Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth
[1.] Regelung der Erbhuldigungen und Lehenspflichten gegenüber den Landgff. Wilhelm d. Ä. und Philipp; [2.] Berufung der Hgg. von Sachsen zu Kuratoren, ihre Aufgaben; [3.] Wohnsitznahme und ftl. Versorgung Landgf. Wilhelms und seiner Familie in Kassel oder Marburg; [4.] Schutz des Landgf. vor Gewalt und Vertragsverstößen; [5.] Berufung eines Hofmeisters; [6.] Zusammensetzung des Hofstaats Landgf. Wilhelms; [7.] Zusammensetzung des Hofstaats Landgf.in Annas; [8.] Versorgung der landgfl. Familie durch das Regiment; [9.] Erlaubnis zur Jagdausübung; [10.] Regelungen in Sachen Wittum, Morgengabe und Witwensitz der Landgf.in; [11.] Ausstattung Melsungens als Witwensitz; [12.] Überprüfung der auswärtigen Zehrungskosten der landgfl. Familie durch ksl. Kommissare; [13.] Offenlegung der Verschreibungen Landgf. Wilhelms; [14.] Verwendung Spangenbergs und Melsungens; [15.] Melsungen als Witwensitz der Landgf.in; [16.] Ausstattung der Tochter weltlichen Stands; [17.] Versorgung der Töchter geistlichen Stands; [18.] Vollständiges Ende aller Konflikte, Rückmeldung der Kuratoren an den Ks. bei auftretenden Problemen.
Köln, 7. August 1512
Konz.: Wien, HHStA, RK, Maximiliana 27 (alt 21a) 1512 Juli, fol. 61a-66b (auf dem Deckblatt fol. 60a: Gütlich mittel und fürslege von wegen röm. ksl. Mt., unsers allergnst. H., durch irer Mt. camerrichter [Gf. Sigmund zum Haag] und ander meiner gn. frau [Landgf.in Anna] in der kirchen zum Augustinern alhie zu Collen etc. ubergeben sambstags nach vincula Petri Ao. domini 1500 duodecimo [7.8.12]; darunter: Hessen); Ebd., fol. 68a-74b (mit einigen wenigen Korrekturen, Vorstufe zur Vorlage).
Röm. ksl. Mt., unsers allergnst H., mittel und fürsleg zwischen Landgf. Wilhalm von Hessen und landhofmeister und regenten des Ft. Hessen.
[1.] A. Anfenglichen, als nach abgang weilend Landgf. Wilhelms von Hessen des mittlern die landschaft des Ft. Hessen erbhuldung, lehen und ander phlicht getan in der gestalt, das ein landschaft Landgf. Philippsen, obgemelts Landgf. Wilhalm verlassen sune, und seinen leibslehenserben a–und ob derselb an leibslehenserben–a abgienge, alsdann Landgf. Wilhelmen [d. Ä.], ob der in leben were, oder seinen erblichen leibslehenserben, wo er der auch verlassen hette, gehorsam und gewertig zu sein etc., bey denselben erbhuldigungen, lehen- und andern phlichten sol es beleiben, auch furter dermassen und nit anders gehalten werden. Doch sollen dieselben erbhuldigungen, lehen- und ander phlicht b–, so beschehen sein und hinfür beschehen werden,–b hierinnen sonderlich declariert sein, das solhe Landgf. Wilhelm und seinen leibslehenserben vor und nach in all weg zu allen iren gerechtigkaiten mit begriffen und tailhaftig machen c–und sein–c sollen, dergestalt, wo der almechtig Got Landgf. Wilhalm sein gesundhait widerumb verleihen, also das er zu regierung vermüglichen und geschickt sein und, wie sich gebürt, restituirt, oder das ime von Got eelich leibserben verlyhen wurde, so sollen die gemelten erbhuldigungen, lehen- und ander phlicht d–, wie vorgemelt ist,–d dem obgedachten Landgf. Wilhalmen unabbruchig sein, sonder ime und seinen erblichen leibslehenerben, ob er die, wie obstet, überkeme, alles das volgen und werden, darzue sy gerechtigkait haben, unangesehen, ob Landgf. Philips derselben zeit in leben sein oder leibslehenserben haben wurd oder nit. Es wil auch röm. ksl. Mt. uber solhen artikel ain genugsam declaration, disem artikel gleichmessig, tun. Desgleichen sollen sich die gegenwürtigen und kunftigen regenten genugsamlich verschreiben und verphlichten, das angezaigter artikel dermassen und nit anders gehalten werden sol. Darzue, so Landgf. Philips zu seinen mündigen jaren komet und die regierung selbs annemen wirdet, das alsdann die regenten ime des regiments nit abtreten e–, sy haben dann zuvor allen muglichen und ernstlichen vleiss bey im angekert, daz er sich–e zuvor genugsamlich verschriebe und verphlicht, obangezaigten artikeln zu leben und nachzukumen.
[2.] B. Ferrer, nachdem gemelter Landgf. Wilhalm zu Hessen diser zeit villeicht mit plodigkait seins leibs beladen ist, wil röm. ksl. Mt., unser allergnst. und oberherr, Kf. und Ff. von Sachsen, gebrueder, samentlich zu curatoren, wie sich gebürt, verordnen und zuegeben laut der brief, so ir ksl. Mt. deshalben sonderlich ausgeen lassen wirdet, also das dieselben Kf. und Ff. gemeltem Landgf. Wilhalmen in aller massen wie Landgf. Philipsen zu Hessen zu ains yeden gerechtigkait nach irem pesten und höchsten vleis und vermügen als curatorn vorsteen und tun sollen, darzu bey dem regiment, so sy mitsambt der landschaft in dem Ft. Hessen verordent haben, darob und daran sein, das gemeltem Landgf. Wilhalm, seiner gemahel [Landgf.in Anna] und kindern das, wie vor und hernach begriffen ist, volzogen und sonst allenthalben in allen sachen, ganz nichts ausgenomen, in baider Ff. namen zu ir yedes gerechtigkait, wie vorstet, das pest und nützist gehandelt und regiert werden solle. Des sich dann die gemelten Kf. und Ff. von Sachsen gnugsamlich verschreiben sollen.
[3.] C. Es sol sich auch Landgf. Wilhalm von Hessen mitsambt seiner gemahel und kindern darauf in das Ft. zu Hessen fuegen und ir ftl. wonung, stand und wesen mit irem hofgesind zu Cassel, Marpurg oder wo es zu yeder zeit sterbender oder ander leuf halben mit rat oder fuglichen sein kan und der hof Landgf. Philipsen und des regiments gehalten wirdet, wonen. Und sollen gemelter Landgf., sein gemahel und kinder daselbs durch die regenten zu Hessen nach laut des stats und dis vertrags, wie derselb hernach volgen wirdet, ordenlichen, ftl. und eerlichen underhalten f–und auch mit erlichen zimern in den slossen versehen–f werden. Wolte aber der Ff. ainer aus seiner notdurft oder lust besonder essen und zu zeiten im gejaid oder lustheusern sein, sol inen nichts abgeslagen, sonder nach der zeit und gelegenhait zimblichen gestatt werden.
[4.] D. Es sol auch gegen gedachtem Landgf. Wilhalmen [und] seinem gemahel samentlich oder sonderlich kainerlay gwalt oder ichts anders unbillichs zuegezogen oder widerfarn, sonder bey disem vertrag, wie der aufgericht wirdet, gelassen, geschützt und geschirmbt und dawider g–in kain weg–g nit getan werden.
[5.] E. Verrer, so wil die ksl. Mt. yetzo und zu stund an ain tapfere und verstendige person, vom adel und aus dem Ft. Hessen geborn, Landgf. Wilhalmen h–als ainen hofmaister–h zueordnen, die seiner ftl. Gn. person in guter acht und, sovil ymer müglich sey, auf sein person embsiglichen und vleissiglichen wart und ain aufsehen auf derselben swachait habe. Und daz auch die und ander seine diener treulichen und vleissiglichen dienen und zu ainer yeden zeit den regenten die i–gelegenhaiten gedachts Landgf. person–i anzaigen, die auch darinnen mit artzten und anderm, so not ist, nach allem irem vermügen fürsehung tun sollen. Und ob der gemelt hofmeister mit tod abgieng oder sonst nit lenger beleiben wollt, sol alle zeit durch das regiment mit wissen ksl. Mt. ain andere tapfere person aus dem Ft. zu Hessen zu solhem furgenomen werden.
[6.] F. Item der stat Landgf. Wilhalm von Hessen: Fur sein person 8 hengst und pherd; hofmaister 4 pferd, 4 person; schenk 2 pherd, 2 person; 2 truchsess, yeder 2 pherd; fürschneider 2 pherd, 2 person; 2 edelman, yeder mit 2 pherd, 4 pherd; 4 edelknaben 4 person; artzt 2 person; veldtrumeter 1 pherd, 1 person; wagenpherd 4 pherd, 2 person; derselb wagen sol auf die Landgf.in warten zu irer notdurft, wann sy ausfaren wil; es sol auch noch ain wagen gehalten werden, und so man den gebrauchen wil, sollen das regiment die wagenpherd darzu verordnen; item 6 officierpersonen; darin sol gerechent sein camerknecht, caplan und ander notdürftig officir, doch nicht uber die anzal der 6 personen; 6 gemaine pherd fur dieselben officir. Item fur des Landgf. pherd und der 6 officirpherd sollen notdürftig marstaller gehalten und bestellt werden.
[7.] G. Item der Landgf.in stat: Landgf.in und ir tochter, hofmaister 3 pherd, 3 person; hofmaisterin; 6 edeljunkfrauen; 2 camermaid; camerfrau; caplan; 2 edelknaben; türhueter 1 pherd, 1 person; furschneider 2 pherd, 2 person; schenk 2 pherd, 2 person; trugsess 2 pherd, 2 person; schneider; mundkoch; camerknecht.
Item die obangezaigten personen, was vom adel ist oder groß officier, sollen aus dem Ft. Hessen geborn sein, ausgeslossen 2 vom adl, die mogen aus andern landen sein, desgleich die gemainen dinstknecht. Und ob Landgf. Wilhalm aus obgemelten personen ainer oder mer misfallen hett oder die nit taugenlich weren, sollen ander an ir stat mit wissen des verordenten hofmaisters aufgenomen und bestellt werden, doch des hofmaister halben sol es gehalten werden, wie vorsteet.
[8.] H. Weiter sollen die regenten gedachten Landgf. Wilhalm, auch seinen gemahel und tochter, desgleichen alles ir frauenzymer und hofgesind mit klaidung, sold und aller ander notdurft j–, nichts ausgenomen,–j eerlichen versehen, auch inen auf ain yede fronvasten 200 fl. rh. zu opfergelt raichen. Und ob sonst des und ander underhaltung halben weiters zu tun von nöten sein oder furfallen würde, das sol durch die regenten auch mit vleiss volzogen werden.
[9.] I. Es sol auch Landgf. Wilhelm sambt seiner gemahel, gejaid, waidwerch und ander ftl. lust zu irer ergötzlicheit zimblichen zu gebrauchen, gestatt und darzue geholfen werden.
[10.] K.k Antreffend den widem und morgengab der Landgf.in, auch iren widemsitz, genannt Melsungen, darauf ist ksl. Mt. maynung, das der Landgf.in ir widem gehalten werde nach laut brief und sigel, so darüber aufgericht und vorhanden sein. Und ob aber in solhem auch beswerung were, das die yetzo von stund an hie ksl. Mt. durch die parteyen angenomen angezaigt werden. So wil ir ksl. Mt. vleis ankeren, sy derselben guetlichen und freundlichen zu vertragen. Möcht aber solhs ye nit sein, so wil ir ksl. Mt. den Bf. von Wirzburg und Gf. Micheln von Wertheim zu commissarien verordnen. Die sollen die sachen alsdann im land zu Hessen hören und alsdann entlichen entschaiden. Und nach laut desselben entschaids sol es alsdann gehalten und volzogen werden.
[11.] L. Antreffend den pau zu Melsungen will die ksl. Mt., daz die regenten daselbst sovil pauen und zuerichten, das die Landgf.in daselbst erlichen sein mug.
[12.] M. Dann von wegen des artikels antreffend die schulden und das, so Landgf. Wilhalm seider diser zeit, als er aus dem land zu Hessen komen ist, verschriben und verzert hat, erkennt die ksl. Mt., das irer ksl. Mt. lauter und clar anzaigen beschehen sol des gedachten Landgf. Wilhelms und seiner gemahel zerung. So will ir ksl. Mt. selbst commissarien, die irer Mt. verphlicht sein, darzue verordnen, und wes ir Mt. durch dieselben commissarien befindt, das zimblichen verzert sey, dasselb sol alsdann durch das regiment zu Hessen bemeltem Landgf. und seiner gemahl entricht und bezalt werden.
[13.] N. Dann der verschreibung halben ist nochmals ksl. Mt. begeren, das die Landgf.in ksl. Mt. gleublichen und ordenlichen anzaig, was bemelter ir gmahel seider der zeit, als er aus dem Ft. Hessen kumen ist, verschriben hab, wer auch dieselben personen sein. So dann ir Mt. desselben wissen hab, wolle ir Mt. alsdann abermals ir Mt. willen und maynung darinnen eroffnen.
[14.] O.l Antreffend sloss und stat Spangenberg, auch sloß und stat Melsungen, dieselben sollen mit allen renten und zugehorungen auf obbestimbt des Landgf., seiner gemahel und kinder underhaltung wie ander des Ft. sloss und stat gebraucht, ingenomen und gehalten werden.
[15.] P.m Wo sich aber begeb, das Landgf. Wilhelm vor seiner gemahel mit tod abgieng und dieselben sein gemahel laut irer widemb ziehen würde, sollen ir die regenten obbemelt sloss und stat Melsungen mit irem zugehoren laut irer verschreibung als iren widemb einantwurten und das sloss Melsungen als iren ansess in zimblichen pau halten und versehen. Und des irtumbs halben sol es gehalten werden, wie dann ain artikel hievor desgleichen anzaigen tut.
[16.] Q.n Dann von wegen gedachts Landgf. Wilhelms von Hessen eelichen weltliche tochter [Elisabeth], so noch nicht verheirat ist, soll dieselb mit ftl. klaidern, klainaten und aussteuren versehen werden, wie ir als ainer gebornen F.in von Hessen laut der verschreibungen und vertrag, deshalben aufgericht, zugebürt.
[17.] R.o Dann der geistlichen tochter [Mechthild und Anna] halben sol es beleiben bey den 50 fl. jerlicher gült, so yeglicher tochter gegeben ist, die mit 1000 fl. abzulosen. Doch aus beweglichen ursachen ist ksl. Mt. maynung, das yeglicher tochter in das closter, darin sy ist,1 jerlichen noch 50 fl. rh. ir leben lang und nit weiter gegeben werden.
[18.] p–S. Als die Landgf.in begert, ir vergnügen zu tun umb des willen, das sy ir tochter bisher erzogen und underhalten hab, ist ksl. Mt. maynung, daz das regiment zu Hessen ir ain erlich klainat darfur geben, das ungeverlich 1000 fl. rh. werd sein sol.–p
[18.] T.q Und auf solhs alles sollen all ungnad, widerwillen und irrungen, so sich zwischen allen tailen, auch ir yedes verwandten vom adel und andern begeben und verlaufen hat, tod und ab sein und kainer obbemelter irrungen halben gegen dem andern mit gwalt r–oder sonst in ander weg, wie di sein mocht,–r ganz nichts fürnemen oder handeln und alle gefangen, so sy zu baiden tailen s–diser sachen halben–s in fengnus und verhaft haben, ledigen und ain yder zu dem seinen, so er vor solher vengnus gehabt und ingenomen worden were, t–on all verrer auszug und waigerung–t kumen lassen und einantwurten und disem vertrag gestracks leben und volziehen, den halten und dawider nit tun in kain weis noch wege. Wurd sich aber begeben, daz u–obgenanten parteyn oder–u obgemelter Landgf. Wilhalm, seiner gemahel und tochter underhaltung halben oder sunst in ander wege in ainem oder merern artikeln dises vertrags irrungen oder misverstand einfielen v–und des durch die vormund und curator oder under yn selbs gütlich nit vertragen werden mochten, so sol ksl. Mt. in demselbigen allem allzeit erklerung und beschaid tun und geben. Darbey es alsdann ungewaigert beleiben und dem gelebt werden.