Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb
2. HA (Türkenhilfe): Versäumnisse in der Vergangenheit bei der Türkenabwehr. Unabdingbarkeit von Gegenmaßnahmen: Gemeinsames Heer des Reichs und Böhmens zur Vertreibung der Türken aus Ungarn. 1. HA (Religionsvergleich): Geringe Erfolgsaussichten. Theologendebatte über die Glaubensartikel vor einer Vergleichskommission.
Nicht datierter Auszug aus einem Schreiben, das während des RT aus Sachsen nach Regensburg an einen kursächsischen Gesandten geschickt wurde.
HHStA Wien, RK RTA 38, fol. 414–415’ (Kop. von Schreiberhd. Überschr. Hd. Zasius: Extract auß ainer missif, von ainer nambhafften sächsischen person an ain andere auch nambhaffte person geen Regenspurg geschriben, die gefär deß türggischen kriegs belangend. Dorsv. Hd. Zasius: Discurß von hilfflaistung wider den türggen und relligion handlung.) = Textvorlage. HAB Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 57 Aug. Fol., fol. 699–700’ (Kop. Überschr. ebenfalls von Hd. Zasius: Discurß von hilfflaistung wider den türggen, durch ain namhafften churfurstlichen sächsischen rathe ainer andern person auff disem Reichs tag etc. geschriben. Dorsv. Hd. Zasius wie in Textvorlage) = B. Knapp referiert bei
Heischmann, Anfänge, 77.
Zu meinem thaille aber khane ich nitt die jetz an lettstere erbärmbliche klaage der osterreichischen lande etc. nicht vergessen1. Gott der almechtige wolte den stennden deß Reichs ire hertzen erleüchten, dz sy solche clage nicht alleine höreten, sonnder auch erhörten.
Dergleichen erbärmbliche clagen seindt auch gehört worden auff dem reichstage zue Augspurg anno 30 unnd ettlichen zuvor unnd hernach2 von denen im khönigreich Possen3, von den crabaten, auch hernach denn hunngern. Weill sy aber verlassen, so ist nun laider all zu offenbar, wo die sache hinkhomben, nemblich das die theüttschen auch anfahen zuclaagen.
Unnd ich glaube, das solche claage von zeitt der constantinopolitanischen eroberung nun mehr über ainhundert jhar gewöhret hatt, unnd ist die christennheit unnder deß inn ain übertrefflichs abnemmen khommen. Solltten dann die theüttschen, da Gott vor sey, auch dahin gehen, so hette ich sorge, die übrigen christen wurden nicht lanng vorgehen. Unnd solchs alles ist niemands zuzuemessen dann der rohen, frechen weltt, die von tage zue tage erger wirdt, unnd das schier niemandts Gotta von hertzen bitteth, wie unnsere vorfahrn mitt andachtt gefastetb, geflehet unnd gebetten haben. Zu dem seindt unsere theologi gegen ainander gesinneth, wie ir deß gueten berichtt habbtt.
Es seind aber alweege sovil hinderungen schier disem, schier jhenem vorgefallen, biß so lanng die sach an unnß theüttsche khomben. Die röm. kgl. Mt. ist ein mechtiger herr, aber iere Mt. seind durch die hochbeschwerliche unnd langwürige khriege dermassen erschöpfft unnd ermattet, daß sy one deß Reichs hilffe gegen disem vheindt unvermüglich seinndt. Solltten nun ire Mt., da Gott vor sey, mitt ierem vermügen hingezogen werden unnd die ksl. Mt. were mitt ierem vermügen nicht vorhanden, was wolltte auss der theüttschen hilff dann werden, die doch von vilen herrschafften geschehen müeßte?
Wann nun solchs und anders bedacht wirdet, so wirdt ain jeder befünden, daß des Reichs unnd seine eigene hochste notturfft were, nochmalls daß eusserste vermüegen zuesamen zuesetzen unnd nicht zuverziehen, biß der vheindt inn dise nation einbreche unnd unnser vermügen gerinnger machete.
Unnd wiewol ich wenig verstehe unnd auch solchs gernne bekhenne, so dunckhett mich gleichwol, wann die theüttsche nation sambbt der chron Beheim sich nitt wirdt vergleichen, 50 000 leichter, 10 000 schwerer pferde unnd 10 000 haggenschützen wider disen vheindt so lannge zuehalltten, biß daß der türckh gar auß Ungern getriben und khriechisch Weissenburg widerumb eingenomben werde, so hab sich theuttsche nation seindthalben wenig fridens zuversehen. Wer da leben soll, der wirt solchs erfahren.
Von der relligion handlung4.
Inn der religion khan ich bey mir noch zur zeit zu einiger vergleichunng kheine hoffnung haben, dann ir wisset selbßt, wie die theologi gesinnet seindt. Aber meines erachtens khönte daß geschehen, daß beide theill gottsfürchtige unnd schiedliche leütthe nieder setzete[n], welche beederseitts theologi vor sich bescheideten unnd bald zu vorschlegen grieffen. Dann die articl seind zuvor nottürfftig gehört, auch inn ieren büechern zuebefinden. Waß man nun vergleichen khönte, das hette sein bleiben; daß ander khönte man auff khünfftig cristlich concilium anstellen. Alß dann wurden andere zeit unnd leüthe khomben, die möchten weitter hanndlen.
Sonsten hab ich sorg, wurde nach gelegenheit jetziger zeit und leüffte die sache weitter nicht brachtt werden. Erger aber khöndt sy bald gemacht werden, dannd ir wisset, wie die theologi auch auff unser seiten zum theill geschickht unnd gesinneth seind. Und mich dunckhet, wann es bei Philippi5 leben zu einer solchen handlung kheme, es solte nicht vergeblich sein, sonder, wo nicht vil, doch etwas außgerichtet werden etc.