Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil
[1.] Grußformel; [2.] Bedeutung der Kaiserkrone für die deutsche Nation; [3.] Zugehörigkeit der Eidgenossen zur deutschen Nation; [4.] Absichten Kg. Ludwigs von Frankreich auf die Kaiserwürde und auf die Kontrolle des Hl. Stuhls sowie auf [5.] Reichsitalien (Genua); Unglaubwürdigkeit der frz. Rechtfertigungsversuche; [6.] nachteilige Konsequenzen des frz. Vorgehens für die deutsche Nation und insbesondere die Eidgenossen; [7.] Bruch des Hagenauer Vertrages durch Kg. Ludwig, Kassation der mailändischen Belehnung Kg. Ludwigs durch Kg. Maximilian; [8.] Bitte um Abberufung der eidgenössischen Söldner aus dem frz. Italienheer und um Bewilligung des Hilfsgesuchs Kg. Maximilians; [9.] Vorschlag zum Abschluß der Verhandlungen auf dem Konstanzer RT im Falle einer positiven Antwort der Eidgenossen; [10.] Erwiderung der Reichsgesandtschaft im Falle einer negativen Antwort der Eidgenossen; [11.] Instruierung der Gesandten auf Ratifikation durch die Konstanzer Reichsversammlung.
s.l., s.d., jedoch Konstanz, 10. Mai 1507.1
Wien, HHStA, MEA RTA 3a, fol. 414, 415–421 (Kop., Aufschr.: Handelung des Rychs tags zu Costenz, die Eydgenossen betreffend, Ao. 1507. Überschr.: Instruction der botschaften, so von Kff., Ff. und anderer stende wegen des Hl. Reichs zu den Eydgenossen gesendet werden soll.) = Textvorlage A. Würzburg, StA, WRTA 5, fol. 9’-13 (Kop., Überschr. wie A) = B. Bamberg, StA, BRTA 5, fol. 39–44 (Kop., Überschr. wie A, Verm.: Zu Kostanz uf dem Reichs tag am donerstag nach cantate [6.5.] Ao. VIIo ist uf Dorgaw hernachvolgends durch der Kff., Ff. und ander stende secretari und schreiber geschriben worden. Dorsalverm.: Das erst abschreiben uf dem Reichs tag zu Costanz quinta feria post cantate [6.5.] Ao. VIIo uf Dorgaw, da die versamlung haben rate gehalten.) = C. Frankfurt, ISG, RTA 23, fol. 2–6 (Kop. mit teils zeitgenössischen, teils von der Hd. J.J. Janssens stammenden Randvermerken, die den Inhalt kennzeichnen) = D. Nürnberg, StA, ARTA 8, fol. 224–229 (Kop.)2 = [E]. Lübeck, StdA, RTA II, Fasz. 3, fol. 2–6’ (Kop., Überschr. wie A) = [F]. Goslar, StdA, Best. B, unverzeichneter Teil, Reichssachen 1506–1510, R.S. 32, pag. 1–9 (Kop., Überschr. wie A). Mühlhausen, StdA, 1 10 C 1–8, Nr. 1a, fol. 1–5’ (Kop., Überschr. wie A).
Druck: Janssen, Reichscorrespondenz II, Nr. 904, S. 702–707; Mueller, Reichs-Tags-Staat, S. 554–558; Fugger-Birken, Ehrenspiegel, S. 1235f. (nur Pkt. 1–9, statt wörtlicher Wiedergabe zusammenfassende Übertragung in das zur Zeit der Drucklegung gebräuchliche Frühneuhochdeutsch); Fäsi, Beylage, S. 86–94 (nach Fugger-Jäger; Nr. 719, fol. 218’-219’).
[1.] /415/ Erstlich ist inen uf ein credenz3 von Kff., Ff. und anderer stende wegen des Hl. Röm. Reichs, alhie zu Costenz versamelt, zu sagen ire gnade und gunstigen, geneigten willen.
[2.] Und darnach zu erzelen, wie Kff., Ff. und ander stende des Hl. Reichs ungezweifelt weren, die Eydgenossen wißten und were inen unverborgen, das die hochste und großte ere und wirde der teutschen nacion were die ksl. cron des Hl. Röm. Reichs, weliche ire hochste ere und wirde ire vorältern von gnade und schickung des almechtigen Gotts durch ire erbarkeyt, tugent, manheyt und swere plutvergiessen seurlicha erlangt und erarnet4 und also vil und lange jare biß uf diese zeit loblich bracht hetten. Von welicher ere und wirde wegen ein röm. Ks. oder Kg. zu zeiten der hochst, erlichst und furnemest weltlicher gewalt und stand geachtet und genent were, nit alleyn in der /415’/ cristenheyt, sunder dem umbkreyß der ganzen welt; were und wurde auch als der hochst, namhaftigst und furnemest gewalt und stand allen andern Kgg., weltlichen gewelten und stenden der welt furgesetzet und furgeachtet.
[3.] Zu welicher teutschen nacion, auch hochster ere und wirden des Hl. Röm. Reichs die Eydgenossen als glider und verwandten des Hl. Röm. Reichs und sunderlich teutscher nacion auch gehorten als leut teutschs gezungs, sitten, wesens und vaterlands, darumb sich die stende des Reichs zu erhaltung angezeigter des Hl. Reichs teutscher nacion hochster ere und wirde zu den Eydgenossen als iren mitverwandten pillich aller treu, furderung und beistands versehen.
[4.] Nu b–sey offentlich vor augen–, das der Kg. von Frankenrych in emsigem und ernstlichem furnemen und arbeyt stunde, die teutsche nacion umb solich ire hochste ere und wirde der ksl. cron und röm. Reichs durch zutun, hilf und furderung der /416/ Eydgenossen, darin er sie (dafur es die stende des Reichs ungezweifelt hielten) arglistiglich mit ungegrundtem, beferbtem furgeben bewegt hett, zu bringen, dieselbigen von unserm hl. vater babst mit gewalt zu erlangen und die teutsch nacion also irer hochsten ere und wirde nit alleyn zu berauben, sunder auch den stul zu Rome unter sich und in seinen gwalt, den nach seinem willen zu verkleynen und zu setzen, zu nötigen.
Zu was ewigem, unuberwindlichem nachteyl, verkleynung, verachtung, beswerung, spott, schmehe und schaden solichs, wo es furgang gewynnen solt, das der Almechtig verhuten wolle, dem stul zu Rome, der ganzen cristenheyt, dem Hl. Röm. Reich und sunderlich teutscher nacion und allen stenden, gelidern und verwandten derselben nacion fallen, reychen und langen wurde, das moge ein yeglicher verstendiger leichtlich ermessen.
[5.] Item der Kg. von Frankenreich sey auch nit alleyn in furnemen und trachtungc, die ksl. cron und die ere des Hl. Röm. Reichs der teutschen nacion abzuerlangen /416’/ und das babstumb in sein hand zu bringen, sunder alle stende in Italien, so dem Hl. Röm. Reich als glider desselben verwandt, von vil und langen jaren dabey herkomen weren, in seinen betrenglichen gewalt von irer herbrachten freiheyt zu tringen und ime untertenig zu machen, d–als er itzt mit der stat Jenua auch getan, die er in sin gehorsam bracht–, die sich seins gwalts teten widersetzene und dem Hl. Reich zustundenf als ein chamer des Röm. Reichs, erkennen auch das Reich, habeng röm. kgl. Mt., als die letzt in Italien und zu Jenua gewest, gehorsam getan und ir die schlussel zu der statt als irem rechten hern uberantwort5 und vormalsh by kgl. Mt. und den stendeni umb hilf und rettung wider der Franzosen gezwang angerufetj. Das alles der franzosisch Kg. dann, nachdem er allegereyde das Hm. Meyland als der mechtigsten und treffenlichsten gewelt einen in Italien inhabek, leichtlich, wo ime des nit dapfer und furderlicher widerstand bescheel, zu tun und zu erlangen habem.
Und obwol der Kg. von Frankenrych und sein anhenger sich tunn verantworten und furgeben, als ob ire furnemen und handlung /417/ nit solt wider die röm. kgl. Mt. und das Hl. Röm. Reich sein, sunder alleyn wider ir widerwertigen und ungehorsamen, dieselben zu strafen etc., so seio doch offentlich am tag, wie oben angezeigt, und darumb irem verantworten und furgeben kein glaub zu geben.
[6.] Darab die Eydgenossen und ein yeglicher verstendiger wol zu vernemen hat, wo dem Kg. von Frankenreich solicher sein furgesetzter ungesettigter will ergeen und er zusampt der ksl. cron das babstumb und ganz Italien in seinen gewalt bringen solt, das der Almechtig abwenden wolle, was auß solicher versampter oder verhaufter macht zuletzt erwachsen oder wo die ende nemen oder setzen, auch was unleidlicher anfechtung, truckung und beswerung der teutschen nacion, allen stenden, gelidern und verwandten derselben, und sunderlich denen, so Frankenrych und Meyland, als die Eydgenossen, am nehsten gesessen oder gelegen syenp, am letzsten darauß gedeihen, wann er one zweifel damit nit beruhen, sunder weiter greifen wurde.
[7.] /417’/ Item, so setzen die stende des Hl. Reichs in keynen zweifel, die Eydgenossen tragen guten wissen, wie manigfaltig vertrege zwuschen röm. kgl. Mt., unserm allergnst. H., und der cron zu Frankenrych verschiener zeit ufgericht, der nye keyner von den Franzosen vollenzogen, sunder alle zurbrochen; und sunderlich, wie letzst ein vertrag zu Hagenau zwuschen inen gemacht q–were, den röm. kgl. Mt. dem Hl. Reich und teutscher nacion zu eufung6 und gutem gemeynet–, darin der Kg. von Frankenrych r–unsern allergnst. H., den röm. Kg.–, durch furgeben einer angenommen fruntschaft eins heyrats zwuschen seiner dochter Claudia und der röm. kgl. Mt. enkeln und son, Ehg. Carlen von Osterreich, Hg. zu Burgundi etc., etwass geverlicher meynung, t–als auß dem handel erscheine–, bewegt, also das röm. kgl. Mt. das Hm. Meylant dem Kg. von Frankenrych guter und fruntlicher meynung sein leben lang zu lehen geliehen, doch also, das es nach seinem absterbenu uf gedachten der kgl. Mt. enkeln und sone Ehg. Carlen als einen teutschen F. nach laut /418/ des heyrats fallen und komen und also by v–dem Hl. Reich teutscher nacion– pleiben solt.7 Welichen vertrag, heyrat und verwente freuntschaft der Kg. von Frankenrych kurzverschiener zeit w–wider sein brief und siegel, auch sein getan gelubde und eyde und hochsten glauben, als die stende des Hl. Reichs die röm. kgl. Mt. habe lassen berichten [Nr. 5, Pkt. 2] , auch zurbrochen und den gemelten heyrat– kgl. Mt. auß ungegrundten, beferbten ursachen hett lassen abkunden, x–sein dochter einem andern, nemlich dem Delphin gebend8 und bey der abkundung kgl. Mt. sagen lassen, dieweil nu die fruntschaft des heyrats, wie obsteet, ab und nichts, so sey auch die bescheen der kgl. Mt. leihung des Hm. Meyland ab und nichts, quia cessante causa cessaret effectus9. Und haben die gesanten daruf einer neuen investitur und leihung von kgl. Mt. gebeten, y–daruf die kgl. Mt. ire selbs bekentnis, das die berurt belehnung abe und nichts sei–, von stund an angenomen und daruber protestirt, aber der neuen begerten investitur oder leihung halber keyn antwort geben, sunder die franzosischen gesandten alher uf disen Reichs tag beschieden, des alhie antwort zu entpfahen.10 Das aber der /418’/ Franzose biß uf diesen tag in verachtung gestelt, dorab zu vernemen, das das Hm. widerumb verledigt und wider zu kgl. Mt. und dem Hl. Reich gefallen sey. Aber solichs alles unangesehen, so behielte der Kg. von Frankenrych–x nichts destermynder das Hm.z–mit gewalt in seinen handen one eynichen rechtmessigen titel–, nit zu kleyner verachtung, verunrechtung, beswerungaa und schaden röm. kgl. Mt. und des Hl. Röm. Reichs.
Dergleichen ungeschickter oder unbestendiger geubter sachen und hendel weren noch vil von dem Kg. von Frankenrych anzuzeygen, der die Eydgenossen vor gnugsam wissen hetten, darumb man dieser zeit die weiter zu erzelen im besten unterliesse.
[8.] Die stende des Hl. Röm. Reichs weren aber ungezweifelt, wo die Eydgenossen diß angezeigten schwinden und unzimlichen furnemens des Kg. von Frankenrych zu abbruch, vercleynung, schaden und nachteyl des Hl. Röm. Reichs und sunderlich teutscher nacion hochster ere und wirde warlich bericht und wissens entpfangen, sie hetten uß redlicheyt und vernunft, damit sie von Got begabt weren, auch angeborner treue und liebe, /419/ so sie als gelider und verwandten des Reichs zu der ere und wirde des Röm. Reichs, auch der teutschen nacion als irem rechten vaterland trugen, dem Kg. von Frankenrych darin kein hilf noch beistand getan, noch ime yemands der iren zugeordent, der ganzen zuversicht und vertrauens, sie wurden gestalt der sachen, wie erzelet und im grund also gestalt were, bedenken und erwegen und daruf die iren, so sie bey dem Kg. von Frankenrych noch hetten, von stund an und on verziehen abfordern, dem Kg. von Frankenrych in solichem unzimlichen furnemen und ubungen wider röm. kgl. Mt., stende des Hl. Reichs und teutsch nacion als ire vaterland, dem ein yglicher vor allen andern mit eren und treuen von natur und dem rechten verpflichtet und verbunden were, kein hilf noch bystand tun, sunder in solichem und zu abwendung solichs franzosischen furnemens und zu underhaltung der hochsten ere und wirde teutscher nacion, röm. kgl. Mt., Kff., Ff. und andern stenden teutscher nacion als fromme, getreue Teutschen anhangen, helfen und retten und röm. kgl. Mt. uf ire begere und handlung, so sie bey inen solicher sachen halber hett lassen tun, richtig, trostlich und zuseglich antwort geben und gedeien lassen, damit die hochste ere und wirde teutscher /419’/ nacion errettet und erhalten werden mochten, als dann ire voreltern als die, so die teutschen nacion, ire vaterland, hochlich geliebet, zum dickermal getreulich hetten helfen tun. Das were auch der Kff., Ff. und stende des Hl. Reichs, zu Costenz versamelt, gn. und fruntlich begere und bitt. Und das sie solichs als die pillicheyt und erbarkeyt keinswegs abschlugen oder weygerten. Damit wurden sie by röm. kgl. Mt., auch Kff., Ff. und allen Teutschen ein ewigen, unvergeßlichen dank, lob, rume und preiß, auch ewige fruntschaft und guten willen erlangen, den röm. kgl. Mt., ire nachkomen, röm. Kss. und Kgg., auch Kff., Ff. und stende des Hl. Reichs unbelonet und unbeschuldet nit lassen wurdenab, auch dadurch nit alleyn gewilliget, sunder verpflichtiget werden, wider die Eydgenossen nit alleyn nit zu sein oder zu tun, sunder inen wider ire widerwertigen und anfechter herwiderumb getreue und trostlich furderung, hilf und beystand zu tun etc.
[9.] /420/ Daruf ist der Eydgenossen antwort zu vernemen. Und wo sie die also geben wurden, das sie kgl. Mt. und dem Hl. Reich teutscher nacion anhengig zu sein und die iren abzufordern wol geneigt seien, doch das inen darumb auch zimlich belonung oder versoldung gedeihe etc., so ist durch die geschickten mit inen fruntlicher und zimlicher weise zu reden und zu handeln und inen die treu und liebe, so sie als verwandten des Reichs pillich zu teutscher nacion als irem vaterland trugen, zu gedechtnus zu furen, mit begere und bitt, das sie sich in ansehung desselben der zimlicheyt selbs weisen und einer leidlichen, zimlichen meynung horen lassen. So wolten die geschickten ungezweifelt sein, kgl. Mt. und die stende des Reichs wurden sich in allem dem, so moglich, gleich und treglich were, aller zimlicheyt gegen inen horen und finden lassen. Und wo es inen gelegen oder tunlich were, so bedeucht die geschickten, das nirgent anderßwo von dieser sachen fuglicher, furderlicher, entlicher und beschließlicher zu handeln were wann alhie zu Costenz in beisein der versamlung, das sie dahin mit vollem gewalt, entlich und beschließlich zu handeln, geschickt hetten etc. /420’/ Wie dann die geschickten, nachdem und inen die sachen von den Eydgenossen begegnen, zum besten bedunken und gut ansehen wurdet.
[10.] Wurden aber die Eydgenossen mit widerwertiger oder dünkeler antwort begegnen, so ist inen dester trutzlicher von den geschickten wider zu begegnen, also das man sich solicher antwort nach gestalt der sachen keinswegs versehen hett, sünder das sie pillich ire verwandtnus gegen dem Reich, auch teutscher nacion, irem vaterland, bedacht und sich in solichem als getreu verwandten des Reichs und fromme Teutschen solten bewiesen haben. Dweil aber ire gemut fur und fur stunde, dem Hl. Röm. Reich und sunderlich teutscher nacion, irem vaterland, widerwertig zu sein und frembden nacion und gezungen anzuhangen wider die Teutschen, mochten sie achten, was beswerung, betrachtung und nachgedenkens solichs zuvoran bey röm. kgl. Mt., auch Kff., Ff. und stenden des Hl. Reichs teutscher nacion geberen wurde, in die harr, als sie selbs abnemen mochten, nit zu erleiden sein. Die geschickten /421/ hetten auch beswerung, solich antwort den stenden anzubringen, were inen ganz wider und nit lieb. Mochten sie die aber nit besser gehaben, so mußten sie nemen, was man inenac geben wolt, teten es aber nit gern. Wie dann diead geschickten nach gestalt und ansehen der sachen, die meynung zu leichtern oder zu besweren, gut wurdet bedunken.
[11.] Und was also von Eydgenossen fur antwort gefellet, das soll durch die geschickten wider hinter sich an die stende des Reichs bracht und nichts entlichs oder beschließlichs durch die geschickten mit den Eydgenossen gehandelt werden etc.