Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Dresden HStA, 10024, GA, Loc. 10184/5, fol. 150r–153v (Ausf. v.d.Hd. Carlowitz’).

Druck: E. Brandenburg, Politische Korrespondenz, Bd. 1, Nr. 431, S. 550–553.

1. Unterredung Christophs von Carlowitz mit Granvelle am 11. Febr. 1543: Verweis auf die Schilderung in Bericht Nr. 369. Notwendigkeit der Geheimhaltung der Korrespondenz2. Bitte um Übersendung eines Chiffrenschlüssels durch Hg. Moritz. Christophs Meinung nach solle Hg. Moritz nur gegen Frankreich, aber nicht gegen Hg. Wilhelm von Jülich-Kleve dienen, da daraus Konflikte mit den Reichsfürsten, vor allem mit dem Kf. von Sachsen, entstehen könnten. Wunsch Granvelles nach der Gegenwart Georgs von Carlowitz bei den Verhandlungen in Nürnberg. Wegen der sächsischen Bistümer Meißen und Merseburg wird Christoph von Carlowitz bei Hans Hofmann oder bei Granvelle vorstellig werden. Er ist als Gesandter des Hg. von Sachsen bei den ksl. und kgl. Räten besser angeschrieben als alle anderen fstl. Räte.

2. Gerard Veltwyk, ksl. Sekretär und Begleiter Granvelles, suchte Christoph von Carlowitz vor zwei Stunden in seiner Herberge auf. Er meinte, die Uneinigkeit zwischen Kaiser und Papst und die Unzuverlässigkeit der katholischen Partei stelle für die Protestanten eine große Chance einer Annäherung an den Kaiser dar, im Zuge derer auch die Reformation vorangetrieben werden könnte. Sollte sich der Kaiser wieder mit dem Kg. von Frankreich und dem Papst versöhnen, wären die Chancen für die Reformation schlechter. Veltwyk wünscht, Lgf. Philipp von Hessen solle für eine persönliche Unterredung mit Granvelle nach Nürnberg kommen und sich bei dieser Gelegenheit für seinen Schwiegersohn Hg. Moritz3einsetzen. Die Angelegenheit wäre zu wichtig, um sie mit den hessischen Räten zu besprechen. Deshalb solle sich Lgf. Philipp von Hessen oder Hg. Moritz persönlich um die Sache bemühen.

3. Veltwyk berichtete auch über ein geplantes Bündnis zwischen Lgf. Philipp von Hessen und Hg. Wilhelm von Bayern. Der bayerische Herzog solle angeblich darauf vezichten, Hg. Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel weiter zu unterstützen. Gerüchteweise heißt es, dass die bayerischen Herzöge in der Frage der Behandlung des braunschweigischen Herzogs nicht einer Meinung seien. Hg. Ludwig beherberge den geflohenen Herzog, der geschworen habe, Dr. Leonhard von Eck zu töten.

4. Vertrag mit Hg. Wilhelm von Kleve nur möglich, wenn er auf die Schutzherrschaft über Geldern verzichte, dann würden sich Lgf. Philipp oder Hg. Moritz beim Kaiser für Wilhelm einsetzen. Die Unterwerfung Gelderns werde der Kaiser besorgen.

5. PS: Dr. Johannes Eck (Theologe) ist vor vier Tagen in Ingolstadt gestorben.

6. Zettel: Frage der Mitgliedschaft von Hg. Moritz im Schmalkaldischen Bund4. Die Schmalkaldener behaupten, der Herzog sei nicht aus dem Bund ausgetreten, sondern er habe sich nur aus dem braunschweigischen Feldzug herausgehalten. Die von seinem Vater Hg. Heinrich begründete Mitgliedschaft im Schmalkaldischen Bund bestehe weiterhin. Bitte um Zusendung des letzten Vertrages von Hg. Moritz mit den Schmalkaldenern, außerdem Bitte um Zusendung der Relationen der sächsischen Gesandten von den drei vergangenen Reichstagen5.

7. Die in Nürnberg verbreitete Kritik Hg. Moritz’ am feldflüchtigen Verhalten des Oberstleutnants Konrad von Bemmelberg während des Türkenzuges 1542 wird von diesem strikt zurückgewiesen.

8. Session: Weil wir aus dem bericht der session halben, der uns noch zur zeit zugekommen, nit anders befinden konnen, dan welcher regirende furst under den beiden heusern Beiern und Sachsen elder sey, das derselbig vorsitzt, so forchte ich meinsteils, das wir die angemaste session uber Hg. Hansen uffm Hundtsrucken geschickten schwerlich erhalden werden. Weil dan dersider Hg. Otheinrichs geschickter auch gekommen, der under jhenen sitzet und uber uns ane zweifel auch sitzen wirt wollen, so bedenck ich, wo wir den gethanen vorschlag der banck und des revers halben, davon wir meinem gnedigen herrn geschrieben, nit annhemen sollen, so solde besser sein, das wir uff dismal gar vom reichsrathe geblieben und, sobald wir die andern sachen bey der kgl. Mt. und dem H. von Granvela ausgericht hetten, wider heimgezogen weren. Dan mich bedunckt es schimpflich sein, das wir dergestalt mit grossem uncosten alhier liegen und doch in keinen reichsrath gehen sollen, wie wir dan zuvolge unsers entpfangnen befelhs nu in funf wochen in keinen rad haben gehen dorfen, so wie auch meine notturft sunst wol, das ich einmal wider heimzöge und zu dem meinen seghe, auch meine obligende sachen verrichtete, dan ich lige vorwar mit meinem grossen schaden alhier. Darumb bith ich, ir wollet es helfen furdern, das wir irgent uff die osterfeiertage wider heim mochten ziehen, dan wir seind doch des reichstags halben wenig alhier nutze.

Anmerkungen

1
Das eindeutig irrtümliche Datum „Mitwoch nach Jubilate“ wurde in Hinblick auf den Inhalt des Schreibens korr. in „Mitwoch nach Invocavit“ [1543 Febr. 14]. Siehe dazu E. Brandenburg, Politische Korrespondenz, Bd. 1, Nr. 431, Anm. 2, S. 552f.
2
Betr. den Eintritt von Hg. Moritz in ksl. Dienste gegen Frankreich und Kleve, Frage des Dienstvertrags.
3
Der Kaiser plante, Lgf. Philipp im bevorstehenden Krieg gegen Frankreich zum Generalobersten zu machen, Hg. Moritz sollte die Position eines Regimentsführers einnehmen.
4
Siehe: E Brandenburg, Moritz von Sachsen, Bd. 1, S. 233–236.
5
Zwei Wochen später, am 27. Febr. 1543, berichtete Christoph von Carlowitz abermals an seinen Onkel über die heikle Frage der Mitgliedschaft Hg. Moritz’ im Schmalkaldischen Bund: [...] Ich bin auch mit Ossen etlich mal der bundnis halben zu rede worden; also hab er allwege gesagt, Hg. Heinrichs [= Vater und Vorgänger von Hg. Moritz] brife der bundnis halben weren noch nit gelöset, sonder die nehiste lösung were allein der braunschweigischen sachen halben gescheen, und dorumb weren etliche stende nit wol zufriden, das wir uns so gar von dem bunde zögen und desselben eusserten. Damit ich nu ime desfalls mit desto besser und grundlicher antwort begegnen mochte, so wolde ich gerne den vertrag, so ir derhalben vergangnes sommers ufgericht, sofern er nit heimlich sein soll, wissen oder eine abschrift davon haben. [...]. In: Dresden HStA, 10024, GA, Loc. 10184/5, fol. 48r–49v, fol. 53/1v, hier fol. 48rv (Ausf. v.d.Hd. Carlowitz’). Gedr. bei: E. Brandenburg, Politische Korrespondenz, Bd. 1, Nr. 438, hier S. 563. Lgf. Philipp war es ein besonderes Anliegen, seinen Schwiegersohn Moritz von Sachsen im Schmalkaldischen Bund zu halten. Am 8. Febr. 1543 schrieb er aus Spangenberg an seine Räte in Nürnberg: [...] Aber doch wollen wir zum uberfluß nit unterlassen und deßhalben ein fugsam schrift an einen mann, der Hg. Maurizen vertrauet ist, fertigen und hören, ob hoffenung vorhanden, das Hg. Mauriz bei unser verein zu behalten sein mocht. Finden wir dan ein etzwas hoffnung, so wollen wir der gern mit weiter handlung nachsetzen. Aber uns deuchte, es solte den sachen am geratensten sein, das gemeine unsere einungsverwante stend itzo von Nurnburg aus ein statliche und ansehentliche botschaft zu unserm sohn geschickt hetten, wilche botschaft dermassen wer instruiert gewesen, das sie alle argumenta und persuasiones, so zu erhaltung seiner L. in diser eynung dinlich weren, hette konnen furwenden und sovil muglich di opposita und gegenwurf ablenen konten. [...]. In: Marburg StA, PA 650, fol. 103r–110v, hier fol. 105v–106r (Konz.). Drei Wochen nach diesem Schreiben versuchte der Landgraf den sächsischen Rat Georg von Carlowitz, der großen Einfluss auf Hg. Moritz ausübte, in einem Brief aus Kassel vom 2. März 1543 von der Unbedenklichkeit der Mitgliedschaft des Herzogs im Schmalkaldischen Bund zu überzeugen und den Schutz der evangelischen Religion als wesentlichstes Ziel des Bundes zu betonen. Gedr. bei E. Brandenburg, Politische Korrespondenz, Bd. 1, Nr. 440.