Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth
Der vorausgegangene Überblick über die auf dem Reichstag von 1512 behandelten Themen hat gezeigt, daß bei weitem nicht alle einer Lösung zugeführt werden konnten. Etliche Probleme erwiesen sich als derart schwierig und komplex, daß man sich für ihre Weiterberatung auf dem nächsten Reichstag entschied. Auch drängten viele Stände und Gesandtschaften nach fast fünfmonatiger Verhandlungsdauer darauf, endlich heimreisen zu können. Zu einigen Themen faßte die Versammlung allerdings durchaus konkrete Beschlüsse, die im Reichsabschied festgehalten wurden. Ihre Umsetzung erstreckte sich bis weit ins Jahr 1513 hinein, teilweise sogar noch darüber hinaus, konnte jedoch für die vorliegende Edition aus Gründen der Abgrenzung zum Folgeband nur bis zum Jahresende 1512 berücksichtigt werden.
Das Schicksal der drei in Köln beschlossenen unterschiedlichen Formen einer Reichshilfe zeigt einmal mehr, wie gering ausgeprägt die Bereitschaft vieler Stände war, die Kriegspläne Maximilians, aber auch die Sicherheitsinteressen einzelner Reichsglieder durch eigene finanzielle Anstrengungen ausreichend zu unterstützen. So wurde von der Kölner Eilenden Hilfe für den Krieg des Kaisers gegen Herzog Karl von Geldern nur ein relativ kleiner, allerdings nicht genau bezifferbarer Teil tatsächlich entrichtet (Nr. 1862, 1868). Erneut mußte der Kaiser, wie schon beim Reichsanschlag von 1510, säumige Stände schriftlich oder durch Sondergesandte ermahnen, ihrer Zahlungspflicht nachzukommen (Nr. 1858, 1865, 1866, 1870, 1871). Auch der Gemeine Pfennig stieß, soweit die bislang nur ganz punktuell vorliegenden Quellen zu diesem Thema erkennen lassen, offenkundig auf Skepsis und zögerliche Resonanz (Nr. 1636 [10.], 1857 [1.], [2.]). Gleichfalls Probleme gab es schließlich mit der Reiterhilfe, die als Konsequenz aus dem Geleitbruch bei Forchheim Bischof Georg von Bamberg zur Sicherung seines Territoriums gegen weitere Attacken raublustiger fränkischer Adeliger bewilligt worden war. Nur wenige Reichsstände entsandten die ihnen auferlegte Anzahl Berittener pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt nach Bamberg, viele mit Verzögerung, einige, wie etwa der Kurfürst von Sachsen, knüpften unerfüllbare Forderungen daran (Nr. 1638 [5.]). Manche Stände zahlten der Einfachheit halber nur den entsprechenden Sold für die Reiter (Nr. 1884-1892). Ob die vom Kölner Reichstag bewilligten acht ständischen Reichsräte gemäß der Aufforderung Kaiser Maximilians (Nr. 1848) tatsächlich an seinen Hof geschickt wurden und dort ihre vereinbarte Tätigkeit aufnahmen, erscheint vorläufig zweifelhaft, doch muß diese verfassungsgeschichtlich durchaus bedeutsame Frage noch weiter untersucht werden. Eine direkte Folgewirkung der Kölner Reichsversammlung war schließlich auch die Mitte Dezember 1512 in Schweinfurt tagende Versammlung der fränkischen Ritterschaft. Sie wies gegenüber kaiserlichen Abgesandten nicht nur den auf dem Reichstag laut gewordenen Vorwurf einer nach wie vor ungebrochenen Fehdelust und Gewaltbereitschaft des niederen Adels zurück, sondern lehnte auch, wie schon 1495/96, die Zahlung des Gemeinen Pfennigs erneut als unstandesgemäße Geldleistung kategorisch ab (Nr. 1898). Diese Haltung weist schon zu diesem Zeitpunkt auf die sozialen und wirtschaftlichen Nöte der deutschen Ritterschaft hin, die dann im Ritterkrieg von 1522/23 ein gewaltsames Ventil suchten.