Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Bereitschaft Kg. Wladislaws von Böhmen und Ungarn zu einem Kriegsbündnis mit dem Ks. gegen Venedig; [2.] Verhinderung eines sofortigen Bündnisabschlusses durch den Gesandten des Kg. von Frankreich; [3.] Wunsch Kg. Wladislaws nach Vollmacht für die frz. Gesandten; [4.] Weiteres Vorgehen; [5.] Behinderung der Bündniswerbung durch den Vertreter Venedigs.

Totis, 13. Juli 1510

Wien, HHStA, RK, Maximiliana 22 (alt 15b) 1510 Juli, fol. 53-54, Orig. Pap. m. S.

[1.] Heute hat Kg. Wladislaw von Ungarn und Böhmen auf ihre Werbung geantwortet, er sei bereit, alle sach anzunemen laut unser handlung, auch dy entlich zu schliessen. Dyweil sich aber der franzosisch orator [Louis Hélian] nicht neben unser anstat seinem H. [Kg. Ludwig von Frankreich] verpinden welle, sey seiner kgl. wierd dy sach und handlung nicht also zu peschliessen, welle aber deshalben seiner kgl. wierd aigen orator mit volmechtigem gebalt zum vuderlichesten zu eur ksl. Mt. schiken, derhalb alle sachen tracktiern und schliessen, sich auch mitler zeit mit allen sein undertan zum krieg mit allen dingen schiken wider dy Venediger gegen Dalmazia. Kunnen auch nicht anders versten, dan alle sachen stend recht, dan es nicht allain durch kgl. wird und großmechtige Hh., sunder durch gemainen adel entlich weschlossen ist, den krieg anzunemen und Dalmacie zu haben.

[2.] Mit solichem urseck wier in gemain und ad partem unsers vleis treflich gehandelt, wiebol wier nicht wenig, sünder allen mangel des mandats halben gehabt. Jedoch mugen wier eur ksl. Mt. mit guetem gelauben pis zu pesser underriecht anzaigen, das wier auf dis zeit alle ding weschlossen heten, auch der krieg zu stünd angenomen wer worden, wo uns unser mitgesell, der franzosisch orator, nicht ierung getan het. Ab des handlung der Kg. und all Hh. ierung und grossen vertries empfangen haben, wie eur ksl. Mt. klerlich von Wien aus vernemen werden.

[3.] Auch wegert dy kgl. wierd, das eur ksl. Mt. mit der zeit, ee ier kgl. wierd oratores zu eur ksl. Mt. kemen, pey kristenlichem Kg. von Frankreich zum vuderlichesten handeln, damit eur ksl. Mt. von dem alle gebalt oder durch sein volmechtigen orator habe, alle ding zu weschliessen, auch das eur ksl. Mt. durch die post vuderlich verkind und anzaig gen Wien dem reigement, damit der kgl. wierd orator[en] der ende weschaid und wohin sy zu eur ksl. Mt. kumen sullen.

[4.] Demnach ist unser underdenigist pit an eur ksl. Mt., sy sachen selbst zu vudern, dan wier in warhait an den enden unsers verstanz kain mangel vinden. Wier wellen disen tag aus trefenlichen ursachen all hie ferharn und mit allen Hh., dy wier eur ksl. Mt. hilflich gemerkt haben, unsers vleis eur ksl. Mt. zu guet handeln, sy in guetem willen zu wehalten und, was verer not will sein, von Wien aus eur ksl. Mt. klerlich alle ding werichten.

[5.] [...] Und piten, eur ksl. Mt. welle uns gnediklich entschuldigt haben, das wier eur ksl. Mt. nicht lengst geschriben, dan dy sachen sich hin und wider gedailt, das wier nichtz gebis haben schreiben noch anzaigen mugen. So haben wier eur ksl. Mt. auch nichtz ungebis schreiben wellen, dan der Venediger orator [Pietro Pasqualio] auch sein vleis mit grosser iebung und ain zeit ain guet partey an im gehabt, dy uns ierung getan haben, wie eur ksl. Mt. auch mit der zeit zu vernemen habe. Das haben wir eur ksl. Mt. in eil underteniger, treuer mainung nicht verhalten wellen, der wier uns hiemit aller underdenikait wefelhen duend. Datum zu Dotes, da der rekisch [= ungarischer Reichstag] gebest ist, den 13. dag July Ao. 10.1

Anmerkungen

1
 Hintergrund der Werbung der beiden ksl. Gesandten war das Bemühen Ks. Maximilians, Kg. Wladislaw für den Kampf gegen Venedig zu gewinnen. Nach den Berichten des venezianischen Gesandten Pietro Pasqualio kam Anfang Mai 1510 ein (nicht namentlich bekannter) Beauftragter des Ks. an den ungarischen Königshof mit dem Ersuchen, Wladislaw möge sich von Venedig, das falsche Gerüchte verbreite, nicht beeinflussen lassen. Der Ks. werde sich mit der Republik keinesfalls verständigen, im Gegenteil, er treffe Vorbereitungen für einen Krieg gegen Venedig, an dem sich der Kg. von Ungarn beteiligen möge, um das ihm widerrechtlich geraubte Kgr. Dalmatien zurückzugewinnen. Der Ks. kündigte an, er und der Kg. von Frankreich würden Gesandte zum ungarischen Reichstag schicken, um dort Einzelheiten des geplanten Kriegszuges zu besprechen. Bis dahin möge Wladislaw seine Rüstungen energisch vorantreiben, um vom Reichstag aus seine Truppen sofort zur Wiedereroberung Dalmatiens führen zu können. Am 16. Juni verließen die drei ksl. Beauftragten Gf. Leonhard zum Haag, Johann Mrakeš und Cuspinian Wien, am 23. Juni hatten sie zusammen mit dem frz. Gesandten Louis Hélian ihre erste Audienz bei Kg. Wladislaw in Totis. Während sie danach trachteten, ihn für den Beitritt zur Liga von Cambrai zu gewinnen, versuchte Pasqualio als Vertreter Venedigs, dies zu verhindern. Da die Abgesandten des Ks. und Kg. Ludwigs nur über unzureichende Vollmachten verfügten, reagierte Wladislaw abwartend und stellte eine eigene Delegation zum Ks. in Aussicht, um die Verhandlungen zum Abschluß zu bringen. Anfang August entsandte er den Propst von Stuhlweißenburg und kgl. Kanzler Peter Beriszlo sowie den Preßburger Obergespan Ambrosius Sárckány, die am 1. Oktober in Konstanz mit Ks. Maximilian einen Vertrag schlossen, der Kg. Wladislaw zum Mitglied der Liga von Cambrai machte und die Voraussetzungen für den geplanten Feldzug gegen Venedig regelte. Die Ratifikation des Abkommens durch den Ungarnkönig kam allerdings nicht mehr zustande. Druck des Konstanzer Vertrags bei Henriktöl, Közlemények, S. 92-97 (lat.); Inhaltsangabe: Fraknoi, Ungarn, S. 68f. Zum Ganzen vgl. Fraknoi, Ungarn, S. 25-68; Ankwicz-Kleehoven, Cuspinian, S. 47-53; Fessler, Geschichte, S. 289. – In den Kontext der Bündnisbestrebungen Ks. Maximilians gegen Venedig gehört auch die Werbung des Federico di Strassoldo. Am 1. Juni 1510 stellte Ks. Maximilian (in Augsburg) für diesen ein (nicht vorliegendes) Kredenzschreiben und eine (gleichfalls nicht vorliegende) Instruktion zu einer Werbung beim türkischen Statthalter in Bosnien, Feriz-Beg, aus. Der ksl. Gesandte sollte diesen dazu auffordern, sich der Besitzungen Venedigs am Mittelmeer zu bemächtigen. Die Mission Strassoldos begann allerdings erst im September 1510 und hatte letztlich nur zur Folge, daß die Türken die Venezianer über das ksl. Ansinnen informierten, die daraufhin Ks. Maximilian beim Papst wegen seines Hilfeersuchens an eine unchristliche Macht verklagten. Zum Ganzen vgl. Babinger, „Geheime Praktiken“, S. 223-225; Brosch, Julius II., S. 197-199 u. Beilage 9; R. C. Müller, „Erbfeind“, S. 258.