Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 421–434, Nr. 154/4, fol. 71r–79v (Kop.); AS fol. 71r: Copei der cristlichen ainungsverwanten stende ausschus bedencken der underhandlung halben mit Braunschwig und sonderlichen, wahrumb Hg. Heinrich nicht widerumb ins landt zu nehmen etc. 1543.

B Frankfurt ISG, Reichssachen II 965, fol. 160r–164r (Kop.).

C Straßburg AVCUS, AA 511, fol. 36r–42v (Kop.); ÜS fol. 36r: Bedencken der sachsischen und hessischen, warumb Hg. Heinrich nit einzelassen.

D Stuttgart HStA, H 55, Bü. 78, unfol. (Kop.).

Es haben der aynungsvorwandten stend rethe, gesandten und bottschaften etzliche aus inen zu der underhandlung, welche der Kf. zu Sachssen und Lgf. zu Hessen den Hgg. zu Baiern Hg. Hainrichs von Braunschweigs kinder halben vor der zeit eingereumpt und dero sich auch die bayerischen rethe alhie zu Nurmberg undernomen, verordent, welche den stenden nach der leng referiert, was in etzlichen vorgangenen tagen von den baierischen rethen furgeschlagen und von inen widerumb geantwort worden.

Und dieweil der letzt der baierischen furschlag uff denen zwayen awegen und mas–aberouhet hat, nemblich das sich Hg. Hainrich des furstenthumbs Braunschweig nit vortzyhen, zum andern, das sich auch desgleichen die kinder nit wurden bereden lassen, das furstenthumb ane den vatter anzunehmen, ferners inhalts derselben endtlichen furschlege, welche in der vorzcaichnuß [Nr. 244] hieneben lenger begrieffen sein, so haben sich die verordenten gemeiner stend uff solche entliche vorschlege in nichtzit weitters kondten begeben, sonder die an die aynungsvorwandten gelangen lassen, ir ferner nodturft darinnen wissen zu bedencken.

Darauf haben sich die reth und verordenten aller vorergangner handlung und sonderlich der antwort baider chur- und fursten Sachssen und Hessen, den baierischen geschickten zu Braunschweig [Bundestag 1542 Sept.] uff ir anbringen und bytten der gutlichen handlung halber gegeben, auch was ire chur- und fstl. Gnn. sonderlichb an die Hgg. zu Baiern geschrieben und von inen widerumb fur antwort empfangen, erinnert. Und daraus noch nit anderst befunden, dan das solche gutliche handlung allein Hg. Heinrichs kinder halben eingereumpt und bewilligt worden sey, wie sich dan die verordenten der stendt desselben vor den baierischen rethen oftmals erclert und sie sich darauf der kinder halben albereit in handlung eingelassen und mittel furgeschlagen hetten, also das die stend nit erachten mogen, woher sich diße sachen uber alle vorgepflogne handlung geendert und in ein anderen standt gericht haben. Und damit die stend der ursachen, aus denen Sachssen und Hessen die handlung uf die kinder und nit uff Hg. Heinrichs person eingereumpt, auch bericht wurden, so sollen sie erstlich vernehmen, das ire chur- und fstl. Gnn. nit konden fur nutzlich bedencken, es werde die versicherung uff das bestendigst gegeben, versprochen und zugesagt, wie sie immer wollten, das Hg. Hainrich widerumb zu dem land gelassen werden solt.

Dan welchermassen er, Hg. Hainrich, seiner eltern, auch sein selbst gegeben brieff und siegel in viel weg verprochen und die nicht gehalten hab, das ist aus deren von Goßlar und Braunschweig oft beschehen klagen und antzaigen vormerckt worden, zudem das auch sein leichtfertigkaidt und das er weder trauen noch glauben halt aus nachgemelten fellen erscheinet:

Gefangennahme und Ermordung des Goslarer Gesandten Dr. Dellinghausen auf der Heimreise vom Augsburger Reichstag 15302. In Missachtung der in Regensburg 1541 und in Speyer 1542 erlassenen ksl. und kgl. Befehle und trotz der ksl. Suspension der Goslarer Acht setzte Hg. Heinrich seine Politik der Unterdrückung und der tätlichen Angriffe gegen die Städte Goslar und Braunschweig fort. So blieb diesen Städten mit Unterstützung der Schmalkaldener nur mehr der Weg der Selbstverteidigung offen.

Solt man dan Hg. Heinrich widderumb in das landt lassen, so erkenth man sein bose und untreu art so gewislich, das er keinen glauben halten, brieff, sigel, zusagen und versprechen verbrechen, und kommen dardurch diese stende widerumb in diese grosse last und beschwerung, dardurch sie sich itzo selbst mit grossen kosten erledigt und erredt haben.

Durch die Publikation von Schmähschriften attackierte und verleumdete Hg. Heinrich mehrfach den Kf. von Sachsen und den Lgf. von Hessen3. Auch habe er sein vor Jahren gegebenes Versprechen, Hg. Ulrich von Württemberg wieder zum Besitz seines Fürstentums zu verhelfen, nicht eingehalten und zum Nachteil des württembergischen Herzogs agiert. Das beweise neben vielen anderen Vorkommnissen, dass der Braunschweiger Herzog nur seinen Vorteil im Auge habe und Zusicherungen und Bürgschaften nicht einhalte.

Die bei der Eroberung Wolfenbüttels von den Schmalkaldenern vorgefundenen Akten und Briefe aus dem Archiv Hg. Heinrichs4hätten die kriegerischen Pläne Hg. Heinrichs gegen Kursachsen und Hessen und ihre Verbündeten ans Tageslicht gebracht und gezeigt, das sein gemuth gestanden ist, diese stend zu ubertziehen und also krieg und unrue anzurichten. Dartzu findet man auch aus den schriften in Wolffenbuttel, das er ime furgenommen, sein religion zu handhaben, daruber sein leib und vormugen uftzusetzen und aller gefharr zu erwarten.

Solt nun Hg. Heinrich widerumb ins land genohmen werden, so wurde er sich seine vorige religion zu furdern und dieser stende lehr und ceremonien auszurotten und zu vortilgen understeen, zu viler guthertziger leuth grosser beschwerung.

Welchermassen dan Hg. Hainrich in viel weg die ksl. Mt. an irer hocheit, reputation, ehr, glimpf und achtung angegriffen, dieselbig geschmehet, verkleinert und verletzt, desgleichen die kgl. Mt., als das er anzcaigt, der kayser werdt zu lang langsam sein, bis sie alle von irer christlichen religion getrungen und umb alles, das sie haben, komen werden. Item, wan der kayser des Reichs auch irer religion ehr, nutz und wolfarth als wol als seine aigne sachen betrachten, so wurdt es im Reich besser zugehen. Item, wie hoch er die ksl. Mt. und kgl. Mt. rethe geschmecht, das alles haben die stend aus verlessnen schrieften auch wol vermarckt. Um Goslar zu schaden, schonte er selbst seinen engsten Verbündeten, den Kf. von Mainz, nicht und ließ dessen Kloster Alberode niederbrennen. Wenn der Herzog selbst den Kaiser, den König und seinen engsten Verbündeten nicht schone, wie soll er dann auf die evangelischen Stände, seine Feinde, Rücksicht nehmen und wer sollte ihm Glauben schenken? Zudem so hat Hg. Hainrich seine arme leut, desgleichen sein adel und andere also hoch beschwerdt, das sie sich dieser expedition erfreut und Got dieser erledigung gedanckt haben.

Solt man nhun diesen tyrannen widder ins land komen lassen und er die ding dermassen erfarn, so wurt den armen leuthen der vorige last noch beschwerlicher uber den halß gericht, weliches diesen stenden weder vor Gott noch der welt loblich sein wurde. Aus diesen und andern mehr ursachen kondten ire chur- und fstl. Gnn. nicht finden, das die gutliche handlung uf Hg. Hainrichs person zu bewilligen nach derselb in das landt gelassen werden solt.

Nachdem sich aber die handlung der beyerischen uber alle vorgeende sachen vorendert und also nunmehr uff den endlichen furschlegen steet, so haben sich des churfursten und landgrafen räth ires bevelhs dahin erclert, das sie all und yde ergangen handlungen an ire gnedigist und gnedige hern musten gelangen lassen, wie dan auch die andern rethe, gesandten und pottschaften gleicher gestalt zu thun entschlossen haben5.

Und soll mitler zeit uff die antwort gedacht werden, wie man dise der bayerischen underhandlung in suspenso bis zu der ksl. Mt. ankunft pleiben und die sachen dieser zeit aus iren handen nit gelassen werden, dan es seind etzliche aus diesen stenden im hohem vertrauen berichtet, das es die ksl. Mt. selbst dafur achtet, das friedt und ruhe bey diesem menschen, do ime das landt wider eingethan werden solt, nicht besteen mochte.

Anmerkungen

1
Am 1. März erfolgte der letzte Vorschlag der bayerischen Unterhändler zur Regelung der Verhältnisse in Braunschweig-Wolfenbüttel: siehe Nr. 244zum 1. März, fol. 213r–215v. Eine Antwort auf den bayerischen Vorschlag, die auf Rückfragen und Verzögerung hinauslief, wurde vom Ausschuss der Schmalkaldener auf Basis des hier abgedruckten Gutachtens (Nr. 245) beraten und den bayerischen Räten am 10. März 1543 mitgeteilt (Nr. 244, fol. 217rv).
a
–aIn BCD: maximis.
b
In BCD: seidther.
2
Die Stadt Goslar führte seit Sommer 1539 mit Unterstützung des Lgf. von Hessen einen Prozess gegen Hg. Heinrich d. J. in der Causa Dellinghausen, dem RT-Gesandten Goslars in Augsburg 1530. Er war auf der Heimreise von Augsburg im Auftrag Hg. Heinrichs gefangen genommen und in der Gefangenschaft ermordet worden. Dr. Friedrich Reifsteck und der hessische Rat Dr. Johann Fischer vertraten die Interessen Goslars in diesem Prozeß am RKG. In Folge der Goslarer Klage erhielt Hg. Heinrich Ende 1539 ein Purgationsmandat des RKG, dem er nicht nachkam. Am 25. Okt. 1540 wurde Goslar vom RKG in die Acht erklärt; diese wurde jedoch – ebenso wie die Acht gegen Minden – vom Kaiser am 28. Jan. 1541 in Regensburg suspendiert und diese Suspension am 28. Juli 1541 vorläufig verlängert. Zur Causa Dellinghausen und ihren Folgen am RKG siehe: G. Blume, Goslar und der Schmalkaldische Bund, S. 17f und S. 60–75; O. Heinemann, Geschichte von Braunschweig und Hannover, Bd. 2, S. 346. Zum Stellenwert der Auseinandersetzung zwischen Hg. Heinrich von Braunschweig und den Städten Goslar und Braunschweig für den Schmalkaldischen Bund siehe: G. Haug-Moritz, Der Schmalkaldische Bund, S. 200–202; G. Schlütter-Schindler, Der Schmalkaldische Bund, S. 179–181, S. 199–236; F. Petri, Herzog Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel, S. 143–147; S. Ißleib, Philipp von Hessen, Heinrich von Braunschweig und Moritz von Sachsen, S. 1–6.
3
Zu der mit publizistischen Mitteln (Flugschriften) ausgetragenen Fehde der Kontrahenten, welche dem braunschweigischen Feldzug voranging und ihn begleitete, siehe: G. Blume, Goslar und der Schmalkaldische Bund, S. 69–71; G. Haug-Moritz, Der Wolfenbütteler Krieg des Schmalkaldischen Bundes, passim; O. Heinemann, Geschichte von Braunschweig und Hannover, Bd. 2, S. 353–358.
4
Es handelt sich um die sogenannte „Schmalkaldische oder braunschweigische Aktenbeute“, welche den Eroberern Einsicht in die geheimsten Pläne des braunschweigischen Herzogs bot und die Intrigen zahlreicher Fürsten, Diplomaten und Politiker (z.B. Hgg. von Bayern, bayerischer Rat Dr. Johann Weissenfelder, Nicolas de Granvelle, Matthias Held) aufdeckte und sie moralisch kompromittierte. Siehe: J. Lauchs, Bayern und die deutschen Protestanten, S. 245f. Dr. Leonhard von Eck war empört, als er nach seiner Ankunft in Nürnberg erfuhr, welche brisanten Informationen den Schmalkaldenern in die Hände gefallen waren. So schrieb er am 24. Jan. 1543 an Hg. Wilhelm von Bayern: [...] In summa alle oder die meysten anschleg und handlungen, so wider sy [= die Schmalkaldener] gehandelt worden sein, haben sy durch Wyssenfelders und Dr. Helden schriften in iren henden. Und ist thorlich gehandlet, dergestalt zu sehen, und das er solch schriften nit abgethan oder in seinem abziehen zerrissen hat. [...] In: München HStA, KBÄA 2030, fol. 174r–175v, hier fol. 175r (Ausf. v.d.Hd. Ecks). Am 28. Jan. 1543 ereiferte sich Dr. Eck nochmals gegenüber Hg. Wilhelm: [...] Was ye in dieser pundtnus [= Nürnberger Katholischer Bund] gehandlet und gerathschlagt worden, ist in dieser leut hende, und sonderlich hat sich Hg. Heinrich pei dem kayser angepotten, das ime der kayser gelt furstrecke, welle er den churfursten [von Sachsen] verjagen. [...]. In: München HStA, KBÄA 2030, fol. 172r–173v, hier fol. 172r (Ausf. v.d.Hd. Ecks).
5
Bgmm. und Rat von Augsburg bezogen am 8. März 1543 in ihrem Schreiben an Jörg von Stetten, Sebastian Seitz und Dr. Claudius Pius Peutinger Stellung zum bayerischen Vorschlag vom 1. März und wiederholten ihre Aufforderung an die Gesandten, sich nicht von den anderen Schmalkaldischen Bundesverwandten abzusondern: [...] Der bairischen und wirtenbergischen furschlege, uff Hg. Heinrichs von Brunschwig aigner person einkumens in das land gestellt, haben wir uns nit versehen, dann wir hievor anders darvon gehört, darumb es auch die sachsischen und hessischen räte befrembden mag. Will uns die vertragshandlung fast fur weitleuffig ansehen. Und ob sich gleich die sach bis uff Quasimodogeniti [1543 April 1] zu der kgl. Mt. selbs underhandlung verzeucht, so synd doch die mittel der vergleichung also geschaffen, das sich der fursten halb schwerlich aines ußtrags zu verhoffen, ob es gleich den stetten not und gut, wie es dann gewießlich were, daß die sach iren ußtrag het. Gott gebe, er keme in das land oder plieb drussen, einmal wollten wir gern einen vertrag sehen, doch mit ainhellikait oder mit dem mehrer unsers tails willen, darvon wir uns nit sondern werden. Und mysen die erbern stet diser bintnus selb, auch ir und gemeiner stent notorft bedencken, aber keynswegs von andren sondern[letzter Satz v.a.Hd.]. [...] In: Augsburg StadtA, Lit. 1543, unfol. (Konz.).