Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil
[1.] Zurückweisung der gegnerischen Vorwürfe über die Verschleppung des Taxationsverfahrens; Gliederung der Supplikation; [2.] Ertragwert der an Pfgf. Friedrich gemäß Kölner Spruch übergebenen Besitzungen; [3.] Einbehaltung von Besitzungen Hg. Georgs im Oberland nördlich der Donau durch Hg. Albrecht von Bayern; [4.] überhöhte Taxationsergebnisse der Gegenseite beim Getreide durch Nichtanwendung der laut Kölner Spruch vorgeschriebenen landesüblichen Berechnungsweise; Unzulässigkeit der Entscheidung des Obmanns; Ungültigkeit des Taxationsverfahrens; [5.] überhöhte Taxationsergebnisse der Gegenseite bei der Holznutzung durch Nichtanwendung der laut Kölner Spruch vorgeschriebenen landesüblichen Berechnungsweise; Unzulässigkeit der Entscheidung des Obmanns; Ungültigkeit des Taxationsverfahrens; [6.] unbegründete Geltendmachung unsicherer Posten als jährliche Einkünfte durch die Gegenseite; Unzulässigkeit der Entscheidung des Obmanns; Ungültigkeit des Taxationsverfahrens; [7.] unvollständige Übergabe von Besitzungen oder erneute Aneignung von übergebenen Gütern durch die Gegenseite; [8.] Bitte um Abstellung der genannten Beschwerden Pfgf. Friedrichs gegen Hg. Albrecht, um Ausweisung der restlichen 4000 fl. jährlichen Einkommens durch Kg. Maximilian und um Weisung an Hg. Albrecht und den Schwäbischen Bund bezüglich des Unterpfands.
[Konstanz], s.d., jedoch wohl zwischen dem 15. Mai und 3. Juni 1507.
München, HStA, Neuburger Kopialbücher 47, fol. 266’-277’ (Kop. mit imit. Unterz. Pfgf. Friedrichs; Überschr.: Auf der röm. kgl. Mt. begern hat Hg. Friderich solch schriften seiner Mt. uberantworten lassen, lautend also.) = Textvorlage A. München, HStA, Neuburger Kopialbücher 63, fol. 35–42, 34’ (Kop. mit imit. Unterz. Pfgf. Friedrichs) = B.
[1.] Nach Aufforderung durch den Kg. übergibt er eine so knapp wie möglich gehaltene Klageschrift gegen Hg. Albrecht und bittet, mit den Kff. und Ff., auch den kgl. Hofräten und den Ständen des Reiches, die der Kg. hinzuziehen wird, darüber zu beraten. Die von Hg. Albrecht insbesondere durch Plieningen erhobenen Vorwürfe gegen ihn, er leiste dem kgl. Spruch und den Verträgen nicht Folge, weist er zurück. Vielmehr ist die Gegenseite daran schuld, daß der kgl. [Kölner] Spruch bislang nicht vollzogen werden konnte. Dies wird er im folgenden darlegen. Doch sollen seine Vorwürfe gegen Hg. Albrecht, dessen Anwälte und Taxatoren sowie gegen den kgl. Obmann [Bf. Georg von Trient] nicht als ehrenrührig angesehen werden. Seine Schrift umfaßt drei Hauptpunkte: 1. Hg. Albrecht hat ihm gegenüber den kgl. Spruch im wichtigsten Punkt bislang nicht umgesetzt. 2. Die Taxatoren und Anwälte Hg. Albrechts sowie der kgl. Obmann haben gegen den kgl. Spruch, die [Ennser] Deklaration, die ihnen erteilte Kommission und gegen die Schiedsverträge verstoßen. Infolgedessen sind alle ihre Handlungen nichtig. 3. Hg. Albrecht hat ihm unter Mißachtung des kgl. Spruches Unrecht zugefügt.
[2.] 1. Laut kgl. Spruch soll ihm Hg. Albrecht Besitzungen mit einem jährlichen Ertragswert von 20 000 fl. nach dem üblichen Anschlag übergeben; der Kg. wird weitere Güter im Wert von 4000 fl. ausweisen, die ihm ebenfalls übergeben werden sollen. Bezüglich der Gesamtsumme von 24 000 fl. wurde er bis zum heutigen Tag nicht zufriedengestellt. Hg. Albrecht behauptet, ihm – das Unterpfand nicht eingerechnet – Besitzungen im Wert von 30 000 fl. übergeben zu haben, was jedoch nicht zutrifft. Dennoch hat er, Pfgf. Friedrich, in Augsburg vor den kgl. Räten und den Schwäbischen Bundesständen angeboten, innerhalb von zwei Tagen anhand der ihm von Hg. Albrecht ausgehändigten Sal- und Rechnungsbücher zu beweisen, daß die 24 000 fl. bei weitem noch nicht erreicht sind. Dies hat Hg. Albrecht jedoch unter Ausflüchten abgelehnt. Der Kg. kann selbst ermessen, warum. Er hat gleichwohl einen kurzen Auszug (Beilage A)1 anfertigen lassen, der beweist, daß die ihm übergebenen Güter zu Zeiten Hg. Georgs und Hg. Albrechts vor dem [Landshuter Erbfolge-]Krieg nicht mehr als 16 974 fl., 19 d., 1 h. einbrachten. Infolge von Kriegsschäden betrugen die Einkünfte im vergangenen Jahr nur noch 12 668 fl., 6 ß, 8 d. Zusammen mit den Erträgen aus dem Unterpfand in Höhe von ca. 8000 fl. beläuft sich die Gesamtsumme auf 20 668 fl., 6 ß, 8 d. Es fehlen also noch etwa 3500 fl. Dabei sind die unsicheren Einkünfte und andere Posten, die üblicherweise nicht berücksichtigt werden, sogar bereits eingerechnet. Bietet an, die den Berechnungen zugrundeliegenden Salbücher und Rechnungsregister vorzulegen.
[3.] Hg. Albrecht hat auch die Bestimmung des Spruches nicht erfüllt, wonach er die Güter im Wert von 20 000 fl. aus den Besitzungen Hg. Georgs im Oberland nördlich der Donau – ausgenommen Ingolstadt – ausweisen soll. Der Hg. hat ihm jedoch aus dem Georgianischen Erbe Wemding, Kösching, Gerolfing, Gaimersheim, Etting (Oting) und Stammham bis dato vorenthalten.2
[4.] 2. Die bisherigen Ergebnisse der Taxation und die Entscheidungen des Obmannes sind null und nichtig: Gemäß dem Kölner Spruch ist die Taxation der Güter explizit nach gewonlichem anschlag vorzunehmen. Diese Bestimmung ist nicht von den Parteien nach ihrem Gutdünken interpretierbar, sondern besagt eindeutig: wie die gemain gewonhait und landßgebrauch ist an den enden, da die flecken ligen. Die gegnerischen Anwälte und Taxatoren haben jedoch den Ertragswert anders als in Bayern und Schwaben üblich und dazu überhöht veranschlagt. Seine Vertreter konnten dem nicht zustimmen und wollten die Entscheidung dem Kg. überlassen. Als der kgl. Obmann nach Augsburg kam, trugen sie diesem die Streitigkeiten vor: Bezüglich der Getreidegülten wollten die Taxatoren Hg. Albrechts ainen anschlag machen, wie das getraid von den prelaten und stetten von funfundzwainzig jaren here ab den casten und ab dem markt verkauft ist. So haben mein taxatores den anschlag gemacht, wie der gewonlich anschlag im land zu Bairen und Schwaben, da mein flecken ligen, ist. Sie erstatteten dem Kg. darüber Bericht, der den Kommissar beauftragte, in Erfahrung zu bringen, welches Verfahren bei der Feststellung des jährlichen Ertragswert in Bayern und in den zu taxierenden Orten üblich ist (Beilage B)3. Die pfgfl. Taxatoren und Anwälte machten auch geltend, daß gemäß kgl. Spruch bei Streitigkeiten darüber dem Kg. dessen Auslegung obliege (Beilage C)4 Sie baten den Kommissar außerdem, zu klären, wie in Bayern und Schwaben die Getreidegült bei Rechtsgeschäften üblicherweise veranschlagt wird, und boten ihm an, rechtskräftige Zeugnisse darüber vorzulegen. Der Kommissar entschied jedoch, daß die Getreidegülten nach dem Verfahren der Taxatoren Hg. Albrechts veranschlagt werden sollten (Beilage D)5. Aufgrund dieser Deklaration berechneten die Taxatoren der Gegenpartei die Getreidegülten doppelt so hoch wie üblich. Bekanntlich wird in Bayern ein Schaff Weizen Ingolstädter Maß mit 2 fl., 60 d. bewertet, die bayerischen Taxatoren gingen jedoch von 4 fl., 22 d. aus. Ein Schaff Korn wird gewöhnlich mit 2 fl., von den Taxatoren der Gegenseite jedoch mit 3 fl., 66½ d. veranschlagt. Ein Schaff Dinkel bringt 1 fl. ein, während die bayerischen Taxatoren 1 fl., 5 ß, 20 d. zugrundelegen (Beilage E)6. Die Gegenpartei veranschlagt das Getreide gegenüber seinem realen Wert um das Doppelte zu hoch. Der ihm und seinen Mündeln daraus entstehende Verlust würde jährlich an die 3000 fl. betragen. Doch ist die Taxation als gegen den kgl. Spruch, die [Ennser] Deklaration und die Verträge verstoßend, aber auch wegen der unzulässigen Entscheidung des Obmanns und seines Verstoßes gegen die kgl. Kommission ungültig.
[5.] Auch über die Holzmessung kam es zum Streit. Die Anwälte und Taxatoren Hg. Albrechts schlugen vor, man soll die holzer außmessen mit der ruten nach dem morgen, während seine Vertreter eine Veranschlagung aufgrund der Register Hg. Georgs und Hg. Albrechts über die jährlichen Erträge forderten. Der Obmann traf erneut in unzulässiger Weise eine Entscheidung. Darauf Hg. Albrechts anweld die mainung furgenommen, das holz zu achten, wie man es verkaufen mocht, so man es vom stammen gar abhauen sollt, und ain summa darauß gemacht, und mir allweg fur zwainzig fl. ain ewigen fl.angeschlagen. Aufgrund dieser Berechnung veranschlagten sie die Wälder im Amt Weiden mit 22 000 fl. und den jährlichen Ertrag daraus auf 1100 fl. Dieses Amt gehört indessen nur zur Hälfte ihm. Das ganze Amt ist für nur 17 166 fl. ein Pfand der böhmischen Krone.7 Aus den Rechnungsbüchern ist zu ersehen, daß die Holznutzung Hg. Georg jährlich nie mehr als 100–110 fl. einbrachte. Im Amt Neuburg berechneten die bayerischen Taxatoren den Wert der Wälder auf 10 500 fl. und entsprechend den jährlichen Ertrag auf 525 fl., während Hg. Georg seinerzeit tatsächlich nie mehr als 20 lb d. einnehmen konnte. Zudem waren die Wälder in den beiden Ämtern früher in einem besseren Zustand als heutzutage. In anderen Ämtern wurden die Wälder ähnlich überhöht veranschlagt (Beilage F)8. Die Differenz gegenüber dem realen Ertrag beläuft sich zu seinem Nachteil auf jährlich 5000 fl. Überdies würde es ihm an Bauholz fehlen, das erst in 200 Jahren nachwächst, und er müßte auf den Wildbann ganz verzichten. Aus den genannten Gründen sind die Taxationsergebnisse und die Entscheidung des Obmannes ungültig.
[6.] Die bayerischen Taxatoren wollten außerdem Scharwerke miteinberechnen, die zu Zeiten Hg. Georgs dem gemeinen Mann auferlegt wurden. Diesen Posten wollte er jedoch nur akzeptieren, insoweit das Scharwerk üblicherweise durch Geldzahlungen abgelöst wird. Auch Leistungen wie das Schlagen und den Transport von Holz, die Lieferung von Wildbret und dergleichen wollten sie ihm unrichtigerweise als Ewiggülte anrechnen. Eine im Amt Reichertshofen gelegene Taverne, die einen jährlichen Erbzins von 6 fl. abwirft, wollte die Gegenseite als neue Gülte mit 142 fl., 4 ß, 5 d. veranschlagen. Da der Pfleger jedoch mit Gewinn und Verlust an den Getränken beteiligt ist, schwankt der jährliche Ertrag. Ebenso wurden Küchendienste wie die Lieferung von Lämmern, Hühnern, Eiern, Hanf und Erbsen höher, als üblich ist und die Rechnungsbücher ausweisen, veranschlagt. Einen Hof mit Schäferei zu Heideck mit einem Wert von 100 fl. bewerteten die bayerischen Taxatoren mit über 1000 fl. Darüber hinaus wollten sie weitere unsichere und schwankende Einkommen (Vogeljagd, Siegelgelder, Verspruchgelder9, Handlöhne10, Hauptrechte11, Geleitgelder, Gerichtswändel12 und Viztumswändel13) als Ewiggülte einstufen und ignorierten beispielsweise die Kosten für den Unterhalt der Gerichte. Der Obmann stimmte der Taxierung dieser unsicheren Einkünfte in fast allen Fällen zu. Damit wurde erneut gegen den kgl. Spruch verstoßen und die Taxation ist demzufolge nichtig. Er weist hiermit die Anschuldigungen Hg. Albrechts, insofern diese auf der Taxation und den unrechtmäßigen Entscheidungen des Obmannes gründen, zurück.
[7.] 3. Laut kgl. Spruch hat Hg. Albrecht ihm alle Güter mit sämtlichen zugehörigen Rechten und Besitzungen zu übergeben, vorbehaltlich der bereits vor dem Spruch erfolgten Verschreibungen der Hgg. Albrecht und Wolfgang an Dritte. Dagegen hat Hg. Albrecht sich bei der Übergabe etliche Güter vorbehalten und einige nach erfolgter Übergabe gewaltsam wieder an sich gebracht (Beilage G)14. Hg. Albrecht hat außerdem den Schwäbischen Bund veranlaßt, ihm bei der gewaltsamen Einnahme des laut Kölner Spruch ihm, Pfgf. Friedrich, übergebenen Unterpfands zu helfen.
[8.] Aus seiner Darlegung geht eindeutig hervor, bei wem die Schuld für den Nichtvollzug des kgl. Spruches zu suchen ist und daß er sich zu Recht über Hg. Albrecht beklagt. Bittet, diesen dazu zu veranlassen, ihm weitere Güter zu übergeben, damit die Summe von 20 000 fl. nach dem üblichen Anschlag erfüllt wird, die wieder eingezogenen Güter zurückzugeben und die Übergabe dessen, was ihm gemäß kgl. Spruch zusteht, mit allen Zugehörungen vorzunehmen. Bittet außerdem den Kg., die restlichen 4000 fl. gemäß dem kgl. Spruch an gelegen enden auszuweisen. Außerdem soll Weisung an Hg. Albrecht und den Schwäbischen Bund ergehen, ihn bis zum Abschluß des Verfahrens im ungestörten Besitz des Unterpfands zu belassen.