Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld
A Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 329 Nr. 133 Bd. 2, fol. 247r–250v (Ausf., v. Luther eighd.).
B koll. Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 329 Nr. 133, fol. 251r–252v und fol. 183r–284v (Kop.).
Druck: Ganzer/Zur Mühlen, Akten, Bd. 3,1, Nr. 99 , S. 169–172; D. Martin Luthers Werke, Briefwechsel, Bd. 9, Nr. 3616, S. 406–410; Walch, Bd. 17, Nr. 1371, Sp. 668–673.
Wir haben euerer kfl. Gn. zugeschickte schrift [Nr. 629] empfangen und alles mit vleis gelesen. Und erstlich haben euere kfl. Gn. recht geürteilt, das die notel der vergleichung ein weitleuftig und geflickt ding ist. Denn wira auch aus Mag. Philipps schrift, die wir hiemit uberschicken, wol vermerckt, wie es sey zugangen, nemlich das Philippus zuerst eine rechte notel gestellet hat, wie wir Ro. 4 allein durch den glauben on werck gerecht werden. Diese haben jhene nicht leiden konnen und eine andere gestellt: Der glaube (Gal. 5) ist thettig durch die liebe. Diese hat Mag. Philipps auch verworfen. Zuletzt haben sie beide notel zusamengereymet und geleymet. Daraus ist diese weitleuftige, geflickte notel komen, darin sie recht und wir auch recht haben. Wird nü Dr. Eck bekennen (als er nicht thun wird), das sie zuvor nicht so gelert haben, so mocht solche vergleichung obenhin eine zeit stehen. Wird er aber rhumen (als er gewislich thun wird) und auf dem spruch stehen, Gal. 5: ‚Glaube ist thettig‘ etc.) b –und, das sie alle wege also geleret haben–b, so ists eine vergleichung, wie Christus spricht Matth. 9: Ein neu tuch aufm alten rock gelapt, da der riß erger wird. Denn mit solchen falschen, ungleichen leuten, weil sie nicht ablassen, kan kein ander vergleichung werden. Da werden sie schreien, das sie recht behalten haben, dagegen die unsern sagen, das sie sich wol verwaret haben mit dem neuen lappen und verklerung, so yn der notel ist, und sonderlich, das sie bedinget, sie wollen nichts von der confession begeben haben. Also sind wir weiter uneins dann zuvor, und yhre falsche, schalkhaftige list wird eraus an den tag komen, die sie yn der notel meisterlich verborgen haben, wie sie meinen. Und das wird bald geschehen, wenn sie zü den andern artickeln komen, die aus diesem heubtartickel fliessen und sich drin grunden, wie es denn die unsern riechen und schier selbs bereitan bekennnen, da sie bedingen, wo yn andern artickeln kein vergleichung geschicht, so solle diese notel auch nichts sein, dann sie mercken den falsch drinnen. Also werden wir doch widerumb mussen zu unser ersten und rechten notel oder form komen, welche ist diese, Ro. 3: ‚Sie werden gerecht on verdienst‘ Und daselbst: ‚Wir halten, das der mensch gerecht werde durch den glauben on werck des gesetzs‘. Das ist unser notel und form, dabey wir bleiben. Die ist kurtz und klar. Dawider mag sturmen teuffel, Eck, Meintz und Heintz und wers nicht lassen wil. Wir wollen zusehen, was sie gewinnen.
Der spruch Gal. 5 redet nicht vom gerechtwerden, sondern vom leben des gerechten. Es ist gar wol ein anders fieri et agere, esse et facere, wie die knaben yn der schulen lernen: verbum passivum und activum. Das ist eigentlich und unterschiedlich davon zu reden (welchs Eck und jhenes teil nicht leiden kan oder nicht verstehet). Wenn man fragt, wodurch man fur Gott gerecht wird, ist gar viel ein ander frage, dann so man fragt, was der gerechte thut oder lesst. Werden und thun ist zweyerley. Baüm werden und frucht tragen ist zweyerley. Nü ist yn diesem artickel nicht die frage vom thün oder leben, sondern vom werden, wie die wort S. Pauli da stehen: Gerecht werden on werck durch den glauben. On zweifel, das der, so gerecht worden ist, on werck nicht bleibet wie der baüm nicht on fruchte.
Aber der papisten schalckeit ist diese (die sich yn folgenden artickeln finden wird), das man fur Gott gerecht werde oder sey nicht allein durch den glauben, sondern auch durch die werck oder durch die liebe und gnade, so sie inherentem heissen (welchs alles gleich viel ist). Das ist alles falsch, und wo sie das haben, so haben sie es gantz und gar, wir nichts. Dann fur Gott gilt nichts dann blos und allein sein lieber son Jhesus Christus. Der ist gantz rein und heilig fur yhm. Wo der ist, da sihet er hin und hat seinen wolgefallen an yhm, Luce 3. Nu wird der son nicht durch werck, sondern allein durch den glauben on alle werck ergriffen und ym hertzen gefasset. Da spricht denn Gott: Das hertz ist heilig umb meins sons willen, der drinnen wonet durch den glauben.
Die liebe und werck sind nicht, konnen auch nicht sein der son Gottes oder solche gerechtigkeit, die fur Gott so rein und heilig seien, als der son ist, darumb konnen fur sich selbs nicht bestehen fur Gott als eine reine gerechtigkeit, wie der son bestehet. Das sie aber gerecht und heilig heissen, geschicht aus lauter gnaden, nicht aus recht. Denn Gott wil sie nicht ansehen gleich seinem son, sondern umb seins sons willen zuguthalten und yhre unreinigkeit nicht rechnen, dazu auch noch kronen und belohnen, aber alles umb des sons willen, der ym hertzen durch den glauben wonet. Sonst heissts: ‚Non intres in iudicium cum sancto et servo tuo‘.
Aufs ander stuck euerer kfl. Gn. personlich erscheinen zu Regenspurg etc. Wir haben zwar zuvor ymerdar, ehe denn wir solch euerer kfl. Gn. beschwerung gewust, hertzlich gewundscht, auch Gott gebeten, das euere kfl. Gn. ja nicht personlich auf den reichstag zoge yn dieser schwinden, ferlichen zeit. Denn euerer kfl. Gn. person ist der rechte man, den der teuffel fur andern fursten sucht und meinet. Und ist yn keinen weg zu raten, das sich euere kfl. Gn. aus dem lande begeben, dafur wir auch noch hertzlich und umb Gottes willen euere kfl. Gn. wollen gebeten haben. Uns drucken auch ursachen.
Weil auch ksl. Mt. euerer kfl. Gn. entschuldigung angenomen, konnen euere kfl. Gn. wol weiter drauf berugen und euerer kfl. Gn. hertzliche beschwerung anzeigen, sonderlich, weil so statliche botschaft von eueren kfl. Gn. dahin ist verordent. Denn euere kfl. Gn. sehen, wie sie yn der religion mit den unsern umbgehen wie die teuffel. Wo nü euere kfl. Gn. selbs da solten sein und also gedrungen werden, wurde gewislich euere kfl. Gn. zuletzt nicht wehrwort gnug finden. Denn da ist kein ablassen mit anhalten, bis sie etwas erlangen, wie ich zu Worms selbs wol erfaren.
So stehet nü die sache darauf: Man wird dringen auf den unglimpf, so euere kfl. Gn. nicht erscheinen, als auf einen ungehorsamen oder eigensinnigen ym gantzen reich. Komen aber euere kfl. Gn. und werden nicht alles willigen oder villeicht eines nicht willigen, so ist doch derselb unglimpf da und dazu der schimpf, villeicht auch bose gewissen ewiglich. Sols denn yhe gewogt sein, so ist der erst unglimpf besser denn der letzte, beide mit schimpf und schaden des gewissens. Denn es ist itzt nicht die zeit wie vorhin auf den reichstagen. Der keiser ist nicht keiser, sondern der teuffel zu Meintz, des listen grundlos und bodenlos sind sampt seinem anhang. Die werden alle mit guten, sussen worten oder mit bosen eueren kfl. Gn. fahr und muhe machen ym gewissen, und viel unsers teils wurden dazu helfen. Weil nü euere kfl. Gn. sehen gewisse fahr und keine frucht, so wil zu bedencken sein, das euere kfl. Gn. Gott nicht versuche und sich wissentlich on not yn gefahr begebe.
Keiser gehorsam zu sein, ist billich, ja, wenn es keiser und der rechte keiser were. Fur sein person wollen wir hoffen, er sey from und gutig. Aber das er sein selbs nicht mechtig sey, spuret man unter anderem an dem, das er das buch, c –mir vom marggraven zugeschickt–c, wie F. Wolff schreibt, den theologen hat ubergeben und fur nutzlich angegeben, welchs doch etwa durch Meintz oder seinesgleichen ist durch einen rechten gestellet und geschmuckt, das man wol sihet, wie der keiser nichts verstehet noch thut yn dieser sachen. Summa, es ist das mordbrennen und alles, was sie hoffen, auf euere kfl. Gn. gespielet. Darumb sol und mugen euere kfl. Gn. von dem reichstage bleiben und sich entschuldigen, womit sie ymer konnen. Meintz, Heintz sind nicht from, werden auch nimermehr from. Wil sich euere kfl. Gn. mit dem teuffel selbs vertragen, so durfen sie nicht gen Regenspurg, wollens wol tzu Torgaw bekomen.
Demnach ist unser unterthenigst rat und bitte, euere kfl. Gn. wolten ym lande bleiben. Sol eine fahr draus entstehen, keiser ungnedig und zornig werden, land und leute zu wogen sein, so mussens euere kfl. Gn. Gott befelhen, der uns bisher nicht verlassen hat. Es ist besser mit gutem gewissen yn fahr und ungnaden denn mit bosem gewissen yn friede und gnaden leben. Wir sind ja gewis, das wir hierin kein güt, ehre, gewalt, sundern allein Gottes wort treulich meinen. Der hats angefangen, werds auch vollenden.
d –Zuletzt bitten wir, euere kfl. Gn. wolten Mag. Philipps und den unsern ja nicht zu hart schreiben, damit er nicht abermal sich zu tod greme. Denn sie haben ja die liebe confession yhnen vorbehalten und darin noch rein und fest blieben, wenngleich alles feylet. Er [sic!] wird die disputation doch nicht on frucht abgehen, dem pabstum zu schaden, wie Christus spricht zu Paulo, 2. Cor. 12: ‚Meine kraft wird yn schwacheit volkomen‘, wie denn bisher Christus yn uns ymer schwach gewest und doch die gewaltigen genidrigt. Es ist seine weise also, thut nicht anders, auf das wir nicht stoltz werden oder uns rhumen, als hetten wir etwas gethan yn solchen hohen gottlicher maiestet sachen. Hiemit dem lieben Gotte befolhen, den wir hertzlich fur euere kfl. Gn. bitten und flehen, wird uns auch erhoren, Amen.
[PS:] Von [= Vor] des bischoffs ertzschalck zu Mentz ausspeher sind wir zuvor auch gewarnet, wollen yhm recht thün, ob Gott wil–d.