Causa einzuholen.

Aus erhorten, auch andern mehr ursachen und bedencken hett ich in nahmen und von wegen hochgedachter meiner gnedigen fursten und herren mich ungetzweivelt versehen, es solte die oft vertroste und zugesagte declaration ane weitern vertzug alhie ergangen sein. Dieweil es aber nit bescheen mag, sondern ihr fstl. Gnn. uf weitere zusamenkunft, wie zu mehrmaln bescheen, vertrostet werden und derselbe vertzug ihrer fstl. Gnn. und derselben undersaßen sorglich, zum hochsten nachteilig und schedlich ist, und ich mich in mangel meins bevelichs in weitere handlung nit einlaßen kan, wil ich vermoge meins habenden bevelichs von wegen meiner gnedigen fursten und herren zu Stettin-Pomern etc. die protestation, die ihre fstl. Gnn. uf jungstem tage zu Speir [1542] durch derselben gesanten haben thun und von meinem mitgesanten und mir uf den fall der nicht volgenden declaration im anfange der hieigen versamblung erholen laßen, hiermit repetirt und erholet haben:

Nemblich dieweil ihren fstl. Gnn. uf derselben vielfaltig langwirig suchen die gegenpflicht der verfassung nit geleist, sondern zu ihrer fstl. Gnn. und derselben undersaßen großen nachteil und schaden damit von einer zeit zur andern vergeblich verwiesen worden, das ihre fstl. Gnn. dardurch der einigung und der pflicht derselben verlaßen worden sein, derhalben ihre fstl. Gnn. auch hinfurder die burden der einigung zu tragen nit schuldig oder willens sein2. Und nachdem ihre fstl. Gnn. aus vor erhorten ursachen die einigung zu verlassen genottrengt sein worden, werden ihre fstl. Gnn. ungetzweivelt aller kunftiger daraus herfließender trennung und unrichtikeit gegen Got dem Almechtigen entschuldigt sein, sich auch derhalben gegen meniglich zu entschuldigen wißen.

Und dieweil ich nach hiebevor gegebener schriftlicher antwurt, auch muntlicher vertrostung uf ansuchen des ausschuß mich alhie zu zeiten in beratschlagung der handlungen der christlichen verein wider und gegen meinen bevelich – allein von wegen meines gnedigen fursten und herrn Hg. Philippen zu Stettin-Pomern etc. – eingelassen habe3, jedoch mit der protestation und bescheidenheit, das ich damit bis uf weitern ihrer fstl. Gn. bescheidt ihr fstl. Gn. mitnichten verhaften, verbinden oder der vorbeschehnen protestation ichts zuwider handlen wolt, sondern es allein darumb gethan, das das gegentheil keine trennung oder unrichtikeit spuren oder vermercken sollte. Und von ihrer fstl. Gn. mir bevelich zukomen, das ich mich dem vorentpfangenen bevelich nach vor ergangener und erlangter declaration der handlungen des christlichen verein enthalten solte, wie dann solchs von zeit des entpfangenen bevelichs bis daher bescheen. Wil ich dieselbige bedingung und protestation hiemit auch widerumb erholet und repetirt haben, damit von denen, so dieser bedingung kein wißenschaft haben mochten, es nit darfur geachtet und gehalten wurde, als hette ich in sachen der christlichen verein der vorbescheenen protestation zuwider ichts verbintlicherweis von wegen meines gnedigen fursten und herrn gehandelt.

Schlussformel, US Jacobs von Zitzewitz.

Nota (v.d.Hd. Zitzewitz’): Er lehnt das Aufschieben der Erklärung der Schmalkaldener bis zum nächsten Bundestag ab und protestiert gegen den Verzug4. Durch die zögerliche Haltung der Bündner seien die Hgg. von Pommern den Schmalkaldenern gegenüber ihrer Verpflichtungen entbunden. Der Kg. von Dänemark sei nicht bereit, den Streitfall dem Urteil der Schmalkaldener zu unterstellen.

Anmerkungen

1
Laut dem Schmalkaldischen Bundesabschied (Nr. 418, Art. 3), war der nächste Bundestag in Frankfurt geplant, fand aber schließlich von 25. Juni bis 21. Juli 1543 (Abschied) in Schmalkalden statt.
2
Die Ablehnung der weiteren Beteiligung an den Kosten des Bundes wegen unterlassener Hilfeleistung der Bündner im Konflikt mit Dänemark war verbunden mit der Androhung des Bundesaustritts. De facto blieben die Hgg. von Pommern bis zur Auflösung des Schmalkaldischen Bundes dessen Mitglieder und scheuten vor dem entscheidenden Schritt eines Austritts zurück. Siehe: R. Heling, Pommerns Verhältnis zum Schmalkaldischen Bund, S. 25–67. Die kompromisslos formulierte Protestation Zitzewitz’ war wahrscheinlich als Druckmittel gegenüber den Schmalkaldenern gedacht; sie wurde jedoch nicht in den Schmalkaldischen Bundesabschied [Nr. 418] aufgenommen. Nicht zuletzt diente sie dazu, den unbotmäßigen Gesandten Zitzewitz, der sich entgegen dem Befehl der Herzöge in die Versammlungen des Bundes begeben hatte, vor seinen Auftraggebern zu rechtfertigen. Der Name Jakobs von Zitzewitz findet sich sowohl unter dem Reichsabschied (Nr. 404) als auch unter dem Schmalkaldischen Bundesabschied (Nr. 418). Ein ausführlicher Lebenslauf Zitzewitz’ bei M. von Stojentin, Jacob von Zitzewitz, ein Pommerscher Staatsmann aus dem Reformationszeitalter, S. 143–288, zu 1543 vor allem S. 147–149. Siehe auch M. Wehrmann, Geschichte Pommerns, Bd. 2, S. 45f.
3
Das Eingeständnis seines eigenmächtigen Handelns zeigt Zitzewitz einmal mehr als den führenden pommerschen Rat in Nürnberg. Am 10. Febr. und am 26. März 1543 (aus diesem Schreiben stammt das folgende Briefzitat) berichtete er Hg. Philipp von Pommern in fast gleichlautender Weise über das Drängen der Schmalkaldischen Bundeshäupter auf Teilnahme Pommerns an den Sitzungen. Die Bündner hatten sich allerdings im Konflikt zwischen Pommern und Dänemark zu der von Pommern erhofften Erklärung noch nicht durchgerungen, weshalb die Herzöge für diesen Fall in ihrer Instruktion für die Gesandten (Nr. 63d) die Teilnahme an den Versammlungen untersagt hatten: [...] Nachdem aber sie, die stende, und sunderlich Sachsen und Hessen, es darvor achteten, das iren hern an dem, ob wir mit zu rade gingen oder nicht szo viel gelegen und ich euer fstl. Gn. gemuet dahin gericht wuste, das euer fstl. Gn. nichts liebers sehe, dan das es iren kfl. und fstl. Gnn. in allen sachen wol ginge, und nichts ungerners hoerte, dan das die vorfolger des gotlichen worts [d.h. die Altgläubigen] in irem vorhaben solt[en] gesterckt werden, wolte ich mich vor meine person alße euer fstl. Gn. gesanter darzu erbotten haben, das ich je zu zeitten, wan ich gefordert wurde, mit inen in die radtschlege gehen wolte, aber nichts vorbindtligherweise darzu reden oder raten, viel weiniger schliessen helfen, damit das kegentheil nicht anders mercken oder spueren mochte, dan das wir mit in die radtslege uns begeben ausserhalb der brunsweichischen kreigsubung [!], darin wir zu seiner zeit (hoc est nach ergangner declaration) der sachen halben unß unsers befehelichs erkleren wollten. Und wolte offentlich dennoch bedingt und protestiert haben, das ich damit wider und kegen die furigen protestationes, bedingungen und vorbringen in nicht wolte gehandelt haben, welchs der ausschueß mit grosser dancksagung angenommen und sich erbotten, und in sunderheit die sechsischen, bei irem hern zu beforderen, das mich sein kfl. Gn. derhalben bey euer fstl. Gn. entschuldigen solte, wie ich den auch vormals an euer fstl. Gn. gesrieben habe, untertheniglich bittende, es wolte mir solchs euer fstl. Gn. in keinen ungnaden aufheben, sonder gnediglich vormercken. Dan ich in warheit es auf szo vielfaltig bitten, weil es euer fstl. Gn. doch unschedtlich, alleine darumb gethan, das euer fstl. Gn. szo viel meher glimpfs bey den stenden, und sonderlich Sachsen und Hessen erhielte [...].In: Stettin AP, AKW Sign. 95, fol. 42r–48v, hier fol. 43r (Ausf. v.d.Hd. Zitzewitz’). Siehe auch seine Berichte über die Verhandlungen mit den Altgläubigen im Reichsrat: Nr. 186–187, Nr. 193. Er war ein überzeugter Anhänger des neuen Glaubens und betrachtete die Distanzierung und den drohenden Austritt Pommerns aus dem Schmalkaldischen Bund kritisch, weil er befürchtete, die Altgläubigen könnten daraus Kapital schlagen. Aus diesem Grund nahm er nach der Antwort der Schmalkaldener vom 10. Febr. 1543 (Nr. 289), die eine baldige Entscheidung der Bündner in diesem Konflikt in Aussicht stellte, gelegentlich als einfacher Zuhörer an den Beratungen der Schmalkaldener teil. Im Gegensatz dazu hielt sich sein von Hg. Barnim abgefertigter Mitgesandter, Dr. Jakob Philipp Ösler, strikt an die Vorgaben der Herzöge und erschien bei den Versammlungen des Bundes nicht; sein Name findet sich auch nicht unter dem Schmalkaldischen Bundesabschied [Nr. 418], was aber auf eine frühere Abreise aus Nürnberg hindeuten könnte. Hg. Barnim war über das Verhalten Jakobs von Zitzewitz auf dem Nürnberger RT ungehalten, während Hg. Philipp das eigenmächtige Vorgehen seines Gesandten nicht tadelte, da er sich nicht aus dem Schmalkaldischen Bund zurückziehen wollte. Siehe dazu: R. Heling, Pommerns Verhältnis zum Schmalkaldischen Bund, S. 44–52; M. von Stojentin, Jacob von Zitzewitz, S. 147–149. Kf. Johann Friedrich von Sachsen versuchte in seinem Schreiben von 1543 Febr. 14 (Nr. 290), die Hgg. von Pommern zur Abänderung ihrer Befehle an die Räte betr. die Teilnahme an den Sitzungen der Schmalkaldener zu bewegen, allerdings vergeblich, wie der Antwort der Hgg. von Pommern von 1543 März 1 (Nr. 291) zu entnehmen ist.
4
Ein Kompromiss im Streit zwischen Pommern und Dänemark um die geistlichen Güter auf Rügen kam erst im Vertrag von Kiel (1543 Sept. 4) zustande. Die Hgg. von Pommern verzichteten auf die Stiftsgüter und Einkünfte des Bf. von Roeskilde auf Rügen mit Ausnahme eines kleinen Restbetrags. Dafür erhielten sie das Recht, für die Insel einen Superintendenten zu bestellen. Siehe dazu: H. Branig, Geschichte Pommerns, Teil I, S. 104; R. Heling, Pommerns Verhältnis zum Schmalkaldischen Bund, S. 52; H. Heyden, Untersuchungen und Anmerkungen zur Kirchengeschichte der Insel Rügen, S. 213.