Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Kurfürstentag zu Regensburg 1575 bearbeitet von Christiane Neerfeld
Nachdem alle Kurfürsten ihre Zustimmung zur Austragung einer Kollegialversammlung erteilt hatten, mussten noch Tagungsort und -termin festgelegt und ein entsprechendes Einladungsschreiben an die Kurfürsten aufgesetzt werden20.
Kurfürst Daniel von Mainz, dem als Reichserzkanzler die Einberufung des Kurfürstentags oblag, äußerte im Dezember 1574 gegenüber den kaiserlichen Kommissaren Bedenken, die Versammlung nach Frankfurt auszuschreiben, da dort die Pest herrsche und mit logistischen Problemen zu rechnen sei. Dennoch mochte er der Anregung der kaiserlichen Gesandten, die Nürnberg als Austragungsort vorschlugen, nicht folgen – nicht zuletzt, weil mit Protest des Pfälzer Kurfürsten zu rechnen war, falls man von dem in der Goldenen Bulle festgelegten Wahlort Frankfurt abwich21. Obwohl sich der gesundheitlich angeschlagene Kaiser die bequem auf dem Wasserweg zu erreichende Reichsstadt Regensburg als Versammlungsort wünschte22 und auch die Kurfürsten von Trier, Köln und Sachsen keine Bedenken gegen eine Verlegung äußerten, scheute sich der Erzkanzler, ohne die ausdrückliche Zustimmung seiner Kollegen den Austragungsort zu ändern, da man – sollten sich die Kurfürsten wie erwartet zur Wahl eines Nachfolgers entschließen –, den Vorgaben der Goldenen Bulle folgen und in Frankfurt wählen müsse. Er war daher entschlossen, den Kurfürstentag nach Frankfurt auszuschreiben, und bat Mitte März den Kaiser um seine Zustimmung. Die Versammlung, so fügte er hinzu, könne später nach Nürnberg verlegt werden, falls Maximilian II. die weitere Reise nicht auf sich nehmen könne oder die Seuche in Frankfurt anhalten sollte, wozu dann jedoch die Einwilligung insbesondere der rheinischen Kurfürsten einzuholen sei23. Da der Mainzer zunächst keine Antwort erhielt und er gemäß den Vorgaben der Goldenen Bulle die Einladung drei Monate vor Beginn des geplanten Kurfürstentags abzuschicken hatte, lud Kurfürst Daniel Mitte April 1575 seine Kollegen für den 29. Juli nach Frankfurt ein24. Die vorläufige Antwort Maximilians II., nämlich dass er vor seiner endgültigen Entscheidung die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg in Dresden treffen und mit ihnen über den Versammlungsort des Kurfürstentags beraten wolle, erreichte den Mainzer erst danach25. Als der Kaiser nach seiner Rückkehr aus Dresden Ende April26 von der bereits erfolgten Ausschreibung erfuhr, entschuldigte er sich bei Sachsen und Brandenburg, mit denen er Regensburg als Austragungsort vereinbart hatte und monierte, dass der Mainzer Erzkanzler das Ladungsschreiben „unerwartet unser entlichen erclerung von wegen des plaz der zusamenkonfft, deßgleichen auch unserer selbst schreiben, die wir an alle churfursten danebens zuthun und s.L. zuzuschicken uns erpotten“ abgeschickt habe, „zumall dieweil one das die zeit von wegen unserer behaimischen handlungen muste baß hinaus gerucket werden.“27 Der Empfehlung des Kurfürsten von Sachsen28 und dem Wunsch des Erzkanzlers folgend schickte Maximilian II. seinen Rat Dr. Johann Hegenmüller zu den rheinischen Kurfürsten, um ihre Einwilligung zur Verlegung nach Regensburg und zur Verschiebung des Termins einzuholen29. Gleichzeitig schrieben die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg an ihre rheinischen Kollegen, dass in Frankfurt „die abscheuliche kranckheit der pestilenz ein gutte zeit regiret, auch die sterblichen leuffte des orts noch nicht auffhören“ und dass sie beim Besuch des Kaisers in Dresden gesehen hätten, „das ihrer Mt. weit zureisen und sich ubrig zubewegen nicht alleine ungelegen, sondern auch gevehrlich sey“. Sie seien dafür, dem Wunsch des Kaisers um Verlegung der Versammlung nach Regensburg zu entsprechen, um ihm den „weiten, rauhen und bösen weg“ nach Frankfurt zu ersparen, zumal es dort „von wegen sterbens leufften nicht sicher und uns allen oder den unsern leichtlich ein fall begegnen möchte, so hernach nicht zuersetzen“. Sie äußerten daher die Bitte, der Verlegung nach Regensburg mittels eines entsprechenden zweiten Ausschreibens durch Kurmainz zuzustimmen30. Zu Pfingsten traf Hegenmüller bei Kurfürsten Daniel ein, der sich ausgiebig dafür entschuldigte, das erste Ausschreiben so früh abgeschickt zu haben31. Gemeinsam formulierten sie den Entwurf für ein auf den 20. Juni datiertes zweites Ausschreiben, in dem die Kurfürsten für den 16. September nach Regensburg eingeladen wurden32 und das der Mainzer Erzkanzler am 23. Mai zur Begutachtung an den Kaiser schickte33. Dieser hatte keine weiteren Einwände, äußerte aber den Wunsch, den Beginn der Versammlung auf den 26. September zu verlegen, „von wegen langsamen vortgangs unserer behaimischen handlung und danebens damit von dato des ausschreibens biß zu dem termin der zusamenkonfft weniger nitt als drey monat zeit seye“34. Nachdem Hegenmüller seine Mission zu den rheinischen Kurfürsten beendet und diese dem Kaiser und dem Mainzer Erzkanzler ihre Zustimmung zur Änderung des Tagungsorts mitgeteilt hatten35, konnte Kurfürst Daniel schließlich das zweite Ausschreiben abschicken. In seiner Einladung, die nicht wie zunächst geplant auf den 20., sondern auf den 24. Juni datiert ist, führt er aus, dass der Kaiser wegen seiner „täglich zunehmenden, auch augenscheinlich ereugennden leibsschwacheitt unnd unvormüglicheitt“ nicht in der Lage sei, die weite Reise nach Frankfurt „one sondere leybsgevar“ zu unternehmen. Da der Kaiser außerdem Angelegenheiten in Böhmen erledigen müsse, habe er seine Bitte erfüllt und die Zusammenkunft nach Regensburg verlegt und auf den 29. September vertagt, „des verhoffenns, e.L. irer selbst gethanen erclerung nach, demselbigen gehorsame volge mitt erscheinung irer selbst person laisten unnd was zu gemainer wolfartt erschießlich ires thails helffen zubedenncken, zuberhatschlagen unnd zu schliessen, nichts erwinden laßen werden“36.