Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil
[1.] Verhandlungen während des Konstanzer RT über Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Landshuter Erbfolgekrieg; [2.] Verhandlungen darüber nach Ende des RT; [3.] sonstige Verhandlungsgegenstände.
In Neustadt am 8. September 1507 (mitwoch nach St. Egidien tag) an Kf. Philipp übergeben. Anwesend: Söhne Kf. Philipps, Gf. Ludwig von Löwenstein, Hans von Sickingen, Philipp Sturmfeder und Johann von Hirschhorn).
München, HStA, Fürstensachen 217/II, fol. 189–199’ (Kop.).
[1.] Kf. Philipp hat sie nach Beendigung der Verhandlungen in Straßburg erneut zum röm. Kg. geschickt, bei dem sie gemäß ihrer Instruktion [Nrr. 57f.] vorstellig wurden. Nach einigen von ihnen nicht verschuldeten Verzögerungen konnten sie schließlich in Verhandlungen eintreten. Als die Angelegenheit jedoch zum Abschluß kommen sollte, geriet man in einen wechselseitigen Austausch von Erklärungen und Gegenerklärungen, wie dies aus den beigelegten Aktenstücken hervorgeht:
Kg. Maximilian gab nach langen Verhandlungen zu verstehen, daß er ihren Behauptungen bezüglich der jährlichen Einkünfte aus den eroberten Gebieten keinen Glauben schenke, und forderte präzise Angaben. Daraufhin wurden ihm zwei Register (Beilagen A/B, Nrr. 426; 427, Anm. 3) übergeben. Der Kg. beschied darauf seinen Zinsmeister [Hans Heinrich Armstorfer] nach Konstanz, der nach einigen Wochen ein abweichendes Verzeichnis der Einkünfte vorlegte. Der Kg. beauftragte sie, gemeinsam mit dem Zinsmeister ein neues Verzeichnis zu erstellen. Dies haben sie, wie sie auch an Kf. Philipp berichteten1, getan. Der Zinsmeister und sie legten jeweils einen weiteren Bericht vor; sie haben die Gründe für die abweichenden Angaben dargelegt (Beilage C; Nr. 428). Aufgrund der folgenden Verhandlungen mit Kg. Maximilian, mit den von diesem zu Vermittlern ernannten Bf. Lorenz von Würzburg und Paul von Liechtenstein sowie mit dem kgl. Kanzler Serntein kamen sie zu dem Schluß, daß der Kg. ihren Vortrag nicht richtig verstanden oder wegen seiner vielfachen Beanspruchung vergessen hatte. Deshalb übergaben sie ihm sowie dem Bf. von Würzburg und Serntein jeweils eine Zusammenfassung (Beilage D; Nr. 427)2. Die röm. Kgin. und die Reichsstände legten beim Kg. für den pfälzischen Kf. Fürbitte ein. Dennoch verging viel Zeit ergebnislos mit Vorladungen, Warten und Verhandlungen. Als sie schließlich um einen verbindlichen Bescheid anhielten und begründeten, warum sie nicht länger bleiben könnten, wurde ihnen eine schriftliche Antwort des Kg. angekündigt. Diese wurde ihnen nach vielen weiteren Tagen ausgehändigt (Beilage E; Nr. 429). Bei der Lektüre stellten sie fest, daß dieser Bescheid weit von ihrem Verhandlungsziel entfernt und für Kf. Philipp sehr nachteilig war. Sie haben Räten des Kg. und anderen Personen aus dessen Umfeld ihre Beschwerden mitgeteilt, um den Kg. zu einer günstigeren Erklärung zu bewegen. Schließlich haben sie diesem selbst gegenüber beklagt, daß sie Kf. Philipp aufgrund der ihnen gemachten Zusagen einen ganz anderen Bescheid in Aussicht gestellt hätten, und gebeten, sich ihrem Herrn und auch ihnen gnädiger zu erzeigen. Und wiewole sein Mt. das alles gnediglich hort, so warde ir Mt. doch zuletst etwas hoch entzundt, als wir anhielten und nit ablassen wolten, mit etwas grymmigen, ungnedigen worten herfur wußt oder schiessen ließ, nemlich: Sin Mt. wer doch unserm gnst. H. nichts schuldig, sin Gn. hett sich ungehorsamlich gehalten, sin Mt. umb groß bracht und besonderlich des land zu Geller, darzu Frankreich und der Sweizer infalle besorgen muss. Nun gebe doch der andern kriegsfursten unserm gnst. H. keiner nichts wider, warumb es dann sin Mt. tun sollt? Sin Mt. bewiese ein gnade, die billich angenommen wurde.
[2.] Um die Sache nicht noch schlimmer zu machen, versuchten sie, den Kg. mit der Erklärung zu beschwichtigen, daß sie keine Schuld einforderten, sondern nur um Gnade bäten. Sie setzten daraufhin ihre Bemühungen durch Mittelsmänner und zuletzt auch in eigener Person fort, bis sich der Kg. schließlich veranlaßt sah, ihnen einen zweiten schriftlichen Bescheid zu geben (Beilage F; Nr. 952).
Wenngleich dieser Bescheid etwas milder ausfiel, erschien er ihnen dennoch ebenfalls unannehmbar. Sie beschlossen, eine Gegendarstellung zu verfassen (Beilage G; Nr. 953). Nach deren Übergabe erhielten sie die Mitteilung, daß der Kg. seine Antwort darauf schriftlich übergeben werde. Sie wurden jedoch erst am 9. August (uf vigiliam Laurencii) für den folgenden Morgen vor einige kgl. Räte in das Predigerkloster beschieden. Sie waren darüber befremdet, da sie bis dahin ausschließlich mit dem kgl. Kanzler oder mit dem Kg. selbst verhandelt hatten. Als sie dort erschienen, komplimentierten die kgl. Räte – die Bff. von Gurk und Laibach, Gf. Wolfgang von Fürstenberg, Hans von Landau, Wilhelm von Wolfstein, Dr. Erasmus Topler, Simon von Pfirt, Christoph von Thun (Tunder) und der Protonotar Johann Storch – sie in den Garten und verlasen ihnen die kgl. Antwort (Beilage H)3. Sie antworteten, daß sie aufgrund der bisherigen Verhandlungen und der in Hagenau und Straßburg gemachten Zusagen, nach denen sie Kf. Philipp mindestens 100 000 fl. in Aussicht gestellt hätten, und besonders nach ihrer letzten Stellungnahme mehr erwartet hätten. Sie müßten die kgl. Entscheidung nun Kf. Philipp überbringen. Sie zweifelten nicht, daß er sich gegen den Kg. gehorsam erzeigen werde.
Bei der Lektüre der kgl. Erklärung stellten sie fest, daß die ihnen gemachten Zusagen ohne kgl. Befehl gemacht worden waren. Möglicherweise könnte die betreffende Person deshalb zur Rechenschaft gezogen werden. Kg. Maximilian hatte es in Beantwortung ihres Vortrags in Straßburg zwar abgelehnt, die Eroberungen zurückzugeben, doch hatte er auch vorgeschlagen, daß Kf. Philipp für den Abschluß eines Vertrags eine Summe angeben solle. Serntein äußerte damals, daß der Kf. über die in den Raum gestellten 50 000 fl. hinaus eine Zahl nennen und für das kfl. Eigengut zusätzliche eine Summe fordern solle; der Kg. werde sich gnädig erzeigen und es an Geld nicht fehlen lassen. Der Kg. habe ein Angebot gemacht, der Kf. solle ein Gegenangebot machen. Dies hatte sie veranlaßt, dem Kf. 100 000 fl. in Aussicht zu stellen und darüber hinaus weitere 30 000–40 000 fl. zu erhoffen.
Gemäß dem kgl. Abschied eröffnet sich Kf. Philipp auch die Möglichkeit eines rechtlichen Verfahrens vor dem kgl. Kammergericht oder den Reichsständen. Diese Option hat der Kf. jedoch bereits in Köln ausgeschlagen.4 Sie wurden auch nicht für ein rechtliches Verfahren instruiert, sondern für den Abschluß eines Vertrages.
Sie baten um eine Abschrift des Bescheids und um eine Audienz beim Kg., um sich zu verabschieden und noch einiges zur Sprache zu bringen. Die kgl. Räte sagten ihnen die Abschrift zu und kündigten an, ihren Wunsch nach einer Audienz dem Kg. zu übermitteln.
Nach dem Frühstück gingen sie noch einmal zum Predigerkloster und trafen den Kg. auf dem Weg dorthin an. Sie gingen mit hinein und sahen zu, als der Kg. im Garten den Bf. von Worms belehnte. Sie ersuchten durch den Kanzler um eine Audienz, um sich zu verabschieden. Der Kg. fragte durch diesen nach ihrem Anliegen. Sie betonten, sie wollten nichts besonderes, sondern sich nur verabschieden. Darauf erhielten sie eine Audienz in Anwesenheit Ebf. Jakobs von Trier, Mgf. Ernsts von Baden, Bf. Reinhards von Worms, Gf. Eitelfriedrichs von Zollern, Gf. Wolfgangs von Fürstenberg, Zyprians von Serntein, Niklas’ von Firmian, Gf. Heinrichs von Hardegg, Gf. Johanns von Werdenberg, Gf. Johanns von Montfort, Lienharts von Fraunberg, Hans’ von Landau, Georgs von Emershofen, beider Hh. [Albrecht und Wilhelm] von Wolfstein, Christophs von Thun (Duner) sowie vieler Angehöriger des Hofes und anderer adliger wie nichtadliger Personen. Sie brachten folgendes vor: 1. Der Kg. habe ihnen am Morgen einen schriftlichen Abschied gegeben, seine Räte hätten ihm sicher ihre Antwort darauf übermittelt. Eine Wiederholung sei deshalb unnötig. 2. Sie erneuerten indessen ihre Ablehnung eines rechtlichen Verfahrens. Sie seien abgeordnet worden, um einen Ausgleich mit dem Kg. zu suchen, in dessen Gnade sich Kf. Philipp ergeben habe. 3. Bezüglich des Angebots, über den jährlichen Ertrag der eroberten Güter weitere Erkundigungen anzustellen, bäten sie um die Benennung der Kommissare zur Mitteilung an Kf. Philipp. 4. Sie bedankten sich für das Angebot des Kg., sich um einen Ausgleich mit den anderen Kriegsgegnern der Kurpfalz zu bemühen. 5. Sie bäten angesichts einer Vielzahl von Beschwerden, Kf. Philipp, seine Söhne sowie ihr Land und ihre Untertanen beim Kölner Spruch [vom 1.8.1505] zu handhaben. 6. Sie bäten, den hier und andernorts verbreiteten Verleumdungen gegen den Kf. keinen Glauben zu schenken. 7. Schließlich bäten sie, ihnen ihre Aufdringlichkeit nicht zu verübeln.
Der Kg. antwortete durch Gf. Eitelfriedrich von Zollern: 1. Der kgl. Abschied und ihre Antwort darauf blieben auf sich beruhen. Der Kg. hoffe, der Kf. werde den Bescheid als Gnade ansehen. 2. Der Kg. akzeptiere den Verzicht Kf. Philipps auf Rechtsmittel. 3. Als Kommissare benenne er den früheren Zinsmeister Balthasar Imhoff und den jetzigen Zinsmeister [Hans Heinrich Armstorfer]. Der Kanzler habe zusätzlich die Einbeziehung des alten Landvogts Jakob von Fleckenstein vorgeschlagen. 4. Er nehme ihren Dank entgegen; er wolle dem Kf. und seinen Söhnen ein guter Kg. sein und werde sich darum bemühen, daß Kf. Philipp seiner Beschwerden enthoben werde und seinen Titel zurückerlange. 5. Ebenso werde er auf die Einhaltung des Kölner Spruchs achten. 6. Er werde Äußerungen über Kf. Philipp keinen Glauben schenken, ohne ihn zuvor angehört zu haben. 7. Er trage daran kein Mißfallen.
Sie bedankten sich und verabschiedeten sich, wobei der Kg. sie durch den Gf. von Zollern beauftragte, dem Kf. seine Grüße zu bestellen.
[3.] Sie baten weisungsgemäß Jakob Villinger, gegen eine jährliche Zuwendung als kurpfälzischer Interessenvertreter am kgl. Hof zu fungieren. Dieser wollte das Angebot nicht ohne das Einverständnis des Kg. annehmen. Indessen wurde ihm bedeutet, daß er wegen seiner häufigen Abwesenheit vom Hof diese Aufgabe nicht bewältigen könne, doch sei Gabriel Vogt geeignet; sie könnten auch beide gemeinsam die Interessenvertretung für Kurpfalz wahrnehmen.
Betonen, daß sie es bei ihren Verhandlungen am kgl. Hof nicht an Fleiß fehlen ließen und nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben. Worüber sie nicht schriftlich berichtet haben, das wollen sie mündlich eröffnen.
Etliche Personen haben über einen Ausgleich mit Württemberg gesprochen. Er, Landschad, wird darüber noch mündlich Bericht erstatten. Im Ergebnis steht die Angelegenheit auf Schiedsverhandlungen. Sie erwarten, daß Kf. Friedrich von Sachsen sich dessen annehmen und einen Tag anberaumen wird, sofern Hg. Albrecht [von Bayern] ihn nicht davon abbringt.
Über die Angelegenheit Pfgf. Georgs wurde verhandelt und beraten, wie sie bereits geschrieben haben.5 Er, Venningen, wird darüber und über die Verhandlungen wegen der Übergabe der Pfründen durch den Administrator von Freising [Pfgf. Philipp] mündlich berichten.
Sie empfehlen, möglichst bald die Räte und die Ritterschaft einzuberufen, um einen Beschluß über das weitere Vorgehen und über eine Antwort an den Kg. zu fassen.