Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Straßburg AD, 15. J 18, unfol. (Ausf. v.d.Hd. Welsingers).

Die würzburgischen Räte gaben ihm im Namen des Bf. von Würzburg zu verstehen, dass ihrem Herrn keine geeigneten Gesandten für das Konzil zur Verfügung stünden und dass er auch keine Vertretung anderer Reichsstände übernehmen könne. Dieweyl dan euer Gn. notturft erfordern wyl, ein gewalt zu berurtem concilio stellen zu lassen und aber der personen nit hat, die darzu zu verordnen weren, möchte euer Gn. gleich meim gnedigen herren von Augspurg ein gewalt, uf den Bf. von Trient oder H. Otho Truchsessen gestelt, zukommen lassen, bis man gewislich sehe, ob das concilium seinen furgang haben wurd oder nit. Wiewol die sag bey uns, der bapst sey entlich entschlossen, des keineswegs zu prorogiren, sonder das es seinen furgang haben und ergehen sol. Hiezwischen möge euer Gn. sehen und ein nachgedenckens haben, wie irgens ein daugenliche person zu bekommen, die euer Gn. versehe und vertrette.

Er überschickt die Supplikation der Protestanten (Nr. 152). Summa: Sye gedencken sich stracks in kein handlung der turkenhilf oder anderer sachen halb inzulassen, solche ire petition sey dan zuvor ires willens erlediget und bewilliget. Das aber die andere steend us hoher und obligender not begerter massen nit willigen wöllen nach könden, also das us solcher furfallender sach der protestirenden das gemein werck und alle andere des Reychs obligende sachen hinderstelt und zuruckgetriben sindt. Und wiewol der fursten gesandten uf ermelte petition sich einer antwort [Nr. 154] entschlossen, in willens, sich mit den churfursten zu verglichen, iedoch dieweyl von den churfursten niemants dan Mentz und Pfaltz vorhanden gewesen, dan Trier und Brandenburg widerumb verritten, so hat Cöln noch niemants geschickt, ist die sachen widerumb ein tag oder etlich prorogirt und ufgeschoben worden. Us welchem allem dan augenschinlich zu vermercken und abzunemen, das in des Reychs sachen und handlungen wedder gluck nach heyl seyn wyll1.

Den 5. Februarij hat der von Granvel vor den steenden sein werbung [Nr. 197] gethon, welche in effectu sich dohin lendet, das die steende der ksl. Mt. beystand und hilf widder den Frantzosen und den Hg. von Gulch thun wöllen. Danach ließ Granvelle Welsinger zu sich kommen wegen der in Nürnberg kursierenden Gerüchte, dass der Bf. von Straßburg auf Bitten der Protestanten die Reformation in seinem Hochstift einführen wolle2, wobei die Protestanten dem Bischof glauben machten, dass dies mit Einverständnis des Kaisers geschehe.

Daruff sey sein [= Granvelles] beger, das euer Gn. sich stracks mitnichten in eynichen verglichung ader handlung inlassen wölle; es sey auch der ksl. Mt. wyll und meinung, wie sye furgeben, gar und gantz nit. Und wo ir Mt. solches von euer Gn. erfare, so wurde euer Gn. sehen, das ir Mt. kein gefallens doran hette. Wer auch solches von ir Mt. usgebe, der thue ir Mt. onrecht und lueg ir Mt. an, dan ir Mt. wyll und meinung sey, nichts zu innoviren dan durch ordenliche weg, das sey durch des ietz furhaben[de] generalconcilium. Er wölle auch anstat und von wegen ksl. Mt. sich zu euern Gn. versehen, die werde nichts furnemmen oder handlen, so ir Mt. entgegen und zuwidder und dadurch der stift zu einem abfaal bewegt und verursacht wurde, mit beger, das ich solches nach lengs euer Gn. wölle zuschicken und anzeigen. Und solches furhaben ist beschehen in beysein des von Naves.

Daruff ich ime ein summarischen gegenbericht geben, wie die sachen geschaffen, namlichen das euer Gn. nit von den protestirenden, sonder allein von der stat Strasburg obberurter massen angesucht worden, welchen dan euer Gn. mit gepurlicher antwort begegnet, auch sich mit inen in kein verglichung ingelassen nach einiche innovation furgenommen, besonder das sich euer Gn. gedenck, als ein gehorsamer furst gegen der ksl. Mt. neben anderen steenden zu halten und zu erzeigen vermög des regensburgischen und anderen abschieden. Das sich auch euer Gn. nit gedenck von anderen des Reychs steenden abzusunderen, mit merer entschuldigung euer Gn. person etc. Welsinger ersuchte Granvelle, er möge in der Frage der Reformation des Hochstifts persönlich an Bf. Erasmus schreiben, was Granvelle vorerst wegen Arbeitsüberlastung ablehnte.

Bey den catholicis bin ich des geschreys halben, so euer Gn. halben get, etwas suspect gewesen. So halten mich die protestirenden, das ich deren einer sey, der euer Gn. an dem werck verhindere, und ist arckwönig, was ich red oder votir. So mir Got von dem reychstag hilft, so wyll ich mich alsbald in solchen odioss sachen, wyl Got, nit prauchen lassen. [...].

Schlussformel, Datum und US Welsingers.

[PS:] Die Gesandten des Kard. von Lothringen3übergaben ihm einen Brief an Bf. Erasmus. Wass ich im rhat forderen und thun könde, das irem herren zuguttem kommen möge, das welle ich von wegen euer Gn. gern thun.

Anmerkungen

1
Die Hoffnung auf einen Fortschritt der Verhandlungen nahm bei Welsinger im Laufe des RT immer mehr ab. So berichtete er am 20. Febr. 1543 an Bf. Erasmus: [...] Vom reichstag waiß ich euer Gn. nichtz anders dan das alt lied anzuzaigen, je lenger man tagt, je ärger es wurdt, und ist gar khain hoffnung ainicher fruchtparer handlung, die do alhie moge, werde oder konnde außgericht werden. Von fursten ist noch personlich niemandtz hie, dan wie euer Gn. vor angezaigt, und das der Bf. von Augspurg gestern vor dato diß brieffs [1543 Febr. 19] alhie anckhommen etc. [...].In: Straßburg AD, 15 J 18, unfol. (Ausf.)
2
Über diesen Vorwurf berichtete Welsinger bereits am 1. Febr. 1543 an Bf. Erasmus: [...] Von euer Gn. ist ein gantz geschrei hie, wie die des neuen wesens und glaubens, wie man sagt, sey. Das auch der Bf. von Cöln euer Gn. erindert und ermant haben sol, seinem exempel der furgenommener reformation halben, onangesehen das ir kfl. Gn. capittel nit dorin willigen wöllen, zu folgen und irer seelen heil und das ampt, in dem euer Gn. sey, meer zu bedencken, dan was euer Gn. eusserlichen daruss ervolgen oder begegnen möchte etc. Und wiewol ich euer Gn. bey kgl. Mt. und sonst mit fuegen, auch zum theil erzelung des handels, waher euer Gn. das geschrei komme, entschuldiget, iedoch besorg ich, der Butzer geb euer Gn. mit seinen brieffen hin und widder, ie lenger ie meer us, wie dan euer Gn. zu meiner heimkunft allerley von mir vernemmen werden. [...] In: Straßburg AD, 15 J 18, unfol. (Ausf. v.d.Hd. Welsingers). Bf. Erasmus wies in einer Weisung an Welsinger den Vorwurf, die Reformation im Hochstift einführen zu wollen, zurück, Zabern, 1543 Sambstag nach dem Sontag Letare (März 10): Das wir aber der lutherey und anhangs der protestirenden bey röm. kgl. Mt., unserm allergnedigsten herrn, und sunst verdacht syen, mussen wir geschehen lassen. Es werde aber von uns gesagt oder geschriben, wie yedem gefellt, so wissent ir doch, das uns darob ungutlichs geschehe und wir noch bisher kein neuerung furgenommen haben. [...].In: Straßburg AD, 15 J 18, unfol. (Konz. mit mehreren PS und Zetteln).
3
Philipp Jakob von Helmstatt und sein Sekretär Johann Gerhardt.