Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Behinderung der geplanten Reformen im Land durch den fortdauernden Krieg (gegen Venedig); [2.] Entschlossenheit zum baldigen Beginn der Reformmaßnahmen; [3.] Zufriedenheit mit der Kriegsunterstützung durch die Landstände; [4.] Plan eines Feldzugs gegen Venedig im kommenden Sommer; [5.] Ladung der Reichsstände auf einen Reichstag nach Augsburg, Hoffnung auf die Mithilfe der Erbländer bei der Kriegführung; [6.] Durchführung von Landtagen in allen niederösterreichischen Ländern, Ersuchen um Beteiligung an den Beratungen über Reformen und Kriegshilfe sowie um Entsendung einer Gesandtschaft zum Reichstag.

Rovereto, 8. November 1509

Kop.: St. Pölten, NÖLA, Hs. 27/17, fol. 73b-75a ( p.r.p.s.; c.d.i.p.; Gegenzeichnung: Serntein).

Spätere Kop.: Ebd., Landtagshandlungen: Landtag zu Wien, 6. Dezember 1509 (Karton 1), fol. 5a-9b.

[1.] Gruß. Wir bedenken genediglich, was gestalt wier verschiner zeit, als ungeverlich yetzo ain jar vergangen, da wier noch in unsern nydernburgundischen landen gewest sein, unser instruction auf unsere räte gefertigt haben, mit euch und andern niderösterreichischen landschaften allerlay sachen, uns, auch eu, land und leut, darzu regierung, guet wesen, ordinanz und handhabung derselben, auch friden und rechtn betreffent, zu handlen und zu werben, wie dann solch unser und euer handlung derselben zeit bescheen. So aber seither dieselbig unser fuergenomen ordnung, regiment und wesen weyter nit gevelt noch zu volzug vervolget, sonder also beliben und ersessen sein, achten wier, ir möcht das ermessen, als ob wier dieselb handlung fuergenomen, ordnung, regiment und guet wesen zurugkgeschlagen, abgestelt und darzu nit willen und lust hettn. Darfuer ir doch soliches kainswegs versteen sollt, dann eu, unser land und leut in solichem gueten wesen, regiment, ordnung, handhabung friden und rechten, wo daran bisher ainicher mangl oder geprechen gewest ist, zu fuerdern und zu helfen sein wier als euer allergnst. H. und landsfürst genaigt, begierig und berait. Das aber die ding bisher geschwigen und unterlassen beliben, sein ursachen, wie ir ungezweiflt wol erkennen mögt, die schweren, herten kriegsübungen, so uns und eu mit uns obgelegen sein. Darinen wir nicht allain in obberürtn unsern fuergenomen ordnungen, regiment und wesen nichts furnemen mögen, sonder auch mitsambt eu in ander weeg genueg müe, arbait und obligen gehabt und getragen haben.

[2.] Aber so nun diser zeit anders nicht auszurichten, dann die stett, land und leut, die wier den veinten disen sumer abgedrungen und noch innen haben, uns, auch dem Reich und unsern erblanden und leutn zu guet zu handhaben, darzu dann unserer person im veld nit not, sonder, was die winterzeit furzunemen, durch unser verordent haubtleut und kriegsvolk genugsamlich zu bestellen ist und unser notturft ervordert, uns mit unser person in ander weeg zu arbaiten und berait zu machen, auf den künftigen sumer unsere bisher gebrachte fuernemen zu vollenden, so sein wir entslossen, uns daneben sovil weil und stat zu nemen, eu und andern unsern landen und leutn mit oberzelten unsern ordnungen, regiment, guetn wesen und in andern notturften, obligen und gebrechen gn., gepürlich fuersechnung zu tun.

[3.] Verrer als ir uns des vergangen jars, auch disen sumer auf unser ansuechen und begern wider unsere veint, die Venediger, mit euer hilf und beystand im veld gehorsamlich und getreulich gedient mit grossen costen, auch vil müe und arbait, das wir zu gn. dank und wolgevallen von euch angenomen. Und wiewol uns die veint des vergangen jars über solich euer getreu hilf und zuetun unsrer land und leut etwovil abgedrungen, aus ursachen, wie ir wol erkennen mögt, uns auch euer heurig hilf und beistand zu unsern furnemen, als wier die gern gehabt hetten, nit sonders gefurdert noch erschossn, so hat doch, als wirs versteen und wissen, an eurm getreuen, guetn willn, auch darstreken euer leib und gueter nichts geprochen noch erwundn. Deshalben wier euch genediglich entschuldigt haben, mit eu in gnaden und wol zufriden sein und die ursachen zuemessen dem glük und in ander weeg, hie zu erzelen unnöt.

[4.] Dieweil wier dann mitsambt unsern puntgenossen unsers hl., cristenlichen punts,1 der Babstlichen Hlkt., auch unsern lb. bruedern, den Kgg. zu Frankreich und Aragon, unser kriegsfuernemen den vergangen sumer so weit geübt, das wier sonderlich dasjen, so wier des vergangen jars von unsern landen verlorn, widerumb erobert, darzue ain merers von stettn, land und leutn hieum gewunen haben, also das uns von den landen und leutn, so die Venediger uns und unsern vorfordern am Reich und unserm haus Österreich lange jar her entzogen und on rechtlichen titl besessen und vorgehalten haben, noch etliche stett, stük und land vorsteen, davon uns zu setzen und nachzulassen nit gebuert, in bedacht, das uns nit allain abfall unsrer eroberten stett und land, sonder auch weiter anfechtung, beschwerung und verlust andrer unser erblichen land darauf stuent und stetiglich zu besorgen were, darumb zu ern, notturft, wolfart und behaltung unserer land und leut und zu erobern dasjen, so uns noch von den Venedigern vorstet, das dann, wo getreulich und ernstlich darzue getan wierdet, in kürz und leicht zu erlangen ist, damit wier das land gegen den Venedigern in unser hend und gewalt bringen, so von dem erdrich ganz abschaiden, also das die land, päss und grenizen, so die Venediger bisher inngehabt haben bis an die Türken, unser und unsers hl. cristenglaubens erbfeind und durchächter, alle zu unsern gebieten und willen gepracht werden, dardurch wier hinfuer mit hilf der cristenhait und des hl. Reichs albeg gewaltigen zug auf die ungelaubigen leicht haben und furnemen und eu und andre unser erbland der sorgen, lasts und beschwerung, darinnen ir vil jar gegen denselben unglaubigen, darzue den Venedigern gestanden seit, abhelfen und eu in aufnemen, ewig rue und fridn vor inen setzen mögen, so sein wier mit unsern puntgenossn entschlossen, auf die sumerzeit zu untersten, mit gueter ordnung und geschikligkait unsre bisher geübte fuernemen gegen den Venedigern zu volziechen und zu ende zu bringen.

[5.] Darauf wier auch yetzo die Kff., Ff. und stend des Reichs auf ainen reichstag gen Augspurg auf den achtenden der hl. dreyer Kgg. tag negstkünftig [13.1.10] beschreiben [Nr. 61], des willens, uns personlich zu inen zu fuegen und ir trostlich hilf, die sy uns ungezweiflt verzeichen werden, zu ersuechen. Darpey wir dann euer und andrer unsrer erbland und leut rat, hilf und beistand, euch selbs zu lob und wolstand zu geprauchen, gesechen und gespuert zu werden, genediglich maynen und derselben, nachdem wier uns an unserm camerguet bisher ser entplöst und erschöpht haben, notturftig sein, die ir uns auch in ansechung, das dise furnemen nit allain uns und dem Reich, sonder auch allen unsern erblanden zu gewin, aufnemen, wolfart und rue raichen, mitzutailen ungezweiflt berait und willig sein wert.

[6.] Demnach haben wier, in unsern fünf niderösterreichischen landen fuerderlich landtäg zu halten, fuergenomen, die wier hiemit alle auf ain zeit, nemblich auf St. Niclaustag nagstkünftig [6.12.09], und sonderlich euch gen Wien bestimben und besetzen. Ermanen euch, mit ganzem ernst und vleis bevelchent, das ir auf dem jetzgenanten landtag gewislichen erscheint, allda von obberurtn maynungen, nemblich von erst, auf was gstalt, form und maß ordnung, regiment, guet wesen, ordinanz, frid und recht in unsern landen aufzurichten, zu bestellen und zu handhaben, auch eur, unser land und leut gebrechen, obligen und mängl abzustellen und zu fuersechen sein, und zum andern, uns neben unsern löblichen puntgenossen, auch den Kff., Ff. und stenden des Reichs mit ainer taphern, tröstlichen, harrigen und austreglichen hilf und beystand zu dienen und zu erschiessen, damit unsere fuernemen uns, unsern landen und leutn zu ern, aufnemen, frid und rue ausgefuert und vollend werden mogen, getreulich zu reden, fuerzunemen und zu handln verhelfet, auch auf solichem landtag on verzug [und] hintersichpringen ainen taphern ausschus von allen stenden machet, denselben von dem landtag den nägsten gen Augspurg zu uns vertiget, also das der auf der hl. dreyer Kgg. tag [6.1.10] allda sey. Daselbsthin wier dann zu den stenden des Reichs komen und zuvor mit den ausschüssen von unsern landen handlen welln. Darauf wellet auch demselben eurm ausschus vollmechtigen gewalt und bevelch geben, obgeschribner unser und unser land und leut ordnung, regiment, ordinanz, wesen, frid und rechten, auch irer obligen, notturft und mängl, darzue ainer trostlichen, austräglichn, ansechlichen hilf halben und damit die ordenlich, erschieslich und fruchtperlich gehalten, die geprechen und irrung, so bisher darin erschinen sein, abgestellt, gepessert und erstat werden, zu ausfuerung unsrer kriegsfuernemen auf die künftig sumerzeit mit uns und den ausschüssen von andern unsern landen, die wier gleicherweis beschreiben, zu handln, zu ratschlagen und auch on hindersichpringen zu besliessen, also was alda gehandlt und beschlossen, das soliches durch [euch] gemainlich ungewegert und getreulich vollzogen werde. Wellt auch hierauf so gehorsam, getreu und guetwillig erscheinen, uns und eu selbs zu eern, aufnemen, wolfart, friden und rue furdern und nit verlassen, als ir bisher getan habt, eu auch yetzo als zum genötigsten und austreglichstn zu tun gebürt, als wier uns zu euch als getreuen, frumen, gehorsamen landleuten und untertanen gnediglich und wol getrosten und versechn. Das wellen wier zusambt bisher bewisen eurn gehorsamen und guetwillign diensten in allen gnaden gegen eu bedenkn und erkennen und zu guet nit vergessen. Geben in unser stat und sloss Rofereit am 8. tag des monats Novembris Ao. domini 1509, unserer reich des röm. im 24. und des hungrischen im 20. jaren.

Anmerkungen

1
 Gemeint ist die Liga von Cambrai vom 10. Dezember 1508.