Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth
[1.] Verlangen der Eidgenossen nach Maßnahmen gegen den Zuzug von Kriegsknechten zum Kg. von Frankreich; [2.] Empfehlung zur Verbringung Hg. Massimiliano Sforzas an einen sicheren Ort; [3.] Vorbringen des Artikels der ksl. Instruktion über die Ernennung Massimiliano Sforzas zum Gubernator von Mailand; [4.] Vorschlag zur Beteiligung des Ks. an einem Kriegszug der Eidgenossen nach Burgund; [5.] Dementi einer angeblich geplanten Heirat Ehg. Karls mit einer Tochter Kg. Ludwigs von Frankreich; [6.] Antwort der Eidgenossen bzgl. ihrer Vereinbarungen mit den mailändischen Gesandten über eine neue Ordnung für das Hgt. Mailand; [7.] Wunsch der Eidgenossen nach Zurückstellung der Gespräche über einen Kriegszug nach Burgund; [8.] Verhandlungen der mailändischen Gesandten mit den Eidgenossen über die Neuordnung und Regierung des Hgt. Mailand.
Baden im Aargau, 14. September 1512
Wien, HHStA, RK, Maximiliana 28 (alt 21b) 1512 Sept., fol. 43-45, Orig. Pap. m. S.
[1.] [...] Wurden am 8. September (uf unser lb. Frauen tag nativitatis) zu den Eidgenossen gerufen. Diese erklärten überaus verärgert, sie hätten zum dritten Mal erfahren, daß zahlreiche Landsknechte, etwa 28 000, aus dem Reich und den ksl. Erbländern durch das Elsaß, den Sundgau und andere ksl. Gebiete hindurch dem Kg. von Frankreich zugezogen seien. Dies widerspreche der bestehenden Erbeinung ebenso wie den Zusagen des Ks. und gereiche ihnen zu erheblichem Nachteil. Sie wüßten nicht, was sie davon halten sollten und auf welcher Seite der Ks. stehe. Sie (die Gesandten) sollten sich beim Ks. dafür einsetzen, daß dieser den Zulauf beende und die dem Kg. von Frankreich bereits zugezogenen Hauptleute und Knechte unter Androhung erheblicher Strafen zurückgerufen würden, damit die Eidgenossen sich nicht selbst zur Wehr setzen müßten. Haben angesichts der großen Verstimmung der Eidgenossen in dieser Angelegenheit den Ks. entschuldigt. Da zudem die Gefahr besteht, daß besagte Landsknechte nicht nur gegen die Eidgenossen, sondern auch gegen den Ks. sowie die Kgg. von Spanien und England, auf die der Ks. baut, eingesetzt werden, empfehlen sie, der Ks. möge entsprechende Mandate an alle Reichsstände, insbesondere an Mgf. Philipp von Baden und Hg. Ulrich von Württemberg, aus deren Herrschaftsbereichen besonders viele Knechte stammen, schicken und dazu auffordern, keine weiteren Knechte durchzulassen und die schon zugezogenen zurückzubeordern. Wer sich weigert, dessen Besitz wird eingezogen und seine Familie vertrieben. Haben selbst bereits einen entsprechenden Befehl an das Regiment zu Ensisheim übermittelt.
[2.] Und nachdem das meylendisch volk, als wir vermerken, in vleissiger handelung und ubung ist, zu practiciren, damit Hg. Maximilian in das Hgt. eingesetzt werde, dweil er dann, als uns anlangt, itzo zu Persen [= Pergine] im schlos ligen soll und wir fursorg tragen, das aus listiger behendigkeit der Maylender haymlich zugericht, das er von dannen, villicht on willen euer ksl. Mt., gein Mayland bracht und daselbst nach gefallen der Aydgnossen und Maylender eingesetzt werden mocht, bedeucht uns fuglicher und besser seyn, das er etliche zeit nit daselbst und also nahe an den greinzen, sonder zu Rottemburg [= Rattenberg] oder Kufsteyn enthalten [werde], daselbst geschwynde, geverlich practiken baß wann zu Persen oder der ende verhut werden mochten, so lang, bis das euer ksl. Mt. inen als eynen gubernator irer Mt. gefallen nach in das gnant Hgt. komen last.
[3.] [...] Nachfolgende [haben wir] den artikel Hg. Maximilian antreffend, das der, zuvor und ehe der abschied nestgehalten tags euer ksl. Mt. zubracht, nach rate und beschlus Kff., Ff. und der stende des Reichs, auf itzigem reichstag zu Collen versamelt gewest, zu euer ksl. Mt. und des hl. Reichs gubernator des Hgt. Mayland bis uf der hl. dreyer Kgg. tag schirst [6.1.13] furgenomen reichstag angenomen und durch euer ksl. Mt. der maynung gnediglich abgefertigt [werde], [...] nach inhalt euer ksl. Mt. instruction, uns zugesandt [liegt nicht vor], mit dem allerbesten vleis und fugen getreuelichen anbracht und geworben.
[4.] Aber den artikel, die mes zu Leon und zug in Burgundi, auch den Hg. von Sophoy belangende, haben wir nit nach laut berurter instruction, sonder nach inhalt des schreybens und bevelchs, uns nachmals von euer ksl. Mt. zukomen [liegt nicht vor], dargetan, allein das wir die somma der geraisigen, noch uf wes kosten der zug beschehen solt, benantlich nit specificirt, sonder das aus ursachen, dweil wir gemerkt, das etwa viel der rete zu gedachtem zug nit lust oder naygung gehabt, umbgangen und underlassen und gesagt, das euer ksl. Mt. inen eynen dapfern raysigen zeug, nottorftige geschutz zu demselben zeug verordnen und zuschicken, wir auch, wie oder welicher gestalt derselb zeug furgenomen und vollenbracht, auch was ydem tayl von allem dem, so erobert wurden, volgen und werden solt, mit inen davon gern articuliren und handelen wollten, als wir auch von euer ksl. Mt. deshalb sunderlich bevelch hetten. [...]
[5.] Und als ein gemaine rede uf disem tag und in der Aydgnoschaft allenthalben erschollen und uns zu gehore bracht, wie euer ksl. Mt. von wegen Ehg. Karlens mit dem Kg. von Frankrich in namen seiner dochter in tractat und ubung eyns hayrats sein sollt, haben wir euer ksl. Mt. by den reten und sandboten zum besten entschuldigt der maynung, das wir alleyn hie und vormals nye keyn rede davon gehort noch einich schrift oder anzaig, weder von euer ksl. Mt. noch yemant anderm, davon ye gehabt, konten noch wusten aus bewegenden ursachen dem kaynen glauben geben, sonderlich, das des Kg. von Frankreich unversprochne dochter [Renata] Hg. Karlen am alter ganz ungemes und die elter [Claudia] dem von Angelem [= Franz von Orléans-Angoulême] vermahelt, und das der Kg. von Hispanien mit Frankrich diser zeit in ufner vehde steht, on desselben willen euer ksl. Mt. Hg. Karlen kaynswegs verhayraten werden. Aber wir achten, das solich rede durch die Franzosen, so euer ksl. Mt. nit bessers gonten, zu aufweckung vil unlustes und widerwillens erdichtet sein, mit bit, soliche rede fur unbeglaubte und iren werd zu achten und sich dardurch in kaynen mißtrauen bewegen zu lassen.
[6.] Am 13. September (gestern montag) haben die Eidgenossen auf die Werbung der ksl. Gesandten folgendermaßen geantwortet:
[...] Hg. Maximilian und das Hgt. Mayland antreffende, dweil sy aus unserm furtrag nit abnemen konten, wann oder wie balde derselb Hg. eingesetzt werden solt, und dann allem maylendischen volk und inen, als wir und meniglich ermessen mohten, vast beschwerlich, pfantlich und sorglich were, das berurt Hgt. mitler zeyt also ganz unfursehen, unbestelt und in irre oder far stehen und pleiben zu lassen, so hetten sy zu besser bestendigkeit und ableynung weiters unrats und geverlichkait mit den maylendischen oratoren der regierung und anderer ordenung und sachen halb tractirt und gehandelt und etlicher capitel und artikel sich deshalb, auch insonders des begerten gelts und pension halber miteinander geayniget und vertragen und konten des angeregten reichstags damit nit erwarten, sonder wollten in irem furnemen, als die merklich nottorft erfordert, furfaren und die ding ihres vermogens zum besten helfen fursehen und handhaben. Was aber euer ksl. Mt. und dem hl. Reich ihres aigentums, oberkait oder gerechtigkeit halb zustunde, des nehmen sy sich nit an, wollten auch euer ksl. Mt. nichts darein tragen. [...]
[7.] Wiewol uf jungstgehalten tag von eynem zug in Burgundi rede gehalten, auch dermassen in den abschid desselben tags vergriffen und von inen dermassen an ire obere bracht, so were doch dieselbe maynung itzo von uns geendert und in gestalt, als ob ein zug auf Leon und in Frankreich furgenomen und angeschickt werden solt, geworben. Dweil aber soliche verenderung nit an ire abrede gelangt, inen auch darauf kain bevelch, ichts davon zu handeln, gegeben und die sachen mit Mayland noch nit geendet oder hinuberbracht, sy auch des ents noch genug zu schaffen hetten, inen auch sunst anderer obligenden verhinderungen und ursachen halben diser zeit der zug gein Leon zu tun nit gemaynt noch gelegen sein wolt, so wusten sy weiter davon nit zu handeln, wolten darumb mit solicher antwort uns also unsern abschied gegeben haben. [...]
[8.] Die meylendischen orator haben, als wir versteen, mit den Aydgnossen von einer ordnung und regierung des Hgt. Mayland, auch versicherung ires gelts und pension, dazu etlicher flecken halber gehandelt und articulirt, aber welicher massen oder gestalt, haben wir nit konnen erfaren, doch soll zwuschen ine noch nit entlich beschlossen sein. Einer der beiden mailändischen Gesandten ist heute heimgeritten, die anderen beiden sind noch hier. Auch Hg. Massimiliano hat einen Vertreter hier gehabt, der aber nicht sonderlich in Erscheinung getreten ist. Geben zu Baden im Ergau am 14. tag Septembers Ao. etc. 12.