Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Mitteilungen Matthäus Langs über den eidgenössischen Tag in Zürich; [2.] Gegner der Italienpläne Kg. Maximilians unter den eidgenössischen Orten.

Augsburg, 23. August 1507.

Venedig, BM, Cod. marc. ital. VII/989 (= 9581), fol. 82’-83’ (ital. Kop.; Postverm.: Per cursorem Augustensem.) = Textvorlage A. Venedig, BFQS, Cl. IV, Cod. V (= 769), fol. 151’-152 (ital. Kop.; Postverm. wie A) = B.

Referiert bei: Lutz, Querini, S. 208f. (irrtümlich datiert auf den 22.8.).

[1.] Verweist auf seine Mitteilungen über Neuigkeiten aus der Schweiz vom 20. August [Nr. 911, Anm. 1]. Bf. Matthäus Lang von Gurk hat berichtet, daß der eidgenössische Tag in Zürich ohne Beschlußfassung zu Ende gegangen sei, weil Luzern mit Rücksicht auf das bestehende Bündnis keinen Krieg mit Frankreich wolle, sondern nur bereit sei, den röm. Kg. auf dem Romzug zur Erlangung der Kaiserkrone zu begleiten und diejenigen zu bekämpfen, die ihn daran hindern wollten bzw. ihm den schuldigen Gehorsam verweigerten. Wegen der Unvereinbarkeit der Positionen hätten die Eidgenossen die Versammlung aufgehoben und einen neuen Tag nach Luzern anberaumt. Der röm. Kg. setze inzwischen die Vorbereitungen für seinen Romzug fort und sei sich sicher, daß die Eidgenossen eine Entscheidung gemäß seinen Wünschen treffen würden, um nicht das ganze Reich gegen sich aufzubringen, was ihnen auf dem Konstanzer RT angedroht worden sei. Der Kg. werde nicht abziehen, solange keine Entscheidung gefallen sei, sondern sich zwischen Innsbruck und Lindau aufhalten.

[2.] Er mißt Lang keine hohe Glaubwürdigkeit zu, da dieser als Diener des röm Kg. nichts zu dessen Nachteil sagen wird. Er bemühte sich deshalb auf verschiedenen Wegen, über Kaufleute und unparteiische Personen, darunter Dr. Peutinger, einen durch seine Missionen im Auftrag des Kg. in den Schweizer Angelegenheiten erfahrenen Mann, um weitere Informationen: a -Demnach hatte Luzern in Wahrheit zu keinem Zeitpunkt die Absicht, sich dem Vertrag der übrigen Kantone mit dem röm. Kg. und dem Hl. Reich anzuschließen, worüber er bereits am 13. und 15. Juni [Nrr. 680, Pkt. 1; 681, Pkt. 1] berichtete. Gleichwohl habe die Hoffnung darauf bestanden. Nachdem nun die übrigen Orte sich bereit gemacht hätten, gegen den frz. Kg. zu ziehen, habe Luzern jedoch auf dessen Veranlassung begonnen, Zwietracht unter den Eidgenossen zu säen und den Zug gegen Mailand als grundlosen Bruch des bestehenden Bündnisses mit Frankreich und somit als ungerechtes und unehrenhaftes Unternehmen zu hintertreiben; man sei jedoch bereit, den röm. Kg. nach Rom zu begleiten, für ihn eine Route nach seinem Wunsch zu sichern und ihn gegen jedermann zu verteidigen. Mit dieser Argumentation rechtfertigten sie nicht nur ihre eigene Haltung, sondern gewannen mithilfe französischer Gelder drei andere Kantone für ihre Position. Die ohnehin Frankreich zuneigenden Kantone Zug (Zocho) und Solothurn (Sulturno) hätten bereits bei der Ratifikation des Vertrags mit dem Kg. Schwierigkeiten gemacht – worüber er am 12. Juni [Nr. 679, Pkt. 1] berichtete. Der dritte Kanton sei Fribourg. In jedem dieser Kantone erhielten führende Persönlichkeiten ständig Pensionen und Anweisungen aus Frankreich: in Luzern Petermann Feer und Bramberg, in Zug [Ammann Werner] Steiner1  (Amestaner), in Solothurn Niklaus Conrad, in Fribourg Pierre Tavernier2  (Pietro Mafrosini, cavalier) und der Sekretär Niklaus [Lombard]3. Diese besäßen in den Gemeinden großen Einfluß-a. Sie hätten es erreicht, daß der eidgenössische Tag ohne Beschlußfassung geendet habe, und – was noch wichtiger ist –, sie versuchten, das Gewicht ihrer Kantone einzusetzen, um den röm. Kg. zum Abschluß eines Vertrages mit Frankreich zu bewegen. Die Entscheidung ist – wie gesagt – auf einen weiteren Tag in Luzern verschoben, auf dem eine Einigung erzielt und der langjährige Bund der Eidgenossen bewahrt werden soll.4  

[Verabschiedung von zwei Emissären Kg. Ferdinands von Aragon durch Kg. Maximilian; Unterbringung der am Hof Kg. Maximilians akkreditierten ausländischen Gesandten und der am Hof weilenden Italiener in Überlingen, des päpstlichen Legaten Costantino Arianiti in Kempten; Nachrichten vom Geldernkrieg].

Anmerkungen

a
–a Demnach ... Einfluß] Zusammenfassende Wiedergabe dieser Passage: Libri commemoriali VI, S. 94, Nr. 141.
1
 Vgl. Gagliardi, Anteil I, S. 676 Anm. 129; Lutz, Querini, S. 209.
2
 Vgl. Gagliardi, Anteil I, S. 676 Anm. 129, 679.
3
 Vgl. ebd., S. 676 Anm. 129, 679.
4
 Jedenfalls gegenüber dem Sekretär Querinis, Angelo Trevisan, gab sich der oberösterreichische Regimentsrat Bartholomäus von Firmian optimistisch: Kg. Maximilian habe Nachrichten aus der Schweiz erhalten und sei zuversichtlich, daß diejenigen Kantone, die eine Mitwirkung am Romzug ablehnten, neutral bleiben würden. Er selbst sei fest davon überzeugt. Dafür würde schon die vom Konstanzer RT ausgesprochene Kriegsdrohung [Nr. 673, Pkt. 5] sorgen. Selbst wenn einige Leute gern Frankreich folgen würden, so würden dies die Gemeinden, die keinen Krieg wollten, nicht dulden (Trevisan an den Dogen, ital. Kop. Innsbruck, 3.9.1507; BM Venedig, Cod. marc. ital. VII/989 (= 9581), fol. 89’-91’, hier 90; BFQS Venedig, Cl. IV, Cod. V (= 769), fol. 156–157, hier 157’. Brunetti, Vigilia, S. 74). Anton Welser hingegen referierte in Augsburg Querini aus einem ihm zugegangenen Schreiben, wonach die vier Kantone Luzern, Zug (Socho), Solothurn und Fribourg unverändert an ihrem Beschluß festhalten würden, ihre Waffen weder gegen den frz. noch den röm. Kg. zu erheben, diesen jedoch auf dem Romzug zu eskortieren – contra ogni che impedir lo volesse. Die übrigen acht Kantone seien bereit, dem Reich in allen Dingen zu willfahren. Welser war der Meinung, daß die vier Kantone ihre Haltung nicht ändern würden (Querini an den Dogen, ital. Kop. Augsburg, 5.9.1507; BM Venedig, ebd., fol. 91’-94, hier 92’; BFQS Venedig, ebd., fol. 157’-159, hier 158). Luca de Renaldis äußerte sich gegenüber Angelo Trevisan in gleichem Sinne, erwähnte jedoch nichts von einer möglichen Beteiligung der vier Kantone am Romzug, sondern nur deren Wunsch nach Wahrung von Neutralität. Kg. Maximilian hielt demnach am Romzugsunternehmen fest. Er wollte sich mit der Stellung von 6000 Knechten durch acht Kantone begnügen und dafür mehr deutsche Landsknechte anwerben (Trevisan an den Dogen, ital. Kop. Innsbruck, 5.9.1507; BM Venedig, ebd., fol. 94’-95’, hier 95; BFQS Venedig, ebd., fol. 157’-159, hier 158). Am 18.9. berichtete Querini, daß man am kgl. Hof eine Neutralitätserklärung derjenigen vier Kantone erwarte, die sich weigerten, gegen Frankreich zu ziehen, und davon ausgehe, von den übrigen Kantonen zu bekommen, was man wolle (Querini an den Dogen, ital. Kop. Zirl, Postverm.: Per postas regias; BM Venedig, ebd., fol. 104’-106, hier 105–105’; BFQS Venedig, ebd., fol. 166’-167’, hier 167).