Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Nochmalige Anmahnung der Verhandlungsaufnahme durch die kgl. Kommissare. Erneuter Aufschub durch KR.

/53/ (Vormittag, 7 Uhr) Kgl. Kommissare und Reichsrat, einberufen auf Wunsch der kgl. Kommissare hin. Für diese erscheinen Gf. Georg von Helfenstein und der bayerische Landhofmeister1  im Auftrag Hg. Albrechts als Prinzipalkommissar.

Helfenstein proponiert: Die kgl. Kommissare2  gehen nach den wiederholten Anmahnungen davon aus, dass nunmehr wol zur beratschlagung zekomen und die puncten des Reichs tags und furnemblich turcken hilff furgenomen, auß ursach, stenden bewust, wes konig daran gelegen, dweil auch ire Mt. iren son, ertzhertzoch Ferdinand, hinab ins Ungerlandt zusambt etlichen statlichen kriegs /54/ leuten verordnet3, verhoffentlich etwas fürnemblichs außzurichten. Derhalb dan commissari mehermals befelch erlangt, ferner anmanung zethun4. Nochmals dringliche Aufforderung an die Reichsstände, die Verhandlungen zur Türkenhilfe aufzunehmen, da Kg. allein zur Abwehr des Feindes nicht in der Lage ist.

Kurfürstenrat. /54 f./ 1. Umfrage. Trier hat wie am 18. 8. noch keine Weisung erhalten. Köln äußert sich indifferent. Pfalz verfügt nunmehr über Vollmacht und Instruktion5 , plädiert aber erneut für Aufschub, da dies nicht für alle Mitglieder des KR gilt. Sachsen und Brandenburg sind wie am 18. und 25. 8. zur Verhandlung bereit, Mainz ebenso.

/56/ 2. Umfrage. Beschluss: Dweil die vota nit in specie auf die proposition ergehen mogen in suo ordine, wie dan der mangel yetzt vorhanden6, so solten die kgl. commissarien nachmals umb fernern verzugk anzulangen sein, mit vermeldung, das die gesandten diesses raths, wes hievor ergangen, zeruck gelangt.

Mainz und Pfalz teilen dies FR mit.

Kurfürstenrat und Fürstenrat. FR (Salzburg) referiert: Hetten sich des verzugks bei den kfl. rethen nit versehen. Dweil aber der mangel noch vorhanden, musten sie den verzugk geschehen lassen. Und were demnach des furstenrathes begern, sie wolten in betrachtung der vorstehenden gefahr versaumbung, auch uncostens die sachen befurdern. Und nachdem sie7 irer jungster anzeig nach gefast und der mangel nit bei inen, begern sie, in anlangung umb fernern verzugk bei den commissarien solchs inen zuvermelden. /57/ Deßgleichen auch der stet gesandten anzuzeigen, bei wem der mangel.

KR (Mainzer Kanzler): Die Gesandten im KR erklären, das sie nit liebers gewilt, dan es hette vor disser zeit mogen procediert werden und der Reichs tags etwas vergewist gewesen8; also das an iren personen gar kein mangel. Aber gleichwol seyen irer etlichen noch meher befelchs, auch ferner zuordnung gewertig, also das dieselbigen sich in specie auf die proposition nit einzulassen, sie wolten dan auser iren befelch gehen. Versehen sich aber befurderung, wie sie dan jungste anmanung an ire hern gelanget. Das aber die befelch so langsam einkomen, mochte villeucht sein ursach haben. Als dan begert, underschiedlich anzuzeigen, bei wem der mangel: Erachten sie zu anfang der beratschlagung und nach gestalten sachen, das es die notturfft solcher sonderung nit erfordere, und solche sonderung nit so hoch /58/ zu suchena. Da man aber hernachmals zur beratschlagung der haubtpuncten komen wurde und es die notturfft erfordern welle, underschiedliche bedencken anzuzeigen, alßdan gedencken sich die churfursten, auch der gepur zuerzeigen.

FR: Verzichten auf die differenzierte Anzeige.

Reichsrat . Der stet gesandten wardt angezeigt in genere, on einige vermeldung, bei wem der mangel, das die verhinderungen wie vor noch im weg legen. Derhalb bei commissarien anzusuchen, inen nit zuwider sein lassen, noch etlich wenig tag die beratschlagung einzustellen.

SR: Hätten zwar nunmehr in der beratschlagung mogen furgehen, dweil sie aber in so ringer anzal beisamen und der meher thail noch abwesendt, dern sie gewertig, so thun sie sich mit den kfl. und f. bedencken vergleichen.

/59/ Die beiden kgl. Kommissare werden ins Beratungszimmer gerufen. Vortragb  der Antwort der Reichsstände: Die Gesandten wären für ire personen der kgl. Mt. zu gehorsam gantz willig, sich in die beratschlagung zubegeben, wolten auch nit liebers, sie vor disser zeit darzu komen mogen. Wes aber verhinderlich eingefallen, das hetten ire Gnn. und Gunsten mehermals vermerckt, namblich das etliche meher befelch und auch meher zugeordneten gewertig, und also sie sich mehermals erpotten, die beschehene anmanung zeruck zu gelangen. Dem weren sie nachkomen, weren aber die befelch und nachgeordneten noch nit ankomen; seindt doch deren taglich anwartig. Wen sie dan dern hebig, willen sie furdarlich zu der kgl. Mt. genugen procedieren. Bitten derwegen, ire Gnn. und Gunsten wollen eins kleinen verzugks halben kein beschwerung tragen.

/60/ Replik der Kommissare durch Helfenstein: Haben erwartet, es solten die mengel ausser wegs gestelt sein. Dweil aber sie sich erpieten, befurderung zethun, wen sie befelch erlangen, wolten sie sich an stat konigs versehen, das sich die rethe dermassen erzeigen werden in sachen, domit konig ursach gewinne, solchs gegen der gesandten hern und sie in freundtschafft und gnaden zuerkennen9.

Anmerkungen

1
 Hans von Trenbach, Landhofmeister 1552–1562 ( Lanzinner, Fürst, 326).
2
 Abweichend vom bisherigen Verfahren trug die Anmahnung nicht der Mainzer Kanzler im Auftrag der Kommissare vor, sondern Gf. Georg von Helfenstein übernahm dies hier selbst, um der Forderung mehr Nachdruck zu verleihen und sie ettwas außfierlicher unnd ernnstlicher, alls zuvor beschechen, zuthuen (Bericht der Kommissare von Helfenstein, von Waldburg und Zasius an Ferdinand I. vom 1. 9. 1556: HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 11–20’, hier 11. Or.).
3
 Beruhend auf der Zusage Kg. Ferdinands beim ungarischen RT in Pressburg im Januar 1556, dass er oder einer seiner Söhne den Feldzug persönlich anführen würden (Akten des RT: Fraknói III, 543–586), brach Ehg. Ferdinand am 24. 8. 1556 mit je 3000 Fußknechten und Reitern (falsche Angaben zur Truppengröße in einer „Zeitung“ aus Wien vom 25. 8.: Turnbull, Calendar, Nr. 526 S. 245 f.) in Wien auf, um zur Armee des Palatin Tamás Nádasdy zu stoßen. Nach der Zusammenführung der Truppen in Csurgó konnten anfänglich einige Erfolge erzielt werden (Eroberung der Festung Korotna bei Nagybajom, Aufgabe anderer Festungen durch die Türken), die den Ehg. zum Plan ermutigten, das von den Türken gehaltene Fünfkirchen zu stürmen. Größte Probleme mit dem Proviantnachschub und Nachrichten von erheblichen türkischen Truppensammlungen veranlassten am 19. 9. 1556 den Rückzug nach Csurgó. Dort beschloss der Ehg. wegen der anhaltenden Verpflegungsprobleme und des nahenden Winters den Abbruch des Feldzugs und begab sich zurück nach Wien, wo er am 19. 10. eintraf. Vgl. Bucholtz VII, 337–340; Jorga III, 52; Hirn, Erzherzog, 24–30; Laubach, Ferdinand I., 638 (geringer militärischer Erfolg, aber Demonstration der „Bereitschaft der Herrscherfamilie zum persönlichen Einsatz in Ungarn“); Pálffy, Kingdom, 50. Vgl. die Berichte des Ehg. an Kg. Ferdinand aus den Feldlagern in Ungarn: TLA Innsbruck, Kanzlei Ehg. Ferdinand, Karton 7, unfol. HHStA Wien, Ungarische Akten 76, bes. Konv. B und C (August, September) und 77, Konv. A und B (September, Oktober), hier auch Berichte anderer Befehlshaber. Zum Feldzug 1556 insgesamt die Korrespondenzen Kg. Ferdinands mit den Kriegsobersten in KA Wien, AFA 10 passim (bis Juni 1556 mit Akten zur Vorbereitung seit dem Frühjahr; auch Krieg gegen die Rebellen in Oberungarn [vgl. Nr. 1, Anm.15]); AFA 11 passim (Juli-Dezember 1556).
4
 Vgl. Weisung des Kgs. vom 20. 7. 1556: Befehl, die Gesandten dringend anzuhalten, unverzüglich Vollmachten beizubringen und die Verhandlungen besonders zur Türkenhilfe ohne weiteres Hintersichbringen aufzunehmen (HHStA Wien, RK RTA 36, fol. 430–431’, hier 430’ f. Konz. Hd. Kirchschlager). Nochmals eindringlich in der Weisung vom 1. 9.: Befehl, darauf zu drängen, dass die Türkenhilfe bevorzugt oder zumindest parallel zum Religionsvergleich beraten wird (ebd., RK RTA 37, fol. 8–9, hier 8. Konz. Hd. Kirchschlager).
5
 Heyles erhielt die RT-Vollmacht und die Instruktion zusammen mit der Weisung Kf. Ottheinrichs vom 22. 8. 1556 (Grünau): HStA München, K. blau 106/3, fol. 33–36’. Or.; präs. 25. 8.
6
 Gemeint: Trier hat im KR die erste Stimme und kann mangels Weisung noch nicht votieren.
7
 = FR.
8
 Bezugnahme auf die wiederholte Prorogation des RT durch den Kg.
a
 suchen] Kursachsen (fol. 13) zusätzlich: dan es wider herkomen und alten gebrauch.
b
 Vortrag] Kursachsen (fol. 14) differenzierter: Vortrag durch den Mainzer Kanzler.
9
 Die kgl. Kommissare betonten im Bericht vom 1. 9. (wie Anm. 2, hier fol. 15), Helfenstein habe in dieser Replik zur Entschuldigung der Reichsstände zu vleiß geschwigen, weill es ye im grundt waar, das khain enntschuldigung deß ortts erheblich noch auch annemblich. Darumben wir dieselb weder angenomben noch an euer Mt. gelangen zelassen erbottenn, sonnder auff irem werd beruewen lassen unnd mitt stillschweigen umbgangen.