Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Bedauern der geteilten Resolution zum Verhandlungsmodus. Anschluss an die Resolution der katholischen Reichsstände: Vorlage des 1. HA (Religionsvergleich) in einem Ausschuss, parallele Beratung der anderen HAA in den Kurien. Übergabe der Forderung der CA-Stände um Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts an den Kg. Aufforderung an die CA-Stände, die Verhandlungen zum Religionsvergleich und zum 2. HA (Türkenhilfe) ohne Verzögerung aufzunehmen.

Den Reichsständen übergeben am 13. 10. 15561. Von diesen kopiert am 14. 10.

HStA München, KÄA 3177, fol. 80–83’ (Kop. Aufschr.: Lectum Ratisponae, 14. Octobris anno 56. Dorsv.: Copia romischer kgl. Mt. comissarien replic auf der chur- unnd furstlichen, auch annderer stenndt gesanndten unnd potschafften anntwurt auf furgebrachte proposition etc. [Nr.] 7. Den stennden und gesanndten eröffnet den 13. tag Octobris anno 56.) = Textvorlage. HHStA Wien, RK RTA 38, fol. 217–221’ (Konz.) = B. HStA Stuttgart, A 262 Bü. 47, fol. 325–330’ (Kop. Überschr.: Röm. kgl. Mt. comissarien antwort uff der stennd ubergeben bedencken. Lectum 14. Octobris 1556.) = C. HStA Dresden, Loc. 10192/5, fol. 87–90’ (Kop.). HStA Düsseldorf, JB II 2295, fol. 49–52’ (Kop.). GStA PK Berlin, I. HA Rep. 10 Nr. X Fasz. C, fol. 25–28 (Kop.). Kurz referiert bei Wolf, Geschichte, 35; Laubach, Ferdinand I., 165.

/80 f./ Die Kommissare des Kgs. sowie die Nachgeordneten Hg. Albrechts von Bayern als kgl. Prinzipalkommissar haben die am Vortag übergebene Antwort der Reichsstände zur Proposition vernommen. Sie begrüßen, dass nach der langen Verzögerung seit dem Vortrag der Proposition die Hauptverhandlungen nunmehr aufgenommen werden. Die Danksagung und das Erbieten der Reichsständea  werden die Kommissare dem Kg. mitteilen.

Dass bei der Vorlage des 1. HA (Religionsvergleich) zwischen den geistlichen Kff. und der Mehrheit des FR einerseits sowie andererseits den weltlichen Kff. und /80’/ ettlicher annderer fursten gesanndten unnd potschafften im furstenrath sich gespalltne beratschlagung unnd unnderschidliche, unverglichne bedennckhen zuegetragen unnd allso auch in schrifften refferiert unnd ubergeben, deß haben vermellte comissarien in namen hochst gedachter kgl. Mt. nit gern verstannden; zweifeln auch nit, ir röm. kgl. Mt. die werden es gleichsfals nit weniger ungern vernemenb.

/81/ Das aber der dreyer geistlichen churfursten, auch der merer thails des furstenraths räthe, pottschafften unnd gesanndten sambt anndern stenndenc in irem unnderschidlichen bedennckhen ermessen, das obangeregter articl der religion in ain sonndere verordnung vermög des passauischen vertrags unnd vorgeennder Reichs hanndlung zu stellen unnd dieselbe verordnung auf gegenwurtigem Reichs tag unverlenngt furzenemen unnd daneben in den ordinari räthen auch anndere articl der proposition unnd Reichs sachen geburlicher weiß beratschlagt unnd bedacht werden mochten etc., d–aus den ursachen, dabey vermelldet–d, in dem vergleichen sich vilbemellte comissarien mit inen, den geistlichen churfurstlichen unnd denn merern im fursten rath sambt anndern stenndene unnd lassen inen in namen der röm. kgl. Mt. solich bedennckhen unnd mainung wolgefallenf.

Was dann der dreyer welltlicher churfursten unnd ettlicher fursten potschafften sonnderbar bedennckhen unnd furgewanndte menngl, auch begerte verennderung des vorbehallts der gaistlichen freystellung halben im zu Augspurg aufgerichteng religion friden, unnd das aber sonnst derselbe religion friden in seiner khrefftigen wurckhung unnd bestanndt vesstigclich gelassen unnd gehallten werden solle, wie das in der ubergebnen schrifft weitter ausgefuert, belannget etc.: /81’/ Hierauf wollten die kgl. comissarien denselben kfl. unnd furstlichen rethen unnd gesanndten nit verhallten, das sy die röm. kgl. Mt. des genedigisten, vätterlichen unnd fridliebenden gemueths unnd bestenndigen willen unnd furnemens wol wissen, das sy denselben aufgerichten unnd hochbetheurten religion friden zu irem thail vesst, stäth unnd unverbruchlich zehallten unnd davon nit abzeweichen genntzlich gesynneti.

Wann dann ir kgl. Mt. aus solichem irem loblichenj furnemen sich nit versehen khunten, das nun zumalln ainiger innhalltung halber solichs religion fridensk ettwas stritigkhait oder beschwerungl furfallen wurde unnd derwegen die comissarien auf solichen fall weder in dem erregten noch anndern darinn begriffnen puncten mit ainigem bevelch nit verfasst machen mögen, allso das sy sich auch auf beschehne furwenndungm one erholung genedigs beschaids unnd resolution von irer kgl. Mt. in nichte zuvernemen oder einzelassen haben, so wellen sy doch das gethan anlangen irer röm. kgl. Mt. unsaumblich in unnderthenigkhait anfuegen; der unzweifenlichen zuversicht, ir kgl. Mt. werden sich darauf nach alle gebur resolviern unnd erzaigen2.

Es wellen sich aber hiebeyneben die vilermellten kgl. /82/ comissarien zu den ebenannten welltlichen churfursten, auch den anndern furstlichen potschafften genntzlich versehen unnd in namen irer röm. kgl. Mt. sy darumb genedigclich ersuecht unnd fur ire personen hochstes vleiß gebetten haben, das sy nichts weniger sich mit den geistlichen churfurstlichen räthen, dem merern im furstenrath und anndern stennden n–in dem vergleichen wellen, damit zu angeennder hanndlung des–n religion articls mit der sonndern verordnung vermög des passauischen vertrags, auch mit furnemung der anndern proponierten articl unnd Reichs sachen unnd furnemlich des nottwenndigen turckhenhilffs articl o–in der consultation der neben ordinari räthen furzuschreitten lennger nit damit–o verzogen, sonnder numalln unnd nach one das so lanng gewerten hievorigen verzug p–aller verrer verlenngerung der sachen abgeschnidten werde; in betrachtung der hoch obligennden notturfft, sonnderlich die beede haubt articul, alls religion unnd turckhenhilff betreffend, an deren schleinigen unnd furderlichen erledigung so viler seelen hail, auch christlicher lannd unnd leuthen unnd zu vorderst gemainer teutschen nation hochste wolfart gelegen, unnd in dem nicht furtraglichers und nutzlichers geschafft werden mag, alls die vorsteennde beratschlagung zu furdern unnd allso auch der jhenigen /82’/ churfursten, fursten unnd stenndt pottschafften, so des anndern bedennckhens sein, mit der hoch lestigen vergebenlichen aufhalltung, verlierung der zeit unnd grossem uncossten zuverschonen. Wie dann den comissarien nit zweifelt, der welltlichen churfursten unnd inen dis falls anhenngige furstliche potschafften werden soliche khuntbare fellq zu gemuet fueren, sich in disem von den comissarien, den geistlichen kfl. räthen, dem merern im furstenrath unnd den anndern stennden nit absonndern unnd an schleiniger, unverlenngter vortsetzung angeregter verrnere beratschlagung zu irem thail auch nichts erwinden lassen. Daran werden sy one allen zweifl dem ewigen Gott ain sonnder gefallig werckh erzaigen, sein gottlich glori unnd ehr damit höchlich befurdern, unnd es wirdet der kgl. Mt. soliches zu sonnderm dannckhnemigem unnd gnädigem gefallen, vilen christen mennschen zu trost unnd rettung, auch sonnst zu gemainer Reichs wolfart vilfelltig geraichen.

Von irer röm. kgl. Mt. in freundtschafft, genaden unnd allem guetem widerumb zubedennckhen unnd zuerkhennen–p.

Anmerkungen

1
  Kurmainz, pag. 180 f. [Nr. 24].
a
 Reichsstände] In B danach zunächst am Rand eingefügt, dann wieder gestrichen: sowie die Annahme der Entschuldigung des Kgs. wegen seiner persönlichen Abwesenheit.
b
 vernemen] In B danach gestrichen: Demnach aber der incident articl, darauß angeregte gespaltne mainungen erwachßen, dermassen geschaffen, das über die jungst zu Augspurg ergangne hanndlung unnd auffgerichten abschid die kgl. Mt. sich solchen incident stritts nitt versechen, sy, die comissarien, auch hierauff mit instruction und bevelch nitt verfaßt machen und sy sich darauff auß mangel bevelchs nit vernemen lassen kunden, so seind sy urpittig, die übergebne schrifftliche relation [Abbruch].
c
 sambt anndern stennden] In B Einfügung am Rand von Hd. Zasius.
d–
 aus ... vermelldet] In B korr. von Hd. Zasius. Dafür gestrichen: wie dann auff andern vorigen reichsthägen die erscheinende stennd und der abwesenden pottschafften unnd bevelchhabere gewonlichen inn den Reichs sachen auch fürgangen und dieselbigen neben und mitainander inn irer ordnung abgehandelt, und sich sonnst diser reichsthag wol inn beschwerlichen verzug verlengern möchte.
e
 sambt anndern stennden] In B korr. von Hd. Zasius aus: und pottschafften.
f
 wolgefallen] In B danach gestrichen: Wollen sich auch von irer kgl. Mt. wegen gentzlichen versechen, der weltlichen churfursten und andere furstliche pottschafften werden sich inn disem zu befürderung der gemainen wollfart von sollicher mainung nicht absondern, sonnder auch mit derselben vergleichen und einlaßen.
g
 zu Augspurg aufgerichten] In B Einfügung von Hd. Zasius.
h
 vesst, stät] In B korr. von Hd. Zasius aus: vestigkhlich.
i
 genntzlich gesynnet] Fehlt in B. C wie Textvorlage.
j
 loblichen] In B danach gestrichen: und bestendigen.
k
 solichs religion fridens] In B korr. von Hd. Zasius aus: desselben.
l
 beschwerung] In B danach gestrichen: oder anndere erregung.
m
 auf beschehne furwenndung] In B korr. von Hd. Zasius aus: hierauff.
2
 Die kgl. Kommissare von Helfenstein und Zasius rechtfertigten im Bericht vom 13. 10. an Ferdinand I. diese passive Reaktion auf die Freistellungsforderung detailliert, weil sie damit die Weisungen des Kgs. nicht vollzogen hatten: Am 3. 10. (Wien) hatte er sie aufgefordert, die Freistellung zusammen mit den anderen katholischen Gesandten unter Rückgriff auf die beim RT 1555 gebrauchten Argumente abzulehnen (HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 170–172’, hier 172. Konz. Hd. Kirchschlager). Am 8. 10. (Wien) wiederholte er diesen Befehl. Würden die CA-Stände darauf nicht eingehen und ihre beabsichtigte Gesandtschaft an ihn, den Kg., wegen der Freistellung konkretisieren, sollten die Kommissare dies verhindern, indem sie die Debatte bis zur Ankunft des Kgs. aufschoben und mittlerweile die Fortsetzung der Hauptverhandlungen einforderten. Der Kg. sagte zu, nach seiner Ankunft bis dahin nicht verglichene Punkte zusammen mit den Reichsständen nach Möglichkeit /189/ enntlich abzuhanndlen unnd zuerledigen (ebd., fol. 188–190’. Konz. Hd. Kirchschlager. Vgl. auch Anm.3 bei Nr. 448). Dem gegenüber begründeten die Kommissare ihre abweichende Reaktion auf die Freistellungsforderung: 1) Österreich wäre bei der argumentativen Ablehnung isoliert gewesen, da die katholischen Stände im FR von Anfang an erklärten, sich mangels Vollmacht auf keinerlei Debatte zur Freistellung einlassen zu können. 2) Gegenargumentation im FR und gegenüber den Reichsständen in Ausübung des kgl. Kommissariats hätte keinerlei Erfolg gebracht, sondern nur weitere Verbitterung und erneute Verhandlungsverzögerung erzeugt, da eine entsprechende Replik weitere Partikularverhandlungen der CA-Stände, Beratungen in den Kurien und letztlich nur eine geteilte Resolution veranlasst hätte. Haben sich deshalb mit den ihnen zugeordneten bayerischen Räten sowie mit dem Jülicher Hofmeister Ley und dem /211’/ allten reichshenndler Dr. Welsinger (Straßburg) vertraulich unterredet. Diese haben sie in ihrer Meinung bestärkt, in der Replik nicht gegen die Freistellung zu argumentieren (HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 209–216’, hier 209–211’. Or. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 156 f.; Laubach, Ferdinand I., 163, 165).
n–
 in ... des] In B Einfügung am Rand und korr. aus: so deß bedenckhens gewesen, wie obsteet, den [religions artickhel].
o–
 in ... damit] In B Einfügung am Rand von Hd. Zasius.
p–
 aller ... zuerkhennen] In B Hinzufügung von Hd. Zasius. Korr. aus: fürgeschritten werde.
q
 khuntbare fell] In B: kundbare, unvernainliche notturfft beeder vähl. C wie Textvorlage.