Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil
Nr. 79 Ausschreiben des Schwäbischen Bundeshauptmanns und Ulmer Bürgermeisters Dr. Matthäus Neithart an die Schwäbischen Bundesstädte – [Ulm], 29. September 1508
Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei, A-Laden Akten, A 118, Nr. 6 (alt S I L 61, Nr. 4), fol. 74–74’ (Or. m. S., sant Michelstag) = Textvorlage A. Memmingen, StdA, A Bd. 292, unfol. (Or.) = B. Stuttgart, HStA, H 53, Bü. 157, Fasz. 47, unfol. (Or. m. S.; Adressat: Bürgermeister und Rat der Stadt Heilbronn) = C.
Dem Ulmer Magistrat ging, wie zweifellos ihnen und andern Städten auch, das gedruckte ksl. Ausschreiben [Nr. 44] zum Reichstag in Worms zu. Auf der Grundlage mehrerer diesbezüglicher Beschlüsse der Bundesstädte und aufgrund der erfolgten Aufforderung an ihn beruft er einen Bundesstädtetag ein. Die Gesandten sollen sich am Abend des 20. Oktober (freytag nach sant Gallen tag)hier in Ulm einfinden. Fordert sie in seiner Eigenschaft als Bundeshauptmann auf, zu beraten, ob und mit welcher Vollmacht und Weisung Gesandte der Bundesstädte am Reichstag teilnehmen sollen und wer dafür in Frage kommt, schließlich, welche Anliegen die Bundesstädte vertreten sollen, falls, wie zu erwarten, angesichts der auf dem Konstanzer Reichstag vorgefallenen Beschwerden gemäß dem letzten Speyerer Städteabschied1Beratungen der Frei- und Reichsstädte stattfinden werden. Sie sollen ihre Gesandtschaft entsprechend instruieren und mit Vollmacht zur Beratung und Beschlussfassung über diese Punkte abordnen. Sie sollen sich hierin nicht säumig zeigen und auch nicht versuchen, die Angelegenheit lediglich schriftlich zu behandeln.
Nr. 80 Abschied der Schwäbischen Bundesstädte – Ulm, nach dem 20. Oktober 15081
[1.] Instruierung der bundesstädtischen Reichstagsgesandten: Reichshilfe, Geleitrecht; [2.] Beratungen der in Worms versammelten Reichsstädte über ihre Benachteiligung auf dem Konstanzer Reichstag; [3.] Nominierung der gemeinsamen Reichstagsgesandten; [4.] Kostenersparnis durch Verzögerung ihrer Anreise zum Reichstag.
Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei, A-Laden Akten, A 119, Nr. 1, fol. 95–96’ (Kop., auf freytag nach sand Gallen tag anno etc. octavo gen Ulm fürgenommen.) = Textvorlage A. Stuttgart, HStA, H 53, Bü. 157, Fasz. 47, unfol. (wie A; Exemplar der Stadt Heilbronn) = B. Augsburg, StA, Rst. Nördlingen, Mü. Best. 912, unfol. (wie A) = C. Memmingen, StdA, A Bd. 292, unfol. (Kop.). Stuttgart, HStA, J 9, Nr. 25, Stück-Nr. 80 (Kop.).
Regest: Klüpfel, Urkunden II, S. 25f. (irrtümliche Datierung auf den 19.10.).
[1.] Der Hauptmann [Matthäus Neithart] hat die Bundesstädte wegen des vom Ks. auf Allerheiligen [1.11.] nach Worms ausgeschriebenen Reichstages nach Ulm einberufen [Nr. 79]. Die anwesenden Gesandten haben nach Erwägung der Umstände beschlossen, mit drei Vertretern am Reichstag teilzunehmen. Diese sollen dafür Sorge tragen, dass der stet merklich, verderplich beschwerd, so inen und den iren täglich begegnen, auch die unvermuglichait und abnemen, darein etlich stett durch die manigfaltigen anschleg und auflegungen, uf sy beschehen, kommen und gefallen sein, angesehen und gemain stett des Bunds auf dem Reichs tag zu Wurmbs, so myndst sein könd und mug, angeschlagen und beschwerdt werden.2
Und ob inen in solichem so merklich und groß beschwerlichait begegnete, das sy bedächte, den stetten ganz unerleidlich und unträglich sein, sollen sy sich nit anders vernemen lassen, dann das sy von den stetten nit endlichen gewalt haben, und allen fleis prauchen, deßhalben ain hyndersichbringen zu erlangen; und alsdann die stett des Bunds furderlich zusamen beschreiben und deshalben ratschlagen lassen, wie der stett notturft erfordert. Sover sy aber die zeit des hyndersichbringens in kainen weg erlangen mugen, söllen sy sich zum getreulichisten und fleissigisten in die sach schicken, wie sy der stett halben zum nutzlichisten und pesten ansehen wurd.
Item sy sollen auch allen fleis ankeren, so es zu ainem anschlag ainer hilf kommen wurd, das kain hilf mit gelt furgenomen, sonder allain mit leuten getan werd.
Item, nachdem den stetten und den iren merkliche und unleidenliche beschwerden begegnen und tägliche ye lenger, ye mer erwachsen wollen mit hinfurung, beraubung und schatzung der iren und in ander weg, uber das sy zu zeiten glait haben etc., söllen die obgemelten potschaften auf dem tag zu Wurmbs bei ksl. Mt., churfürsten, fursten und wa sy not und gut bedunkt, solicher sachen halb handlung und fleis tun, das in kraft des landfriden der pillichait nach in die sachen gesehen, damit solich mutwillig beschwerlicheit gestraft und furkommen, auch die glait allenthalben frei und gestracks gegeben und also, wie sich gepurt, volzogen werden.
[2.] Diejenigen vier Städte, denen dies gemäß dem Speyerer Städteabschied3obliegt, sollen die in ihren Bezirken gelegenen Frei- und Reichsstädte schriftlich zu einem Befehl an ihre Reichstagsgesandten auffordern, sich in Worms wegen der auf dem Konstanzer Reichstag den Städten widerfahrenen Beschwerden und in den anderen Angelegenheiten mit den übrigen städtischen Vertretern zu beraten und gemeinsam zu agieren.
[3.] Zu Reichstagsgesandten der Schwäbischen Bundesstädte wurden ernannt: der Städtehauptmann und Ulmer Bürgermeister Dr. Matthäus Neithart, der Augsburger Bürgermeister Ulrich Artzt und der Nürnberger Bürgermeister Hieronymus Holzschuher.
[4.] Doch sollen die obgemelten potschaften nit zeitlich zu dem Reichs tag anreyten, sonder ir aufsehen durch die von Wurmbs und in ander weg uf churfursten, fursten und ander stend des Reichs haben, damit uberflussiger cost der stett des Punds erspart werdea.4
Nr. 81 Abschied der Schwäbischen Bundesstädte – Ulm, 19. April 1509
Memmingen, StdA, A Bd. 292, unfol. (Kop., Datumverm.: donrstags nach quasimodogeniti anno etc. nono gen Ulm furgenomen.) = Textvorlage A. Straßburg, AV, AA 353, fol. 49–50 (wie A) = B. Augsburg, StdA, Lit. 1509, Fasz. April, unfol. (wie A).
Regest: Klüpfel, Urkunden II, S. 28.
Die Teilnehmer haben sich gemäß dem Ausschreiben1zu Verhandlungen über den Vortrag Dr. Hans Schads als Gesandten des Innsbrucker Regiments hier in Ulm versammelt und nach ausführlicher Beratung folgenden Beschluss gefasst: In dem Vorschlag für eine Einung zwischen Oberösterreich und den Bundesstädten2wurde deren Nutzen für die Wahrung von Frieden und Recht allgemein und die Sicherheit der Straßen insbesondere hervorgehoben. Die Städte wollen sich in dieser Angelegenheit gegenüber dem Ks. gehorsam und dem Regiment gefällig erzeigen. Doch haben sie ihre Gesandten bereits zum bevorstehenden Wormser Reichstag abgeordnet. Bitten um eine Vertagung bis zu deren Rückkehr.
Schad erwiderte, dass er diese Antwort referieren werde. Er gehe davon aus, dass auch Räte des Innsbrucker Regiments zum Reichstag nach Worms kommen würden. Der Städtehauptmann [Matthäus Neithart] solle den nächsten Verhandlungstermin rechtzeitig ankündigen.3[Streit zwischen dem Bf. von Augsburg und Gf. Haug von Montfort]. Teilnehmer: Straßburg, Augsburg, Ulm, Esslingen, Überlingen, Schwäbisch Gmünd, Memmingen, Biberach, Kempten, Kaufbeuren, Wangen, Isny, Leutkirch, Donauwörth, Weil der Stadt, Giengen, Aalen.
Nr. 82 Ulrich Artzt an die Augsburger Bürgermeister Jörg Langenmantel und Ludwig Hoser – Ulm, 20. April 1509
Augsburg, StdA, Lit. 1509, Fasz. April, unfol. (Or. m. S., freitags nach dem suntag quasimodogeniti).
Teilt mit, dass er am vergangenen Mittwoch [18.4.] hier in Ulm eingetroffen ist. Bereits am Donnerstag [19.4.] fassten die Bundesstädte nach nur eintägiger Beratung einhellig den beiliegenden Beschluss [Nr. 81]. […]. Er hat [Hans] Baumgartner bereits schriftlich unterrichtet, dass laut Auskunft Bartholomäus Strälers der Hauptmann [Matthäus Neithart] einen Fußboten nach Worms geschickt hat. Er hat heute mit dem Hauptmann darüber gesprochen. Demnach wurde der Bote angewiesen, bis nach Mainz zu laufen. Sie haben sich darauf geeinigt, noch heute einen berittenen Boten auf den Weg zu schicken, der sie in Esslingen wieder treffen soll. Falls der Ks. sich bereits in Worms oder Umgebung aufhält, werden sie den Esslinger Bundestag verlassen und dorthin reiten. Er wird morgen trotz seines schlimmen Beines nach Esslingen aufbrechen.
Nr. 83 Abschied des Schwäbischen Bundes – Esslingen, [27. April 1509]1
[1.] Fehde Heinz Baums gegen Nürnberg, Ulm und Isny; [2.] Konflikt des Augsburger Domkapitels, Abt Johanns von Elchingen und der Stadt Ulm mit dem Kirchberger Pfleger Philipp vom Stein; [3.] Streit Abt Hartmanns von Weingarten mit dem ksl. Landvogt Jakob von Landau; [4.] Bedrohung bfl. Augsburger Untertanen durch die Gff. von Montfort; [5.] Bitte der Marschälle von Pappenheim um Hilfe gegen die Hh. von Rothenstein; [6.] Streit zwischen Mgf. Friedrich von Brandenburg-Ansbach und Gf. Wolfgang von Oettingen; [7.] Einschaltung Neithards von Thüngen in einen Streit zwischen Franz und Hans Hefelin.
Stuttgart, HStA, H 53, Bü. 8, fol. 2–6’, 7’ (Kop., Überschr.: Abschid des gemainen Punds versamlungtags, so auf sanct Jörgen des heiligen ritters tag [23.4.] anno etc. nono gen Eßlingen furgenomen worden ist.2) = Textvorlage A. München, HStA, KÄA 2013, fol. 262–267 (wie A) = B. Augsburg, StdA Lit. 1509, Fasz. April, unfol. (wie A) = C. Augsburg, StA, Rst. Nördlingen, Mü. Best. 913, Stück-Nr. I.2 (wie A). Bamberg, StA, A 85, Lade 329, Nr. 190 (wie A). Straßburg, AV, AA 353, fol. 57–61’ (wie A).
[1.] Wegen des Konflikts der Städte Nürnberg, Ulm und Isny (Eyßin)mit Heinz Baum wurde gemäß dem letzten Augsburger Bundesabschied3und aufgrund der Beratungen der bei der Seelenmesse für Hg. Albrecht von Bayern in München anwesenden Bundesstände dieser Bundestag nach Esslingen anberaumt. Außerdem war [in Augsburg] beschlossen worden, beim Ks. um Hilfe zur Bestrafung der Übeltäter vorstellig zu werden sowie den Kg. von Böhmen, Kf. Ludwig von der Pfalz, Pfgf. Friedrich und die böhmischen Stände über das geplante Vorgehen des Bundes gegen Baum und seine Helfer als offene Landfriedensbrecher zu informieren und ihre um Unterstützung zu bitten. Bei den Beratungen des Bundestages über eine Supplikation der drei Städte um Festsetzung der bereits zuerkannten Bundeshilfe wurde erneut festgestellt, dass die Angelegenheit für den Bund und alle seine Mitglieder große Bedeutung hat und eine Eskalation zu befürchten ist. Es wäre deshalb ratsam und obliegt dem Bund auch gemäß seiner Ordnung, in dieser Sache mit Nachdruck zu verfahren. Wegen des vom Ks. nach Worms ausgeschriebenen Reichstages konnten die dem Bund angehörigen Kff. und Ff. jedoch nicht persönlich am Bundestag teilnehmen. Ebenso sind die geplanten Anfragen bislang unterblieben. Es wurde deshalb beschlossen, den Ks. jetzt auf dem Reichstag zu Worms durch die dort anwesenden und vertretenen Bundesstände über die Umstände dieser Angelegenheit und deren Bedeutung für den Bund zu unterrichten und ihn als liebhaber der gerechtigkeit, handhaber und volstrecker des landfridenqua röm. Ks., Ehg. von Österreich und Bundesstand um eine Stellungnahme zu ersuchen, wie gegen Baum und seine Unterstützer vorzugehen sei. Anschließend soll nach Lage der Dinge und aufgrund des ksl. Bedenkens weiter verfahren werden, entweder indem man bei den genannten Adressaten vorstellig wird oder in anderer Weise.
Es heißt, der Ks. werde sich auf seiner Weiterreise voraussichtlich auch kurz in Augsburg aufhalten. Zur Beförderung der Angelegenheit wurde für gut befunden, dort oder an einem anderen geeigneten Ort durch Gesandte in der beschriebenen Weise vorstellig zu werden. Dessen ungeachtet sollen auch die Bundesstände auf dem Reichstag in Worms die Sache betreiben. Die Gesandten zum Ks. sind gehalten, diese schriftlich über das Ergebnis ihrer Mission zu informieren. In Worms soll dann nach Lage der Dinge und gemäß dem Bundesabschied vorgegangen werden. Zu Gesandten zum Ks. wurden bestimmt: für die Kff. und Ff. Hauptmann Wilhelm Güss von Güssenberg, für die Prälaten, die Gff. und den übrigen Adel Hauptmann Adam von Frundsberg und für die Städte der Esslinger Bürgermeister Hans Ungelter.
[2.] a–Das Augsburger Domkapitel, Abt [Johann] von Elchingen und die Stadt Ulm haben gegen den Pfleger zu Kirchberg, Philipp vom Stein, Klage erhoben, weil er ihre Untertanen in Niederhausen mit Reissteuern4 belegt.5 Es wurde beschlossen, Stein als Bundesangehörigen zur Rücknahme dieser Neuerung aufzufordern und ihm einen rechtlichen Austrag anzubieten. Um dem Schreiben mehr Nachdruck zu verleihen, soll Adam von Frundsberg außerdem im Namen des Bundes mit ihm verhandeln. Des weiteren sollen die auf dem Wormser Reichstag anwesenden Bundesstände den Ks. informieren und ihn ersuchen, das Vorgehen Steins abzustellen oder unparteiische Kommissare mit einer Entscheidung zu beauftragen. Der Bundesrichter [Heinrich Winckelhofer] wurde angewiesen, das Verfahren ungeachtet der Berufung Steins auf den Ks. und etwaiger ksl. Mandate fortzusetzen–a.
[3.] Abt [Hartmann] von Weingarten ließ auf dem Bundestag durch Dr. [Johann] Lupfdich und den Propst von Hofen [Jos Neukomm] seine Beschwerden gegen den ksl. Landvogt Jakob von Landau vortragen. Es wurde beschlossen, den Ks. durch die auf dem Wormser Reichstag anwesenden Bundesstände um Abstellung der Beschwerden oder die Bewilligung eines rechtlichen Austrags zu bitten. Dem Abt wird empfohlen, die Bundesstände in Worms durch eigene Gesandte über den Vorgang zu unterrichten.6
[4.] Der Bf. von Augsburg erhielt eine glaubwürdige Warnung vor einem bevorstehenden Überfall der Gff. von Montfort-Rothenfels auf seine Untertanen im Allgäu. Der Bund wird dem Bf. satzungsgemäß beistehen, falls die Gff. von Montfort oder andere Feinde ihn angreifen sollten. Entsprechend dem Antrag des Bf. werden alle benachbarten Bundesstände aufgefordert, ihn im Verteidigungsfall zu unterstützen.
[5.] Auf das Schreiben der Marschälle von Pappenheim an die Bundesversammlung hin wurde beschlossen, dass die angeschriebenen Bundesstände auch ihnen im Ernstfall [gegen die Hh. von Rothenstein] zu Hilfe eilen sollen.
[6.] Im Streit zwischen Mgf. Friedrich von Brandenburg und Gf. Wolfgang von Oettingen wegen gefangen genommener mgfl. Untertanen und anderer Punkte wurde gemäß dem letzten Augsburger Bundesabschied [vom 10. Januar] in Verhandlungen mit den brandenburgischen Vertretern Sigmund von Lentersheim und Dr. Lupfdich sowie mit Gf. Wolfgang erreicht, dass das Verfahren vor dem Bundesgericht ausgesetzt wird und auf dem nächsten Bundestag Schiedsverhandlungen stattfinden sollen. Sollten diese scheitern, werden unverzüglich Beschlüsse über das weitere Vorgehen gefasst.
[7.] Wegen des Schreiben Neithards von Thüngen an die Stadt Nördlingen als Fürsprechers in Sachen Franz Hefelin gegen seinen Bruder Hans Hefelin wird der Bund gemäß den vorliegenden Entwürfen an den Bf. von Würzburg und Thüngen schreiben.
[b–Abrechnung des Bundeshauptmanns Wilhelm Güss von Güssenberg und Veranschlagung der Ff. zur Finanzierung der Bundesausgaben–b].