Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth
[1.] Möglicher Unmut der Tiroler Landstände über das Motiv für die Einberufung des Sterzinger Landtags; [2.] Ersuchen an die Landstände um Bewilligung einer weiteren Kriegshilfe und Beratung über Möglichkeiten zur Rettung Veronas; [3.] Ergebnisse der Besprechung mit den Landständen in Sachen Kriegshilfe und Beistand für Verona; [4.] Notwendigkeit rascher Verhandlungen mit den Reichsständen, den Erbländern und dem Schwäbischen Bund über eine Kriegshilfe; [5.] Gerüchte über eine Reise des Ks. in die Niederlande und die Stornierung des geplanten Reichstags, Warnung vor einer finanziellen Überbelastung Tirols; [6.] Völlige Erschöpfung der Innsbrucker Kammer.
Innsbruck, 15. Februar 1512
Wien, HHStA, RK, Maximiliana 26 (alt 20) 1512 Febr., fol. 49-53, Orig. Pap. m. S. (Vermerk fol. 53b: Regiment hie).
[1.] Sind nach Lektüre der (nicht vorliegenden) ksl. Instruktion für den zum 2. Februar (unser lb. Frauentag purificationis nechstverschinen) nach Sterzing anberaumten Landtag zu dem Ergebnis gekommen, wo bey der landschaft nicht anders geworben oder gehandelt solte werden dann das, so die instruction vermag, nemlich die zyl der vor zugesagten 20 000 fl. rh. zu kurzen, so möchte ain landschaft etwas unwillen emphahen, daz sy darumb abermals zusamenervordert weren, besonder, dieweil die ain fryst yetz auf invocavit [29.2.12] so kurz und die ander frist vor einpringung irer heurigen nutzung wein und getraids inen zu bezalen nit wol muglich ist.
[2.] Haben sich dennoch zum Landtag begeben und den Landständen Folgendes vorgetragen:
Nachdem nochmals kain frid oder bestand beslossen und gemacht, auch der krieg noch nicht zu seiner endschaft komen und man nit gewis ist, wann sich der endet, daz auch das aufhören des kriegs nit allain bey eur ksl. Mt., sonder auch bey den veinden steet, so seye not, mit inen ainer neuen hilf halben auf den somer zu handlen.
Zum andern, nachdem eur ksl. Mt. unzher vil und gros auf Bern [= Verona] gelegt und eur ksl. Mt. und disem land vil daran gelegen, und aber Bern yetz in grosser sorgfeltigkait seye, daz demnach davon geredt und geratslagt werd, ob Bern belegert und von den veinden understanden würd, dieselb stat eur ksl. Mt. abzudringen, wie inen alsdann widerstand beschehen und Bern entschütt werden möcht.
Soliche zwen artikel sein neben eur ksl. Mt. instruction und begeren umb kürzung der zil der vor zugesagten 20 000 fl. ainer landschaft, damit sy nit achten, daz sy umb so clainer ursachen willen zusamenerfordert sein, furgehalten und mit höchstem und pestem vleis angezaigt.
[3.] Darauf sy uns vil ir beswerd und mengel erzelt, die sy der langwirigen kriegsleufen, teglichen steuern und raysen halben gedulden haben muessen. Und besonder, so ziehen sy auch hoch an den schaden und nachtail, so inen von den kriegsknechten an irem durchziehen, daz sy yetz etliche mal in das Pustertal und ander enden von Bern aus und wider daselbsthin getan, beschehen ist, und sich deshalben ganz beswerlich erzaigt. Aber auf unser ernstlich handlung haben sy sich dannocht nichtdestmynder bewilligt, die 10 000 fl. der ersten frist auf yetzkomend invocavit zu bezalen und zu entrichten. Doch welhe seyder des nechstgehalden landtags zu berettung Bern oder Kofels zuezogen weren und hilf getan hetten, denselben solle solichs nach zimlichen dingen und gelegenhait ires darstreckens abgeen. Desgleichen achten wir, daz sich solh hilf auf das yetzig erst zyl nit über die 6000 fl. rh. laufen werd.
Dann der anderen 10 000 fl. rh. halben, die wir von inen inhalt eur ksl. Mt. bevelh auf den nechstkomenden St. Jörgentag [23.4.12] zu bezalen begert, haben sy uns vil ursachen, warumb inen das zu tun unmuglich sey, erzelt und über allen unseren angekerten fleys bey inen hierin weiters nit erlangen mugen, dann daz sy sich zuletst bewilligt heten, dieselb summa auf St. Bartlmestag schiristkünftig [24.8.12] zu bezalen. Dieweil wir aber bedacht, das von demselben St. Bartlmestag unz auf das vor bewilligt zyl Martini [11.11.12] nit vast lang, auch den von stetten und gerichten, auch den anderen stenden, solich bezalung zu tun, ganz beswerlich ist aus den ursachen, daz sy alsdann ire rent, zyns, nutz und gülten noch nit einpracht, auch ire wein und trayd noch nit verkauft, so haben wir das bey dem ersten zil beleiben lassen, damit sy die bezalung gewislichen auf St. Martinstag tuen und alsdann [nicht] weiter damit verziehen.
Zum dritten von wegen der hilf, die wir inen, wo kain frid oder anstand erlangt würd, auf den künftigen somer begert, haben sy uns solhs im anfang genzlichen abgeslagen und die ursachen ires unvermugens erzelt, aber auf unser vleissig handlung und anhalten sich zuletst bewilligt, soverr eur ksl. Mt. von den stenden des hl. Reichs, auch dem pund zu Swaben und eur ksl. Mt. erblichen landen ain ansechliche und treffenliche hilf erlang und dieselben in anzug komen, so alsdann sy umb hilf weiter ersuecht werden, so wollen sy sich gegen eur ksl. Mt. ires vermügens, daz inen unverweislich sein sol, gehorsamlich halten etc.
Bern halben, wie das versehen und entschütt solle werden, wiewol sy in demselben auch ir unvermugen, auch anders erzelen, daz sy nit schuldig seyen, die stat Bern zu entschütten, sich des auch nie angenomen oder understanden, so haben sy sich doch bewilligt in ansehung, waz eur ksl. Mt. diser zeit daran gelegen ist, wo Bern in dreyen monaten den nechsten belegert würde, daz sy alsdann zu rettung zueziehen und dasselb zu entschütten verhelfen wellen, wie dann eur ksl. Mt. aus dem abschid des landtags, den sy in geschrift gestellt haben und wir eur ksl. Mt. hiemit ain copey zuesenden [liegt nicht vor], aigentlich vernemen mag.
[4.] [...] Verrer so wirdet eur ksl. Mt. aus ainem anderen schreiben, daz wir eur Mt. hieneben tun [liegt nicht vor], nach der leng und grüntlichen vernemen, waz wir mit dem Ureas, des Kg. von Aragon orator, gehandelt haben, und sonderlichen den verzug des frydens oder bestands und warauf die sachen diser zeit steen. Von denselben hendlen haben wir treffenlichen disputiert und bewegen, dieweil der frid oder bestand dermassen in zweifl steet, daz deshalben und nach gestalt aller sachen not und gut ist, daz eur ksl. Mt. hierin furter kain stund feyret, sonder sich eylends und on alles verziehen bey den stenden des Reichs, auch eur ksl. Mt. erblichen landen und den verwanten des swebischen punds umb treffenlich hilf arbait. Und damit aber solichs dest paß und gelegenlicher beschehen und erlangt werden möcht, so were nochmals unser gutbedunken, wie wir eur ksl. Mt. vor zu mermalen auch angezaigt haben, das sich eur ksl. Mt. furderlichen gen Augspurg verfueget, des Reichs stend daselbs ankomen liess und alsdann mit inen umb solh hilf handlet, daz auch eur ksl. Mt. daentzwischen beratslagen liess, wie und auf was grund und gestalt eur ksl. Mt. die hilf von den verwanten des swebischen punds und eur ksl. Mt. erblichen landen begeren und ervordern wolt, damit aines mit oder neben dem andern zuegieng, dann daz eur Mt. und derselben land und leut notturft groslich ervordert, angesehen, daz die zeit auf den yetz angenden somer kurz und sich wol zu versehen ist, daz die veind nit stillsteen, in sonderhait, wie sy sehen werden, daz man nit ernstlich gegen inen handlet oder gefast ist.
[5.] Uns gelangt auch an, daz under der gemain ain red und geschray sey, als sol eur ksl. Mt. des willens sein, in die Niderland zu ziehen. Wo das also beschehe und eur ksl. Mt. in den sachen feyern, auch den reichstag nit halden oder in ander weg treffenlich hilf tun, so wurde aller last auf disem land ligen, und sonderlich, so Bern nit underhalten werden möcht und deshalben wider in der veind hand keme, so hetten sy von stund an den krieg im land. So vernymbt eur ksl. Mt. aus disem unserm schreiben und unserm vorigen manigfeltigen anzaigen, wie dits land gehelligt, erschöpft und dahin gebracht ist, das in irem vermugen nit were, den veinden widerstand zu tun, und wurden also zu grossem unlust und widerwillen gedrungen, daz zu besorgen, solhs were hart zu widerpringen oder möchten zulest selbs gedenken, frid oder anstand zu machen, damit sy sich vor grossem verderben und schaden verhueten.
[6.] Ob man dann gern von eur ksl. Mt. camergut diser camer hie auf underhaltung Bern und zu andern notturften das pest tet, so ist doch solhs nit in der camer vermugen noch ainich weg oder mitl in disem land mer vorhanden, darauf ainicherlay aufbracht oder gehandelt werden möcht, wie dann eur ksl. Mt. solichs zu vil malen bericht und genzlich an im selbs also ist, auch, wo das eur ksl. Mt. begert, noch leuterer von post zu post anzaigt werden mag, dann es ist auf den langwirigen krieg von diser camer und derselben einkomen mer aufpracht und ausgegeben, wann wir uns selbs vertröst oder zu beschehen muglichen geacht hetten. Das alles well eur ksl. Mt. von uns underteniger, schuldiger phlicht gnediglichen vermerken und uns alzeit bevolhen haben. Datum Ynnsprugg am 15. tag February Ao. etc. duodecimo.