Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Kurfürstentag zu Regensburg 1575 bearbeitet von Christiane Neerfeld

Textvorlage (Vormittag): Kursachsen, fol. 46'–49.

Textvorlage (Nachmittag): Kurpfalz, fol. 67–68'.

Vormittag: Wahl Rudolfs II. zum röm.Kg. Nachmittag: Beratung der kfl. Räte über den Text der Oration an die polnischen Stände.

/46'/ (Vormittag, 6 Uhr) Rathaus1. Frühe umb sechs uhr haben sich die churfürsten und der könig zu Böhem auff dem rathhauße inn gewöhnlicher rathstuben versamleta, die churkleider, ausserhalb pfaltzgraff Ludwigs, angeleget und seind /47/ inn solchem habit ungefehrlich umb sieben uhr inn nachfolgender ordenung inn St. Peters münster gezogenb,2. Meintz und Trier, Cöln und Böhem neben einander, darnach Pfaltz auff der lincken seiten, Brandenburgk inn der mitten und Sachssen auff der rechten handt. Und haben ire kfl.Gnn. allerseits ihnen inn der ordnung, wie itzo gemeldet, schwerdter inn scheiden vorführen laßenc.

Alß mann nun inn die kirche und inn chor kommen, haben Böhem, Meintz und Trier den stul auff der rechten seiten des chores im hineingehen, so mit einem güldenen stück bekleidet gewesen, eingenommen, gegen uber aber seind Cöln, Sachssen und Brandenburgk gleichergestalt inn einem gestüel, so mit einem güldenen stück bekleidet gewesen, gestanden. Alß nun bischoff Jacob von Saltzburgk die messe „De spiritu sancto“ gehalten und das evangelium vor der elevation zu lesen angefangen worden, seind die drey weltliche chur- und fürsten sampt irer chur- und f.Gnn. räthen unnd dienern inn das conclave oder die sacristey, so zu der lincken seiten des chores ist, gegangen. Und ist mitler zeit die meße vollendet worden.

/47'/ Nach vollbrachter meße seind die churfürsten und der könig vor den hohen altar getretten, alda sie nach der ordenung, wie breuchlich, einen leiblichen eid zu der election auff das evangelium geschworen. Und hat erstlich Trier den eid Meintzen vorgehalten, unnd Meintz folgends Triern, Cöln, Böhmen, Sachssen, Brandenburgk und pfaltzgraff Ludwigen. Darauf ire chur- unnd f.Gnn. sich inn das conclave oder die sacristey auff der lincken seiten des chores zusamen gethan. Unnd hat des Reichs erbmarschalch Cunrad von Pappenheim die thür beschlossen und dafür auffgewarttet.

Nachdem nun ire chur- und f.Gnn. eine zeitlang, und fast anderthalbe stundend, alleine beysammen gewesen, seind etliche meintzische räthe sampt zweyen notarien3 erstlich und hernach zum andern mahl inn das conclave gefordert worden, unnd endlich, ohngefehrlich umb 11 uhr, haben ihre kfl.Gnn. wegen eines jeden churfürsten zweene räthe zu sich beruffen und darauff volgends pfaltzgraff Hanns Georgen und herzog Casimirume zu Pommern erfordern laßen. Deme nach seind beyde hochgenandte fürsten zu der ksl.Mt. /48/ gezogen, und ist ire Mt. ungefährlich nach einer halben stunden im chor auch erschienen, sich inn die capel zu der rechten seiten verfüget, und ist doselbst der churfürst zu Brandeburgk zu irer ksl.Mt. kommen, s.kfl.Dlt.[!] ampt zu verrichten. Unnd als sich die ksl.Mt. doselbst mit dem keyserlichen ornat bekleidet und die cron auffgesatzt, seind auch die anderen churfürsten irer Mt., so aus der capel getragen worden, entgegen kommen und haben ire Mt. inn das conclave begleitetf. Vor dem keyser seind die jungen fürsten zu Bayern4, pfaltzgraff Georg Hanns, der herzog zu Pommern, des keysers söhne, die jungen ertzherzogen Ernest, Matthias und Maximilianus, auch herzog Albrecht zu Bayern und dann Meintz, Trier, Cöln, Bohem, Brandeburgk (trug den scepter) und Sachssen (trug ein entblöset schwerdt), auch Pfaltz mit dem reichsapffel vorher gangen; dorauff vier herolt und endlich die ksl.Mt., so auff einem stul getragen worden, gefolget. Hierzwischen aber ist das geläute inn allen kirchen mit den grosen /48'/ glocken gangen, es seind auch etliche viel freudenschösse aus großen stücken geschehen.

Alß nun ire ksl.Mt. unnd die churfürsten fast bey einer stunden im conclavi also beysammen geblieben unnd volgends wiederumb heraus kommen, haben die churfürsten den neu erwöhleten römischen könig Rudolphum vor die untern stufen des hohen altars gestalt, des ortts der bischoff von Straßburgk5 etliche psalm und gebet uber seine kgl.Mt. gelesen, nach welchem die churfürsten seine kgl.Mt. auff den hohen altar gesatzt, dabey ire kfl.Gnn. auff beiden seiten so lange gestanden biß das „Te Deum laudamus“ etc. gesungen worden, welches dann mit umbwechßelung der musicen, trommetern und der orgel beschehen. Hernach ist der könig heraus vor den chor auff ein gerüste, so hirzu insonderheit bereitet gewesen, geführet und doselbst die election durch den meintzischen thumbdechant herrn Georgen von Schonebergk aus einer schrifft offentlich verkündet und abgelesen worden6.  Nachdem nun diese ceremonien alle vollendet, haben die chur- /49/ und fürsten die ksl.Mt. inn ihr losamentg begleitet: Unnd ist erstlich Pfaltz mit dem reichsapffel und Brandenburgk mit dem scepter vorher gangen, darnach Sachssen mit entblöstem churschwerdt und nach seiner kfl.Gn. der kaiser, so unter einem carmesinen himmel auff einem sessel getragen worden; dorauff volgeten Meintz und Trier, so den neu erwölten könig inn der mitten gefüret, und letzlich Cöln. Und nachdeme ire chur- und f.Gnn. von der ksl.Mt. abschiedt genommen, seind ire kfl.Gnn. inn ire losament gezogen, daß also dieser gantze actus früe umb 6 uhr angefangen und ohngefehrlich eine viertel stunde vor 2 uhr nach mittage sich geendet hat.

(Nachmittag, 2 Uhr) [Rathaus]. Kfl. Räte außer Trier. /67/ Wardt ahn stadt der instruction7, so den gesanten, die in Poln geschickt werden solten8, mit zu gebenn, ein lateinische oration an die status polonie abgelesenn, dabey zweyfel fürfiel, ob solche oration nicht auch zuvorn ebner gestaldt unnd in hac ipsa forma gedachten ständen ubergeben worden9.

Umfrage. Mainzer Kanzler für Trier: Es hetten die trierischen ihr votum der mentzischen cantzley ubergeben, also wehr nomine Trier sein votum. Dieweil der ksl.Mt. dieser weg gefallenn, dz nemlich an stad der instruction ein oration begriffen werden soltt, hette die meintzisch cantzley es gleichfals dabey bewenden laßen unnd daruff die oration verfaßt. Uff verpeßerung.

/67'/ Köln: Dz den poln die deductio genealogiae deß haus Osterreich verhaßt; wolten ein freye wahl haben, drum zuzusehen, dz man sie mit diesen argument nit vor den kopff stos. Wolt gehrn andere horn und davon reden helffen, wie es zu machen, damit es zu befürderlicher commendation diene.

Pfalz: Diese oratio sey vorhin auch ubergeben worden, drum ad salvandam orationem vonnöten, dz mit wenig worten angeregt werde, dz man itz eben dz jhenige, so hievor auch gesucht, wiederum begere. Beschehen anregen von Coln sey gleichwol zu bedencken unnd nit wenigers dan wie gemeldt, dieweil aber gallus10 von inen gewichen, mög inen wohl einer ihres geblüts vorgeschlagen werden, unnd konte also dz argument, dieweil es modeste gesetzt, wol pleyben. Verba „ex libidine imperitare possent alii etc.“ seyen etwas affectata, man müs diesen also commendiren, dz man andere dabeneben nit veracht, werde sonsten caesari mehr schadenn alß nutzen. Dieweil man sich uff heut beschene electionem in oratione referiren thue, solte dz datum nicht eben uff heut, sonder uff morgen gesetzt werden11.

/68/ Sachsen: Wolt, dz es nit ohn frucht abging. Leßt sich die verpeßerung unnd dz ante actorum mit ein wort zweyen gedacht werde gefallenn. Zu den worten etc. „imperat etc.“ wehre zu thunn „cum summa laude“. An stadt der wordt „magno consensu electus etc.“ solte gesetzt werden „unanimi consensu“.

Brandenburg: Dieweil sie vernommen, dz diese oration der röm. kayserlichen Mt. gefalle, möchten die Kff. unnd dero abgeordnete auch wohl damit zufrieden seinn. Also möchte man solche orationem uff den weg, wie darvon geredt ist, änderen oder aber, dieweil es eadem res, ohngeacht sie auch vor ubergebenn worden, also ungeandert wiederum ubergebenn; darin sie dann indifferentes. Was der genealogi halben domus austriacae angeregt worden, möcht mit dem corrigirt werden, /68'/ dz man inen, den stenden deß konig reichs Poln, keine mas in eligendo geben wolt oder zugeben gemeint wehre. Laßen sich von Saxen angeregte verpeßerungen nit mißfallen. Helt darfür, dz Campi Martii in solcher oration auch wohl nit zugedencken.

Mainzer Kanzler: Das die meintzische cantzley die mühe, solche orationem nach itziger gelegenheit unnd umbstande der sachen vonn newem zuverfaßen etc. gern uff sich genommen hette. Die weil aber ihr Mt. gefallen, dz die alte oration wiederum den gesanten mit gegeben werden solte, so hette es die mentzisch cantzley auch dabey bewenden laßen. Jedoch dieweil itzunnd etliche verpeßerung angeregt wordenn, wehr die mentzisch cantzley urpietig, dieselbigenn also zu machen, dz man verhoffentlich damit zufrieden sein solte.

Also ging man darmit ab, neben der vergleichung, dz solche oration abzuschreyben gegeben werden solte.

Anmerkungen

1
Zum Ablauf der Wahl vgl. auch Nr. 36 und die in den Anmerkungen angegebenen Quellen.
a
 versamlet] Kurpfalz (fol. 66') zusätzlich: unnd dieweil es noch seher fenster wahr, zohen ihre kfl.Gnn. mit facklen dahin.
b
 gezogen] Kurbrandenburg (fol. 192) differenzierter: geritten. In Kurpfalz (fol. 66') anstatt des Folgenden: was aber dabey für ceremonie unnd solenniteten gehalten worden, hab ich [= Ludwig Culmann] nicht uffnotiren konnen, dieweil ich wegen deß getrengs datzu nicht kommen noch solchen zusehen mögen.
2
Zur Übergabe der Stadtschlüssel vgl. Anm.y bei Nr. 14.
c
 laßen] Kurbrandenburg (fol. 192) zusätzlich: aber pfalzgraff Ludewig auch nicht.
d
 stunden] Kurbrandenburg (fol. 192') zusätzlich: in deme zur waal geschritten; und ist dieselbe uf hochgedachten konig zu Ungern und Behem, erzherzogk Rudolphen etc., gefallen.
3
Wahrscheinlich Hieronymus Plest und Petrus Kraich.
e
 Casimirum] Kurbrandenburg (fol. 192') abweichend und richtig: Barnimb. Er ist im Wahldekret (Nr. 34) als Zeuge genannt.
f
 begleitet] Kurbrandenburg (fol. 192') zusätzlich: Der Ks. hat sich in die Sakristei tragen lassen und untter anderm irer Mt. geliebten sohne, dem new erweleten römischen könige, eine ernste vermahnung gethan etc.
4
Gemeint sind wahrscheinlich Ferdinand und Ernst, die beiden jüngeren Söhne Hg. Albrechts V. von Bayern (Europäische Stammtafeln, N. F. I.1, Tafel 107).
5
Verschrieben für: Ebf. von Salzburg.
6
Zur Proklamation Kg. Rudolfs vgl. Nr. 33.
g
 losament] Kurbrandenburg (fol. 192') differenzierter: zum Bischofshof.
7
Nr. 48.
8
Gf. Wolfgang von Ysenburg-Büdingen und Hartmann von Kronberg; vgl. Anm.2 bei Nr. 48.
9
Bezug auf die Rede, mit der die Kff. die erste Kandidatur Ehg. Ernsts im April 1573 unterstützt hatten; vgl. Anm.1 bei Nr. 49 sowie Bues, Kandidatur, 115–119.
10
= Kg. Heinrich III. von Frankreich; vgl. Anm.21 bei Nr. 4.
11
Die vor den polnischen Ständen zu haltende Rede der kfl. Gesandten (Nr. 49) ist daher wahrscheinlich auf den 28.10.1575 zu datieren.