Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Bericht ksl. Räte über das inständige Hilfeersuchen Landgf.in Annas an den Ks., dessen Abreise aus Trier, Weiterbehandlung der Bitte durch ksl. Räte, Ersuchen um Zahlung durch Landgf. Wilhelm geschuldeter 2000 fl. in Oppenheim; [2.] Ablehnende Antwort der sächsischen und hessischen Gesandten; [3.] Nichtvollzug des ksl. Verlangens nach Zahlung von jährlich 600 fl. an den Landgf.; [4.] Widerstand des Ks. gegen eine erzwungene Rückführung Landgf. Wilhelms nach Hessen; [5.] Rechtfertigende Antwort der Gesandten; [6.] Neuerliches Vermittlungsangebot der ksl. Räte.

[Trier], 23. Mai 1512

Dresden, HStA, GR, Loc. 8675/1, fol. 296a-299a, Orig. Pap.

[1.] Am nechstvergangen sonntag exaudi [23.5.12] nach mittagsessen han die ksl. rete, der von Zorn, hofmeister, und Serntein, canzler etc., nach den sechsischen reten und uns, hessischer botschaft, geschigkt und, zu sich in meins H. von Bambergs herberg zu kommen, erfordert, dahin wir allerteyls komen sein. Hat der hofmeister erzalt und mit langen worten auf maynung, welhermassen meine gn. frau, die Landgf.in, ksl. Mt. sambt iren dochtern vilfeltig angelaufen, zu fuß gefallen und irer sachen, das sye mit irem gemahel [Landgf. Wilhelm d. Ä.] und dochtern untreglich armut, hunger und kommer leyden, mit underteniger bit, einsehen zu haben, domit solichs abgeschafft und ir gemahel zu dem gelassen werde, das im von göttlichen rechten zustee, und nit zu gestaten, im daz durch die regenten lenger furzuhalten. So hetten auch die Kff., Ff. und stende des Reichs ein fürbit auf ir anruefen für sy getan, als inen wol gezimbt gehabt. Darauf ksl. Mt. den stenden hab ansagen lassen, seiner Mt. rete bey die stende zu verordnen, den handel zu verhören und darinnen nach billicheit zu handlen. Als aber ksl. Mt. furgefallen, das sye sich mit kurzem aufbruch von dannen erhaben, het ir Mt. inen davon ernsten befelh getan, die handlung desselben zu volziehen. So aber hievon nymand, weder den formundern ader den regenten, bevelh haben wollt, wer die handlung unverfenglich furzunemen. So aber die Landgf.in solhs vermerkt, wer sye des tags im tum zu inen komen und inen angesagt, das sye solhs aufhalts nit lenger erwarten möge. Wollt ir nicht furderlich geholfen werden, hab sye ir furgenomen und ernstlich furgesazt, ksl. Mt. nachzuraysen und zu suechen, wo sye zu finden were, in hoffnung, das sye mit stattlicher hilf nicht verlassen werden sollen. Sye heten iren Gn. wider gesagt, das ksl. Mt. inen der sache halben befelh getan hetten. Weren sye willig, sambt den stenden des Reichs tage anzusezen, die vormünder und regenten darbey zu bescheiden. Hett ir Gn. gesagt, sy könnt ader mocht des nit erwarten, dann ir gemahel und sye hetten zu Oppenheym schuld gemacht, dafür iren treuen und glauben versezt, dermaß, wo die auf nechstkunftige pfingsten [30.5.12] nicht bezalt würde, zu Oppenheym einzureiten und zu halten. Das nötige sye, ksl. Mt. nachzureysen, ine aus solhen noten zu helfen. Nu sehen sye den handel dafür an, wo ir Gn. ksl. Mt. nachziehe, möcht sye frau Margarethen, ksl. Mt. dochter, anlaufen und sye zu fürbitterin erlangen, das dodurch ksl. Mt. möcht bewegt werden, ichts im handel zu vorschaffen, daz villeicht ferner beschwerung nach im tragen würde. Das sye als die, so die sach guet meynen, nit gerne sehen, auch treulich leid were, und davon ir treuer rat und wolmaynung were, die wege zu suechen, daz die schult zu Oppenheym bezalt ader gestillet würde. Hetten sye zuversicht, es sollt alsdann die handlung dest stattlicher zu berichten und hinzulegen seyn. Darin sye allen besten möglichen fleis gern ankeren wollten.

[2.] Die sechsischen rete und Hessen botschaft han nach bedacht und repetirung etc. dagegen erzelung getan, das sye, in disen sachen ichts zu handeln, ganz keinen befelh haben. So tragen auch die ksl. rete selbs wissen, was hiefür Hg. Friderichen, Kf. etc., durch röm. ksl. Mt. in der sachen zu abschiede worden, auch volgends zugeschriben sey, des sye alsbald copeyen furlegten. Demselben nachzukomen nye mangel gewesen wer, auch noch nicht sein sollt, das aber die Landgf.in dem nicht nachgienge, sich darüber auslendig hielte, vil unnütz volks zu sich züge und damit vil schuld macht. Das sye darüber mangel lyde, das hett sye nye yemand anders dann ir selbst zuzuachten. Wo sye aber daran gewisen würd, sich des abschids zu gehalten, als billich, wer ir einichs weeclagens ane not. Würden aber von ksl. Mt. tage angesezt und die vormünder darbey bescheiden, wer die zuvorsicht, sye wurden dene beschicken und des bey inen gar kainen mangel finden lassen.

[3.] Sagt der hofmaister ferner, ksl. Mt. hett auch neben dem abschid geschafft, daz Landgf. Wilhalm sollten by des alle monat 600 fl. gereicht werden bis zu endschaft der sachen, dann er mueßt ye mitler zeit [etwas] haben, davon er lebt, mit disen worten angehengt: quid interim. Dem würd nicht nachgangen und sich also understanden, inen mit in daz land zu Hessen zu nötigen, als sollt gesagt werden: Du wirst daz tuen ader hunger leyden muessen, wie gleich ader zimlich were, aber das mit mer gesellenworten, die sich hin und wider begaben.

[4.] Der hofmaister sagt ferner, Hg. Friderich, Kf., hett wol alles darauf gelegen, den Landgf. wider in Hessen zu haben. Der Ks. nem aber nit ein Kgr., daz er inen dohin antwortet, dann er sey auf gnad zu im geflohen.

[5.] Inen ist dargegen gesagt, unser hab keyner nie mehr gehört, das man Landgf. Wilhalmen des monats 600 fl. geben sollt. Es würde auch mit beschwerung zugehn muessen, dann er hab Spangenberg und sein gemahel Milsingen, iren wydem, innen, davon sye nit clein einkomens haben. Und darüber solh gelt zu geben, daz mer dem unnützen volk, so sich zu im tuen und die Landgf.in an sich henkt, dann im zu guet raicht, das wer übel bewandt, auch nicht clein beschwerlich, ganzer zuversicht, ksl. Mt. maynung nicht sein soll, so sein Mt. der gelegenheit ferner bericht werd.

[6.] Nach vilem verlaufen und reden han ksl. rete furgeslagen, ir treuer rat sey, das der Landgf.in nit statt gegeben werde, ksl. Mt. nachzuraysen. Sye mogen gar nichts guets achten, daraus zu bekomen, und würd ksl. Mt. dofür ansehen, er würd gar verachtet. Das möcht wege erreyssen, die nit guet weren und Hessen zu grosem unrat raichen möchten. Das man schaff, daz auf pfingsten die 2000 fl. zu Oppenheym ausgericht werden. Wollten sye einen tag ansetzen und sich ganz versehen, die sach soll guetlich hingelegt werden. Und daz man an dem gelde kein beswerung trage, unrat damit zu verkomen, oder das es die maynung habe, als ob die regenten ksl. Mt. solh gelt leihen und darbey von ksl. Mt., auch den regenten geschigkt und davon uberantwort würde, des man es schuldig ist. Truege die schult mynder, so geb man des gelts auch mynder, wer der schult mer, sollt man doch über 2000 fl. nicht geben. Daz sey ir treuer rat. Woll man aber nicht volgen, auch keinen befelh haben, darzu die angesetzten tage nicht besuechen, muessen sye es lassen geschehn. Dann nach dem montag nach misericordia domini [26.4.12] bis her hett man zu dem handel schicken mogen, wo man sust darzu gesynnt were. Sy wollten auch mit ganzen treuen raten, das wir disen furslag an die regenten gelangen liessen. Wollten sye in ksl. Mt. namen darbey schreiben und einen tag ansezen, damit die handlung dest statlicher volgen und gehn würden. Das hat man inen nit wollen abslahen, so sye so ernstlich und ungesteumlich anhalten.

Sych begaben sust allerlay red hin und wider, die mir nit wol möglich nachzuschreiben, aber die summa der handlung ist meins behalts angezaigt.