Hilfeersuchen der Stadt Riga an die wendischen Städte nach Eroberung der Stadt Pernau durch russische Truppen im Sommer des Jahres. Appell an Ks. und Kff., Livland gegen den Zaren zu verteidigen und die auf dem RT 1570 beschlossene Gesandtschaft nach Moskau nicht länger hinauszuzögern.
Am Nachmittag des 25.10.1575 im KR (Sitzung der kfl. Räte) verlesen1 und am Vormittag des darauffolgenden Tags im KR zusammen mit dem ksl. Vortrag zur Gesandtschaft nach Moskau beraten2.
HStA Dresden, Geheimer Rat, Loc. 10675/3, fol. 94–95' (Kop.; präs. Regensburg, 19.10.1575) = Textvorlage. Knapp referiert bei Häberlin
, Reichs-Geschichte IX, 399.
Hochwirdigste durchlauchtigste, hochgebornne churfursten, gnedigste herrn. Nach dem an die röm.ksl.Mt., unsern allergnedigsten hern, von den erbarn sechs wendischen stedten wir anhero mit credentz und werbung abgefertigt worden, in wichtigen sachen, die wolfart gemeiner deutzscher nation, in sonderheit aber der stende, so an der Ostsee gesessen, betreffent, und daneben befehlich entpfangen haben, e.kfl.Gnn. auf die beivorwarte underschiedliche credentz in underthenigkeit auch zuersuchen, das e.kfl.Gnn. dieselbige unsere werbung gnedigst in acht haben und fursehung wolten thun helffen, damit ferner unheil abgewendet und vorhütet werden möchte, als haben wir eine notturft sein erachtet, e.kfl.Gnn. davon schriftlich in underthenigkeit zuberichten, mit underthenigster bit, e.kfl.Gnn. wolten solches von uns in gnaden vormercken.
Und ist kurtzlich an deme, das die stad Riga in Lifland unlangst an unsere obern und eltisten kleglich geschriben, welcher gestalt der muscowiter im jungst verschinnen sommer nach vorwustung der land Harrien, Wirland, Wigk, Ossel3 und der ubrigen doran stossenden gegent (darin er uber 100 edelmans höve zu grunt außgebrant und uber 30.000 menschen zum theil erwurget, zudem wie das vihe hinwegk getriben) den 27. Junii mit heres kraft und 72 grossen mauern brechern, 4 trippel kartaunen und 9 feuermörsel schloß und stad Parnaw4 (so an der Ostsee gerade mitten inne zwischen Riga und Revel gelegen und ein guten port hat, auch biß hero neben gnanten beiden stedten eine vormaure und schutzwehre deutzsch landes am selbigen ort wider diesen erschrecklichen feind gewesen) belegert, gewaltigk beschossen, mit 9 sturmen angelauffen und die armen leute, deren uber 300 wehrhaftiger man nicht darin gewesen, dermassen geengstiget und außgemattet, das sie sich den 8. Julii ergeben müssen, darin er als balt 4.000 hackenschützen neben einer antzahl rheisigen zur besatzung gelegt und förder auf Salis5 zugeruckt (welches 14 meiln ob Riga gelegen und durch die rigischen unlangst zuvor geschleift gewesen), solches auf ein neues starck befestiget und mit etlich 1.000 reussen, tarterna und einer fahn deutzscher reuter besetzt, sich auch erklert, aus Lifland nicht zutzihen, er habe es dan gantz und gar erobert und unter sein gewalt gebracht; welches ihm dann auch nicht schweer, aldieweil er dasselbige albereit biß an den Düne strom6, ausgenohmen Riga und Reval, inne hat. Derwegen gemelte stad Riga wehmütigklich unsere obern und eltisten angeruffen, inen von wegen der verwantnus und nachtbarschaft, auch aus christlicher libe und mitleidigen erbarmung die behülfliche hand zu reichen, dartzu dan auch bemelte unsere obern und eltisten willigk und gneigt und sich vorpflichtet thetten erkennen, do es ihr wergk und thun allein auch in ihrem vermügen wehre.
Weil aberb diese sache das gantz Heilige Reich deutzsche[r] nation, als dessen einvorleibtes glid Lifland je und allewege gewesen, auch billich noch sein solte, antrift, und die gefahr, so des orts diesem unserm algemeinen gelibten vaterland dreuhet und vor der thür stehet, nicht geringer zuschetzen dann des türcken gewalt gegen den osterreichischen landen, auch unsere obern und eltisten gantz und gar zu schwach seind, das sie diesem großmechtigen feint, welcher sein gebiet in kurtzen jahren gegen aufgangk der sonnen biß an das caspische mehr erstreckt und numehr der Ostsehe auch begint mechtigk zu werden, einigen widerstand viel weniger abbruch thun solten konnen, als haben sie uns derwegen anhero abgefertigt, solche hochbeschwerliche sorgliche gelegenheit der romischen ksl.Mt. in aller underthenigkeit clagent zuerkennen zugeben und umb allergnedigstes einsehen zu bitten, sonderlich weil hiebevorn auf dem zu Speier anno 70 gehaltenem Reichs- und darauf erfolgtem franckfurtischen deputation tag auf ein ansehenliche beschickung an den muscowitter, so von des Heiligen Reichs wegen geschehen solte, geschlossen worden7, ob es demnach nachmals nicht solte rathsam und gut sein, das mit derselbigen abfertigung lenger nit vortzogen, sondern vorsucht wurde, ob der ubrige geringe rest des Liflandes dardurch salvirt und errettet und oftgedachte erschreckliche feind von den grentzen deutzscher nation abgehalten; das auch zu derselben legation aus den furstlichen an der Ostsehe geseßnen heusern vorstendige leut, als die der muscowiterischen gelegenheit, sitten, sprach und anderer umbstende etwas mehr kundigk, mit gebraucht werden möchten8. Wann dann bei e.kfl.Gnn. als den furnembsten glidern und seulen des Heiligen Reichs hirinne nicht ein geringes sehen will, als gelanget an dieselbige unser im nahmen oft erwenter unserer obern und eltisten underthenigstes hochvleissiges bitten, e.kfl.Gnn. wolten diese sache gnedigst erwegen und betrachten, auch auf die mittel und wege helffen gedencken, dadurch der augenscheinlichen gefahr und not gemeiner deutzscher nation, sonderlich aber der stende, so an der Ostsehe gesessen, begegnet und besorgkliches furstehendes vorterben, unheil und untergangk abgewendet werden möge. Daran erstatten e.kfl.Gnn. ein hochlöbliches christliches und gemein nutziges wergk. So werden es auch die betrengten stende neben unsern obern und eltisten umb e.kfl.Gnn. ihres eussersten vermügens in underthenigkeit zuvordienen in kein [vergessen]c stellen.
Präs. Regensburg, 19.10.1575. Unterschriften: Dr. Calixtus Schein; Dr. Heinrich Husanus9
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