Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Verhandlungen mit Kg. Maximilian über ein Appellationsprivileg für Nürnberg und über die kgl. Bestätigung der böhmischen Lehen Nürnbergs; [2.] Finanzierung der Mission Toplers; [3.] Unterstützung einer Angelegenheit Dr. Johann Letschers; [4.] Beschwerde Mgf. Friedrichs von Brandenburg-Ansbach über neue Nürnberger Wehranlagen; [5.] Beschwerde Kf. Philipps von der Pfalz über Nürnberger Übergriffe.

Nürnberg, 27. April/2. Mai 1507 (eritag nach jubilate/suntag cantate); präs. Konstanz, 6. Mai.

Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Briefbücher 59, fol. 41–42, 55–57 (Kop., Verm. auf dem Zettel: Item wiewol der brief auf zeit seins datumbs [= 27.4.] gefertigt, ist er doch biß auf datum dieser zettel [= 2.5.] verzogen.).

Regest: Gümbel, Berichte, S. 288 Anm. 2 und 4.

[1.] Bestätigen den Empfang seines durch den Boten Erhard Goller (Göler)1  zugestellten Berichts vom 16. April [Nrr. 53/59/98]. Stimmen seinem Vorschlag zu, sich um zwei getrennte Gerichtsprivilegien zu bemühen. Übersenden ihm beiliegend zwei entsprechende Entwürfe.2 Er ist bevollmächtigt, dafür und für die Konfirmation der böhmischen Lehen bis zu 1200 fl.rh. bar auszugeben. Falls er eine Verrechnung mit den kgl. Schulden gegenüber Nürnberg erreicht, so sind sie mit dem Abzug von bis zu 1500 fl. einverstanden; zusätzlich ist er in diesem Fall ermächtigt, dem Kg. die noch ausstehende Stadtsteuer vom vergangenen Jahr in Höhe von 900 fl. bar auszubezahlen. Falls die allgemein für Gerichtssachen geltende Appellationsfreiheit auf 200 fl. begrenzt bleiben sollte, sind sie in Erwägung der in seinem Bericht angesprochenen Aspekte damit einverstanden. Doch die Gerichtsfreiheit bezüglich Handelsangelegenheiten, Immobilien und Ratsdekreten (gepot) soll gemäß dem Entwurf ohne Beschränkung hinsichtlich des Streitwerts gelten.

[2.] Wider Erwarten konnte die Stadt Straßburg ihm keine 2000 fl. für seinen Unterhalt und andere Ausgaben auszahlen. Sie können dort auch nicht anderweitig Geld aufbringen. Deshalb haben sie beschlossen, mit der nächsten Warenlieferung einige hundert fl. zu schicken. An dem für seine Angelegenheiten notwendigen Geld soll es nicht fehlen. Ersuchen ihn, sich wie bisher nach Kräften für die Nürnberger Angelegenheiten einzusetzen.

[3.] [PS] Dr. Johann Letscher hat sie über eine Angelegenheit informiert, wegen der er bereits mit ihm, Topler, korrespondierte. Weisen ihn an, sich neben Sixtus Ölhafen für Letscher zu verwenden und ihm das in der [kgl.] Kanzlei oder sonst benötigte Geld vorzustrecken.3

[4.] [Zettel vom 2. Mai] Auf dem Schwäbischen Bundestag in Augsburg erhoben Gesandte Mgf. Friedrichs Beschwerde, daß Nürnberg den Entscheid des Bundes4 über die Niederlegung der Landwehr vor der Stadt nicht vollzogen habe, und beantragten zum 24. Mai (pfingstfeiertag) die Bewilligung einer Bundeshilfe.5 Die Nürnberger Vertreter eröffneten der Bundesversammlung daraufhin, daß der Kg. die Nürnberger Appellation vom Entscheid des Bundes nicht angenommen, sondern durch ein Mandat [Nr. 616, Anm. 1] die Umsetzung des Urteils gefordert habe. Da dies inzwischen geschehen sei, sei der Antrag Brandenburgs unnötig. Daraufhin wurde die Angelegenheit bis zum Überlinger Bundestag vertagt. Sie befürchten, daß Mgf. Kasimir auf Veranlassung seines Vaters [Mgf. Friedrich] die Angelegenheit gegenüber dem Kg. zur Sprache bringen oder der Schwäbische Bund eine kgl. Deklaration über die Niederlegung der Schranken und Verfüllung der Gräben verlangen könnte. Bitten ihn, den Nürnberger Gesandten [zum Bundestag] in dieser Sache zu unterstützen und auch selbst diskret tätig zu werden; und doch die sachen in solchem und anderm nachvolgenden artikeln dermassen furnemen, uf das eur erwird nit hoch verargwont und in raten gesundert, dann das were nachgeenden unseren handlungen am kgl. hof nit dinstlich. Voraussichtlich wird der Bund den Vollzug seiner Entscheidung zur Abtragung der Nürnberger Anlagen durch Kommissare überprüfen lassen. Sie sind der Meinung, die Entscheidung darüber nicht den Kommissaren zu überlassen, denn diese werden nicht feststellen können, ob der Schiedsspruch umgesetzt wurde oder nicht. Bitten ihn deshalb, sich mit vertrauenswürdigen Bundesräten ins Einvernehmen zu setzen, damit die Kommissare instruiert werden, vor Ort die von Nürnberg benannten Zeugen zu befragen. Ein entsprechender Auftrag erging an Holzschuher.

[5.] Die kurpfälzischen Gesandten beklagten auf dem Schwäbischen Bundestag in Augsburg Übergriffe Nürnbergs während des Waffenstillstandes und in der Folge, brachten den Streit um Velden, Betzenstein, Haimburg, Heinzburg und Deinschwang vor und beschwerten sich über Angriffe Heinz Kerlings vom Nürnberger Territorium aus. Die Vertreter Nürnbergs auf dem Bundestag lehnten jegliche Debatte und auch ein gütliches oder rechtliches Verfahren vor dem Bund ab, indem sie seine Nichtzuständigkeit geltend machten. Sie legten jedoch ausführlich alle Umstände dieser Angelegenheiten dar [Nr. 556, Anm. 1]. Die Bundesversammlung faßte keinen Beschluß. Sie wurden jedoch informiert, daß der Kf. beabsichtigt, Nürnberg beim Kg. zu verklagen. Holzschuher hat für diesen Fall Anweisung, sich in keine Verhandlungen einzulassen.6

Anmerkungen

1
 Vermutlich identisch mit dem bei Fleischmann (Reichssteuerregister, Nr. 2675) aufgeführten Eberhard Goller.
2
 Liegen nicht vor.
3
 Die Hh. Älteren baten auch den kgl. Sekretär Sixtus Ölhafen, Letscher weiterhin in der bewußten Angelegenheit beim Kg. zu unterstützen, und verwiesen ihn bzgl. des dafür benötigten Geldes auf Topler (Kop. Nürnberg, eritag nach dem sonntag jubilate [27.4.]1507;StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Briefbücher 59, fol. 42–42’).
4
 Durch den Augsburger Spruch vom 17.1.1507 wurde Nürnberg zum Abbau der umstrittenen Stöcke [zur Zurschaustellung von Körperteilen hingerichteter Verbrecher] innerhalb von drei Monaten verpflichtet, erhielt aber zugleich die Genehmigung, erforderlichenfalls im Bereich des Hochgerichts neue Anlagen zu errichten. Die von Mgf. Friedrich kritisierten Blockhäuser sollten niedergelegt und die Gräben verfüllt werden. Bei Nichterfüllung dieser Auflagen sollte auf dem nächsten Bundestag auf Antrag Brandenburg-Ansbachs gemäß der Bundesordnung [über eine Bundeshilfe gegen Nürnberg] beraten werden. Die Geleitrechte Mgf. Friedrichs wurden bestätigt, doch sollte dieser seinerseits auch die von den Hgg. von Bayern herrührenden Nürnberger Geleitrechte respektieren (Or. Perg. mit 3 Ss., St. Anthonis tag;StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Päpstl. und ftl. Privilegien, Nr. 454. Druck: Wölckern, Historia II, Nr. CCCCXVI, S. 767–769; Lünig, Reichs-Archiv XIV (Part. Spec. Cont. IV, 2. Teil), S. 158f.; Moser, Handbuch II, S. 391f.). Vgl. Gümbel, Berichte I, S. 257–260; Reicke, Nürnberg, S. 538; Schubert, Spengler, S. 83–85.
5
 Vortrag Hans von Seckendorffs (Amtmann zu Cadolzburg) vor der Bundesversammlung am 25.4.1507 (Kop., sonntag jubilate;StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei, A-Laden Akten, A 84, Nr. 9, fol. 68–78). Vgl. auch die Korrespondenz Nürnbergs mit seinen Gesandten auf dem Bundestag (Reicke/Reimann, Briefwechsel I, Nrr. 164167, S. 526–534).
6
 Eine den Pkt. [4] und [5] entsprechende, in langen Passagen wörtlich übereinstimmende Weisung ging an Jörg Holzschuher aus. Dieser wurde zusätzlich instruiert, den wegen des Streits mit Brandenburg zu kontaktierenden Vertrauenspersonen den Hergang des Streits darzulegen. Demnach fällte Kg. Maximilian zwar ein Urteil über die Niederlegung der Nürnberger Wehranlagen, doch wurde dieser durch das Schiedsverfahren vor dem Schwäbischen Bund nicht rechtskräftig. Der Bund entschied indessen entsprechend dem kgl. Bescheid. Diesen Spruch nahm Mgf. Friedrich an, während Nürnberg davon appellierte, die Appellation (Kop., s.d.; StA Marburg, Best. 2, Nr. 134, Fasz. Brandenburg-Ansbach (1459–1513), unfol.; StA Meiningen, GHA I, Nr. 1693, unfol.; Druck: Wölckern, Historia II, Nr. CCCCXVII, S. 769f.) jedoch später zurückzog [vgl. Nr. 616, Anm. 1] und ebenfalls einwilligte. Der anschließende Streit ging darum, ob Nürnberg den Spruch umgesetzt hatte oder nicht. Darüber stand nach dem Dafürhalten des Nürnberger Magistrats dem Kg. keine Entscheidungsbefugnis zu (Kop., suntag cantate [2.5.]1507; ebd., fol. 57’-59’). Am 8.5. übersandte man Holzschuher sicherheitshalber noch einmal eine Abschrift der Weisung (Kop., sambstag nach cantate; ebd., fol. 71). Vgl. Fischer, Kaiser, S. 81–85; Schmid, König, S. 221–225.