Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil
5.1.1. Sachsen gegen Utrecht
Nr. 369 Protokoll über die Schiedsverhandlungen zwischen Hg. Georg von Sachsen und Bf. Friedrich von Utrecht
[1.] Anwesende bei der Eröffnung der Verhandlungen am 21. Mai; [2.] Eröffnung der Verhandlungen: Verfahrensfragen; [3.] Entscheidung Kg. Maximilians über Verfahrensfragen, Vorlage der Utrechter Vollmacht; [4.] Eingabe Utrechts; Verfahrensfrage; [5.] Eingabe der sächsischen Replik am 1. Juni; [6.] Einsetzung einer Schiedskommission; [7.] Verhandlungen am 2. Juni: Bevollmächtigung der Anwälte Hg. Georgs von Sachsen; Verfahrensfragen; [8.] Duplik Bf. Friedrichs von Utrecht; [9.] Verhandlungen am 26. Juni; [10.] Annahme eines Utrechter Schriftsatzes zur Prüfung; [11.] Verhandlungen am 9. Juli: Zulassung des Utrechter Schriftsatzes; [12.] Bescheinigung des kgl. Sekretärs Sixtus Ölhafen für die Parteien vom 20. Juli.
Act. Konstanz, 21. Mai-20. Juli 1507.
Innsbruck, TLA, Maximiliana VI/33, fol. 3–13’ (Konz., Aufschr.: Prothocol Hg. Georg contra Bf. zu Utricht.).1
[1.] /
[2.] /
/6–6’/ Hg. Georg akzeptierte die Erklärung der Utrechter Gesandten, wies jedoch darauf hin, daß über deren Bevollmächtigung noch nicht entschieden sei.
[3.] /6’–7/ Der röm. Kg. entschied, daß die Utrechter Gesandten bis zum nächsten Gerichtstag eine gemäß der Zitation ausreichende Vollmacht für ein rechtliches Verfahren vorlegen müßten. In jedem Fall werde das Verfahren fortgesetzt.5 Diese Entscheidung wurde den Parteien am 27. Mai (quinta post pentecostis) mitgeteilt.
Die Utrechter Gesandten reichten daraufhin ihre Vollmacht [Nr. 67] ein6, die verlesen wurde.
/7–7’/ Hg. Georg von Sachsen ließ durch seinen Marschall7 um Bedenkzeit bitten und anschließend erklären, er habe ihre Vollmacht angehört und lasse sie auf sich beruhen. Er erbitte Abschriften davon und von dem kgl. Entscheid sowie um eine Frist, um dazu Stellung nehmen zu können. Falls die Gegenpartei weitere Punkte vorbringen wolle, wolle er diese anhören und sich dazu ebenfalls äußern.
[4.]
Hg. Georg von Sachsen erhob Einspruch gegen den Vortrag eines lateinischen Schriftsatzes als im Reich und am Kammergericht unüblich. Da er selbst und möglicherweise auch einige der Beisitzer des Lateinischen nicht genügend mächtig seien, könnten ihm daraus Nachteile entstehen. Er beantrage deshalb, die deutschsprachige Gegenpartei zu veranlassen, sich bei dem Verfahren ausschließlich des Deutschen zu bedienen.
[5.]
[6.] /9–9’/ Kg. Maximilian stellte fest, daß nunmehr Hg. Georg von Sachsen, dann die Gesandten des Bf. von Utrecht und schließlich die Vertreter Groningens [Nr. 378, Pkt. 1] angehört worden seien. Es bestehe keine Notwendigkeit, daß er selbst und die Reichsstände mit der Anhörung der Schriftsätze bemüht würden, da sie von vielen Angelegenheiten in Anspruch genommen würden. Deshalb solle für die Fortsetzung des Verfahrens ein Ausschuß aus Vertretern des Kg., der Kff., der Ff. und der übrigen Stände gebildet werden. Das Urteil solle abschließend jedoch durch den Kg. und alle Stände gesprochen werden.
Die Deputierten waren Bf. [Heinrich] von Augsburg, der Propst zu Stuttgart [Dr. Ludwig Vergenhans] und Hans Imber (Yngwer) zu Gilgenberg sowie je ein Kurmainzer, ebfl. Magdeburger und Württemberger Rat.8
[7.]
/9’-10’/ Zwischen den beiden Parteien entbrannte ein Streit über die Forderung der sächsischen Vertreter, gemäß dem kgl. Entscheid in deutscher Sprache zu verhandeln. Die nach eigenem Bekunden des Oberdeutschen nicht mächtigen Vertreter Utrechts bestanden auf Latein. Die Deputierten entschieden schließlich, die beiden Parteien getrennt anzuhören und die vom röm. Kg. bereits angenommenen Schriftsätze zu hören. Den Parteien wurde außerdem vorgeschlagen, der Gegenpartei jeweils eine Abschrift eingereichter Schriftstücke zuzustellen und die Fristen zu verkürzen. Die sächsischen Anwälte beantragten, gegen die Gegenpartei ein Kontumazialverfahren einzuleiten, falls sie dem kgl. Bescheid nicht nachkomme. Die Parteien nahmen anschließend die eingereichten Schriftsätze entgegen. Die Fortsetzung der Verhandlungen wurde auf den 7. Juni um 7.00 Uhr anberaumt–.
[8.] /10’-11/ 7. Juni 1507. Die Vertreter Utrechts reichten gemäß dem Bescheid der Kommissare ihre Duplik [Nr. 374] ein.
Die Anwälte Hg. Georgs von Sachsen stellten fest, sie hätten die sogenannte Duplik des Bf. von Utrecht gehört und kämen zu dem Schluß, daß diese nur zur Verlängerung des Verfahrens diene, da sie lediglich die Exzeption wiederhole. Dieses Vorgehen lehnten sie grundsätzlich ab und erneuerten ihren vorigen Antrag.9 Die Utrechter Vertreter erneuerten den in ihrer Duplik gestellten Antrag und wiesen im übrigen die Vorwürfe der Gegenpartei zurück.
[9.] /11–11’/ 26. Juni 1507b. Die Utrechter Vertreter ersuchten darum, ihren Standpunkt durch einen weiteren Schriftsatz darlegen zu dürfen. Die sächsischen Anwälte lehnten dies ab, da die Beweisaufnahme bereits abgeschlossen worden sei und die Gegenpartei ohnehin die letzte Eingabe vorgelegt habe. Die Utrechter Anwälte machten geltend, daß es sich nicht um ein neues Schriftstück, sondern lediglich um eine Erläuterung ihrer letzten Erklärung handle. Der Streit wurde zur Entscheidung vor Kg. und Stände gebracht. Deren Beschluß lautete, daß das Utrechter Schriftstück [Nr. 375] angenommen werden solle. Doch sollten die Kommissare und Beisitzer alle neuen Aspekte daraus streichen.
[10.]
[11.]
[12.] /13–13’/ 20. Juli 1507. c–Bescheinigung Sixtus Ölhafens für die Parteien– [Nr. 377].
Nr. 370 Klageschrift Hg. Georgs von Sachsen gegen Bf. Friedrich von Utrecht
[1.] Hg. Georg von Sachsen bringt vor Kg. Maximilian und den versammelten Kff., Ff. und Ständen folgende Klage gegen Bf. Friedrich von Utrecht vor: Der röm. Kg. hat mit Zustimmung von sechs Kff. und der [Freiburger] Reichsversammlung seinen Vater Hg. Albrecht von Sachsen und dessen Erben zu Statthaltern über das zum Reich gehörige Friesland eingesetzt1, wozu auch die Stadt Groningen mit ihren Einwohnern zählt. Den friesischen Ständen wurde durch mehrere kgl. Mandate geboten, Hg. Albrecht und seine männlichen Erben als kgl. und Reichsstatthalter anzuerkennen und ihnen zu huldigen.2 Hg. Albrecht und nach ihm Hg. Georg, der als rechtmäßiger Erbe und kraft der kgl. Verfügung die Statthalterwürde angetreten hat, konnten einen Großteil Frieslands in Besitz nehmen. Die ungehorsame Stadt Groningen wurde mitsamt ihren Helfern in die Reichsacht und Aberacht erklärt.3 An die benachbarten Stände und insbesondere auch an Bf. Friedrich von Utrecht gingen entsprechende Exekutionsmandate aus.4 Der röm. Kg. befahl dem Bf. auch mündlich, den Geächteten gegen den mit Vollmacht von Kg. und Reich gegen Groningen vorgehenden Statthalter keinerlei Unterstützung zu gewähren. Auch das gemeine ksl. Recht besagt eindeutig, daß die Stadt dem röm. Kg. und somit auch dessen Statthalter untersteht. Dies belegen auch die vom Kg. ausgestellten Schriftstücke. Hg. Georg als Statthalter belagerte die Stadt unter hohen Kosten mit seinem Heer, so daß sie sich ohne fremde Hilfe nicht länger hätte halten können. Bf. Friedrich jedoch nahm sich Groningens an und unterstützte die Stadt in ihrem Ungehorsam. Er behauptete öffentlich, daß die Stadt nicht reichsunmittelbar sei, sondern ihm und dem Hst. Utrecht unterstehe. Obwohl er, Hg. Georg, diesen Anspruch nicht akzeptierte und auch davon überzeugt ist, daß er nicht belegt werden kann, hat der Bf. ihn dennoch daran gehindert, dem ihm von Kg. und Reich erteilten Auftrag nachzukommen und die Stadt seiner Regierung zu unterwerfen, und ist somit als Helfer Groningens ebenfalls der gegen die Stadt verhängten Strafe verfallen. Er wurde dadurch um über 500 000 fl. geschädigt. Das Vorgehen des Bf. entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage.
[2.] Er bittet deshalb den Kg. und die versammelten Stände, rechtsverbindlich festzustellen, daß die Stadt Groningen unmittelbar dem Reich und somit ihm als dessen Statthalter untersteht, daß er zum gewaltsamen Vorgehen gegen die Stadt befugt und Bf. Friedrich nicht berechtigt war, ihn daran zu hindern, sondern dadurch ebenfalls der gegen Groningen verhängten Strafe verfallen ist. Dem Bf. soll geboten werden, von seinen Ansprüchen bezüglich Groningens zurückzutreten und ihm als Statthalter gegenüber zu gewährleisten, daß er in dieser Sache nichts weiter unternimmt. Außerdem soll ihm die Ersetzung der geltend gemachten Schäden und Unkosten auferlegt werden. An den Bf. soll eine Aufforderung ergehen, sich gegenüber dieser Klage zu verantworten. Er bietet an, für die gemachten Behauptungen Beweise vorzulegen.
In Konstanz am 21. Mai 1507 dem röm. Kg. und den Reichsständen vorgelegt.5
Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 18–23 (Reinkonz., Aufschr.: Clag wider den Bf. zu Utrich etc.).
Nr. 371 Protest der Anwälte Bf. Friedrichs von Utrecht an Kg. Maximilian
[1.] Sie haben sich aufgrund der kgl. Zitation bereits vor dem darin anberaumten Termin in seiner Abwesenheit bei den kgl. Räten als Prokuratoren Bf. Friedrichs akkreditiert und erscheinen jetzt erneut vor ihm. Sie legen hiermit eine Abschrift der kgl. Zitation [Nr. 66] und ihre Vollmacht [Nr. 67] vor und bitten um Verlesung der beiden Schriftstücke.
[2.] Aus der Zitation geht eindeutig hervor, daß sie aufgrund der Bitte des Bf. an den Kg., seine Rechte an der Stadt Groningen zu verteidigen, von Amts wegen ausgegangen ist. Demnach sollte der Bf. ab dem 15. Mai in Konstanz persönlich oder durch Bevollmächtigte gegen Hg. Georg von Sachsen als Statthalter in Friesland, der ebenfalls Ansprüche auf die Stadt erhebt, sein Recht vertreten. Der Kg. werde dann mit seinen Räten und den zu dieser Zeit dort versammelten Reichsständen ein Urteil fällen.
[3.] Im Sinne dieser Zitation hat Bf. Friedrich sie bevollmächtigt und mit den notwendigen Instruktionen versehen, was keineswegs als Säumnis oder Ungehorsam gelten kann. Sie protestieren über den Vorbehalt des Rechtsweges, was ausdrücklich für alle folgenden Handlungen in diesem Verfahren gelten soll. Gleichwohl akzeptieren sie alles, was die Zitation beinhaltet, insbesondere daß Bf. Friedrich um Bewahrung seiner Rechte in Groningen an den röm. Kg. suppliziert hat.
[4.] Vorbehaltlich dieses Protests erklären sie, daß der Bf. zu der Zeit, als er gegenüber dem röm. Kg. erklärte, daß Groningen ihm und seinem Stift unterstehe, und um die Verteidigung seiner Rechte bat, im unbestrittenen Besitz dieser Stadt war, der auf Schenkungen früherer Kss. und Kgg. gründete.1 Die Einwohner leisteten ihm gegenüber den Untertaneneid und übergaben die Schlüssel der Stadt. Somit nahmen sie ihn, wie dies in allen bfl. Städten seit Menschengedenken üblich ist und auch bei seinen Vorgängern Bf. David von Burgund und Bf. Rudolf von Diepholz der Fall war, als ihren Herrn an. Bf. Friedrich bat den röm. Kg. um die Verteidigung dieser unangefochtenen, sich beinahe über 500 Jahre erstreckenden Possession der Stadt durch die Bff. von Utrecht. Knapp ein Jahr vor Ausstellung des ex officio ergangenen Zitationsmandats sah sich Bf. Friedrich seines Besitzes beraubt. Das Besitzrecht ist also derzeit beeinträchtigt, obwohl es dies nicht war, als der Bf. den Kg. um Schutz bat und Hg. Georg mit Hilfe des in seinem Sold stehenden Gf. Edzard von Ostfriesland Groningen belagerte, mit dem Ergebnis, daß sich die Stadt in dessen Hände ergab. Gf. Edzard konnte in die Stadt einziehen, errichtete darin eine Befestigung und beraubte somit den Bf. und das Hochstift ihres rechtmäßigen Besitzes.
[5.] Possession und Spoliation setzen sie als offenkundig voraus. Falls die Gegenseite dies bestreitet, bieten sie an, dies in Form einer Exzeptionsschrift zu beweisen. Der Bf. hätte die Belagerung und daraus resultierende Spoliation leicht verhindern können, wenn ihm klar gewesen wäre, daß Hg. Georg beabsichtigte, ihm seinen Besitz wegzunehmen. Denn für die Belagerung ließ dieser auf hochstiftischem Territorium eine Festung errichten, die bis heute von sächsischen Truppen besetzt ist. Bf. Friedrich ging jedoch davon aus, daß Hg. Georg lediglich die Preisgabe der Ommelande durch die Groninger erzwingen wollte. Sie erheben deshalb Einrede und fordern, daß gemäß dem göttlichen, geistlichen und weltlichen Recht zuallererst der Geschädigte wieder in seinen Besitz eingesetzt wird, da gemäß dem ius gentium niemand seines Rechts beraubt werden darf. Sie ersuchen deshalb den röm. Kg. als obersten Richter und Wahrer allen Rechts – und erheben damit auch Einrede –, vor Eintritt in das Verfahren über Groningen, worüber sie ausdrücklich protestieren, die Stadt dem Bf. ohne jeden Vorbehalt zurückzugeben. Nach erfolgter Restitution ist dieser bereit, jeder Forderung bezüglich der Rechte an Groningen vor dem zuständigen Richter zu begegnen.
[6.] Sie hoffen, damit der kgl. Zitation Genüge geleistet zu haben. Sie protestieren ausdrücklich, daß sie nicht instruiert sind, den Bf. gegen eine Klage Hg. Georgs von Sachsen zu vertreten. Der Bf. konnte aus der Zitation keinesfalls entnehmen, daß er sich gegen eine Klage zu verteidigen hat, und gab ihnen deshalb keine entsprechende Weisung mit. Wenn er eine solche Klage befürchtet hätte, wäre er zweifellos entweder in eigener Person erschienen oder hätte mehr und gelehrtere Vertreter, als sie es sind, mit ausreichender Instruktion entsandt.
[7.] Falls der Bf. aufgrund dieser Klage vorgeladen werden sollte, wird es ihm ein Leichtes sein, seine Unschuld zu beweisen und zu belegen, wie er Hg. Georg in vielerlei Weise bei der Durchführung seines Auftrages – ausgenommen gegen die Stadt Groningen – unterstützt hat.
In Konstanz am 27. Mai (quinta post pentecostes) 1507 präsentiert und verlesen.
Innsbruck, TLA, Maximiliana VI/33, fol. 71’-76, 77’ (lat. Kop., Dorsalverm.: Antwort der von Utrecht auf die erst einleg Hg. Georgen und sein exceptiones. Präsentatverm.: Praesentata quinta post pentecostes Ao. 1507.) = Textvorlage A. Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 13–17’ (lat. Kop. mit Randvermm., die den Inhalt kennzeichnen; Präsentatverm. wie A) = B.
Nr. 372 Eingabe der Anwälte Bf. Friedrichs von Utrecht
[1.] Bezüglich des auf ksl. und kgl. Begnadungen beruhenden Rechts des Hst. Utrecht an der zugleich zur Diözese gehörenden Stadt Groningen ist an erster Stelle zu beachten, daß die Stadt in der Gft. Drente liegt, welche das Hst. bzw. die Bff. seit der Übereignung mit allen Rechten und Zugehörungen bis zum heutigen Tag unangefochten innehaben. 2. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß das in der Gft. Drente gelegene Landgut Groningen und das Dorf mit allen damaligen und künftigen Zugehörungen der Utrechter Domkirche geschenkt wurden, wie dies aus der Urkunde Kg. Heinrichs III. von 10401 und aus deren mit dem Rat der Reichsfürsten, darunter Kf. Rudolf von Sachsen und Mgf. Wilhelm von Meißen, erfolgten Bestätigung durch Ks. Karl IV. hervorgeht.2 Auf dieser Rechtsgrundlage besaßen das Stift und die Bff. von Utrecht das Landgut und Dorf Groningen, das durch den Fleiß seiner Einwohner und glückliche Umstände zu der heutigen Stadt wurde. 3. Seit dieser Zeit huldigen die Einwohner Groningens den Bff. von Utrecht als ihren Fürsten und weltlichen Herren. 4. Die Einwohner der Stadt Groningen empfingen Bf. Friedrich bei seinem ersten Einzug in die Stadt und bei allen folgenden Gelegenheiten, wie seine Vorgänger auch, als ihren Herrn und akzeptierten die von ihm eingesetzten Richter. 5. Demnach waren und sind die auf den ksl. und kgl. Donationen beruhenden Rechte des Hochstifts an der Stadt uneingeschränkt und unbestritten. Selbst wenn der auf der Schenkung ruhende Rechtstitel unwirksam geworden wäre, so hätte doch das Hochstift die Stadt seit 500 Jahren mit allen Rechten und Zugehörungen in gutem Glauben inne, was seit Menschengedenken unangefochten blieb. 6. Falls Hg. Georg oder sein Vater Hg. Albrecht von Sachsen durch den röm. Kg. irgendeinen Rechtstitel auf die Stadt Groningen zum Nachteil Utrechts erlangt haben sollten, so wäre dieser schon deshalb nichtig, weil in dieser Sache weder Bf. Friedrich noch ein anderer Vertreter des Hochstifts angehört wurden, wie dies rechtlich vorgeschrieben ist.
[2.] Bf. Friedrich hat aufgrund der an ihn – nicht aufgrund einer Klage, sondern von Amts wegen – ausgegangenen Zitation seine dementsprechend bevollmächtigten Anwälte entsandt, um die Rechte Utrechts an der Stadt Groningen zu verteidigen. Die bfl. Vertreter erheben – gemäß der kgl. Zitation – Einrede und fordern, daß zuallererst der gewaltsam seiner Rechte beraubte Bf. uneingeschränkt wieder in den Besitz der Stadt eingesetzt werden muß. Danach ist er bereit, sich gegen jegliche Ansprüche Dritter vor dem zuständigen Richter zu verteidigen. Sie beantragen demnach im Namen des Bf., das Hauptverfahren erst nach dessen Restitution zu eröffnen.
[3.] Desweiteren fordern sie, nicht aufgrund einer Klage Hg. Georgs zu prozessieren, womit der Bf. aufgrund der ihm zugestellten kgl. Zitation nicht rechnen konnte. Der Streit mit Hg. Georg von Sachsen betrifft dessen Vorgehen in Friesland, von Groningen war nie die Rede. Dem Bf. war zu keinem Zeitpunkt bewußt, daß es den Hgg. von Sachsen darum ging, dem Hochstift und ihm Groningen wegzunehmen. Deren Vorgehen gegen die Stadt bezweckte nach seiner Überzeugung vielmehr, diese zur Preisgabe der Ommelande zu zwingen. Da der Bf. und das Hochstift in den Ommelanden keinerlei Rechte beanspruchen, wurde der dortige Widerstand gegen die Hgg. von Sachsen auch in keiner Weise unterstützt. Wenn der Bf. den Eindruck gewonnen hätte, daß die Belagerung Groningens darauf abzielte, ihm und seinem Stift die Stadt wegzunehmen, wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, dieses Unternehmen zu unterbinden.
[4.] Abschließend beantragen sie, ihnen die Eingabe lateinischer Schriftstücke zu erlauben, da ihre Unterlagen und Instruktion in dieser Sprache verfaßt sind und es sich um eine kirchliche Angelegenheit handelt, die besser in Latein verhandelt wird – und nicht in einer Sprache, deren die Anwälte nicht mächtig sind. Es besteht sonst die Gefahr, daß ihnen im Verfahren Fehler unterlaufen, die nicht mehr zu korrigieren sind. Da die Gegenseite über genügend rechtsgelehrte Vertreter verfügt, stellt es für sie keinen Nachteil dar, wenn in lateinischer Sprache verhandelt wird oder lateinische Schriftsätze eingereicht werden.
In Konstanz am 27. Mai 1507 präsentiert.3
Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 1–4’ (lat. Kop., Überschr.: Summaria et brevis informatio de et super jure, quod semper habuit ecclesia Traiectensis et pro tempore eius nomine reverendus pater et illustris dominus Federicus marchio Badensis eiusdem ecclesie episcopus in oppido de Gröningen habet.).
Nr. 373 Replik Hg. Georgs von Sachsen gegen Bf. Friedrich von Utrecht an Kg. Maximilian und Reichsstände
[1.] Er akzeptiert sämtliche in den drei von der Gegenseite vorgelegten Schriftstücken (Zitation, Vollmacht, Exzeption [Nrr. 66, 67, 371]) gemachten Angaben, die zu seinen Gunsten und gegen den Bf. von Utrecht sprechen, als deren eigene Aussage, widerspricht jedoch sämtlichen für ihn nachteiligen Behauptungen.
[2.] Durch die Vorlage einer Abschrift der Zitation und durch ihr Erscheinen haben die bfl. Anwälte den Inhalt der Zitation bekannt. Daß Bf. Friedrich und er wegen ihres konkurrierenden Anspruches auf die weltliche Herrschaft über die Stadt Groningen zu diesem Gerichtstag nach Konstanz geladen wurden, um darüber angehört zu werden und ein Urteil zu erhalten, haben die bfl. Anwälte am Anfang ihrer vorgeblichen Exzeption eingeräumt. Dort bekennen sie, wie in der kgl. Zitation auch formuliert ist, daß der Bf. gegenüber dem röm. Kg. die Zugehörigkeit Groningens zu seinem Hochstift beansprucht habe, er mit ihm in einen Konflikt geraten und jetzt wegen des von ihm erhobenen Anspruches hierher vorgeladen worden sei; die Anwälte seien vom Bf. zu diesem Rechtstag deputiert worden und bevollmächtigt, wegen dieser Sache Klage gegen Sachsen zu erheben sowie umgekehrt den Bf. gegen seine Klage zu verteidigen – wie dies auch ihre vorgelegte Vollmacht besagt.
[3.] In ihrer Eingabe behaupten die bfl. Anwälte den Besitz, das Eigentumsrecht und die weltliche Herrschaft des Bf. bzgl. Groningens. Er, Hg. Georg, hat aufgrund der kgl. Ladung in der Klageschrift seine Rechte auf Groningen begründet und die ihm Kosten und Schäden verursachende Behinderung durch den Bf. bei deren Geltendmachung dargelegt. Er hat um Stellungnahme der Gegenseite gebeten, damit das Verfahren rechtshängig wird, und die Beweisführung angeboten. Die gegnerischen Anwälte haben jedoch weder auf seine Klage geantwortet noch den Anspruch des Bf. auf Groningen in Form einer Klage geltend gemacht. Sie mißachten dadurch den angesetzten Rechtstag, sie protestieren, sich nicht weiter in das Verfahren einzulassen als sie sich verpflichtet glauben, und sie erheben in unrechtmäßiger Weise Einrede. Somit hat die Gegenseite der kgl. Ladung nicht Folge geleistet, wie dies auch aus ihrer Exzeptionsschrift hervorgeht. Auch trifft es nicht zu, daß der Bf. aufgrund der Ladung nicht mit der sächsischen Klage rechnen konnte. Denn abgesehen von seinem Anspruch auf Groningen bestand sonst kein Streit mit dem Bf. Er konnte sich auch mit dem Bf. vertraglich einigen1, doch stellte sich dieser dann wieder gegen ihn. Der Bf. mußte sich deshalb über den Gegenstand der Zitation und die sich daraus für ihn ergebenden Obliegenheiten im klaren sein, ungeachtet ob die Zitation ex officio ausging, was nicht ausdrücklich der Fall war. Auch die Form der kgl. Zitation weist nicht darauf hin, daß diese ex officio ausging, in dem Sinne, daß der Kg. von Amts wegen gegen den Bf. eine Klage anhängig machen wollte, sondern es ging darum, die Ansprüche beider Parteien auf Groningen zu klären und rechtlich darüber zu entscheiden, um Unfrieden im Reich zu verhindern, wie dies dem Kg. von Amts wegen obliegt. Die zu Beginn und am Ende der sogenannten Exzeption der Gegenseite vorgebrachten Rechtfertigungen sind deshalb in sich unschlüssig und somit zurückzuweisen.
[4.] Die Exzeption der Gegenseite ist außerdem nicht mit dem Gemeinen Recht vereinbar und kann den mit der sächsischen Klage eröffneten Prozeß nicht verhindern. Denn auch laut Exzeption hat nicht er als Kläger, sondern Gf. Edzard von Emden und Ostfriesland die Stadt eingenommen und somit das Unrecht am Bf. verübt. Das Gemeine Recht jedoch besagt, daß in der Hauptsache ungeachtet der Spoliation durch einen Dritten weiterprozessiert werden soll. Daß der Gf. zu dieser Zeit sächsischer Rat und Diener war – a–zu welchem Punkt er sich weitere Darlegungen vorbehält– –, ist demgegenüber unerheblich, da das Gemeine Recht besagt, daß eine gewaltsame Entsetzung durch einen Diener ohne Wissen und in Abwesenheit seines Herrn als Tat des Dieners zu werten ist. Dieses von der Gegenseite vorgebrachte Argument ist somit unerheblich; die vermeintliche Exzeption ist in diesem Punkt widerlegt.
[5.] Die bfl. Anwälte machen in ihrem Protest geltend, daß sie den Tatbestand des Spoliums allein in Form einer Exzeption vorgebracht hätten. Dennoch bitten sie, den Bf. vor Eröffnung des Verfahrens zu restituieren. Diese Vorgehensweise widerspricht der Rechtsordnung. Da laut den bfl. Anwälten die Einnahme Groningens erfolgt war, bevor die kgl. Zitation ausging, hat die Exzeption keine Wirkung. Da das Verfahren vor der Zitation nicht anhängig war, kann es auch nicht angefochten werden.
[6.] Die bfl. Anwälte waren zu ihrem überdies in unzulässiger Weise gegen ihn vorgetragenen Vorwurf der Spoliation aus einem weiteren Grund nicht berechtigt: Selbst wenn er Groningen persönlich eingenommen oder dessen Einnahme befohlen hätte, so hätte er doch damit weder gegen den Bf. noch sonst jemanden ein Unrecht begangen. Die Stadt war als offenbare Feindin von Kg. und Reich in die Reichsacht erklärt worden und hatte den Schutz des Reichsfriedens verloren. Er war deshalb durch Kg. und Reich sowie gemäß Goldener Bulle, dem Gemeinen Recht und der Wormser Landfriedensordnung befugt, die Stadt zu belagern und gewaltsam zu unterwerfen. Er konnte deshalb in dieser Angelegenheit kein Unrecht begehen. Dies kann er anhand des Gemeinen Rechts und mittels der im Namen von Kg. und Reich ausgegangenen Mandate belegen. Trotz Aufforderung durch ihn hat der Bf. damals keine stichhaltigen Gründe vorgebracht, die gegen sein Vorgehen aufgrund der kgl. Mandate gesprochen hätten. Er hat auch erklärt, die Rechte des Bf. und des Stifts nicht schmälern zu wollen, auch wenn er Groningen eingenommen habe – dieser Meinung ist er noch. Der Bf. hat seinen angeblichen Rechtsanspruch jedoch nie dargelegt, wie er auch jetzt nur Ausflüchte gebraucht.
[7.] Da die bfl. Anwälte auf seine Klage nicht geantwortet und dies am Schluß ihrer sogenannten Exzeption auch abgelehnt haben, sondern fehlende Anweisungen des Bf. diesbezüglich geltend machten, beschuldigt er die Gegenpartei des Ungehorsams und beantragt, zur Beweisführung zugelassen zu werden und das Verfahren gemäß der Wormser Reichsordnung bis zum Endurteil und zu dessen Exekution fortzusetzen.
In Konstanz am 1. Juni 1507 übergeben.
Innsbruck, TLA, Maximiliana VI/33, fol. 158–165’ (Kop., Präsentatverm., Aufschr.: A. Duplicen Hg. Georgen.) = Textvorlage A. Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 23–30 (Reinkonz., Aufschr.: Replica ducis Georgii contra putefactam exceptionem episcopi Traiectensis.) = B.
Nr. 374 Duplik Bf. Friedrichs von Utrecht gegen Hg. Georg von Sachsen an den Ausschuß
[1.] Die Adressaten, Bf. Heinrich von Augsburg und die übrigen sechs Deputierten von Kg. und Reichsständen1, haben ihnen, den bfl. Prokuratoren, am vergangenen Mittwoch (goedensdach) [2.6.] die sächsische Replik zugestellt, mit der Aufforderung, bis heute ihre Duplik einzureichen. Sie erscheinen demgemäß heute zur Vorlage der Duplik, erneuern allerdings zugleich ihren schon früher eingelegten Protest [Nr. 371, Pkt. 3]. Sie haben vier gelehrte Drr., zwei davon in Konstanz wohnhaft, beauftragt, die Replik, die sie – wie bereits den Deputierten gegenüber erklärt – nicht verstanden haben oder übersetzen konnten, in das Lateinische zu übertragen. Diese mußten jedoch einräumen, nicht alle Artikel begriffen zu haben. Ihre Bitte an die Deputierten, ihnen auf ihre Kosten einen Rechtsgelehrten für die Übersetzung zur Verfügung zu stellen, wurde zwar abschlägig beschieden. Sie wiederholen jedoch diesen Antrag. Nur so ist zu gewährleisten, daß ihre Duplik nicht auf einem irrtümlichen Verständnis der Replik basiert.
[2.] Sie bekräftigen angesichts der sächsischen Replik noch einmal ihren früheren Protest und ihre Exzeption und erklären, daß ihr Stillschweigen zu einzelnen Punkten keinesfalls als Zustimmung gelten darf. Sie anerkennen diese Replik im übrigen nicht als solche, da sie nicht den Anforderungen eines rechtlichen Verfahrens genügt. Sie erneuern ebenso ihren Protest, daß sie den röm. Kg. nicht als den für diesen Fall zuständigen Richter anerkennen. In diesem Verfahren kann es ausschließlich um die Feststellung der Tatsache gehen, daß Bf. Friedrich durch die Besetzung Groningens um sein rechtmäßiges Eigentum gebracht wurde.
[3.] Sie bestreiten die Behauptung der sächsischen Replik, wonach der Bf. ungehorsam gegen die kgl. Zitation war, als er seine Prokuratoren in ihrer Exzeption protestieren ließ, daß ihr Erscheinen keineswegs eine Anerkennung der kgl. Gerichtsbarkeit in diesem Fall impliziere. Sie erneuern vielmehr ihren in der Exzeption geltend gemachten Vorbehalt bezüglich dieses Verfahrens.
[4.] Es ist ebenfalls unzutreffend, daß Bf. Friedrich vorgeladen worden sei, um seine Rechte bzgl. Groningens zu beweisen. Vielmehr genügt die in der Exzeption gemachte und hiermit in dieser Duplik erneuerte Feststellung, daß diese Rechte seit Menschengedenken nicht in Frage gestellt wurden, und das damit verbundene Angebot, eventuellen Forderungen auf dem Rechtsweg zu begegnen, sobald das Eigentumsrecht Bf. Friedrichs an Groningen wiederhergestellt ist. Wenngleich in der bfl. Vollmacht ihre Befugnisse für ein Rechtsverfahren definiert wurden, so sind sie doch nicht verpflichtet, davon Gebrauch zu machen, bevor nicht die Voraussetzungen für ein solches Verfahren hergestellt sind.
[5.] Bezüglich des in der Replik geltend gemachten Arguments, daß der Bf. aufgrund der Zitation hätte wissen müssen, daß eine Klage gegen ihn anhängig gemacht werde, da zwischen Hg. Georg und Bf. Friedrich kein anderer Streit als um Groningen und die ihm als Statthalter aufgrund der Politik Utrechts entstandenen Kosten und Schäden bestehe, wenden sie ein, daß der Bf. nicht verpflichtet war, die Zitation in dieser für ihn nachteiligen Weise auszulegen; von einer Forderung über 500.000 fl. stand darin nichts. Ebenso darf dem Bf. der Umstand, daß er Hg. Georg wegen der Aneignung Groningens noch nicht rechtlich belangt hat, nachteilig als Arglist ausgelegt werden. a–Der Bf. hat – wie bereits in der Exzeption dargelegt – dem Hg. jederzeit alle notwendige Hilfe geleistet–, außer gegenüber der Stadt Groningen, wo er zur Verteidigung des Eigentums der Utrechter Kirche verpflichtet war.
[6.] Die sächsische Replik argumentiert, daß kein Unterschied bestehe, ob die kgl. Zitation von Amts wegen oder aufgrund der Klage einer interessierten Partei ausgegangen sei, und fordert deshalb, aufgrund der sächsischen Klage in ein Rechtsverfahren einzutreten. Sie machen hingegen darin einen erheblichen Unterschied aus. Diesen zu beachten, ist die Pflicht des Richters, um Nachteile für eine Partei auszuschließen, wenn nicht zu erkennen ist, ob eine Zitation aufgrund einer Klage ausgegangen ist. Daß die kgl. Zitation an den Bf. ex officio erging, räumte die Gegenseite in ihrer Replik selbst ein, wenn es heißt, daß es dem röm. Kg. darum ging, Streit zwischen den beiden Parteien um die Stadt Groningen zu verhüten, was ja die Aufgabe des Kg. ist.
[7.] Die sächsische Replik macht geltend, daß die Spoliation nicht durch Hg. Georg, sondern durch einen Dritten, Gf. Edzard von Emden, und ohne sein Wissen erfolgt sei, weshalb das Hauptverfahren fortgesetzt werden müsse. Dabei sei es auch ohne Bedeutung, daß der Gf. zu dieser Zeit in sächsischen Diensten gestanden habe. Doch war damals in den Niederlanden allgemein bekannt, daß das Vorgehen gegen Groningen dazu diente, die Stadt in die Gewalt Hg. Georgs zu bringen und daß Gf. Edzard dabei als dessen oberster Feldhauptmann fungierte. Unbestreitbar ist, daß Hg. Georg seine Truppen vor der Stadt beließ – und nicht etwa abgezogen hat –, bis diese schließlich gewaltsam eingenommen wurde. Angesichts dieser Faktenlage hat die Replik gegenüber dem Interdikt „Unde vi“2 keinen Bestand. Die Exzeption ist dadurch rechtlich unangreifbar, die Restitution des Spoliierten hat jeglicher Klage Dritter voranzugehen, auch wenn diese nicht im Besitz des Spoliums sind. Bf. Friedrich ist nicht verpflichtet, sich in ein Rechtsverfahren gegen Hg. Georg einzulassen, solange ihm Groningen nicht zurückgegeben wurde.
[8.] Das Argument der gegnerischen Replik, daß die Exzeption ungültig sei, da die Spoliation vor der kgl. Zitation datiere, ist nicht zulässig. Entscheidend ist, daß die Exzeption vor Eintritt in das rechtliche Verfahren stattfindet. Es bleibt dabei, daß vor Eintritt in die Hauptverhandlungen Groningen an den Bf. zurückgegeben werden muß.
[9.] Gegen das Argument, Hg. Georg habe in Vollzug des kgl. Achturteils gegen die Stadt kein Unrecht begehen können und Bf. Friedrich habe auch kein Unrecht gegen sich geltend gemacht, wenden sie ein, daß der Bf. auch dann nicht in seinen Rechten beeinträchtigt werden darf, wenn seine Untertanen ohne seine Mitwirkung ein Unrecht begangen haben sollten.
[10.] Hinsichtlich der Erklärung Hg. Georgs, die Rechte des Hst. Utrecht nicht schmälern zu wollen, bitten sie, es auch so zu halten.
[11.] Stellen fest, daß Bf. Friedrich der ausgegangenen Zitation in ausreichendem Maße nachgekommen ist, so daß nicht gegen ihn als Ungehorsamen prozessiert werden darf. Ebensowenig darf die Klage Hg. Georgs gegen den Bf. zugelassen werden, solange dieser nicht Groningen zurückerhalten hat.
In Konstanz am 7. Juni 1507 an die Deputierten des Kg. und der Reichsstände übergeben.3
Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 32–41’ (niederdt. Kop. mit lateinischen Randvermerken, vermutlich Hd. H. Goede, die teils den Inhalt kennzeichnen, teils Argumente für die sächsische Gegendarstellung enthalten; Präsentatvermerk).
Nr. 375 Eingabe (Quadruplik) der Anwälte Bf. Friedrichs von Utrecht an den Ausschuß
[1.] Sie erklären vor dem kgl. Kommissar Bf. [Heinrich von Augsburg] und den zugeordneten Beisitzern in Form einer Quadruplik, daß sie ungeachtet der sächsischen Triplik1 an der Exzeption festhalten und diese bekräftigen.
[2.] Erklären noch einmal wie schon in der Duplik mit Hinblick auf ihre Spolieneinrede, daß die Belagerung Groningens unbestreitbar auf Befehl Hg. Georgs hin durchgeführt wurde und daß Gf. Edzard von Emden als dessen besoldeter Heerführer die Stadt eingenommen hat. Da die Gegenseite diese offenkundige Tatsache bestreitet, bieten sie ergänzend zur Exzeption und Duplik die Beweisführung für die folgenden Punkte an:
[3.] Tatsache ist, daß Hg. Georg Groningen mit einem Heer eingeschlossen und belagert hat, daß er Gf. Edzard als seinen besoldeten Rat zum Befehlshaber über dieses Heer eingesetzt hat, daß die im Namen und auf Kosten Hg. Georgs erfolgte Belagerung bis zur Einnahme der Stadt fortgesetzt wurde und daß das hgl. Heer nicht vor, sondern erst nach der Einnahme abgezogen wurde. Die Belagerung war die Ursache der Spoliation. Daraus folgt, daß Hg. Georg um das Vorgehen Gf. Edzards gegen die Stadt und deren Eroberung wußte und dies billigte.
[4.] Es ist weiterhin Tatsache, daß die Bff. von Utrecht seit mehr als 100 Jahren und länger als Menschengedenken bis zur Eroberung durch die Gegenpartei die rechtmäßige Obrigkeit der Stadt Groningen waren und als solche auch anerkannt wurden, daß umgekehrt die Stadt unmittelbar Bf. und Hst. zugehörig ist und daß die Einwohner der Stadt bis zur Spoliation niemandem außer den Bff. von Utrecht als ihren Herren gehuldigt haben.
[5.] Ebenso entspricht es den Tatsachen, daß Bf. Friedrich den Groningern zu dem Vergehen, weswegen sie der Reichsacht verfielen, keinerlei Veranlassung gab noch sie dabei in irgendeiner Weise unterstützte oder unterstützt, sondern sich aus dieser Angelegenheit heraushielt. Die Groninger wurden niemals wegen dieses verübten Unrechts vor Bf. Friedrich verklagt, er hätte in dieser Sache niemandem sein Recht verweigert. Der Bf. wurde in die Achterklärung gegen Groningen nicht einbezogen. Das kgl. Mandat gegen Groningen, auf das sich die Gegenseite beruft, darf deshalb keine negativen Konsequenzen für den Bf. zeitigen. Es ist überdies zu bezweifeln, daß das kgl. Mandat einen dahinlautenden Passus enthielt. Man muß sich wundern, daß die Gegenpartei ernsthaft die Auffassung vertritt, durch das gewaltsame Vorgehen gegen die Stadt dem Bf. von Utrecht keinen Schaden zugefügt zu haben.
[6.] Sie erneuern deshalb die in der Exzeption und Duplik vertretene Position, daß die Klage Hg. Georgs gegen Bf. Friedrich unzulässig ist, solange nicht die Spoliation rückgängig gemacht wurde. Behalten sich Änderungen an ihrer Quadruplik vor.
Am 26. Juni 1507 in Konstanz den Deputierten von Kg. und Reichsständen übergeben.
Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 42–46 (Kop., Aufschr.: Traiectensis quadruplica, sabbato St. Johannis et Pauli [26.6.].).
Nr. 376 Supplikation Hg. Georgs von Sachsen an Kg. Maximilian (und Reichsstände)
[1.] Der Kg. hat Bf. Friedrich von Utrecht und ihn auf diesen RT vor sich und die Versammlung der Reichsstände zitiert. Laut der Zitation sollte jede Partei ihren Rechtsanspruch auf die Stadt Groningen begründen, worauf durch Kg. und Reichsversammlung verhandelt und ein Urteil gefällt werden sollte. Er hat seinen Anspruch in seiner Klage begründet, die Stellungnahme der Gegenseite dazu gefordert und um ein Urteil gebeten. Auch hat er sich vorbehalten, seine Klageschrift zu modifizieren oder zu erweitern, und die Vorlage von Beweisen angeboten. Er hatte erwartet, daß die Gegenpartei ebenfalls gemäß der kgl. Zitation verfahren und daß auf diesem RT ein Urteil ergehen würde, wem Groningen zusteht. Er hätte auch erwartet, daß die unzulässige Exzeption der Gegenpartei gemäß seinem Antrag nicht zugelassen würde. Er hat dabei erstens angeboten – und tut dies noch – zu beweisen, daß er selbst und sein Vater Hg. Albrecht gegen Friesland und Groningen ausschließlich gemäß den Mandaten des Kg. und des Hl. Reiches vorgingen, daß ein kgl. Mandat ihn auch eigens zur Belagerung Groningens ermächtigte1 und der Kg. ihm zu diesem Zweck Geschütze und 1000 Kriegsknechte schickte. Weder er noch sein Vater können deshalb unrechtmäßiger Gewalt oder einer Besitzentsetzung bezichtigt werden. Falls diese Tatbestände zu konstatieren wären – was er nicht zugesteht –, so wären sie doch nicht ihm, sondern dem röm. Kg. und dem Hl. Reich anzulasten. Den Reichsuntertanen darf kein Nachteil daraus entstehen, daß sie dem Reichsoberhaupt und dem Reich gehorchen. Zweitens hat er die Beweisführung darüber angeboten, daß die Groninger ihm gemäß Acht und Aberacht mit ihrem Leben und ihrer Habe verfallen waren, so daß er sich bei seinem Vorgehen gegen sie keines Unrechts und keiner Besitzentsetzung schuldig machen konnte. Die Gegenseite kann demgegenüber nicht geltend machen, daß das Handeln der Stadt die Rechte des Bm. Utrecht nicht tangiert. Genau diese Rechte gesteht er der Gegenseite nicht zu; sie hat dafür auch keine Beweise vorgelegt. Drittens hat Gf. Edzard von Emden, wie der Kg. weiß, die Stadt ohne sein Vorwissen und seine Zustimmung, auch nicht in seinem Namen, sondern, wie der Gf. selbst schreibt, im Namen des Reiches erobert. Demnach wurden die angeblichen Rechte des Bf. nicht tangiert; er, Hg. Georg, hat niemanden seines Eigentums entsetzt. Dem röm. Kg. obliegt die Rechtsprechung, er hat überdies triftige Gründe, die Einrede der Gegenseite zu verwerfen und das Verfahren ohne weiteren Aufschub gemäß der Zitation fortzusetzen, insbesondere weil – viertens – er das gut befestigte Groningen schwerlich wieder in Besitz nehmen kann, auch wenn ihm das Eigentumsrecht daran zugesprochen wird, und – fünftens – zumal wenn Gf. Edzard im Falle eines langwierigen Prozesses die Befestigungen der Stadt weiter ausbauen kann.
[2.] Er hat aus diesen Gründen ihn und die versammelten Kff. und Ff. mehrmals gebeten, dafür zu sorgen, daß ihm gemäß der Zitation im Hauptverfahren gegen den Bf. von Utrecht und die Stadt Groningen ungeachtet der Exzeption möglichst rasch zu seinem Recht verholfen wird. Wie sein berechtigtes und begründetes Anliegen bislang beschieden und das Verfahren deshalb in die Länge gezogen wurde, das wissen Kg. und Fürsten. Für den Fall, daß sie die Angelegenheit, wegen der er herzitiert wurde, noch zu dem von ihm erbetenen Abschluß bringen wollen, wird er eine entsprechende Vollmacht hinterlassen. Falls dem aber nicht so ist, kann er hier nicht länger auf sein Recht warten, sondern muß seine Angelegenheit Gott befehlen und sie in dem Stand belassen, wie sie vor der kgl. Zitation war.
s.l., s.d. jedoch Konstanz, vermutlich kurz vor dem 20. Juli 1507.2
Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 62–64’ (Kop.).
Nr. 377 Bescheinigung Sixtus Ölhafens (kgl. Sekretär) für die Parteien
[1.] Erklärung Hg. Georgs von Sachsen und der Anwälte Bf. Friedrichs von Utrecht über die Annullierung des in Konstanz geführten Verfahrens; [2.] Bescheinigung Sixtus Ölhafens darüber für beide Parteien.
Act. Konstanz, 20. Juli 1507.
Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8182/7, fol. 246–246’ (Or.) = Textvorlage A. Innsbruck, TLA, Maximiliana VI/33, fol. 13–13’ (dem Protokoll [Nr. 369] inserierte Kop.) = B.
Druck: Moser, Kanzlei II, Nr. 29, S. 130f.
Kurzregest: Baks, Inventaris, Nr. 809, S. 205.
[1.]
[2.] Dise bekantnus und ansag ist also zu disen acta verzeichnet und des yedem teyl /246’/ ein zetl zu gedechtnus geben. Mit mein, Sixten Olhafen, kgl. secretarien, hand verzeichnet. Actum ut supra. Sixtus Olhafen, a–regius secretarius subscripsit–.1
5.1.2. Sachsen gegen Groningen
Nr. 378 Protokoll über die Schiedsverhandlungen zwischen Hg. Georg von Sachsen und der Stadt Groningen
[1.] Eröffnung der Verhandlungen am 1. Juni, Bildung eines Ausschusses; [2.] Verhandlungen am 2. Juni: Bevollmächtigung der Anwälte Hg. Georgs von Sachsen; Verfahrensfragen; [3.] Protest Sachsens gegen die Vollmacht der Groninger Anwälte; [4.] Verhandlungen am 9. Juni: Einreichung einer weiteren Vollmacht und eines Schriftsatzes durch die Groninger Anwälte; [5.] Verhandlungen am 10. Juni: Einreichung eines Schriftsatzes durch die sächsischen Anwälte; Antrag Groningens auf Vertagung der Verhandlungen; [6.] Verhandlungen am 12. Juni: Einreichung eines Schriftsatzes durch die Groninger Anwälte; Verfahrensfragen; [7.] Verhandlungen am 14. Juni: Einreichung eines Schriftsatzes durch die sächsischen Anwälte; [8.] Entscheidung der Deputierten über eine Verfahrensfrage; [9.] Bescheinigung des kgl. Sekretärs Sixtus Ölhafen für die Parteien vom 29. Juli.
Act. Konstanz, 1. Juni-14. Juni, 29. Juli 1507.
Innsbruck, TLA, Maximiliana VI/33, fol. 32–44 (Konz. von verschiedenen Händen, Aufschr.: Prothocol Hg. Georg contra die stat Gruningen.).
[1.] /
Zum Kommissar wurde Bf. Heinrich von Augsburg ernannt, Deputierte für den röm. Kg. waren der Propst zu Stuttgart [Dr. Ludwig Vergenhans] und Hans Imber von Gilgenberg. Die Ebff. von Mainz und Magdeburg, Hg. Albrecht [von Bayern] und Hg. [Ulrich] von Württemberg stellten je einen Rat.
[2.] /34–35/ 2. Juni 1507. Verhandlungen vor der Schiedskommission.1
[3.] /35’-38/ Dr. Henning [Goede] als sächsischer Vertreter legte Protest ein: Hg. Georg habe die aufgrund der Entscheidung Kg. Maximilians am vergangenen Dienstag [1.6.] von den Anwälten Groningens vorgelegte sogenannte Vollmacht studiert und festgestellt, daß sie schon nach formalen Kriterien unzureichend sei; so fehlten einige der üblichen Klauseln. Insbesondere aber verstoße es gegen geltendes Recht, wenn die unter Acht und Bann stehenden Groninger darin feststellten, Gegenklage zu erheben. Die Anwälte Hg. Georgs lehnten es deshalb ab, die Vollmacht zuzulassen. Auch der Richter müsse im Sinne einer reibungslosen Umsetzung seines Urteils ein Interesse daran haben, daß die Vertreter der Parteien ausreichend bevollmächtigt seien. Die sächsischen Anwälte stellten die Entscheidung, ob die Vollmacht ausreichend sei, den Deputierten anheim. Falls diese so befinden sollten, so beantragten sie im Namen Hg. Georgs, daß die Groninger Anwälte für die Widerklage eine Bürgschaft stellten. Der Anwalt der Gegenseite sei verpflichtet, vor der Litiskontestation alle rechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen. Falls dieser sich weigere oder dies nicht tun könne, solle er nicht zugelassen und gegen Groningen ein Kontumazialprozeß eingeleitet werden. Dem Hg. von Sachsen sei dagegen gemäß der Wormser Ordnung2 die Fortsetzung des Prozesses bis zum Endurteil zu gestatten.
Der Vertreter Groningens [Dr. Hendrik Elderwolt] erbat eine Abschrift des sächsischen Protests und Gewährung einer Frist für seine Gegendarstellung.
Die sächsischen Anwälte erwiderten, daß sie den Protest nicht schriftlich formulieren wollten, da die Sache wichtig sei und dem Hg. daraus Nachteile entstehen könnten. Doch stellten sie es der Entscheidung der Deputierten anheim, ob der Gegenseite eine Abschrift übergeben werden solle oder nicht. Dieser dürfe gegebenenfalls für ihre Gegendarstellung allerdings nur eine kurze Frist eingeräumt werden.
[4.] /38–39/ 9. Juni 1507. Der Anwalt der Stadt Groningen reichte eine weitere Vollmacht ein.3 Die Anwälte Hg. Georgs verwiesen auf ihren früheren Protest und stellten fest, daß der Groninger Anwalt von Anfang an eine zweite Vollmacht bei sich gehabt, jedoch nicht vorgelegt habe. Sie akzeptierten die Vorlage der neuen Vollmacht. Falls der Anwalt nunmehr ausreichend bevollmächtigt sei, so seien sie einverstanden, ihn zum Verfahren zuzulassen; falls nicht, sei das Verfahren dessenungeachtet fortzusetzen.
Der Groninger Vertreter reichte daraufhin eine Einrede (E) ein4 und bat um deren Verlesung. Die Anwälte Hg. Georgs machten geltend, daß die Anhörung der Einrede unnötig sei, nachdem sie die Vollmacht akzeptiert hätten. Der Groninger Anwalt wiederholte seine Bitte mit dem Hinweis, daß er weitere Verhandlungen auf diesem Tag nicht erwartet habe.
Der Anwalt Groningens führte weiter aus, daß die Gegenpartei seine zuletzt eingereichte Vollmacht akzeptiert habe, und bat deshalb um die Verlesung seiner Einrede (F) [Nr. 382] gegen die sächsische Klageschrift.
Die sächsischen Anwälte bestätigten, daß sie diese sogenannte Einrede angehört hätten, und baten um Vertagung bis zum 10. Juni.
[5.] /39–39’/ 10. Juni 1507. Die sächsischen Anwälte reichten ein weiteres Schriftstück (G) [Nr. 383] ein. Die Gegenpartei erhielt davon eine Abschrift.
Der Anwalt Groningens erbat einen Aufschub unter Hinweis auf seine schlechten Deutschkenntnisse. Er müsse seine Schriftsätze zuerst in Latein verfassen und danach in das Deutsche übersetzen.
Die sächsischen Anwälte brachten demgegenüber Gründe für eine knappe Fristsetzung vor.
Die Verhandlung wurde auf Samstag [12.6.] (13.00 Uhr) vertagt.
[6.]
Die Anwälte Hg. Georgs erklärten, die vermeintliche Duplik angehört zu haben, und erneuerten dagegen ihre Replik. Sie baten erneut um Zulassung zum Beweis der Klageartikel, wohingegen der Antrag der Gegenseite schon aufgrund formaler Mängel abgewiesen werden sollte.
Die Anwälte Hg. Georgs erklärten noch einmal, sich nur allgemein über den von Groningen eingereichten Schriftsatz geäußert zu haben, und wiederholten ihre Forderung, der Gegenseite keine weiteren Verzögerungen zu gestatten.
Die Anwälte Groningens bestanden darauf, als Vertreter der beklagten Partei den abschließenden Schiftsatz einbringen zu dürfen. Die verhandelte Angelegenheit sei wichtig, und es sei auch vereinbart, schriftlich zu verfahren.
Die Deputierten bewilligten Groningen eine Abschrift der sächsischen Triplik und beraumten einen neuen Termin auf Montag [14.6.] (7.00 Uhr) an, sofern sie selbst nicht durch anderweitige Geschäfte verhindert sein würden.
[7.]
Die Anwälte Sachsens beließen es bei ihren bisherigen Darlegungen und stellten die Entscheidung den Deputierten anheim.
[8.] In der sachen zwischen Hg. Georgen von Sachsen etc. als cleger an einem und den von Grunyngen als antwurtern andersteils ist durch die röm. kgl. Mt. etc. und des Hl. Reichs Kff., Ff. und stende auf disem gegenwurtigen reichstag, zu Costenz versamelt, zu recht erkenta
,
[9.] /42’, 44/ 29. Juli 1507. b–Bescheinigung Sixtus Ölhafens für die Parteien– [Nr. 387].
Nr. 379 Klageschrift Hg. Georgs von Sachsen gegen die Stadt Groningen an Kg. Maximilian und die Reichsstände
[1.] Er erhebt vor dem röm. Kg., vor Kff. und Ff. sowie anderen Mitgliedern dieser Reichsversammlung folgende Klage gegen Bürgermeister, Rat und Gemeinde der Stadt Groningen: Kg. Maximilian hat mit Zustimmung von sechs Kff. seinen Vater Hg. Albrecht von Sachsen und dessen Erben mit der Statthalterschaft über ganz Friesland – wozu auch Groningen gehört – beauftragt und ihm befohlen, diese Gebiete im Namen von Kg. und Reich wieder botmäßig zu machen und sie zu regieren.1 An alle friesischen Stände, also auch an Groningen, gingen mehrere entsprechende kgl. Mandate aus.2 Sein Vater und nach dessen Tod er selbst konnten einen großen Teil des Landes unter ihre Kontrolle bringen, doch hat die Stadt Groningen nicht nur die kgl. Mandate mißachtet, sondern sich auch noch einen beträchtlichen Teil der Ommelande gewaltsam angeeignet und darüber hinaus adelige und andere Einwohner des Landes, die sich gegenüber den kgl. Mandaten gehorsam erzeigten, angegriffen und geschädigt sowie andere aufrührerische Friesen unterstützt. Obgleich Groningen deshalb in die Reichsacht erklärt wurde3, setzte die Stadt ihren Widerstand fort und verursachte zuerst seinem Vater, dann ihm selbst durch die erforderlichen Gegenmaßnahmen und an erlittenen Schäden Unkosten in Höhe von ca. 500 000 fl.rh.
[2.] Der kgl. Ladung zum heutigen Termin [1.6.] kam die Stadt nicht nach. Er beantragt deshalb, ihren Ungehorsam festzustellen, sie zur Erstattung seiner sämtlichen Kosten zu verurteilen und ynen auf ir unbillich widerhalten ein ewig sweygen einzulegen. Da Groningen die kgl. Achterklärung ignoriert und in Ungehorsam verharrt, bittet er außerdem, die Stadt zum Gehorsam ihm gegenüber zu zwingen und seinen entsprechenden Rechtsanspruch zu konstatieren. Zu dessen Durchsetzung erbittet er die Unterstützung von Kg. und Reich. Er beantragt, über seine Klage zu beraten und in aller Form ein Urteil zu sprechen. Sein Antrag gilt auch, falls ein Bevollmächtigter Groningens noch erscheinen und auf seine Klage antworten sollte. Ansonsten soll, wie gebeten, der Ungehorsam der Stadt konstatiert werden. Bietet an, seine Angaben zu beweisen, und behält sich gemäß dem geltenden Recht Änderungen an seiner Klageschrift vor.
Am 1. Juni 1507 in Konstanz an Kg. und Reichsstände übergeben.4
Innsbruck, TLA, Maximiliana VI/33, fol. 132–136 (Kop., Aufschr.: Clage wider die von Groningen. Überschr. entsprechend) = Textvorlage A. Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 58–60’ (Kop., Überschr.: Wider die stadt Groningen.) = B.
Nr. 380 Protest der Anwälte Hg. Georgs von Sachsen gegen die Vollmacht der Groninger Anwälte
Erklären vor Bf. Heinrich von Augsburg sowie den übrigen Kommissaren des Kg. und der Reichsversammlung, daß der röm. Kg. Hg. Georg von Sachsen am vergangenen Dienstag [1.6.] die vermeintliche Prozeßvollmacht der Groninger Anwälte eröffnet und eine Abschrift davon übergeben hat. Sie mußten feststellen, daß diese Vollmacht formal unzureichend ist. So fehlen die erforderlichen Klauseln über die Ablegung des Kalumnieneids und über die Stellung einer Kaution, wie dies der beklagten Partei obliegt. Überdies steht den unter Acht und Aberacht stehenden Groningern kein Recht auf eine Gegenklage zu. Den Richtern muß daran gelegen sein, daß die auftretenden Personen ausreichend bevollmächtigt sind. Sie bestreiten die Zulässigkeit der vorgelegten Groninger Vollmacht und beantragen deren Abweisung. Falls die Vollmacht zugelassen wird, sollen die Anwälte der Gegenpartei eine Prozeßbürgschaft leisten. Sie erwarten allerdings, daß diese sich weigern werden oder dazu außerstande sind. Sie beantragen, dessenungeachtet zur Beweisführung über ihre Klage zugelassen zu werden.
s.l., s.d., jedoch Konstanz, nach dem 2. Juni 1507.
Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 56–56’; 57–57’, 61 (2 wörtlich übereinstimmende Kopien, Überschr., fol. 56: Exception wider der von Groningen erst mandat, muntlich eingeredt. Überschr., fol. 57, entsprechend).
Nr. 381 Protest des Groninger Syndikus Dr. Hendrik Elderwolt an den Ausschuß
[1.] Erklärt im Namen der Stadt, daß er die im Namen Hg. Georgs erhobene Einrede gegen die Groninger Vollmacht [Nr. 380] nur für diejenigen Punkte akzeptiert, die für Groningen sprechen, weist jedoch die Punkte, die der Stadt nachteilig ausgelegt werden können, zurück und begnügt sich deshalb mit einer generellen Erwiderung auf die Einrede.
[2.] Hg. Georg macht geltend, daß das von ihm, Elderwolt, dem röm. Kg. vorgelegte Mandat ungenügend und ungültig sei, da die in Acht und Bann geschlagene Stadt ihren Vertreter darin zur Gegenklage bevollmächtigt habe. Dagegen wendet er ein, daß laut dem Gemeinen Recht der Beklagte auch nach der Litiskontestation während eines anhängigen Verfahrens befugt ist, Gegenklage zu erheben. Ebenso besagt das Gemeine Recht, daß die ihm erteilte Vollmacht nicht als Ganzes wirkungslos wird, auch wenn ein Teil davon nicht mehr gültig ist. Bislang hat Groningen im übrigen noch gar keine Gegenklage erhoben.
[3.] Er kann als Syndikus nicht die Kaution für die von der Gegenseite geforderten 500 000 fl. leisten, bietet jedoch an, eine eidliche Versicherung abzugeben. Das Gemeine Recht sieht dies für den, hier gegebenen, Fall vor, daß einer Prozeßpartei die Stellung einer Kaution durch Pfand oder Bürgen nicht möglich ist.1
[4.] Er bittet deshalb um die Entscheidung, die Groninger Vollmacht anzuerkennen und die Forderung der Gegenpartei nach Stellung einer Kaution von 500 000 fl. abzulehnen. Er beantragt, zur Anhörung seiner Einrede zugelassen zu werden und seine vorgelegte zweite, nicht anfechtbare Vollmacht zu verlesen, wodurch die von der Gegenpartei erhobenen Einwände gegenstandslos werden. Er war von der Stadt Groningen ermächtigt, die zweite Vollmacht später vorzulegen. Bittet zum Zurückweisung der sächsischen Einrede. Behält sich Änderungen an dieser Erwiderung vor.
s.l., s.d., jedoch in Konstanz zwischen dem 2. und 9. Juni den Deputierten vorgetragen.
Innsbruck, TLA, Maximiliana VI/33, fol. 140–143 (Kop.).
Nr. 382 Exzeption bzw. Positionalartikel des Groninger Anwalts Hendrik Elderwolt an die Kommissare
[1.] Er wird darlegen, warum Groningen nicht dazu verpflichtet ist, sich auf die von Hg. Georg erhobene vermeintliche Klage hin zu rechtfertigen. Zugleich erklärt er unter Protest, daß er diese Klageschrift nur akzeptiert, insofern sie für seine Partei und gegen die Gegenpartei spricht. Die Gegenpartei soll auf die folgenden Artikel mit „ja“ oder „nein“ antworten. Für die dann zurückgewiesenen Artikel bittet er, zur Beweisführung zugelassen zu werden.
[2.] 1. Das Gemeine Recht besagt, daß Spoliatoren nicht vor der Restitution des Geschädigten gegen diesen klagen können. 2. Die Stadt Groningen hat vor vielen Jahren ein Bündnis mit dem Ostergau geschlossen, worin ihr dort obrigkeitliche und Nutzungsrechte eingeräumt wurden. 3. Diese Rechte übte die Stadt bislang unangefochten aus. 4. Kg. Maximilian hat diese – ohnehin schon wirksame – Einung noch einmal bestätigt.1 5. Diese Bestätigung erwirkte seinerzeit Hg. Albrecht von Sachsen und erhielt dafür von der Stadt Groningen 1000 fl. 6. Gemäß dem Gemeinen Recht ist es nicht gestattet, daß jemand, der als Prokurator für einen anderen ein Rechtsgeschäft zustandegebracht hat, dieses aus Eigennutz wieder rückgängig macht. 7. Hg. Albrecht hatte nicht die Befugnis oder das Recht, den Ostergau gewaltsam einzunehmen; ebensowenig hat Hg. Georg das Recht, den Ostergau zu behalten. 8. Gemäß dem Gemeinen Recht ist nicht nur der Spoliator, sondern auch dessen Rechtsnachfolger als Nutznießer verpflichtet, sich wegen der gewaltsamen Entsetzung rechtlich zu verantworten. 9. Der in seinem Eigentumsrecht Geschädigte ist gemäß dem Gemeinen Recht befugt, gegen den Schädiger gewaltsamen Widerstand zu leisten. 10. Die Stadt Groningen hat auch mit den Ommelanden eine Einung geschlossen, worin ihr Obrigkeits- und Nutzungsrechte eingeräumt wurden. 11. Diese Einung wurde durch Ks. Friedrich konfirmiert.2 12. Diese Rechte übte die Stadt bis zu ihrer gewaltsamen Enteignung unangefochten aus. 13. Hg. Albrecht hat die Ommelande dessenungeachtet gewaltsam besetzt, Hg. Georg behält das Gebiet ohne irgendeinen Rechtstitel in seiner Gewalt. 14. Groningen hatte seine Obrigkeits- und Nutzungsrechte vor der gewaltsamen Besetzung der Ommelande durch Hg. Albrecht und den vermeintlichen Kläger Hg. Georg unbestritten inne. 15. Die dargelegten Fakten sind allgemein bekannt.
[3.] Bittet im Namen der Stadt um ein Urteil, wonach die Stadt Groningen vor ihrer Restitution nicht verpflichtet ist, sich auf die Klage Hg. Georgs hin zu verantworten, und ihr die Gerichtskosten erstattet werden müssen. Bittet, der Stadt zu ihrem Recht zu verhelfen. Behält sich Änderungen an dieser Einrede vor.
In Konstanz am 9. Juni 1507 an den Ausschuß übergeben.
Innsbruck, TLA, Maximiliana VI/33, fol. 144–148’ (Kop., Aufschr.F, Präsentatverm., Unterz. Dr. decr. Hendrik Elderwolt, Syndikus der Stadt Groningen) = Textvorlage A. Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 50–53’ (Kop. mit lat. Randvermm., vermutlich Hd. H. Goede, die teils den Inhalt kennzeichnen, teils Argumente für die sächsische Gegendarstellung enthalten. Überschr.: Exceptio Groningensis de spolio. Unterz. wie A) = B.3
Nr. 383 Replik Hg. Georgs von Sachsen an den Ausschuß
[1.] Die Anwälte Hg. Georgs erneuern auf die Spolieneinrede der Gegenseite hin den Antrag, sie zur Beweisführung ihrer Klageschrift zuzulassen, um den Ungehorsam der Gegenpartei zu beweisen. Demnach war die Stadt Groningen zum Zeitpunkt der angeblichen Spoliierung bereits der Reichsacht verfallen und Hg. Albrecht somit berechtigt, gegen die Stadt und ihr Eigentum vorzugehen. Der Hg. konnte an der Stadt kein Unrecht begehen. Alle, auch aus ksl. und kgl. Konfirmationen und anderen Begnadungen herrührenden Rechte waren aufgehoben, Groningen hatte den Schutz des Reichsfriedens verloren. Das Vorgehen der Hgg. von Sachsen gegen die Stadt geschah auf Befehl und mit Vollmacht des röm. Kg. Gegenüber der sächsischen Klageschrift und dieser Replik ist die Exzeption der Gegenseite gegenstandslos und nichtig.
[2.] a–In rechtlichen Verfahren sind unnötige Handlungen zu vermeiden–. Die Exzeption ist gegenüber Klage und Replik wirkungslos, sie dient nur zur Verlängerung des Verfahrens b–und verunglimpft im 5. und 6. Artikel unnötigerweise den verstorbenen Hg. Albrecht–. Deshalb beantragen sie, sie unter Feststellung des Ungehorsams der Gegenpartei, die zur Klage nicht Stellung genommen hat, zur Beweisführung zuzulassen, damit auch die Unbegründetheit der Exzeption offenkundig wird. Zugleich erneuern sie die früheren Anträge und Proteste Hg. Georgs.
In Konstanz am 10. Juni 1507 an den Ausschuß übergeben.
Innsbruck, TLA, Maximiliana VI/33, fol. 150–152 (Kop., Präsentatverm., Aufschr.: G.) = Textvorlage A. Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 54–55 (Kop., Überschr.: Replica ducis contra exceptionem Groningensem.) = B.1
Nr. 384 Duplik der Stadt Groningen an den Ausschuß
[1.] Sie, die Anwälte der Stadt Groningen, akzeptieren diejenigen Teile der sächsischen Replik, die für ihren Mandanten von Nutzen sind. Im übrigen protestieren sie gegen die vermeintliche Replik und erneuern ihre Exzeption, wonach die Stadt nicht verpflichtet ist, sich gegen die Klage Hg. Georgs zu verantworten, solange dieser ihr nicht ihr Eigentum zurückerstattet hat.
[2.] Die Gegenpartei führt an, daß die Stadt schon vor der Besetzung ihres Eigentums in die Reichsacht erklärt, somit aller ihrer vom Reich herrührenden Rechte verlustig geworden und das Vorgehen Hg. Albrechts von Sachsen deshalb berechtigt gewesen sei. Sie bestreiten, daß die Stadt etwas getan hat, das die Beschuldigung des Friedbruches rechtfertigt, ebenso, daß Groningen in der von der Gegenpartei behaupteten Weise durch den röm. Kg. geächtet wurde. Keinesfalls war Hg. Albrecht in der von der Gegenpartei unterstellten Weise durch den Kg. oder aufgrund der Rechtslage befugt, sich gewaltsam des unbestrittenen Eigentums Groningens zu bemächtigen. Ebensowenig waren die von Kss. und Kgg. herrührenden Privilegien und Rechte der Stadt aufgehoben worden. Der fünfte und sechste Artikel der Groninger Exzeption stellen keine Schmähung oder Beleidigung Hg. Albrechts dar. Bitten um Zulassung zur Beweisführung der vorgelegten Positionalartikel.
[3.] Bitten um die Zulassung der Exzeption ungeachtet der vermeintlichen sächsischen Replik und um Zulassung zur Beweisführung der Positionalartikel, soweit diese von der Gegenseite zurückgewiesen werden, vor Eintritt in ein rechtliches Verfahren. Behalten sich Änderungen an der Duplik vor.
In Konstanz am 12. Juni 1507 an den Ausschuß übergeben.
Innsbruck, TLA, Maximiliana VI/33, fol. 154–156 (Kop., Präsentatverm.) = Textvorlage A. Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 47–49 (Kop., Überschr.: Duplica Groningensis.) = B.1
Nr. 385 Eingabe Hg. Georgs von Sachsen an den Ausschuß
[1.] Antrag auf Zulassung zur Beweisführung; [2.] Vorgehen der Hgg. Albrecht und Georg von Sachsen gegen Groningen als Reichsstatthalter und kraft kgl. Befehl, Unrechtmäßigkeit des Groninger Widerstandes, Nichtigkeit der Groninger Spolieneinrede; [3.] Unbegründetheit des Vorwurfs einer widerrechtlichen Besitzentziehung; [4.] rechtliche Unangreifbarkeit der Hgg. von Sachsen als kgl. Mandatare; [5.] Gegenstandslosigkeit der von Groningen geltend gemachten Besitztitel hinsichtlich des Ostergaus und der Ommelande; [6.] Antrag auf Zurückweisung der gegnerischen Exzeption.
s.l., s.d., jedoch in Konstanz am 12. Juni 1507 an den Ausschuß übergeben.
Innsbruck, TLA, Maximiliana VI/33, fol. 127–131’ (lat. Kop., Aufschr.: Instructio contra Groeningen[ses]. Überschr.: Allegationes juris illustrissimi principis et domini, domini Georgii ducis Saxonie, perpetui gubernatoris Frisie etc., super his, que pro parte gratie sue replicative et triplicative sunt deducta, clare ostendentes, quod idem princeps reiectis exceptionibus et scripturis reorum (si libello suo respondere et litem desuper contestari non curaverint) ad probandum oblatam impetitionem suam de iure sit admittendus.).
[1.] Gemäß dem Gemeinen Recht sind in rechtlichen Verfahren unnötige Handlungen zu vermeiden.1 In diesem Fall präjudiziert die Beweisführung der Klageschrift die Einrede des Beklagten in der Weise, daß aus der Richtigkeit der Beweisführung de jure die Nichtigkeit der Einrede folgt. Der Kläger muß deshalb zuerst zur Beweisführung über seine Klage – ungeachtet der Einrede – zugelassen und angehört werden.2
[2.] Am Anfang seiner Klageschrift – für die Hg. Georg die Zulassung zur Beweisführung beantragte – wird dargelegt, daß der röm. Kg. mit Zustimmung von sechs Kff. seinen Vater Hg. Albrecht von Sachsen und dessen Nachfolger zu ewigen Statthaltern über das ganze zum Reich gehörige Friesland eingesetzt hat, wozu auch der Ostergau, die Ommelande und die Stadt Groningen gehören. Der Kg. befahl ihnen, diese Gebiete Kg. und Reich wieder botmäßig zu machen und zu regieren. Hg. Albrecht und nach seinem Tod Hg. Georg nahmen als Statthalter in Vollzug der kgl. Mandate die zum Reich gehörigen Ommelande und den Ostergau in Besitz. Die Groninger leisteten gegen den Vollzug dieser Mandate Widerstand. Daraus folgt von Rechts wegen die Nichtigkeit der Spolieneinrede, zumal keine arglistige Schädigung durch die beiden Fürsten vorlag, da sie in Stellvertretung und auf Befehl des Richters bzw. Herrschers handelten.3 Liegt indessen keine arglistige Schädigung vor, dann auch keine unrechtmäßige Besitzentziehung, da diese Gewalt und diese wiederum Arglist voraussetzt.4
[3.] Hg. Georg muß also zur Beweisführung über seine Klageschrift und das geltend gemachte Mandat zugelassen werden. Denn ist das Mandat bewiesen, folgt daraus die Entlastung vom Vorwurf der unrechtmäßigen Besitzentziehung. Wenn nun festgestellt ist, daß die Besitzentziehung oder die Schädigung ohne Verschulden von seiner Seite aufgrund eines Mandats entstanden ist, dann muß dies noch mehr gelten bei einem Mandat des röm. Kg. und des Hl. Reiches. Da Hg. Georg und sein Vater in Vollzug eines Befehls ihres Herrn handelten, sind sie vom Vorwurf der Besitzentziehung und der Schädigung entlastet.5
[4.] Offenkundig hatten und haben der röm. Kg. und das Hl. Reich über die beiden Fürsten als kgl. Vasallen die Befehlsgewalt. Die beiden Fürsten mußten diesen Mandaten gehorchen, sonst wären sie nicht frei von Arglist gewesen6, zumal wenn dieser Kg. der Herr aller Menschen ist und die Befugnis zur Strafverfolgung im ganzen Erdkreis innehat und wenn den beiden Fürsten als Vasallen dessen Person als unverletzlich erscheinen mußte und muß. Ihre Sache war und ist es nicht, zu befinden, ob das Mandat gerecht war oder nicht.7 Nicht einmal die Erörterung des kgl. Mandats hinsichtlich Recht und Unrecht stand ihnen frei; und es war auch nicht ihre Pflicht, zumal es mit dem Rat [der sechs Kff.] erging.8 Wenn die Exzipienten in einem Fall, da die beiden Fürsten den Befehlen ihres Herren gehorchten, behaupten, diese hätten Gewalt und Arglist gebraucht und sich unrechtmäßig Besitz angeeignet, dürfen sie nicht gehört werden.9 Selbst wenn sich die beiden Fürsten im Vollzug der Mandate etwas hätten zuschulden kommen lassen, so wäre dies dennoch gegenstandslos.10 Frena ergo ori excipentium de dicto praetenso spolio imponenda sunt.
Im übrigen gilt weiterhin das Argument der sächsischen Replik, daß die Reichsregalien von Geächteten ebenfalls außerhalb des Reichsfriedens stehen und als eingezogen gelten, so daß die beiden Fürsten hier keine unrechtmäßige Besitzentziehung begehen konnten. Hg. Georg bietet hierfür die Beweisführung an, infolge deren die Exzeption der Gegenseite unhaltbar würde, und weist in diesem Zusammenhang noch einmal auf seine an anderer Stelle gemachten Einwände gegen die Exzeption hin.
[5.] Die Einrede ist aus einem weiteren Grund unerheblich und unzulässig, wie sie in ihrer Replik und Triplik im allgemeinen ausführten.11 In der Einrede wird an erster Stelle ein – nach dem Gemeinen Recht ungültiger – Besitztitel hinsichtlich obrigkeitlicher und anderer Rechte geltend gemacht, der auf dem vom röm. Kg. konfirmierten Abkommen Groningens mit dem Ostergau und den Ommelanden gründet. Es steht fest, daß solche Bündnisse vom Gemeinen Recht verworfen werden, wenn sie zum Nachteil der Rechte und des Eigentums des Reiches oder der Obrigkeit geschlossen wurden.12 Solche Bündnisse sind auch gemäß dem Gemeinen Recht nicht derart, daß daraus Herrschafts- oder Eigentumsrechte abgeleitet werden könnten, welche die Geltendmachung von unrechtmäßigem Besitzentzug rechtfertigen.13 Da das Gemeine Recht diese Spolieneinrede verwirft und die Position Hg. Georgs stützt, darf die Exzeption der Gegenpartei auch nicht zugelassen werden.14 Die Gegenseite spezifiziert zudem nicht die aufgrund des bewußten Abkommens geltend gemachten Rechte. Dies hätte schon deshalb geschehen müssen, weil diese sehr unterschiedlicher Natur sein und auf verschiedene Inhaber bzw. Nutznießer verteilt sein können.15 Da die diversen obrigkeitlichen und jurisdiktionellen Befugnisse sowie die Nutzungsrechte von ihrer Rechtsnatur her unterschieden sind, folgt aus der Wegnahme des einen Rechts nicht notwendigerweise die des anderen.16 Da über die herangezogenen, jedoch nicht spezifizierten Rechte keine zuverlässigen Beweise vorgelegt werden können, kann auch kein verbindliches Urteil gefällt werden.17
Die geltend gemachte Konfirmation ist unerheblich, da aus ihr kein neues Recht erwächst.18 In der vermeintlichen Exzeption wurde auch nicht dargelegt, daß Hg. Georg oder sein Vater [Hg. Albrecht] die Beklagten ihrer Rechte beraubt hätten, in welcher Weise, wann oder wo sie dies getan haben sollen.19
Genaugenommen deduzierte die Gegenseite nur ihr vermeintliches Petitorium und das Interdikt „Uti possidetis“20, wonach es den beiden Fürsten nicht erlaubt war, die genannten Länder zu übernehmen und zu behalten, und es nicht zulässig ist, daß einer den anderen in seinem Besitzrecht beeinträchtigt. Daraus folgt aber in keiner Weise notwendig der Tatbestand einer Spoliation.
Da ferner sowohl die Groninger als auch die Einwohner des Ostergaus und der Ommelande dem Hl. Reich und dem röm. Kg. unterworfen waren und sind, bestand und besteht ein begründeter Anspruch auf diese zu Friesland gehörenden Gebiete.21 Deshalb konnten sich die Groninger nur aufgrund des Bündnisses auch keine obrigkeitlichen Rechte gegenüber Kg. und Reich aneignen. Umgekehrt war und ist der röm. Kg., der den rechtlichen Besitztitel (civilis possessio) für das ganze Reich innehat, befugt, selbst oder durch seinen Statthalter den tatsächlichen Besitz dieser Gebiete zu übernehmen. Die Einwohner des Ostergaus und der Ommelande waren und sind nicht befugt, sich zum Nachteil ihres rechtmäßigen Herrn der Stadt Groningen zu unterwerfen.22 Groningen wiederum kann wegen seines Ungehorsams gegen den röm. Kg. und seinen Statthalter um so weniger einen Besitztitel geltend machen. Vielmehr ist die Stadt wegen der unrechtmäßigen Besitzergreifung nicht nur zur Restitution, sondern auch zur Kassation etwaiger Rechte zu verurteilen.23
[6.] Aus den angegebenen und im weiteren der Kürze halber nicht eigens aufgeführten Gründen ist die vermeintliche Einrede der Gegenseite zurückzuweisen und festzustellen, daß das von Hg. Georg angestrengte Verfahren deshalb nicht verzögert werden darf.
Nr. 386 Quadruplik der Stadt Groningen an den Ausschuß
Die Anwälte der Stadt erklären, daß das von der Gegenpartei als vermeintliche Triplik [Nr. 385] eingereichte Schriftstück vor der Beweisführung über die Groninger Spolieneinrede nicht zugelassen werden darf. Statt dessen soll verfahren werden, wie sie dies in ihrer Einrede und Duplik gefordert haben. Sie lehnen unter Geltendmachung der Exzeption die Aufnahme der Hauptverhandlungen ab. Da diese formal korrekt und rechtmäßig ist, können sie nicht als ungehorsam gelten. Erklären, daß sie vor der Restitution der Stadt durch die Gegenseite zur Beantwortung der Klage nicht verpflichtet sind. Erneuern die Exzeption und Duplik zur Zurückweisung der gegnerischen Triplik.
In Konstanz am 14. Juni 1507 an den Ausschuß übergeben.
Innsbruck, TLA, Maximiliana VI/33, fol. 138–138’ (Kop., Präsentatverm.) = Textvorlage A. Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 31–31’ (Kop., Präsentatverm.) = B.
Nr. 387 Bescheinigung Sixtus Ölhafens (kgl. Sekretär) für die Prozeßparteien
[1.] Kassation des in Konstanz geführten Verfahrens durch Kg. Maximilian; [2.] Datum, Unterzeichnung.
Act. Konstanz, 29. Juli 1507.
Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8182/7, fol. 247–247’ (Or.) = Textvorlage A. Innsbruck, TLA, Maximiliana VI/33, fol. 42’, 44 (dem Protokoll [Nr. 378] inserierte Kop.) = B.
Kurzregest: Baks, Inventaris, Nr. 810, S. 206.1
[1.]
[2.] Actum zu Costenz, am XXIX. tag July Ao. 1507. Sixtus Olhafen, regius secretariusa subscripsit.