Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1, fol. 527r–535r (Kop.); AS fol. 527r: Abschrift der instruction in das Reiche 1542. Österreichischen gesandten werbung1, zu Nurnbergk in gemeyner versamblung vorbracht und verlesen, 19. Februarij anno 43. ÜS fol. 528r: Instruction, was den hochwirdigistn, durchleuchtigistn, hochwirdign [...] N. und N., des Hl. Röm. Reichs Kff., Ff. und andern stenden in gemain, was wirden, wesens und stands die sein, von der funf niderösterreichischn landen und fstl. grafschaft Görtz ausschuß und gesandten und derselben land wegen, so yetzt alhie zu Wien beyainander versamblt, durch derselben, als auß irem mittl die gegenwurtigen erkhiessten sament oder der merer theyl auß inen, in aller gehorsam und dienstlicher diemuet auf nächst angeendn reichstag furbracht und geworbn werden sölle.

B München HStA, KBÄA 3159, fol. 249r, 253r–259v (Kop.); AS fol. 249r: Osterreichisch werbung [Nr. 99] und deß Kf. von Brandenburg anzaigen seiner veldhauptmanschaft in Ungern ausrichtung [Nr. 128].

Die Gesandten sollen den Reichsständen ihre Ehrerbietung erweisen, ihre Kredenz (Nr. 99a) übergeben und ihrer Freude über die Reichsversammlung Ausdruck geben. Angesichts der Bedrohung durch die Türken ist es für die niederösterreichischen Länder und die Grafschaft Görz eine dringende Notwendigkeit, ihre Gesandten zum Reichstag abzufertigen.

Den Reichsständen ist für ihre im Jahr 1542 geleistete Türkenhilfe höchster Dank auszusprechen. Da die niederösterreichischen Länder und die Grafschaft Görz auf den Reichstagen in Regensburg 1541 (RTA JR Bd. XI, Nr. 199) und in Speyer 1542 (RTA JR Bd. XII, Nr. 58) ihre Notlage darlegten, die durch das Vordringen der Türken in Ungarn entstand und um Hilfe ansuchten, sollen die Gesandten auf die damaligen Ausführungen verweisen.

Den Berichten des obersten Feldhauptmannes Kf. Joachim II. von Brandenburg und der ihm zugeordneten Kriegsräte konnten die Reichsstände entnehmen, wie die beharrliche Hilfe von 1542 in das Werk gesetzt wurde und wie der Türkenzug verlief.

Dagegen hetten die armen, ersaigerten [= erschöpften], außgemergltn und abgematten niderosterreichischn lande und fstl. grafschaft Gortz neben solher irer kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaften ansehenlichn hilfen sambt der röm. kgl. Mt., ires allergnedigisten herrn und erblandsfursten, gnedigisten und vätterlichn darthun, welhs ir kgl. Mt. nu lange zeit her neben irn konigreichn und landn gnedigst gelaißt, ir vermögn aller irer und irer underthanen gueter, der schatzung des werdts, auch haltung der rustung sambt anderen der kgl. Mt. etc. konigreichn, furstenthumbn und landn angriffn und dargeraicht, welhs ir darthun aber unerklegklichen gewest, sonder zu verrichtung deß, so sy bewilligt, halben theyl irs einkomens noch darzu erlegen und gebn muessen und nun dermassn uber vorig beschehn außgabn in armuet gesign [= gesunken], das inen, den landen und derselbn inwonern und underthanen, dergleichn hilfen furan ze laistn gantz beswerlich und nit wol erheblichn.

Die Gesandten sollen ihren Befürchtungen Ausdruck verleihen, dass der Abzug des Kriegsvolks des Reiches aus Ungarn den türkischen Sultan in seinen Eroberungsplänen bestärken werde. Wer wolt nu nicht gedenckn, das der Turgg durch den ervolgten abzug nit ain merers hertz und sterckh, als er vor gehabt, gefangen haben soll, sonder wirdet fur sich nemen, das das Hl. Röm. Reich mit irer hilf, macht und sterckh vil swecher und geringer, als es bey ime, dem Turgkhn, ist, gehaltn und geacht werden.

Und ist sich layder numer, wie des die röm. kgl. Mt. etc., die land und derselben oberster veldhaubtman mer als ain gewisse khondtschaft habn, nichts anderst zu versehen, dann das der Turgg auf das eingeend jar aigner person mit starckher macht und ansehenlicher kriegßrusstung, als vor nye beschehen, in das Hungerlandt zu verrugkhn und entlichs vorhabens ist, sein tyrannisch furnemen und hayl zu versuechn, dieselb cron Hungern sambt den anderen anraynnenden konigreichn und landen zu undertrugkhen, einzenemen und zu verwuessten und volgends das Hl. Röm. Reich und gantze teutsche nation in seinen uncristlichen zwang ze pringen, wie es dann am nächsten und von stund an, so die niderösterreichischen land (davor Got der Allmechtig seye) verderbt, an das Hl. Röm. Reiche raichen und wachsen wurde, wölhem last aber mit zeittiger, eyllender, cristlicher hilf und expedition und zuvorderst mit der gnad des Allmechtigen furkomen werden mag.

Die cron Hungern und derselbn inwoner haben ir aufmerckhen, ob noch durch verleyhung götlicher gnadn (daran auch gar nit zu zweifln) ain ansehenliche, harrige und taphere hilf fur hand genomen oder volgen wirdet. Beschicht aber darin ainicher verzug, so ist sich bei inen nichts anders als abfall und dann der niderosterreichischn land und Gortz gewisses und letsts verderbn zu versehen.

Danebn ist hoch zu besorgen, das die Hungern, so sy hilfloß gespurt, des turggischn kaysers macht nit erwarten, sonder, wie hievor gemelt, wo inen nit mit statlicher, eylenden und harrigen hilf entgegen gangn, von dem Turggn abgetrungen und zu abfaal bewegt werden. Und sol dasselbig beschehen, so wer dardurch dem Hl. Röm. Reich und disen landen aller vortl und kriegßrustung und darzu alle unwiderpringliche notdurft, sonderlich die groß menig tund anzal der geringn pherdt, one die man gegen disem vheindt neben anderm kriegßvolgkh nichts fruchtbers außrichten khan, dergleichen die prophandt, vlaisch, die pessten pässn und fleckhn, wie dann in der schrift [Nr. 98a]nach lengs vermelt, on alles mittl abgestrickht und der vorstraich benomen, wie dann ir kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaften auß derselbn hohen, cristlichen und von Got fursehen weisen verstandt gnedigist, genedigclich, gonstlich und frundtlichn (zu verhuetung irer und der gantzen cristenhait letstn außtilgung) selbst zu erwegn habn. Auß solhn allen vorigen und yetzigen erzelten beswerungen, die gleichwol mit dem getreulichistn und kurtzisten gestellt, aber layder, Got erparms, gegrundt, warhaft und auch offenbar sein und das vorsteend endtlich verderben vor augen ist.

So söllen die gesandten von der niderosterreichischen land und fstl. grafschaft Gortz wegen ire kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaften auß cristlichem, hochberuembtem gemuet umb Gottes eer, cristlichs namens, auch umb der armen, unschuldigen cristenmenschen und bruederlicher lieb willen gehorsamists, gunstlichs und frundtlichs vleiß mit dem höchstn bitten, vermanen und anlangen, das ir kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaften ire cristlichn, ansehenlichn, taphern und harrign, furderlichn hilfen auf ain anzal jar, inen selbst und disen landen zu errettung und gemelter teutschn nation zu guetem, on allen verzug bewilligen und daher laistn und schickhn.

Und sonderlich, das ir kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaften zu befurderung dises cristenlichen, notwendigen werchs, daran nicht allain disen erschepthen [= erschöpften] und erarmbtn landen, sonder volgends der gantzn teutschn nation treffenlich und merclich gelegen, bedacht sein welln, das alle unrue und aufwiglung im Hl. Röm. Reiche bei allen stenden getempht [= eingedämmt], abgestellt und umb sovil mer alle hinderung und zerruttung, so derhalben zu höchstem, unwiderpringlichem nachtl ervolget, verhuet werde, wie dann sonders zweiffels ir kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaften solhs fur sich selbs und sonder diser vermanung zu thun begierig und genaigt, und nichts zur sach dienstlich underlassen werden.

Woverr auch die not so groß furfiel, das ir kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaften zu ainem mereren und statlichen zuzug greiffn und denselben in ordnung richten und pringen, so sein auch die niderosterreichischn lande und fstl. grafschaft Gortz (unangesehn, das sy vil jar her ir leib, guet und pluet nit allain von ir selbs wegen, sonder auß hertzlichem gemuet und gantzer gemainer cristenhait zu guetem angegriffen und nun in armuet gefallen und nahent verderben sein) urputig und willig, nicht mynder neben irn kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaften cristlichem darthun und statlicher, ansehenlicher, harriger hilf, das, so sy noch haben, wolln lassen ausgeen und an allem irm noch habendem vermögen auß cristlicher bedenckhung und zu abkomung des swaren lasts nichts erwindn noch ainicher abgang gespurt werden soll, wie sy dann yetzo auf die kunftig harrig hilf alles ir einkomen von neuem darzuraichen eingangen weren, dieselb nicht allein auf dits, sonder mer jar getreulichen neben des Hl. Reichs harrigen und statlichn hilfn ze laisten.

Und söllen die gesandten nochmals von der niderosterreichischn land und fstl. grafschaft Gortz wegen ir kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaften gehorsambs, embsigs und frundtlichs vleiß bitten, ir kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaften wollen dises, der land hochsts verderbn und letsten obligenden schaden und nachtl behertzigen, erwegen und genedigclichn bedenckhn, das die gesandtn mit gnedigister, genediger und cristlicher, erschießlicher antwurt und wirclicher harriger hilf (an das gegen dem mächtigen vheind, dem Turggen, nichts auszerichten) furderlichn abfertigten. Das werden die gemeltn niderosterreichischen land und fstl. grafschaft Gortz und ain yeder in sonders, auch die armen wittibn, waisen und die ellendn cristlichn menschn, so in des Turggen graussamen gwalt und unerhörlicher, swaren vengkhnus ligen und umb ir erledigung one underlaß hertzlich und flelich schreyen, umb ir kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaften gehorsamlichen, gonstlichn und frundtlichen, auch mit dem höchsten leibs und guets zu verdiennen, geflissen sein, und darzu ire erbn und nachkomen daran weisen, solhs gegen iren kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaften nymer zu vergessen. Das wirdet auch Got der Allmechtig mit seinen götlichn gnaden in iren gluckhseligen wolfartn in andern weg erstatten.

Zudem wer auch mit dem höchsten zu bedenckhen, wo[sich], das Got der Allmechtig mit gnaden verhuetn wölle, auß zerteillung und zufallender verhinderung von irn kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaften (des die land gar nit zweifln) ain vorlassung zutruege und disen landen dhein außträgliche, furderliche und harrige hilf erschin, also das dem Turggn kain ansehenlicher widerstand beschähe, das alßdann die land wider iren willen auß absochendem [= dahin siechendem] unvermogen den nächstn tod fliehen und sich irer ellenden vertreibung und verherhung irer vatterländer gegen Got dem herrn mit embsigem und flelichen geschray beclagen muessen. Wie jämerlich aber solhs were, das hetten ir kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaften aus hohem verstand abermals gnedigclich zu erwegen.

In dem und allem andern sollen obernannt gesandte die hohen und unvermeidlichn notdurften, die yetzo mit kurtz nit mogen erzelt werden, anzaigen und die stend des Hl. Röm. Reichs zu gnedigister und furderlicher eyllender, harrigen und statlichen hilf wider den Turggen und zu rettung der land zu bewegen dheinen vleiß sparen, sonder denselbn mit dem pessten furwenden, auch dise land und grafschaft Gortz iren kfl., fstl. Gnn., Gg. und frundtschaftn gehorsamlichn und dienstlichn zu bevelhen. Und was sy also außrichten und von den stenden sament oder sonderlich fur beschaid erlangen, sollen sy furter zu irer haimkunft yeder landtschaft verordentn anzeigen und aller außrichtung halber relation thun.

Anmerkungen

1
Zu Verlauf und Charakteristika der landständischen Gesandtschaften, die unter Kg. Ferdinand als Sprecher der Erblande fungierten, siehe A. Luttenberger, Landstände, Kaiser und Reichstag, hier bes. S. 164–168. Zu Teilnehmerkreis und Verhandlungsthemen der niederösterreichischen Landtage A. Hameter, Die niederösterreichischen Landtage von 1530–1564, passim.